LG Wuppertal, Urteil vom 23.12.2014 - 5 O 30/13
Fundstelle
openJur 2015, 21477
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 6.718,06 Euro nebst Zinsen i. H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.10.2012 zu zahlen.

Die Drittwiderklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung i. H.v. 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages

Tatbestand

Die Klägerin ist eine gewerbliche Autovermieterin, die den im Eigentum der BMW AG stehenden PKW BMW 530 D mit dem Kennzeichen XXX an den Drittwiderbeklagten vermietet hatte. Dieser befuhr am 18.07.2012 in K die M Straße aus Richtung Rotdornallee kommend in Fahrtrichtung Gstraße. Die Beklagte zu 2) befuhr mit dem PKW Toyota, Kennzeichen ...#, der bei der Beklagten zu 3 haftpflichtversichert ist, gegen 19.40 Uhr die Tstraße aus Fahrtrichtung Lstraße. Halter des Pkws ist der Beklagte zu 1).

Im Bereich der Kreuzung Tstraße/M Straße, in der die Geschwindigkeit auf 30 km/h begrenzt ist, kam es zu einem Zusammenstoß der Fahrzeuge. Im Kreuzungsbereich gilt die Vorfahrtsregelung "rechts vor links". Aus Sicht des Drittwiderbeklagten kam die Beklagte zu 2) von links in die Kreuzung eingefahren.

Durch den Unfall erlitt das Fahrzeug der Klägerin einen Schaden in Höhe von 26.897, 24 Euro. Davon entfallen 20.381, 14 Euro netto auf Reparaturkosten, die Wertminderung beträgt 5. 000 Euro, der von der Klägerin an das Sachverständigenbüro gezahlte Betrag für die Erstellung des Gutachtens beträgt 1.491,10 Euro. Des Weiteren begehrt die Klägerin die Zahlung einer Auslagenpauschale von 25 Euro. Die Beklagte zu 3) legte diese Werte ihrer Schadensberechnung zu Grunde und beglich den Schaden mit einer Quote von 25 %, entsprechend einem Betrag von 6. 718, 06 Euro, durch Zahlung an die Klägerin.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung von weiteren 25 %. Die BMW AG als Eigentümerin des BMW 530 D ermächtigte die Klägerin mit Schreiben vom 05.05.2013, Schadensersatzansprüche im eigenen Namen mit Zahlung an sich geltend zu machen.

Der Beklagte zu 1) begehrt im Wege der Drittwiderklage gegenüber dem Fahrer des klägerischen Fahrzeuges Zahlung von Schadensersatz. Seine Vollkaskoversicherung, die E regulierte den Schaden bis auf eine Selbstbeteiligung von 300 Euro. In der Zeit vom 29.08.2012 bis zum 05.09.2012 nutzte der Beklagte zu 1) einen Mietwagen; die Kosten hierfür betrugen 173, 10 Euro. Für die Abmeldung des Fahrzeuges wandte der Beklagte zu 1) 5,90 Euro auf.

Darüber hinaus begehrt der Kläger Feststellung der Ersatzpflicht im Hinblick auf einen Höherstufungsnachteil bei seiner Vollkaskoversicherung.

Die Klägerin behauptet, dass die Beklagte zu 2) die Vorfahrt des Drittwiderbeklagten missachtet habe. Dieser sei mit deutlich herabgesetzter Geschwindigkeit gefahren, da er beabsichtigt habe, von der M Straße nach rechts in die Tstraße abzubiegen. Aus diesem Grunde sei die gegenüber den Polizeibeamten - unstreitig - angegebene Geschwindigkeit von 60 - 70 km/h nicht zutreffend.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Drittwiderbeklagte darauf habe vertrauen dürfen, dass sein Vorfahrtsrecht beachtet werde. Die Beklagte zu 2) hätte sich vor dem Einfahren in die Kreuzung sorgfältig vergewissern müssen, dann hätte sie auch den bereits heranfahrenden Pkw der Klägerin sehen können und müssen, unabhängig von der Frage, ob dieser zu schnell gefahren sei. Ein Wartepflichtiger müsse zudem mit typischen Verstößen des Vorfahrtberechtigten rechnen, so z.B. damit, dass der Berechtigte schneller als erlaubt fahre.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 6.718,06 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.10.2012 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 1) beantragt widerklagend,

1. den Drittwiderbeklagten zu verurteilen, an ihn 504,-Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.07.2013 zahlen,

2. festzustellen, dass der Drittwiderbeklagte verpflichtet ist, den Widerkläger von den Höherstufungsnachteilen in seiner Vollkaskoversicherung (Schadensnummer bei E:...) freizustellen.

Der Drittwiderbeklagten beantragt,

die Drittwiderklage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, dass der Unfall allein auf eine weit überhöhte Geschwindigkeit des Drittwiderbeklagten zurückzuführen sei. Dies ergebe sich - so ihre Auffassung - nicht nur aus der Einlassung des Drittwiderbeklagten gegenüber den Polizeibeamten, sondern auch aus den Aussagen von unbeteiligten Zeugen.

Zudem müsse auch der Vorfahrtsberechtigte mit angepasster Geschwindigkeit fahren. Auch der Wartepflichtige könne und dürfe auf eine angepasste Fahrweise vertrauen.

Im Übrigen gelte eine Wartepflicht nur gegenüber sichtbaren Berechtigten. Sie entfalle, soweit herannahender bevorrechtigter Verkehr aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles noch nicht erkennbar sei. Der Drittwiderbeklagte sei verpflichtet gewesen, seine Geschwindigkeit den konkreten Verkehrs-, Straßen -, Sicht- und Witterungsverhältnissen anzupassen und so zu bemessen, dass er innerhalb der übersehbaren Strecke hätte anhalten können. Da er dies nicht getan habe, komme ihm die alleinige Verantwortung für den Unfall zu.

Durch Bepflanzungen, Bebauungen sowie parkende Fahrzeuge seien die Sichtverhältnisse im Kreuzungsbereich eingeschränkt. Die Beklagte zu 2) habe ihre Geschwindigkeit herabgesetzt und sodann angehalten, um sich zu orientieren. Nach rechts habe sie sich zunächst zwischen einer Garage und einem parkenden Pkw hindurch Überblick über den weiter entfernt liegenden Verkehrsraum der M Straße verschafft. Nach dem kein herannahender Verkehr wahrzunehmen gewesen sei, habe sich die Beklagte zu 2) dann vorsichtig weiter vorgetastet und nach links und insbesondere rechts hin abgesichert. Als sie bereits die Mitte der Kreuzung erreicht bzw. überfahren habe, sei plötzlich der Drittwiderbeklagten von rechts mit weit überhöhter Geschwindigkeit in die Kreuzung gefahren. Durch die Wucht des Aufpralls sei ihr Fahrzeug sogar mehrere Meter über den Kreuzungsbereich hinweg gegen einen Schutzpoller geschleudert worden.

Das Gericht hat den Drittwiderbeklagten und die Beklagte zu 2) persönlich angehört. Des Weiteren hat das Gericht Beweis erhoben gemäß Beweisbeschlüssen vom 31.10.2013 durch Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens (Bl. 205, 224 f der Gerichtsakte). Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31.10.2013 (Bl. 212 ff der Gerichtsakte) sowie auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. S vom 01.09.2014 (Bl. 262 ff der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Gründe

Die grundsätzliche Haftung der Parteien folgt aus §§ 7, 17, 18 StVG, 155 VVG. Es liegt weder höherer Gewalt im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG vor noch war der Unfall für einen der beteiligten Fahrer unabwendbar im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG. Auch konnten die beteiligten Fahrer nicht den Nachweis führen, dass der Unfall ohne ein Verschulden ihrerseits erfolgte, wie noch ausgeführt werden wird.

Im Übrigen wird die grundsätzliche Haftung der Parteien von diesen auch nicht in Abrede gestellt.

Der Umfang der Haftung der Parteien hängt damit vom Ergebnis der nach § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge ab. Hierbei ist neben der Betriebsgefahr insbesondere auch der Grad eines etwaigen Verschuldens zu berücksichtigen, wobei zum Nachteil einer Partei nur unstreitige bzw. bewiesene Tatsachen berücksichtigt werden können.

Auf Seiten der Beklagten ist zunächst die Betriebsgefahr des Fahrzeuges des Beklagten zu 1) zu berücksichtigen.

Diese Betriebsgefahr wird auch durch ein Verschulden erhöht.

Denn die Beklagte zu 2) ist entgegen § 9 Abs. 3 S. 1 StVO in die Kreuzung eingefahren, ohne die Vorfahrt des Drittwiderbeklagten hinreichend berücksichtigt zu haben.

Die Kammer folgt hierbei den AusfühPn des Sachverständigen Dipl. Ing.S, an dessen Fachkenntnisse keine Zweifel bestehen. Solche sind auch von den Parteien nicht vorgebracht worden.

Auch im vorliegenden Fall hat sich der Sachverständige mit dem streitgegenständlichen Fall auseinandergesetzt und hierbei zunächst den Sachverhalt der Parteien korrekt wiedergegeben. Er hat des Weiteren die ihm überlassenen Lichtbilder ausgewertet, ebenfalls die Schadensgutachten. Er selbst hat die Unfallstelle vermessen und die Örtlichkeit sowohl in Fotos festgehalten als auch inhaltlich beschrieben. In diese Örtlichkeit hat er die Situation nach dem Unfall, die durch eine polizeiliche Verkehrsunfallskizze und durch eine Vielzahl von Lichtbildern dokumentiert wurde, eingetragen. Des Weiteren hat er sich auch mit der Aussage der Zeugen befasst und so z.B. den Standort des parkenden Pkws, den die Zeugin P beschrieben hatte, in die Zeichnung aufgenommen.

Der Sachverständige hat dann die Schäden an den Fahrzeugen beschrieben und ausgeführt, dass die massiven Beschädigungen an der Beifahrertür und an dem rechten vorderen Kotflügel sowie dem rechten Vorderrad des beklagten Fahrzeuges zurück geführt werden können auf das Eindringen der linken Fronthälfte des von der Klägerin vermieteten Fahrzeuges.

Dabei hat der Sachverständige festgestellt, dass die kerbartige Einprägung der Haube des BMWs mit der stabilen A-Säule, an der die Beifahrertür aufgehängt ist, korrespondiert. Hieraus ergibt sich ein Winkel zwischen den Fahrzeuglängsachsen von 55 bis 60 Grad.

Der Anstoß durch den BMW führte zu einer Rotationsbewegung beim Beklagtenfahrzeug. Nach kurzer Bewegungsstrecke hat sich nach der Erstkollision eine weitere Sekundärkollision ergeben. Beide Fahrzeuge haben nach der Erstkollision noch eine geringe Strecke zurückgelegt, das Beklagtenfahrzeug 8, 5 Meter und das klägerische Fahrzeug rund 13, 5 Meter.

Dennoch ist aus der Abfolge Erstkollision, Rotationsbewegung, Sekundärkollision abzuleiten, dass die Auslaufgeschwindigkeit des BMWs nicht nennenswert höher gewesen sein kann als die des Pkws der Beklagten.

Der Sachverständige hat sodann die Kollisionsgeschwindigkeit errechnet unter Zugrundelegung des Impulsgesetzes und des Drallsatzes, der insbesondere die Deformationsintensität und die daraus abzuleitenden gegenseitige Beeinflussung der Fahrzeuge berücksichtigt. Darüber hinaus hat der Sachverständige Toleranzen berücksichtigt.

Damit hat der Sachverständige die üblichen und wissenschaftlichen bekannten Verfahren benutzt und die sich hieraus ergebenden Ergebnisse plausibel und nachvollziehbar dargelegt.

Danach betrug die Kollisionsgeschwindigkeit des Fahrzeuges der Beklagten 12 - 21km/h und die des BMW 30 - 39 km/h.

Daraus folgt aber, dass die Beklagte zu 2) noch zum Zeitpunkt der Kollision eine Geschwindigkeit von wenigstens 12 km/h inne hatte. Damit konnte sie aber das Vorfahrtsrecht des Drittwiderbeklagten nicht gewähren.

Die Beklagten können sich auch nicht darauf berufen, dass der Drittwiderbeklagten sein Vorfahrtsrecht verloren hätte, weil er mit überhöhter Geschwindigkeit fuhr oder weil er vor der Kollision durch die Beklagte zu 2) nicht hätte gesehen werden können.

Auch insoweit folgt das Gericht den Ausführungen des Sachverständigen S.

Dieser hat zunächst ausgeführt, dass die Beklagte zu 2) in ihrer Sicht nicht behindert wurde durch den parkenden Pkw. Vielmehr hätte die Beklagte zu 2) bereits 4 Meter vor der Kollision an dem parkenden Fahrzeug vorbeischauen können. Für diese 4 Meter hätte sie eine Zeit von 0, 7 bis 1, 1 Sekunden benötigt. Zu diesem Zeitpunkt wäre der klägerische BMW ca. 15 bis 18 Metern entfernt und somit für die Beklagte zu 2) erkennbar gewesen.

Die Beklagte zu 2) war aufgrund der konkreten Verkehrssituation auch gehalten, sich langsam in die Kreuzung vorzutasten. Denn sie führt selbst aus, dass im Blickwinkel durch den parkenden Pkw jedenfalls eingeschränkt war. Sie musste deshalb so langsam fahren, dass sie hätte anhalten können, nachdem im Blick nach links in Fahrtrichtung des klägerischen Pkws freigeworden war. Dies war aber nur möglich bei einer Geschwindigkeit deutlich unter 12 km/h.

Damit hat die Beklagte zu 2) gegen eine wichtige Vorschrift zur Sicherung des fließenden Verkehrs verstoßen.

Hingegen konnten die Beklagten, bzw. der Drittwiderkläger nicht beweisen, dass der Drittwiderbeklagten ebenfalls schuldhaft gegen eine Vorschrift der StVO verstoßen hätte. Insbesondere konnten sie nicht nachweisen, dass der Drittwiderbeklagten mit einer erhöhten Geschwindigkeit fuhr.

Aus dem Gutachten des Sachverständigen S ergibt sich, dass der Drittwiderbeklagte das Einfahren des beklagten Fahrzeuges erst erkennen konnte, als sich die Front des Pkws am Beginn des Kreuzungsbereiches befand. Zwar muss auch ein Vorfahrtsberechtigter bei einer kritischen Verkehrssituation seine Geschwindigkeit darauf einrichten. Die kritische Verkehrslage beginnt für einen Verkehrsteilnehmer erst dann, wenn die ihn erkennbare Verkehrssituation konkreten Anhalt dafür bietet, dass eine Gefahrensituation unmittelbar entstehen kann (BGH NJW 2003, 1929 m.w. N.). Für einen vorfahrtsberechtigten Verkehrsteilnehmer ist dies in Bezug auf seinen Vorrang nicht bereits der Fall, wenn nur die abstrakte, stets gegebene Gefahr eines Fehlverhaltens anderer besteht, vielmehr müssen erkennbare Umstände eine bevorstehende Verletzung eines Vorfahrtsrechtes nahe legen. Von Bedeutung sind hierbei neben der Fahrweise des Wartepflichtigen alle Umstände, die sich auf dessen Fahrweise auswirken können (BGH a. a. O.).

Der Drittwiderbeklagten konnte das Fahrzeug der Beklagten erst 7 Meter vor Erreichen der Kollisionsposition erkennen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte zu 2) eine Geschwindigkeit von 12 - 21km/h inne, wobei zulasten des Drittwiderbeklagten lediglich von einer Geschwindigkeit von 12 km/h ausgegangen werden kann. Auf diese Geschwindigkeit hätte der Drittwiderbeklagten nur reagieren müssen, wenn für ihn deutlich erkennbar gewesen wäre, dass es der Beklagte zu 2) nicht möglich gewesen wäre, rechtzeitig anzuhalten. Das kann aber nicht festgestellt werden. Denn die Geschwindigkeit von 12 km/h ist recht niedrig. Zum anderen ist die Einschätzung einer Geschwindigkeit eines anderen Verkehrsteilnehmers, der zudem in eine andere Fahrtrichtung fährt, praktisch unmöglich, wie dies dem Gericht aus zahlreichen Verfahren bekannt ist. Zudem musste der Drittwiderbeklagten seinerseits nach rechts die Vorfahrt gewähren und deshalb in einem kurzen Zeitraum sowohl die Geschwindigkeit der Beklagten zu 2) einschätzen als auch eine mögliche Vorfahrt eines anderen Verkehrsteilnehmers, der sich von rechts hätte nähern können, mit berücksichtigen. Es kann deshalb nicht festgestellt werden, dass der Drittwiderbeklagten bei Annäherung an die Kreuzung bereits hätte erkennen können, dass es der Beklagten zu 2) nicht möglich war, rechtzeitig seine Vorfahrt zu gewähren. Damit bestand beim ersten Sichtkontakt noch kein Anlass für den Drittwiderbeklagten, seine Geschwindigkeit zu reduzieren.

Dass die Beklagte zu 2) ihren PKW nicht anhalten würde war für den Drittwiderbeklagten erst erkennbar, als die Beklagte zu 2) ihrerseits ausreichend Sicht nach rechts hatte und dennoch nicht anhielt. Dies war ca. 0, 7 - 1, 1 Sekunden vor der Kollision der Fall.

Unter Berücksichtigung der Vorbremszeit von 0, 8 Sekunden bestand für den Drittwiderbeklagten damit keine Möglichkeit, den Pkw noch abzubremsen. Denn zu Gunsten des Drittwiderbeklagten muss davon ausgegangen werden, dass die Situation, in der eine Gefahr erkennbar war, erst 0, 7 Sekunden vor der Kollision erkennbar war.

Bei einer Vorbremszeit, deren Standardwert 0, 8 Sekunden beträgt, war es dem Drittwiderbeklagten somit nicht möglich, sein Fahrzeug noch vor dem Zusammenstoß abzubremsen.

Aus dem Gutachten ergibt sich, dass die Kollisionsgeschwindigkeit von 30 - 39 km/h seitens des Klägers auch zuvor nicht oder jedenfalls nicht wesentlich überschritten wurde.

Zu Lasten des Klägers kann lediglich von einer Kollisionsgeschwindigkeit von 30 km/h ausgegangen werden, so dass die Beklagten nicht haben beweisen können, dass sich der Drittwiderbeklagten mit einer erhöhten Geschwindigkeit der Kreuzung genähert hatte.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht auf der Aussage der Zeugen P und R.

Zwar hat die Zeugin P ausgeführt, dass der Kläger gegenüber Zeugen angegeben habe, dass er eine Geschwindigkeit von 60 bis 70 km/h inne gehabt habe. Entsprechendes ergibt sich auch aus der beigezogenen Akte der Staatsanwaltschaft, insbesondere aus der Verkehrsunfallanzeige.

Dennoch vermochte das Gericht hieraus nicht den sicheren Schluss zu ziehen, dass der Drittwiderbeklagten vor der Kollision eine derartige Geschwindigkeit, jedenfalls aber eine Geschwindigkeit von über 30 km/h inne hatte. Zwar wird die Aussage auch bestätigt durch den Zeugen R der ebenfalls angab, dass der Kläger selbst geäußert habe, dass er mit über 60 km/h gefahren sei. Dennoch ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Zeugin P selbst angibt, dass sie im Hinblick auf den Unfall Erinnerungslücken hatte, insbesondere bezüglich der Dinge, die sich nach dem Unfall ereignet haben. Die Äußerung des Drittwiderbeklagten erfolgte aber gerade nach dem Unfall. Auch an ein Aufheulen des Motors, den andere geschrieben haben, konnte sich die Zeugin nicht erinnern.

Der Zeuge R hat ausgesagt, dass er vor dem Unfall ca. 50 Meter entfernt von der Kreuzung gestanden habe. Er hat dann weiter gesagt, dass er zunächst ein Geräusch wahrgenommen habe, weil ein Auto stark beschleunigt habe. Aus diesem Grunde habe er zur Unfallstelle hingesehen. Insoweit kann aber aufgrund von objektiven Kriterien nicht festgestellt werden, ob der Zeuge tatsächlich den Unfall beobachtet hat oder ob insoweit lediglich ein Rückschluss durch das Aufheulen des Motors und der anschließenden Kollision gezogen wird. Gleiches gilt im Hinblick auf die Geschwindigkeit. Eigene Angaben hierzu konnte der Zeuge auch nicht machen.

Der Zeuge hat dann allerdings weiter ausgesagt, dass er vernommen habe, dass der Kläger selbst geäußert habe, dass er eine Geschwindigkeit von 30 km/h deutlich überschritten habe. Dies mag ein wichtiges Indiz für eine Geschwindigkeitsüberschreitung sein.

Die Angabe des Drittwiderbeklagten ist aber nicht hinreichend, um eine sichere Überzeugung von einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch das Gericht annehmen zu können. Denn die eigene Angabe des Drittwiderbeklagten wird durch die Ausführungen des Sachverständigen S nicht bestätigt. Dieser konnte aus den Beschädigungen und dem Ablauf des Verkehrsunfalls mit 2 nacheinander geschalteten Kollisionen ausschließen, dass der Drittwiderbeklagten eine deutlich höhere Geschwindigkeit inne hatte als die Beklagte zu 2).

Damit kann ein Geschwindigkeitsüberschreitung nicht hinreichend sicher festgestellt werden, allerdings auch nicht sicher ausgeschlossen werden, so dass der Drittwiderbeklagte auch nicht den Nachweis gemäß § 18 Abs. 1 S. 2 StVG führen konnte.

Ob die Geschwindigkeit des Drittwiderbeklagten im Hinblick auf eine mögliche Pflicht zur Gewährung der Vorfahrt nach rechts durch den Drittwiderbeklagten zu hoch war, braucht hier nicht festgestellt werden, da sich die Beklagte hierauf nicht berufen können.

Nach alledem steht lediglich ein unfallursächliches Verschulden auf Seiten der Beklagten fest, während der Klägerin, bzw. den Drittwiderbeklagten nur die Betriebsgefahr zur Last fällt. Diese tritt vollständig hinter dem unfallursächliches Verschulden zurück.

Danach war die Klage dem Grunde nach begründet und die Widerklage abzuweisen.

Der Klägerin steht auch ein Anspruch auf Zahlung von 6.718,06 Euro nebst Zinsen zu.

Die Beklagte zu 3) hat die von der Klägerin dargelegte Schadensberechnung selbst ihrer Berechnung zu Grunde gelegt. Wenn sie die Schadensberechnung nunmehr nicht für zutreffend hält, hätte es einer Darlegung bedurft, weshalb ihre vorherige Schadensschätzung unzutreffend war.

Danach hat die Klägerin Anspruch auf Zahlung der Reparaturkosten, der Wertminderung, der Kosten des Sachverständigen und einer Auslagenpauschale. Der gesamte Schaden beträgt 26.897, 24 Euro. Die Klägerin selbst begehrt Zahlung von 50 Prozent des Schadens. Hierauf hat die Beklagte zu 3) bereits 6.718,06 Euro bezahlt, so dass noch ein Anspruch auf Zahlung von weiteren 6.718,06 Euro besteht.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 S. 1 ZPO.

Streitwert: 6.718,06 Euro

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