OLG Hamburg, Beschluss vom 09.06.2005 - 11 W 30/05
Fundstelle
openJur 2011, 14453
  • Rkr:
Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Kammer 17 für Handelssachen, vom 07.03.2005 (417 O 30/05) aufgehoben.

Die Sache wird an das Landgericht zur Fortführung des Verfahrens zurückverwiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen. Sie hat außerdem der Antragsgegnerin deren außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Der Geschäftswert wird für die Gerichtskosten auf EUR 200.000,--, für die außergerichtlichen Kosten auf EUR 5.000,-- festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde ist nach § 17 SpruchG und §§ 21, 22 FGG zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

1. Allerdings hat das Landgericht den Antrag der Klägerin mit Recht abgewiesen. Denn die von der Antragstellerin eingereichte Kopie der Wertpapierabrechnung ihrer Bank reichte nicht aus, um den nach § 3 Satz 3 SpruchG erforderlichen Nachweis ihrer Aktionärsstellung zu führen. Mit Recht hat das Landgericht den angefochtenen Beschluss darauf gestützt, dass die vorgelegte Kopie aus mehreren Gründen zum Nachweis nicht ausreicht. Zum einen geht aus ihr nicht hervor, dass die Antragstellerin am Tag der Eintragung des Übertragungsbeschlusses, auf den es für den Aktienbesitz ankommt (OLG Hamburg AG 2003, 622; Hüffer § 3 SpruchG Rdn. 6), Aktionär war. Zum anderen handelt es sich eine nicht unterzeichnete Kopie, die zudem durch Schwärzungen verändert ist (vgl. § 419 ZPO). Unter diesen Umständen handelte das Landgericht in Ausübung seiner Hinweispflicht nach §§ 8 Abs. 2 SpruchG, 139 ZPO sachgerecht, wenn es der Antragstellerin mit Verfügung vom 07.02.2005 aufgegeben hat, die Antragsberechtigung durch Vorlage geeigneter Unterlagen nachzuweisen.

2. Gleichwohl ist die Beschwerde begründet, denn mit der Vorlage eines unterzeichneten Depotauszuges, der die Stellung der Antragstellerin als Aktionärin der R D AG zum maßgeblichen Zeitpunkt bestätigte, hat die Antragstellerin nunmehr ihre Antragsbefugnis nachgewiesen.

a) Anders wäre zu entscheiden, wenn der Antrag wegen eines Verstoßes gegen §§ 3, 4 SpruchG als unzulässig angesehen werden müsste. Hiervon ist aber nicht auszugehen. Zwar gehört es nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 SpruchG zur Zulässigkeit, das die Antragsbegründung die dort geforderten Angaben enthält. Damit wäre ein Antrag auch unzulässig, wenn die Darlegung der Antragsberechtigung nach § 3 SpruchG fehlt, wenn der Antragsteller also nicht vorgetragen hätte, dass er im maßgeblichen Zeitpunkt ausgeschiedener Aktionär der Gesellschaft war. Der Senat lässt offen, ob zur Zulässigkeit auch die Vorlage einer Urkunde erforderlich ist, die entsprechend § 3 Satz 3 SpruchG diesen Nachweis erbringt. Jedenfalls aber muss es ausreichen, wenn ein Schriftstück, und sei es auch nur in Kopie, vorgelegt wird, dass die Antragsberechtigung immerhin wahrscheinlich macht, wie es hier mit der Wertpapierabrechnung geschehen ist. In einem solchen Fall ist die vom Landgericht im Rahmen seiner richterlichen Hinweispflicht nach §§ 8 Abs. 3 SpruchG, 139 ZPO geübte Handhabung sachgerecht, den Antragsteller zur Vorlage der geeigneten Urkunde aufzufordern, die dann auch noch außerhalb der Dreimonatsfrist nachgereicht werden kann. Die Zulässigkeit des Antrags kann vom Standpunkt des Gerichts, welche Urkunde in welcher Form den Nachweis führt, nicht abhängen.

b) Das neue Vorbringen ist auch für die Beschwerdeentscheidung zu berücksichtigen; denn das Spruchverfahrensgesetz hat in § 12 die Möglichkeit, in der Beschwerdeinstanz neue Tatsachen zu berücksichtigen, nicht eingeschränkt. Vielmehr gilt über § 17 Abs. 1 SpruchG die Vorschrift des § 23 FGG, wonach die Beschwerde auf neue Tatsachen und Beweise gestützt werden kann.

c) Einer Berücksichtigung des neuen Vorbringens stehen auch nicht die Vorschriften der §§ 9, 10 SpruchG entgegen. Zwar hat die Antragstellerin die in § 9 SpruchG normierte Verfahrensförderungspflicht deutlich verletzt, indem sie trotz der Auflage durch die Kammer, das, was ohnehin sofort angebracht gewesen wäre, nicht vorlegte. Nach § 10 Abs. 2 SpruchG kann derartiges verspätetes Vorbringen aber nur zurückgewiesen werden, wenn die Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Verfahrens verzögern würde. Daran fehlt es hier. Denn das vor dem Landgericht auf Antrag zahlreicher anderer Aktionäre noch anhängige Spruchverfahren, in dem über die Angemessenheit der Abfindung entschieden wird, befindet sich noch in der Anfangsphase. Es wird durch die Zurückverweisung dieses Antrages nach der gebotenen Verbindung nicht verzögert. Insoweit gilt nichts anderes als für Teilurteile im ordentlichen Zivilprozess; auch dort wird, wenn es um die Verzögerung geht, nicht auf die Erledigung eines Teils, sondern auf das gesamte Verfahren abgestellt (BGHZ 77, 306).

3. Da eine Sachentscheidung über die Höhe der Abfindung nicht getroffen wurde und sinnvollerweise auch nicht parallel in dem beim Landgericht anhängigen Verfahren und in diesem Beschwerdeverfahren getroffen werden kann, ist die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

4. Die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen. Hinsichtlich der Gerichtskosten entspricht es der Billigkeit im Sinne des § 15 Abs. 3 SpruchG, dass sie der Antragstellerin aufzuerlegen sind. Denn sie hat mit neuem Vorbringen obsiegt, das sie bei Beachtung ihrer Verfahrensförderungspflicht (§ 9 SpruchG) spätestens nach dem Hinweis des Landgerichts hätte vortragen müssen. Der Rechtsgedanke, der der Vorschrift des § 97 Abs. 2 ZPO zugrunde liegt, greift auch in diesem Fall ein. Aus dem gleichen Grund entspricht es der Billigkeit, nach der über § 17 Abs. 1 SpruchG anwendbaren Vorschrift des § 13a Abs. 1 FGG anzuordnen, dass die Antragstellerin der Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten hat. Diesem Kostenausspruch steht nicht entgegen, dass die Beschwerdeentscheidung, mit der die Entscheidung der ersten Instanz aufgehoben und die Sache zurückverwiesen wird, in der Regel keine Kostenentscheidung enthält (vgl. Bassenge/Herbst/Roth, FGG, 10. Aufl. 2004, § 25 Rdn. 13). Etwas anderes hat nämlich zu gelten, wenn die Kostenfrage von der noch zu treffenden Entscheidung über die Hauptsache unabhängig ist; das gilt vor allem in Fällen, bei denen die Zurückverweisung auf neuem Vorbringen in der Rechtsmittelinstanz beruht (so für den Fall des § 97 Abs. 2 ZPO Stein/Jonas/Bork § 97 ZPO Rdn. 7).

5. Die Festsetzung des Beschwerdewertes für die Gerichtskosten beruht auf § 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG, für die außergerichtlichen Kosten auf § 31 RVG. Weil im Beschwerdeverfahren nicht über die noch beim Landgericht anhängige Hauptsache entschieden wird, erscheint es unbillig, den Antragsteller, auch wenn er dieses Beschwerdeverfahren allein führt, mit dem vollen Anteil des Mindestwertes von EUR 200.000,-- zu belasten; vielmehr verbleibt es bei dem vom Landgericht in seinem Beschluss festgesetzten Wert. Für eine Erhöhung des Geschäftswertes auf den Betrag, der gegolten hätte, wenn die Antragstellerin allein ein Spruchverfahren eingeleitet hätte, sieht der Senat keinen sachlichen Grund.