VG München, Urteil vom 23.06.2015 - M 6a K 15.76
Fundstelle
openJur 2015, 18496
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wird vom Beklagten seit ... Januar 2013 als private Rundfunkbeitragsschuldnerin für eine Wohnung geführt.

Da die Klägerin trotz mehrerer Anschreiben des ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice den Rundfunkbeitrag nicht entrichtete, setzte der Beklagte mit Gebühren-/Beitragsbescheid vom ... Juni 2014 für den Zeitraum vom ... Januar 2014 bis ... März 2014 einen rückständigen Betrag von a... EUR, bestehend aus b... EUR Rundfunkbeiträgen für eine Wohnung und c... EUR Kosten (Säumniszuschlag) fest. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom ... Juni 2014 Widerspruch ein. Zur Begründung verwies sie auf einen vorherigen Widerspruch vom ... März 2014 gegen einen Gebühren-/Beitragsbescheid des Westdeutschen Rundfunks vom ... März 2014.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom ... Dezember 2014, „abgeschickt am ... Dez. 2014“, als zulässig, aber unbegründet zurück, wobei er insbesondere auf die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshof vom 15. Mai 2014 (Vf. 8-VII-12 und Vf. 24-VII-12) Bezug nahm. Dem Widerspruchsbescheid war eine Rechtsbehelfsbelehrung angefügt, die insbesondere Folgendes enthielt: „Gegen den angefochtenen Gebühren-/Beitragsbescheid in der Fassung dieses Widerspruchsbescheids kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Klage erhoben werden.“

Die Klägerin erhob mit Schriftsatz vom ... Januar 2015, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am ... Januar 2015, „Klage gegen den Widerspruchsbescheid“. Sie beantragte,

1. den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom ... Dezember 2014 aufzuheben;

2. den Beklagten zu verpflichten, den Kläger wegen der in seinem Fall vorliegenden Grundrechteverletzung durch den Beklagten von der Pflicht der Zahlung von Rundfunkbeiträgen zu befreien;

3. dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Sie erhebe Klage gegen den Widerspruchsbescheid, weil sich dieser nicht explizit mit ihrem individuellen Sachverhalt auseinandersetze bzw. in keiner Weise kläre, ob die aktuelle rundfunkrechtliche Gesetzgebung einen Zahlungszwang auch bei der Verletzung von Grund- und Menschenrechten verfassungsrechtlich durchsetzen dürfe. Dazu erläuterte sie über mehrere Seiten aus ihrer Sicht den Sachverhalt. Auf Seite 5 erklärte sie, dass sie ihrem Gewissen entsprechend handele und die auferlegte Zahlungsverpflichtung in Form des Rundfunkbeitrags ablehne, da sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Rahmen der Meinungsvielfalt zwar hinnehmen müsse, aber nicht die Verpflichtung zu deren Finanzierung, da diese einen zielgerichteten Akt darstelle, der sich gegen ihre individuelle Selbstbestimmung richte. Sie schloss diesen Schriftsatz (Seite 6, dort letzter Absatz) mit der Bitte um gerichtlichen Hinweis, wenn es bei ihrem Klageantrag Nachbesserungsbedarf geben sollte.

In der Eingangsbestätigung des Verwaltungsgerichts München vom ... Januar 2015 war folgender Hinweis an die Klägerin enthalten: „Wegen eines Antrags zur Klage wird angeregt, die Rechtsbehelfsbelehrung zum Widerspruchsbescheid vom ...12.2014 genau zur Kenntnis zu nehmen.“

Der Beklagte legte mit Schriftsatz vom ... Januar 2015 seine Akte vor, erwiderte in der Sache und beantragte,

die Klage abzuweisen.

Mit Schriftsatz vom ... Januar 2015 erklärte der Beklagte, dass auf eine mündliche Verhandlung verzichtet werde. Die Klägerin erklärte mit Schriftsatz vom ... Januar 2015 ebenfalls, dass sie auf mündliche Verhandlung verzichte.

Mit Beschluss vom ... Juni 2015 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die Akte des Beklagten verwiesen.

Gründe

1. Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

2. Die Klage ist unzulässig und hat daher keinen Erfolg.

2.1 Die Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid vom ... Dezember 2014 (Antrag Nr. 1 im Klageschriftsatz vom ...1.2015) ist unzulässig, weil die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 bzw. § 79 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind. Der Widerspruchsbescheid wies den gegen den Gebühren-/Beitragsbescheide vom ... Juni 2014 erhobenen Widerspruch lediglich (als zulässig, aber unbegründet) zurück. Darin liegt weder eine erstmalige Beschwer im Sinne des § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, noch eine zusätzliche selbstständige Beschwer im Sinne des § 79 Abs. 2 VwGO, auch wenn sich der Beklagte in der Begründung des Widerspruchsbescheids nicht mit allen Argumenten der Klägerin explizit auseinandergesetzt haben mag.

Das Gericht hatte nur über die vorliegend erhobene isolierte Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid zu entscheiden. Das ergibt sich aus dem trotz zutreffender Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheids gestellten Klageantrag, den die Klägerin auch nach gerichtlichem Hinweis vom ... Januar 2015 nicht abänderte. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin ihren Schriftsatz vom ... Januar 2015 mit dem Betreff überschrieb „Klage gegen den Widerspruchsbescheid …“ und in der Begründung ausdrücklich erklärte, dass sie Klage gegen den Widerspruchsbescheid erhebe, weil sich dieser nicht explizit mit ihrem individuellen Sachverhalt auseinandersetze. Der Klägerin kam es also ersichtlich darauf an, den Widerspruchsbescheid aus der Welt schaffen zu lassen, damit der Beklagte einen neuen zu erlassen hätte, der den Anforderungen der Klägerin hätte Rechnung tragen sollen.

2.2 Die Verpflichtungsklage auf Befreiung der Klägerin von der Rundfunkbeitragspflicht wegen angeblicher Grundrechteverletzung (Antrag Nr. 2) ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Nach Lage der Akte des Beklagten hat die Klägerin vor Anrufung des Gerichts keinen entsprechenden Antrag beim Beklagten gestellt. Solches wäre aber vor Anrufung des Gerichts erforderlich gewesen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

5. Gründe für eine Zulassung der Berufung nach § 124 a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO lagen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird auf EUR 277,70 festgesetzt (§ 52 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte