AG Hamburg, Urteil vom 31.08.2006 - 44 C 27/06
Fundstelle
openJur 2011, 14347
  • Rkr:

Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis steht der Geltendmachung der Unwirksamkeit der mietvertraglichen Vereinbarung mangels Erkennbarkeit nicht entgegen, sofern die Parteien diese rechtliche Unsicherheit zuvor nicht erkannt hatten.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, so nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt vom Beklagten zu 1) als ihrem ehemaligen Mieter im Hause M. 55 in H. und vom Beklagten zu 2) als dessen Bürgen Schadensersatz für Reinigungs- und Renovierungsarbeiten sowie Mietausfall.

Zwischen dem Beklagten zu 1) und der Klägerin bestand ein Wohnraummietverhältnis unter der angegebenen Anschrift, welches zum 16.09.2002 geschlossen wurde. Der Nettomietzins betrug nach § 4 des Vertrages EUR 301,66, wobei eine Mietsicherheit nach § 12 des Mietvertrages in Höhe von EUR 603,32 zu leisten war. Nach § 17 des Mietvertrages verpflichtete sich der Beklagte zu 1) zur Durchführung der laufenden Schönheitsreparaturen entsprechend den üblichen Zeitabständen. Nach der Anlage I zu § 30 des Mietvertrages verpflichtete sich der Mieter, eine fachgerechte Renovierung bei Auszug durchzuführen und den Teppichboden fachgerecht zu shampoonieren und zu reinigen. Darüber hinaus ist unterhalb der Unterschriften der Mietvertragsparteien in der Anlage I eine Bürgschaftserklärung aufgenommen worden, nach der der Beklagte zu 2) die selbstschuldnerische, unwiderrufliche, unbefristete Bürgschaft für alle Verpflichtungen aus dem Mietvertrag übernimmt. Diese wurde vom Beklagten zu 2) auch unterzeichnet. Hinsichtlich der mietvertraglichen Vereinbarungen wird ergänzend Bezug genommen auf den Mietvertrag (Bl. 20-32 d.A.).

Das Mietverhältnis endete zum 31. August 2005. Bei der Abnahme am 01.09.2005 wurde ein Abnahmeprotokoll erstellt, welches beide Parteien auch unterzeichneten. Auf Seite 1 des Abnahmeprotokolls findet sich zudem eine mit "Schuldanerkenntnis" überschriebene Erklärung. Diese lautet:

"Die Wohnung wird total renoviert und der bisherige Mieter, Herr K., ist mit der Kostenübernahme einverstanden, mit Ausnahme Fußboden-Belag".

Diese Erklärung ist vom Beklagten zu 1) unterzeichnet worden. Dem Abnahmeprotokoll, auf welches ergänzend Bezug genommen wird (vgl. Anlage K 1, Bl. 4-7 d.A.) ist insbesondere zu entnehmen, das moniert wird, dass die Wohnung nicht renoviert und zum Teil auch nicht gereinigt worden ist. Die Nachmieterin war aufgrund des Zustands der Wohnung nicht bereit, diese zu übernehmen und zog erst am 01.10.2005 in die Wohnung ein.

Am 29.09.2005 betrug die Kaution inklusive Zinsen EUR 616,08. Diese wurde von der Klägerin mit den Kosten der Malerarbeiten einschließlich Reinigungstätigkeit unter Abzug der Kosten eines PVC-Bodenbelages in Höhe von EUR 1.069,18 brutto verrechnet. Daneben macht die Klägerin unter Abzug weiterer Kautionszinsen in Höhe von EUR 0,63 eine Nutzungsentschädigung für September 2005 in Höhe von EUR 301,66 geltend. Hinsichtlich der Einzelheiten der Malerrechnung wird ergänzend Bezug genommen auf die Anlage K 2 (Bl. 8 f. d.A.).

Die Beklagten wurden durch Schreiben vom 01.12.2005 unter Fristsetzung zum 19.12.2005 zur Zahlung aufgefordert.

Die Klägerin behauptet, dass die Wohnung total verdreckt und beschädigt übergeben worden sei. Verschiedene Gegenstände, insbesondere zwei Türen, hätten gefehlt und Abfall sei nicht entfernt worden. Es handele sich um Verschmutzungen durch vertragswidrigen und unsachgemäßen Gebrauch. Decken und Wände der gesamten Wohnung seien verschmutzt und verdreckt und mit undefinierbaren Farben verschmiert gewesen, in den Türen haben es Dellen und Löcher gegeben. Die Klägerin ist der Auffassung, dass es sich bei dem Schuldanerkenntnis entweder um ein konstitutives Schuldanerkenntnis oder aber um einen Vergleich handeln würde. Im Übrigen behauptet die Klägerin, dass die Reinigungsarbeiten etwa 2/3 der Gesamtkosten ausgemacht hätten.

Die Klägerin hat im Termin beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Klägerin EUR 754,13 zuzüglich 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 20.12.2005 zu zahlen.

Der Beklagte zu 1) anerkennt die Klagforderung in Höhe von EUR 100,-- vorbehaltlich des Kautionsrückforderungsanspruchs.

Im Übrigen beantragen die Beklagten übereinstimmend,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 1) behauptet, dass die Wohnung von ihm vor Übergabe weiß gestrichen worden sei und sich in einem ordnungsgemäßen Zustand befunden habe. Die als "Schuldanerkenntnis" überschriebene Erklärung sei ihm abgenötigt worden unter Ausnutzung seiner jugendlichen Unerfahrenheit und unter dem Druck von vier anwesenden Personen der Vermieterseite. Auch habe er nicht erkennen können, dass eine Totalrenovierung mietvertraglich nicht geschuldet gewesen ist. Die Beklagten meinen insoweit, dass Schönheitsreparaturen in dem durchgeführten Umfang schon deswegen nicht geschuldet gewesen seien, da der Beklagte zu 1) nicht einmal drei Jahre in der Wohnung gewohnt habe und die üblichen Fristen des § 17 des Mietvertrages länger gewesen seien. Ferner meint der Beklagte zu 2), er könne nur nachrangig nach dem Beklagten zu 1) in Anspruch genommen werden.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin durch Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 02.08.2006 die Klage gegenüber dem Beklagten zu 2) dahingehend abgeändert, dass die Beklagten nur in Höhe von EUR 301,66 zuzüglich 5 Prozentpunkte Zinsen hierauf über dem Basiszinssatz seit dem 20.12.2005 als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden und der Beklagte zu 1) allein hinsichtlich des weitergehenden Betrages von EUR 452,47 zuzüglich 5 Prozentpunkte Zinsen hierauf über dem Basiszinssatz seit dem 20.12.2005 in Anspruch genommen werden soll. Die Beklagten haben sich hierzu nicht erklärt.

Ergänzend wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die gerichtlichen Hinweise im Termin vom 15.06.2006 (Bl. 49 und 50 d.A.) verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Zulässigkeit der Klage steht nach den §§ 773 Abs. 1 Ziff. 1, 771 BGB hinsichtlich des Beklagten zu 2) nicht dessen Bürgenstellung entgegen, da es sich um eine selbstschuldnerische Bürgschaft handelt. Auch können Hauptschuldner und selbstschuldnerische Bürgen nach allgemeiner Auffassung als Streitgenossen in Anspruch genommen werden (vgl. etwa Zöllner, ZPO, 25. Aufl., § 100, Rn. 12 m.w.N.) .

Die Teilrücknahme gegenüber dem Beklagten zu 2) gemäß Schriftsatz vom 02.08.2006 bedarf zudem vorliegend nicht der Berücksichtigung, da die Klagänderung erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt ist und es zudem an einer Zustimmung der Beklagtenseite fehlt (vgl. §§ 269 Abs. 1, 297 Abs. 1 S. 1 ZPO) .

Das Teilanerkenntnis des Beklagten zu 1) ist Nach den §§ 133, 157 BGB dahingehend zu verstehen, dass ein Teilbetrag unstreitig gestellt werden soll, ohne dass hierin ein Verzicht auf den Kautionsrückzahlungsanspruch liegt. Das Anerkenntnis ist demgemäß so auszulegen, dass die Aufrechnung der Klägerin durch Verrechnung der Mietkaution mit den Malerkosten in Höhe von EUR 100,-- unstreitig gestellt wird.

Die Klage ist im Übrigen nicht begründet.

Der Klägerin steht gegenüber den Beklagten ein Schadensersatzanspruch für die nicht erfolgte Endreinigung der Wohnung aus § 280 Abs. 1 BGB zu. Dieser übersteigt allerdings der Höhe nach den der Sache nach unstreitigen Kautionsrückzahlungsanspruch, mit dem die Klägerin aufgerechnet hat, nicht. Eine weitergehende Zahlungsverpflichtung der Beklagten scheidet hiernach aus. Ein Schaden der Klägerin wegen unzureichender Reinigung ist nur in Höhe von EUR 35,-- netto zuzüglich Mehrwertsteuer der Malerrechnung zu entnehmen für die Reinigung des stark verschmutzten Wohnzimmerfensters. Bei den weitergehenden Reinigungstätigkeiten handelt es sich ersichtlich um die Vorbereitung der Malerarbeiten, ohne dass ein Zusammenhang mit dem Anspruch auf Herausgabe in sauberem Zustand besteht. Ein weitergehender Schaden ist von Klägerseite hinsichtlich der Reinigungskosten nicht substantiiert dargelegt, insoweit ist insbesondere die im nachgelassenen Schriftsatz aufgestellte Behauptung, es handele sich zu 2/3 um Reinigungskosten, schon auf der Grundlage der zur Akte gereichten Abrechnung fernliegend und zudem erkennbar unsubstantiiert, zumal auch dem Abnahmeprotokoll lediglich eine Verschmutzung der Abstellkammer sowie des Bades zu entnehmen ist. Im Übrigen kann vor dem Hintergrund der Aufrechnung mit dem Kautionsrückzahlungsanspruch dahinstehen, ob ein Schadensersatzanspruch wegen der unzureichenden Reinigung des Fensters im Wohnzimmer gemäß der Malerrechnung vom 12.09.2005 deshalb entfallen ist, weil dies im Abnahmeprotokoll nicht moniert und der Zustand des Wohnzimmerfensters demgemäß von Klägerseite als vertragsgemäß akzeptiert worden ist.

Es besteht zudem keine Verpflichtung aus dem Mietvertrag zur Durchführung von Schönheitsreparaturen, da die entsprechenden mietvertraglichen Vereinbarungen aufgrund der in Anlage I enthaltenen Endrenovierungsklausel summiert unwirksam sind (vgl. BGH NJW 2003, 2234) .

Ebenso wenig besteht ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 280 Abs.1 BGB wegen übermäßiger Abnutzung der Mieträume, da eine solche Abnutzung dem Übergabeprotokoll vom 01.09.2005 nicht zu entnehmen ist. Vielmehr wird in diesem moniert, dass wesentliche Teile der Wohnung nicht renoviert und Türen und Schränke zum Teil nicht lackiert worden sind.

Eine Verpflichtung zur Renovierung der Wohnung bzw. zur Tragung der damit einhergehenden Kosten ergibt sich auch nicht aus der mit dem Wort "Schuldanerkenntnis" überschriebenen Erklärung bei Abnahme der Wohnung.

Es handelt sich um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis und nicht um ein konstitutives Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB oder um einen Vergleich i.S.v. § 779 BGB. Dies ergibt sich aus der dem Anerkenntnis zugrunde liegenden Situation bei Rückgabe der Wohnung. Es bedarf insoweit der Klärung, welche Pflichten sich aus dem festzustellenden Zustand wechselseitig ergeben auf Grundlage der mietvertraglichen Vereinbarung. Es besteht weder ein Anlass noch ein nachvollziehbares Bedürfnis nach der Begründung einer vom Mietvertrag unabhängigen, gesonderten Verpflichtung. Vorliegend ist der Zustand der Wohnung festzuhalten gewesen sowie die Regelung der Frage einer Fristsetzung nebst Zustandsbeschreibung für die durchzuführenden Schönheitsreparaturen zu klären gewesen ist. Die Parteien wollten durch die mit "Schuldanerkenntnis" überschriebene Erklärung Einigkeit darüber herstellen, dass der Beklagte zu 1) keinen vertragsgemäßen Zustand herbeigeführt und für die Kosten der Reinigung und Renovierung der Wohnung einzustehen hat. Ein Schuldbetätigungsvertrag, ein Vergleich oder ein konstitutives Schuldanerkenntnis ist von den Parteien hiernach nicht beabsichtigt gewesen. Für einen Vergleich fehlt es zudem an einem Nachgeben der Klägerin, da der Zustand des Teppichs im Übergabeprotokoll nicht moniert wurde. Auf die Frage, ob ein konstitutives Schuldanerkenntnis durch die konkludente Einwendung einer ungerechtfertigten Bereicherung vorliegend kondiziert werden würde (vgl. BGH NJW 1991, 2140, 2141) kommt es nicht an.

Das deklaratorische Schuldanerkenntnis hat zudem nicht zur Folge, dass sich der Beklagte zu 1) nicht mehr auf Unwirksamkeit der mietvertraglichen Renovierungsverpflichtung berufen kann. Anders als bei dem Eingehen einer selbständigen rechtlichen Verpflichtung kann bei Abgabe eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses das Fehlen der rechtlichen Grundverpflichtung eingewandt werden (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 65. Auf., § 781 Rn. 4) , sofern dieser rechtliche Mangel des Anspruchs nicht erkennbar gewesen ist bei Abgabe der Erklärung. Hiergegen spricht bereits die unstreitige geschäftliche Unerfahrenheit des Beklagten zu 1) wie auch die dem Wortlaut nach eindeutige mietvertragliche Vereinbarung, deren Unwirksamkeit dem juristischen Laien nicht erkennbar gewesen ist (anderer Auffassung: KG Berlin WuM 2006, 436, 437) . Zudem bestand keinerlei Anlass eine Rechtsunklarheit über die Renovierungsverpflichtung zu beseitigen, da beide Parteien ausweislich des Abnahmeprotokolls vom Bestehen einer solchen Verpflichtung ausgingen. Einen Ausschluss des Einwandes der fehlenden rechtlichen Grundverpflichtung nach dem Mietvertrag haben die Parteien schon mangels diesbezüglichem Anlass für eine Regelung nicht treffen wollen, es ergibt sich auch nicht aus dem Wortlaut des Schuldanerkenntnisses, dass der Beklagte zu 1) auf ihm unbekannte Einwendungen verzichten wollte.

Darüber hinaus scheidet ein Schadensersatzanspruch der Klägerin hinsichtlich der Nettokaltmiete für den Monat September 2005 aus, da eine Verletzung der vertraglichen Pflichten des Beklagten zu 1) wegen Unwirksamkeit der Abwälzung der laufenden Schönheitsreparaturen im Mietvertrag nicht gegeben ist. Selbst bei Annahme eines konstitutiven Schuldanerkenntnisses oder bei Annahme der Erkennbarkeit der rechtlichen Verpflichtung und der damit einhergehenden Bindung an das deklaratorische Schuldanerkenntnis scheidet ein Anspruch insoweit aus, da das Schuldanerkenntnis den Schaden der Klägerin durch entgangenen Mietzins nicht umfasst. Auch bei einer Übergabe in vertragsgemäßem Zustand hätte die Klägerin keine Mieteinnahmen für September erzielen können, da sie nach Ihrem Vortrag aufgrund des Zustandes der Wohnung zunächst hätte renovieren müssen (vgl. LG Berlin NZM 2002, 909, 910).

Aus den genannten Gründen besteht ein Anspruch gegen den Beklagten zu 2) ebenfalls nicht. Hinsichtlich des EUR 301,66 übersteigenden Betrages fehlt es bereits an einer wirksamen Bürgschaftsverpflichtung, wie sich aus § 551 Abs. 1 und 4 BGB ergibt. Für ein Schuldanerkenntnis hätte der Beklagte zu 2) ohnehin nicht einzustehen, da sich der Anspruch nicht aus dem Mietvertrag ergibt und sich der Bürge sich auf die Unwirksamkeit der rechtlichen Verpflichtung im Mietvertrag daher berufen kann, § 768 Abs.2 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Insoweit kommt es nicht auf die zuvor vorgenommene Aufrechnung mit dem Kautionsrückzahlungsanspruch an, da diese nicht streitgegenständlich gewesen ist. Auch das Teilanerkenntnis des Beklagten zu 1) bezieht sich erkennbar auf einen Teilbetrag der von Klägerseite angenommenen Gesamtforderung über EUR 1.370,84 und entfaltet aufgrund der klägerischen Aufrechnung vorliegend keine Wirkung.

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte