OLG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2006 - 2 Wx 35/05
Fundstelle
openJur 2011, 13853
  • Rkr:
Tenor

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller vom 31.3.2005 wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 18, vom 9.3.2005 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens an das Landgericht Hamburg zurückverwiesen.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf Euro 25.550,93 festgesetzt.

Gründe

I.

Hinsichtlich des Sachverhaltes wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Ausführungen des Landgerichts unter Ziff. I der Gründe des angefochtenen Beschlusses vom 9.3.2005 verwiesen.

Mit diesem Beschluss hat das Landgericht die sofortige Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 5.2.2004, mit dem ihr Antrag zurückgewiesen worden war, die Antragsgegner zu verpflichten, an sie Euro 25.550,93 zzgl. Zinsen zu zahlen.

Gegen den ihnen am 17.3.2005 zugestellten Beschluss des Landgerichts wenden sich die Antragsteller mit ihrer am 31.3.2005 bei Gericht eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 9.3.2005 ist zulässig, §§ 45 Abs. 1, 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG, 27, 29, 22 Abs. 1 FGG. Sie ist auch in der Sache begründet und führt zur Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht zur anderweitigen Behandlung und erneuten Entscheidung.

Die Entscheidung des Landgerichts beruht auf einer Verletzung des Rechts, §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO.

Das Landgericht hat ausgeführt, es könne offen bleiben, ob den Antragstellern ein Zahlungsanspruch aus den §§ 21 Abs.2, 16 Abs. 2 WEG oder aus Geschäftsführung ohne Auftrag zustehen könnte. Eine Kostenerstattung sei hier nach § 17 der Teilungserklärung ausgeschlossen.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist vorliegend nicht § 17 sondern § 16 der Teilungserklärung einschlägig. Teil III der Teilungserklärung, der überschrieben ist mit " Begründung von Sondernutzungsrechten an Abstellräumen, von Rechten zum Ausbau des Dachgeschosses, zur Aufstockung des Dachgeschosses sowie der Neubauerrichtung", enthält in § 16 Regelungen zum "Ausbau der Dachgeschosse D. 97/K. 8" sowie in § 17 zur "Aufstockung des Dachgeschosses K. 8".

Vorliegend geht es um die Kosten für den Ausbau und nicht etwa der Aufstockung des Dachgeschosses im Gebäude K. 8. Eine Aufstockung des Dachgeschosses war zwar von den Antragstellern geplant; eine entsprechende Baugenehmigung haben sie jedoch nicht erlangen können.

Die Auffassung des Landgerichts, sowohl § 16, als auch § 17 der Teilungserklärung regelten die Herstellung von Wohnungen im Dachgeschoss, ist zwar in dieser Allgemeinheit zutreffend. Das Landgericht hat jedoch übersehen, dass der bloße Ausbau des Dachgeschosses - der in § 16 der Teilungserklärung geregelt ist - und die Aufstockung des Dachgeschosses - die in § 17 geregelt ist - zwei grundlegend verschiedenartige Baumaßnahmen zur Herstellung von Wohnungen betrifft. Allein die Aufstockung des Dachgeschosses ist bereits zwingend mit der Abtragung des alten sowie der Herstellung eines neuen Daches verbunden, so dass folgerichtig der jeweilige zu diesen Baumaßnahmen berechtigte Miteigentümer nach § 17 der Teilungserklärung auch die entsprechen Kosten zu tragen hat.

In § 16 der Teilungserklärung ist hingegen zwar geregelt, dass der jeweilige Eigentümer des Teileigentums Nr. 40 sämtliche mit den zum Dachausbau verbundenen Kosten zu tragen hat. Das Abtragen des alten und die Errichtung eines neuen Daches fallen hingegen nicht unter die mit dem Dachausbau verbundenen Kosten, so dass die Antragsteller diese Kosten nicht bereits aufgrund einer Regelung in der Teilungserklärung zu tragen haben.

Grundsätzlich stellt eine erforderliche Erneuerung des Daches eine ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums gemäß § 21 Abs. 1 und 5 Nr. 2 WEG dar, zu der alle Eigentümer gemeinschaftlich verpflichtet sind, vgl. auch § 7 Abs. 3 der Teilungserklärung. Als Gegenstand der Verwaltung bedarf eine derartige Maßnahme gemäß den §§ 21 Abs. 3, 23 Abs. 1 WEG einer entsprechenden Beschlussfassung der Wohnungseigentümergemeinschaft. Ein derartiger Beschluss zur Durchführung einer Neueindeckung des Daches liegt nicht vor. Im Gegenteil, in der Eigentümerversammlung vom 20.8.2002 haben nach der eigenen Darstellung der Antragsteller die Miteigentümer es abgelehnt, sich an den Kosten der von den Antragstellern geplanten Dachdeckungsarbeiten zu beteiligen. Auch soweit die Antragsteller der Auffassung waren, die aufgrund der am 24.10.2002 im Beisein der Geschäftsführerin der Verwalterin sowie eines Beiratsmitgliedes vorgenommenen Dachbesichtigung festgestellten Schäden rechtfertigen eine Neueindeckung des Daches, hätten sie auf eine entsprechende Beschlussfassung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft drängen und gegebenenfalls, soweit sich nach ihrer Auffassung sachwidrig keine entsprechende Mehrheit gefunden hätte, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen versuchen müssen.

Die von den Antragstellern veranlasste Neueindeckung des Daches stellt auch keine Notgeschäftsführung gemäß § 21 Abs. 2 WEG dar. Nach dieser Vorschrift ist jeder Miteigentümer berechtigt, alleine und ohne Zustimmung der anderen Miteigentümer diejenigen Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, einen unmittelbar drohenden Schaden für das gemeinschaftliche Eigentum abzuwenden. Ein Tätigwerden nach § 21 Abs. 2 WEG setzt demnach eine Gefahrensituation für das Gemeinschaftseigentum voraus, das heißt eine Situation, in der ein verständiger Wohnungseigentümer nicht länger abwarten würde und in der weder der nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 und 3 WEG zuständige Verwalter noch die anderen Miteigentümer zur Behebung der Notlage herangezogen werden können ( vgl. Bärmann/Merle WEG 9.Aufl. Rdnr. 42 zu § 21 WEG ). . Da es grundsätzlich dem Verwalter einer Gemeinschaft obliegt, für Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums zu sorgen, sind hierunter nur die Fälle zu rechnen, in denen dem eingreifenden Eigentümer ein Zuwarten auf das Tätigwerden des Verwalters oder auf die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer nicht zugemutet werden kann . Daher ist mangels Eilbedürftigkeit ein Eingreifen des einzelnen Miteigentümers nicht erlaubt, wenn ein gefahrträchtiger Zustand bereits längere Zeit besteht und der Verwalter bereits längere Zeit Kenntnis von der Situation hat ( vgl. BayObLG ZWE 2001, 418 f; OLG Celle ZWE 2002, 369 f jeweils nach juris ).

Vorliegend haben die Antragsteller ihrem eigenen Vorbringen zufolge bereits mit Schreiben vom 29.7.2002 die Verwalterin auf die Sanierungsbedürftigkeit des Daches hingewiesen. Die Dachdeckungsarbeiten sind zudem Gegenstand der Eigentümerversammlung am 20.8.2002 gewesen. Am 24.10. 2002 hat sodann eine Besichtigung des Daches stattgefunden im Beisein der Geschäftsführerin der Verwalterin sowie eines Beiratsmitgliedes. Der Verwalterin war damit derjenige Zustand des Daches seit dem 24.10.2002 bekannt, den die Antragsteller zum Anlass genommen haben, im Dezember 2002 die Dacherneuerung in Auftrag zu geben. Bei der Dacherneuerung hat es sich damit nicht um eine Notgeschäftsführung der Antragsteller für die Wohnungseigentümergemeinschaft gehandelt. Die Antragsteller können daher von den übrigen Miteigentümern aus diesem Rechtsgrund keinen Ersatz ihrer für diese Arbeiten erbrachten Aufwendungen verlangen.

Die übrigen Miteigentümer sind den Antragstellern auch nicht zum Aufwendungsersatz aus § 683 BGB wegen berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag verpflichtet.

Das Wohnungseigentumsgesetz geht zwar davon aus, dass ein einzelner Miteigentümer ohne die Zustimmung der anderen Miteigentümer nur im Fall des § 21 Abs. 2 WEG Maßnahmen der Verwaltung treffen darf. Dieses schließt aber Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag grundsätzlich nicht aus ( vgl. Senat ZMR 2004, 137 ff, BayObLG ZMR 2000, 187 f; OLG Schleswig OLGR 2004, 139 f jeweils nach juris ).

Die Antragsteller können als Geschäftsführer aber nur dann gem. § 683 BGB Aufwendungsersatz von den übrigen Miteigentümern verlangen, wenn die Geschäftsführung den Interessen und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hatte jedoch bereits in der Eigentümerversammlung vom 20.8.2002 einen Zuschuss zu den von den Antragstellern geplanten Dachdeckungsarbeiten abgelehnt mit der Begründung, die Teilungserklärung besage, dass die Antragsteller zur Abtragung des vorhandenen Daches und zur Neuherstellung verpflichtet seien. Die Beauftragung der entsprechenden Handwerkerfirmen durch die Antragsteller zur Erneuerung des Daches entsprach daher nicht dem wirklichen Interesse der Wohnungseigentümergemeinschaft als Geschäftsherrn. Maßgeblich ist der wirkliche Wille der Geschäftsherrn, wobei unbeachtlich ist, ob der entgegenstehende Wille unvernünftig ist oder dem eigentlichen Interesse des Geschäftsherrn widerspricht (Palandt/Sprau BGB 64. Aufl. Rdnr. 6 zu § 683 BGB ). Die in § 679 BGB angeführten Voraussetzungen für die Unbeachtlichkeit des entgegenstehenden Willens - öffentliches Interesse und Verletzung einer Unterhaltspflicht - liegen hier nicht vor.

Bei einer nicht berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag hat gemäß § 684 Satz 1 i.V.m. § 812 ff BGB der Geschäftsherr dem Geschäftsführer dasjenige herauszugeben, was er durch die Geschäftsführung erlangt hat.

Da die Neueindeckung des Daches nicht herausgegeben werden kann, hat der Geschäftsherr grundsätzlich Wertersatz gem. § 818 Abs. 2 BGB leisten, vorliegend somit den Wert der durch eine nützliche Maßnahme bewirkten Wertsteigerung des gemeinschaftlichen Eigentums. Es kann von den Antragstellern aber nur Ersatz von solchen werterhaltenden Aufwendungen verlangt werden, die für die Eigentümergemeinschaft als Geschäftsherr später unausweichlich ebenfalls angefallen wären ( vgl. Senat a.a.O.; OLG Schleswig a.a.O.; BayOblg ZMR 2000, 187 f ).

Die Eigentümer entscheiden im Rahmen der Selbstverwaltung gemäß § 21 Abs. 1 WEG, ob, wie und auch wann Sanierungsmaßnahmen durchzuführen sind, wobei die Entscheidung einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechen muss. Dieses ist zu berücksichtigen bei der Frage, ob die Gemeinschaft ihr aufgedrängte Aufwendungen für werterhaltende Maßnahmen zu ersetzen hat, die sie zu einem späteren Zeitpunkt selber hätten tätigen müssen. Eine Erstattungspflicht der Gemeinschaft ist deshalb nur dann als gegeben anzunehmen, wenn eine ordnungsgemäße Verwaltung es erfordert hätte, die vom einzelnen Miteigentümer eigenmächtig vorgenommenen Maßnahmen innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes durchzuführen.

Der Senat ist nicht in der Lage, eine eigene Sachentscheidung zu treffen. Das Landgericht hat keine Feststellungen darüber getroffen, ob im Dezember 2002 eine ordnungsgemäße Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums es erfordert hätte, zumindest innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes das Dach neu einzudecken, oder ob nicht die von der Verwalterin vorgesehenen Reparaturarbeiten ausreichend gewesen wären. Hierzu sind weitere Ermittlungen anzustellen, insbesondere sind die von beiden Parteien benannten Zeugen zu hören und gegebenenfalls ein Sachverständigengutachten einzuholen.

Der angefochtene Beschluss des Landgerichts war daher aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Behandlung und erneuten Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Festsetzung des Geschäftswertes folgt aus § 48 Abs. 3 WEG; er bemisst sich nach der Höhe der von den Antragstellern begehrten Zahlung.