LG Düsseldorf, Urteil vom 27.04.2012 - 38 O 134/11
Fundstelle
openJur 2016, 4712
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheitsleistung kann durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Der Kläger ist als qualifizierte Einrichtung nach § 4 Unterlassungsklagengesetz eingetragen. Die Beklagte ist einer der größten Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen in Deutschland. Zum Einzug von Entgeldforderungen bedient sich die Beklagte eines Inkassoinstituts, wenn die Forderungen nicht fristgerecht bezahlt werden. Diese Firma übersandte in der Vergangenheit ein Mahnschreiben der aus den Anlagen K 2 und K 3 ersichtlichen Art. Wegen des genauen Wortlautes wird auf die genannten Anlagen verwiesen.

Der Kläger beanstandet den Passus, in welchem es heißt:

"Als Partner der Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (SCHUFA) ist die W GmbH verpflichtet, die unbestrittene Forderung der SCHUFA mitzuteilen, sofern nicht eine noch durchzuführende Interessenabwägung in Ihrem Fall etwas anderes ergibt. Ein SCHUFA-Eintrag kann Sie bei Ihren finanziellen Angelegenheiten, z.B. der Aufnahme eines Kredits, erheblich behindern. Auch Dienstleistungen anderer Unternehmen können Sie dann unter Umständen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt in Anspruch nehmen."

Bei der Mahnung handele es sich um unlautere geschäftliche Handlungen. Es werde gegen § 4 Nr. 1 UWG verstoßen, indem die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher durch unangemessen unsachlichen Einfluss beeinträchtigt werde. Es stehe die Kreditwürdigkeit auf dem Spiel. Auch aus § 3 Abs. 2 UWG ergebe sich die Unzulässigkeit des Hinweises, da der Hinweis nicht der Unterrichtungspflicht des § 28 a Abs. 1 Nr. 4 BDSG und damit der fachlichen Sorgfaltspflicht entspreche. Jedenfalls in den Fällen der Verbraucher T und B sei trotz Einschaltung des Klägers, also eines Widerspruches gegen die Berechtigung der Forderung, das beanstandete Mahnschreiben unzulässigerweise verschickt worden.

Neben der Unterlassung verlangt der Kläger die Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten.

Der Kläger beantragt,

1.)

es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, wahlweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, Verbraucher

wie in der als Anlage K 2 mit dem Tenor verbundenen Mahnung geschehen

mit dem folgenden oder einem diesem im Kern entsprechenden Hinweis an den Ausgleich einer angeblichen Forderung zu erinnern oder erinnern zu lassen:

"Als Partner der Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (SCHUFA) ist die W GmbH verpflichtet, die unbestrittene Forderung der SCHUFA mitzuteilen, sofern nicht eine noch durchzuführende Interessenabwägung in Ihrem Fall etwas anderes ergibt. Ein SCHUFA-Eintrag kann Sie bei Ihren finanziellen Angelegenheiten, z.B. der Aufnahme eines Kredits, erheblich behindern. Auch Dienstleistungen anderer Unternehmen können Sie dann unter Umständen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt in Anspruch nehmen."

2.)

an den Kläger 214,00 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 29.10.2010 zu zahlen.

Hilfsweise, zu 1.)

mit der Maßgabe, dass das Verbot sich auf Fälle beschränkt, bei denen die Forderung durch den Verbraucher bestritten wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie rügt die fehlende Bestimmtheit des Klageantrages im Hinblick auf die Formulierung "einem diesem Kern entsprechenden Hinweis". Auch genüge der Vortrag nicht den Anforderungen für die Zulässigkeit einer alternativen Klagehäufung. Der Antrag sei materiell zu weit gefaßt, weil er zulässiges Verhalten umfasse. Die Beklagte sei gem. § 28 a Abs. 1 Nr. 4 BDSG gesetzlich verpflichtet, über eine bevorstehende Übermittlung zu unterrichten. Hinsichtlich des im Hilfsantrags geltend gemachten Unterlassungsbegehrens sei Verjährung eingetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig. Soweit der Kläger den Unterlassungsantrag nicht nur auf die konkrete Verletzungsform, sondern auf "diesem Kern entsprechende Hinweise" bezieht, handelt es sich lediglich um die Beschreibung dessen, was ohnehin dem Kern einer konkreten Verletzung zuzurechnen ist. Die Erwähnung soll nicht den Verbotsumfang erweitern sondern andeuten, dass minimale Textabweichungen den Verbotskern unberührt lassen können.

Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit des Klageantrages ergeben sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer alternativen Klagehäufung. Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (GRUR 2012, 184 ff. - Branchenbuch Berg -, sowie des Urteils vom 08. März 2012, I ZR 75/10 - Oscar) liegt nur ein einheitlicher Streitgegenstand vor. Der konkret beanstandete Hinweis verstößt nach Auffassung des Klägers in mehrfacher Hinsicht gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften mit gleicher Zielrichtung.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung des im Klageantrag zu 1) beschriebenen Verhaltens.

Zwar wird man davon ausgehen müssen, dass das Versenden einer Mahnung im Rahmen der Durchführung eines vertraglichen Schuldverhältnisses eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Nr. 1 UWG darstellt und daher grundsätzlich als unlautere geschäftliche Handlung im Sinne von § 3 UWG unzulässig sein kann.

Die Voraussetzungen der vom Kläger herangezogenen Vorschrift des § 4 Nr. 1 UWG sind jedoch nicht erfüllt.

Unlauter handelt nach dieser Vorschrift, wer geschäftliche Handlungen vornimmt, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher durch Ausübung von Druck oder durch sonstigen unangemessenen Einfluss zu beeinträchtigen. Entscheidungsfreiheit bedeutet die Freiheit, eine andere als die vom Handelnden angestrebte geschäftliche Entscheidung zu treffen. Außerhalb des hier ersichtlich nicht in Betracht kommenden Bereichs physischer oder psychischer Zwangshandlungen im Sinne einer Nötigung liegt eine unzulässige Beeinflussung dann vor, wenn eine aggressive Geschäftspraktik so erheblich ist, dass die Gefahr besteht, der Verbraucher werde das gewünschte Verhalten zeigen, nur um der weiteren Belästigung zu entgehen. Erforderlich ist insoweit eine Gesamtwürdigung aller Umstände.

Die Mitgliedschaft der Beklagten in der Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (SCHUFA) beanstandet auch der Kläger nicht. Die Beklagte erbringt im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen in erheblichem Umfang Leistungen, die erst nachträglich abgerechnet werden und zu bezahlen sind. Da die Nichtzahlung unbestrittener Forderungen ein Anzeichen für eine fehlende Zahlungsfähigkeit sein kann, dürfte auch ein diesbezüglicher Hinweis an die SCHUFA für die Beurteilung der Kreditfähigkeit von Bedeutung sein. Die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen ein solcher Hinweis an die SCHUFA zulässig ist, sind in § 28 a BDSG geregelt. Gemäß § 28 a Abs. 1 Nr. 4 c) BDSG zählt hierzu die rechtzeitige Unterrichtung über die bevorstehende Übermittlung. Sofern die übrigen Voraussetzungen des § 28 a Abs. 1 Nr. 4 a), b) und d) BDSG erfüllt sind, ist die Beklagte demnach zu einem Übermittlungshinweis sogar verpflichtet. Die konkrete Form des Hinweises geht zwar über die bloße Ankündigung einer Übermittlung hinaus. Beschrieben wird jedoch lediglich die möglicherweise nicht jedem Verbraucher bekannte Tragweite einer Eintragung bei der SCHUFA. Zutreffend wird ausgeführt, dass es sich nicht lediglich um eine formale Eintragung handelt, sondern sich bei vielen finanziellen Angelegenheiten behindernd auswirken kann. Die Beklagte hat ohne substantiierten Gegenvortrag des Klägers vorgetragen, die beanstandeten Mahnschreiben seien konzipiert für solche Schuldner, die keinerlei Einwendungen gegen die geltend gemachte Forderung erhoben und auch auf Mahnungen nicht reagiert hätten. Dies mag in den Fällen T und B im Hinblick auf die Tätigkeit des Klägers anders gewesen sein. Der Kläger erstrebt jedoch mit seinem Hauptantrag ein Verbot nicht nur für solche Fälle, sondern geht in jedem Fall von einer Unzulässigkeit aus. Wenn jedoch der Betroffene nach Eintritt der Fälligkeit der Forderung mindestens zweimal schriftlich gemahnt worden ist, zwischen der ersten Mahnung und der Übermittlung mindestens vier Wochen liegen, der Betroffene die Forderung nicht bestritten hat und die verantwortliche Stelle den Betroffenen rechtzeitig vor der Übermittlung der Angaben über die bevorstehende Übermittlung unterrichtet hat, ist die Übermittlung personenbezogener Daten ebenso zulässig wie die gesetzlich geforderte Ankündigung der Übermittlung. Eine aggressive Geschäftspraktik im Sinne unangemessener Einflussnahme läßt sich damit nicht feststellen. Angekündigt wird vielmehr sogar noch eine Interessenabwägung im Einzelfall. Ob diese tatsächlich stattfindet, kann offen bleiben. Die Beanstandung betrifft allein die konkrete Form des Ankündigungsschreibens. Gerade weil es sich bei den verlangten Entgeldforderungen um relativ kleine Beträge handeln kann, sollte der Verbraucher auch selbst abwägen, ob er alle möglichen Folgen bedacht hat und in Kauf zu nehmen bereit ist. Sofern sachliche Einwendungen gegen die Abrechnung geltend gemacht werden können, erscheint es sachgerecht, die Beklagte hiermit unverzüglich zu konfrontieren, so dass sich das Problem der Einschaltung eines Inkassoinstituts nebst der beanstandeten Mahnung nicht stellt.

Die den Gegenstand des Unterlassungsantrages bildende Textpassage ist auch nicht gem. § 3 Abs. 2 UWG geschäftlich unlauter. Der Kläger beanstandet insofern einen Verstoß gegen die fachliche Sorgfalt, als die Unterrichtungspflicht des § 28 a Abs. 1 Nr. 4 BDSG nicht ausreichend beachtet sei. Es trifft allerdings nicht zu, dass das Gesetz vorschreibt, nicht nur die in § 28 a Abs. 1 Nr. 4 c) BDSG aufgeführte Unterrichtung vorzunehmen, sondern auch über die weiteren Voraussetzungen einer Übermittlung nach § 28 a) Abs. 1 Nr. 4 a), b) und d) BDSG. Weder das Bundesdatenschutzgesetz noch ein die Allgemeinen Geschäftsbedingungen betreffendes Transparenzgebot normieren eine entsprechend umfassende Unterrichtung, so dass nicht erkennbar ist, woraus eine entsprechende fachliche Sorgfaltspflicht erwachsen sein sollte. Im Übrigen stellt das Fehlen zusätzlicher Informationen eine Fallkonstellation dar, die von dem angestrebten allgemeinen Textverbot nicht erfasst wird.

Auch der hilfsweise gemachte Unterlassungsanspruch ist unbegründet.

Zwar mag die Übersendung des Mahnschreibens in solchen Fällen, in denen der betroffene Verbraucher die Berechtigung der Entgeldforderung bestritten hat, eine geschäftlich unlautere Handlung darstellen. Eine Datenübermittlung wäre im Hinblick auf § 26 a) Abs. 1 Nr. 4 d) BDSG unzulässig und dürfte daher auch nicht angekündigt werden.

Wie es bei den Verbrauchern T und B zu den Mahnungen kommen konnte, obwohl bereits der Kläger eingeschaltet war, ist derzeit ungeklärt, bedarf aber letztlich auch keiner verbindlichen Aufklärung. Etwaig hieraus resultierende Unterlassungsansprüche sind nämlich jedenfalls verjährt, § 11 UWG. Der Kläger hat einen hierauf gerichteten Unterlassungsanspruch erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 13. April 2012 geltend gemacht. Die Einzelheiten dieser Vorfälle und Umstände zur Verfolgung eines Unterlassungsbegehrens, das auf Fälle bestrittener Forderungen zielt, waren schon vor der Klageerhebung am 28. Februar 2011 bekannt.

Mangels Unterlassungsanspruch besteht auch kein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.

Der Streitwert wird auf 22.000,00 Euro festgesetzt.