LG Bonn, Urteil vom 30.09.2013 - 1 O 296/12
Fundstelle
openJur 2016, 4415
  • Rkr:
Tenor

1.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 48.709,55 € nebst Zinsen i. H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.04.2012 zu zahlen.

2.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung i. H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger ist Insolvenzverwalter der Q Designer GmbH und macht im Wege der Teilklage Ansprüche gegen den ehemaligen Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin geltend.

Das Insolvenzverfahren wurde durch Beschluss des AG C vom 01.12.2009 (Az. ... IN ...#/...) auf Antrag vom 28.09.2009 eröffnet. Die später zur Insolvenztabelle angemeldeten und festgestellten Forderungen beliefen sich per 31.07.2009 auf einen fälligen Gesamtbetrag von 130.695,14 € und per 31.8.2009 auf 382.299,04 €. Insgesamt wurden Forderungen in Höhe von 1.063.069,34 € zur Insolvenztabelle angemeldet.

Das bei der W C eG geführte Geschäftskonto der Insolvenzschuldnerin mit der Kto.-Nr. ... wurde im streitgegenständlichen Zeitraum vom 25.08.2009 bis 28.09.2009 debitorisch geführt. Im Jahr 2007 war der W C eG von der Insolvenzschuldnerin bereits eine Globalzession hinsichtlich aller Forderungen aus Lieferung und Leistung im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes gewährt worden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Anlage K8 verwiesen. Zudem hatte sich der Beklagte als Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin verpflichtet, für die Gesellschaftsschulden gegenüber der W C eG zu bürgen.

Das Geschäftskonto schloss mit einem negativen Saldo von -253.163,03 €. Demgegenüber schloss das Sicherheitenerlöskonto mit der Kto.-Nr. ..., auf das die W C eG seit der Offenlegung der Globalzession am 28.09.2009 neue Drittschuldnerzahlungen buchte, mit einem Saldo von 7.902,87 €.

Zwischen dem 25.08.2009 und dem 28.9.2009 gingen auf dem Geschäftskonto Zahlungen in Höhe von 48.709,55 € ein. Wegen weiterer Einzelheiten der Zahlungseingänge wird auf die Anlage K5 und das Anlagenkonvolut K6 verwiesen. Zwischen dem 14.08.2009 und dem 17.9.2009 wurden zudem 48.709,55 € an Gläubiger ausgezahlt. Wegen weiterer Einzelheiten der Zahlungsausgänge wird auf die Anlage K9 sowie das Anlagenkonvolut K10 verwiesen.

Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte hafte gemäß § 64 S. 1 GmbHG für die Zahlungseingänge auf dem debitorisch geführten Geschäftskonto. Der Beklagte hätte die Zahlungseingänge auf ein Sonderkonto separieren und deren Verrechnung durch die W C EG vermeiden müssen. Jedenfalls aber hafte er für die Zahlungsausgänge in gleicher Höhe, soweit die Globalzession eine Gesellschaftersicherheit darstelle. Der Kläger ist weiter der Ansicht, dass § 135 Abs. 2 S. 1 InsO i.V.m. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO eine Anfechtungshaftung des Beklagten begründe. Denn der Beklagte sei durch die von der Bank verrechneten Zahlungseingänge von seiner Bürgenhaftung auf Kosten des Gesellschaftsvermögens entlastet worden.

Der Beklagte verweigerte - insoweit unstreitig - unter dem 18.04.2012 die Erfüllung der streitgegenständlichen Forderung endgültig.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 48.709,55 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 18.04.2012 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, die Insolvenzschuldnerin sei im streitbefangenen Zeitraum nicht zahlungsunfähig gewesen, es hätte lediglich eine Zahlungsstockung vorgelegen. Unter dem 14.09.2009 erstellte der Wirtschaftsprüfer A - insoweit unstreitig - ein Dossier zu den Voraussetzungen der Fortführung des Betriebs.

Der Beklagte ist weiter der Ansicht, durch die Zahlungseingänge auf dem Geschäftskonto der Insolvenzschuldnerin sei aufgrund der zugunsten der W C eG bestehenden Globalzession keine Masseschmälerung eingetreten. Zahlungsausgänge wiederum könnten keine Haftung begründen, da sie lediglich zu einem Schuldnerwechsel führten. Schließlich käme auch eine Haftung nach § 135 Abs. 2 InsO nicht in Betracht, da der Kläger nicht schlüssig vorgetragen habe, dass die vom Beklagten der Gemeinschuldnerin gestellte Sicherheit eigenkapitalersetzenden Charakter habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

I. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 48.709,55 € gemäß §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO.

1. Eine gesellschafterbesicherte Drittforderung i.S.d. § 135 Abs. 2 InsO liegt vor. Denn die W C eG hat der Insolvenzschuldnerin ein Darlehen in Form eines Dispositionskredits für das Geschäftskonto mit der Kto.-Nr. ... gewährt und der Beklagte hat sich als Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin für die Darlehensverbindlichkeiten verbürgt.

2. Indem in der Zeit vom 25.08.2009 bis zur Insolvenzantragstellung am 28.09.2009 auf diesem Konto Zahlungen in Höhe eines Gesamtwertes von 48.709,55 € auf Weisung der Insolvenzschuldnerin eingingen bzw. verbucht wurden, wurde die Darlehensforderung der W C eG in dieser Höhe befriedigt.

3. Diese Zahlungen erfolgten auch innerhalb eines Jahres vor Insolvenzantragstellung, § 135 Abs. 2 InsO i.V.m. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO.

4. Im Umfang der Befriedigung des Darlehensgläubigers ist der Beklagte von seiner Bürgschaftspflicht frei geworden. Dies ist vom Beklagten nicht bestritten worden. Allein die Rüge des Klägervortrages als unschlüssig ersetzt das Erfordernis eines substantiierten Bestreitens nicht. Die Vorschrift des § 135 Abs. 2 InsO unterwirft die Zahlungen der Anfechtung, mit der der Gesellschafter von seiner Sicherung frei wird. Gegenstand der Insolvenzanfechtung ist mithin die Befreiung des sichernden Gesellschafters (de Bra in Braun, InsO, 5. Aufl. 2012, § 135 Rn. 14). Die Schmälerung des Gesellschaftsvermögens liegt im Freiwerden der Sicherung (vgl. LG Münster, Urteil vom 01. Juli 2010 - 102 O 17/10 - zitiert nach juris; Hirte in Uhlenbrock, InsO, 13. Aufl. 2010, § 135 Rn. 15). Denn wenngleich grundsätzlich keine Pflicht der Gesellschafter zur Versorgung der GmbH mit Eigenkapital in angemessener Höhe besteht, so soll der Gesellschafter das mit einer Kapitalzuführung verbundene Verlustrisiko nicht dadurch umgehen können, dass er ein Drittdarlehen nur besichert und der Kreditgeber die gewährte Summe von der Gesellschaft in der Krise zurückerhält (vgl. Nehrlich/Römermann, InsO, 24. EL 2012, § 135 Rn. 158). Soweit der Beklagte rügt, der Kläger habe nicht schlüssig dargelegt, inwieweit der Bürgschaft des Beklagten eigenkapitalersetzender Charakter zukomme, kann er hiermit nicht gehört werden. Denn nach Inkrafttreten des MoMiG ist das Merkmal "kapitalersetzend" in § 135 InsO bewusst nicht mehr enthalten, auf eine Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft und mithin auf eine wirtschaftliche Krise bei Bestellung der Gesellschaftersicherheit kommt es somit nicht mehr an (vgl. de Bra in Braun, InsO, 5. Aufl. 2012, § 135 Rn. 7).

5. Gemäß § 143 Abs. 3 S. 1 InsO hat der Beklagte die der W C eG gewährte Befriedigung i.H.v. 48.709,55 € zu erstatten.

6. Der Beklagte kann die Erfüllung des Anspruchs auch nicht von der Abtretung etwaig bestehender Anfechtungsansprüche gegen die W C eG abhängig machen. Denn § 255 BGB findet weder direkt noch analog Anwendung. Weder handelt es sich bei § 135 Abs. 2 InsO i.V.m. § 143 Abs. 3 InsO um einen Schadensersatzanspruch im Sinne von § 255 BGB, noch ist die Interessenlage vergleichbar.

II. Es kann somit dahinstehen, ob sich ein Anspruch des Klägers auch aus § 64 S. 1 GmbHG ergibt. Hieran bestehen aufgrund der zugunsten der W C eG eingeräumten Globalzession Zweifel. Denn hat die spätere Insolvenzschuldnerin künftige Forderungen sicherungshalber rechtswirksam an ein Kreditinstitut abgetreten, so werden die Insolvenzgläubiger regelmäßig nicht benachteiligt, soweit das Kreditinstitut die bei ihm eingehenden Zahlungen der Drittschuldner gegen Verbindlichkeiten der späteren Insolvenzschuldnerin verrechnet (vgl. BGH NZI 2003, 34).

III. Da der Hauptantrag des Klägers Erfolg hat, musste das Gericht auch nicht über den (verdeckten) Hilfsantrag des Klägers, der die Klageforderung auf die Zahlungsausgänge von dem debitorisch geführten Geschäftskonto stützt, entscheiden.

IV. Der Kläger hat einen Anspruch auf Verzugszinsen auf die begründete Hauptforderung i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.04.2012, §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 48.709,55 EUR festgesetzt.