AG Duisburg, Urteil vom 28.08.2014 - 77 C 5166/13
Fundstelle
openJur 2015, 16643
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger buchte für sich und seine Ehefrau bei der Beklagten für die Zeit vom 28.06. bis zum 10.07.2013 eine 14-tägige allinclusive-Flugreise nach Gran Canaria zu einem Gesamtreisepreis in Höhe von 1.576,00 €.

Nach Ankunft am Reiseziel beschwerte der Kläger sich über seiner Ansicht nach bestehende Reisemängel, so dass am 01.07.2013 der Umzug von dem Bungalow Nr. XX in den Bungalow Nr. YY erfolgte.

Am 05.07.2014 übergab der Kläger der Reiseleitung der Beklagten eine Beanstandungsniederschrift wegen deren Inhaltes auf die Anlage zur Klageschrift Bezug genommen wird.

Nach Beendigung der Reise erstattete die Beklagte dem Kläger auf dessen Anspruchsanmeldung 100,00 €.

Daraufhin machte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben gegenüber der Beklagten weitergehende Ansprüche geltend.

Die Beklagte übersandte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers daraufhin ein Schreiben vom 06.09.2013 mit u.a. folgendem Wortlaut:

"Im Sinne einer einvernehmlichen Lösung erklären uns aber ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für eine gerichtliche Entscheidung zu folgendem Vergleichsangebot bereit:

1. Ihrer Mandantschaft wird ein weiterer Betrag in Höhe von 70,00 EUR erstattet.

2. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

Über den angebotenen Betrag fügen wir in der Anlage einen Verrechnungsscheck bei."

Der übersandte Scheck wurde zur vermittelnden Bank gegeben, das Konto der Beklagten am 18.09.2013 mit dem entsprechenden Betrag belastet.

Mit Schreiben vom 19.09.2013 meldete sich der Bevollmächtigte des Klägers bei der Beklagten und erklärte, die geleistete Zahlung sei nicht ausreichend, so dass er dem Kläger raten werde, Klage zu erheben.

Der Kläger vertritt die Ansicht, der Reisepreis sei wegen der hygienischen Zustände in den Bungalows (unzureichende Reinigung, kein Handtuchwechsel) und nicht der Katalogbeschreibung entsprechender Verpflegung in der Anlage um 50 % gemindert.

Er beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

an ihn 618,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.09.2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Ansicht, zwischen den Parteien sei wirksam ein Vergleich geschlossen worden, indem der Verrechnungsscheck zur Bank gegeben worden sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf weitere Zahlungen im Zusammenhang mit seiner Reise nach Gran Canaria.

Dabei kann dahinstehen, inwiefern wegen einer Minderung des Reisepreises gemäß §§ 651 d Abs. 1, 638 Abs. 3 BGB ein Anspruch auf Erstattung eines Teils des Reisepreises in Betracht gekommen wäre. Denn zwischen dem Kläger und der Beklagten ist ein Vergleich zustande gekommen, nach dem alle Ansprüche im Zusammenhang mit der Reise durch die weitere Zahlung in Höhe von 70,00 € abgegolten sind.

Das Schreiben der Beklagten vom 06.09.2013, dem der Verrechnungsscheck beigelegt war, stellte ein bindendes Angebot zum Abschluss eines Vergleichs im Sinne von § 779 BGB dar, mit dem sämtliche Ansprüche bezüglich der gebuchten Reise abgegolten sein sollten. Die Auslegung des Schreibens richtet sich gemäß §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beklagte ihren Vorschlag ausdrücklich als "Vergleichsangebot" bezeichnet hat. Mit dieser Bezeichnung verbindet ein objektiver Dritter an Stelle des Klägers, dass eine abschließende Regelung unter wechselseitigem Nachgeben getroffen werden soll. Das wird zusätzlich dadurch bestätigt, dass gleichzeitig eine Kostenregelung vorgeschlagen wurde; eine solche ist nur erforderlich, wenn damit die Angelegenheit zum Abschluss gebracht werden soll.

Die Erklärung der Beklagten, das Angebot ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für eine gerichtliche Entscheidung zu unterbreiten, steht dieser Auslegung nicht entgegen. In dieser Formulierung kommt nur zum Ausdruck, dass die Beklagte für den Fall des Nichtzustandekommens eines Vergleichs der Gefahr entgegenwirken wollte, dass ihr Schreiben als Anerkenntnis von zu einer Minderung berechtigenden Reisemängeln gewertet werden könnte. Darüber hinaus hat sich die Beklagte für den Fall, dass der Kläger zwar das Vergleichsangebot nicht annehmen, aber dennoch den Scheck einlösen würde, die Rückforderung des Scheckbetrags vorbehalten, indem sie darauf verwies, dass mit dem Angebot kein Präjudiz verbunden sei. Die Beklagte wollte erkennbar keine Abschlagszahlung oder eine Zahlung auf eine von ihr geschuldete Entschädigungsleistung erbringen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.12.2005, Az. I-12 U 98/05).

Der Inhalt des Schreibens kann auch nicht dahin verstanden werden, dass der Scheckbetrag nur eine Anzahlung darstellen sollte und sich weitere Verhandlungen erst anschließen würden. Vielmehr folgt aus dem Schreiben, dass mit der gütlichen Einigung gerade das Zustandekommen der vorgeschlagenen vergleichsweisen Einigung gemeint war, die keiner weiteren Verhandlungen bedurfte, weil bereits eine vollständige - insbesondere auch eine Kostenvereinbarung einschließende - Regelung vorgeschlagen worden war.

Das Vergleichsangebot der Beklagten wurde dadurch angenommen, dass der anschließend übersandte Scheck zur Bank gegeben und eingelöst wurde (vgl. LG Duisburg, RRa 2009, 140). Der Vertrag wurde bereits mit dieser objektiv erkennbaren Betätigung des Annahmewillens geschlossen, weil die Beklagte auf den Zugang einer Annahmeerklärung verzichtet hat.

Gemäß § 151 S. 1 BGB kommt der Vertrag durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn der Antragende auf sie verzichtet hat. Ein solcher Verzicht der Beklagten auf die Erklärung der Annahme des Vergleichsangebots liegt vor. Die mit einem Vergleichsangebot erfolgte Übersendung eines Verrechnungsschecks kann nicht anders als dahingehend verstanden werden, dass mit der Einlösung dieses Schecks die Angelegenheit erledigt sein sollte, ohne dass es weiterer Erklärungen des Klägers bzw. seiner Vertreter bedurfte. Die Übersendung eines Verrechnungsschecks stellte für die Beklagte einen einfachen Weg dar, die Annahme des Angebots durch den Kläger zu erkennen, indem sie schlicht abwarten konnte, ob eine Einlösung erfolgen würde. Dass sie bereits mit Unterbreitung des Vergleichsangebots einen Scheck übersandte, wäre demgegenüber nicht plausibel erklärbar, wenn sie tatsächlich eine ausdrückliche Annahmeerklärung des Klägers erwartet hätte: Angesichts der damit ohnehin erforderlichen weiteren Korrespondenz hätte sie in diesem Fall die Scheckübersendung zurückstellen können, bis diese Annahmeerklärung auch erfolgt wäre. Vielmehr entsprach es der - auch für den anwaltlich vertretenen Kläger erkennbaren - objektiven Interessenlage der Beklagten, den Vergleich nicht erst mit einem weiteren Antwortschreiben zustande kommen zu lassen, um einen Schwebezustand zwischen Einlösung des Schecks und Vertragsschluss zu vermeiden.

Für die Annahme des Angebots ist bei Verzicht auf Zugang der Erklärung eine nach außen hervortretende eindeutige Betätigung des Annahmewillens erforderlich (Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 151 Rn. 2). Mangels Erklärungsbedürftigkeit kann dabei nicht auf einen Empfängerhorizont abgestellt werden; maßgeblich ist vielmehr, ob ein unbeteiligter Dritter aus dem Verhalten des Klägers aufgrund aller äußeren Indizien auf einen Annahmewillen schließen lassen würde.

Unter Berücksichtigung dessen ist vom Zustandekommen eines Vertrags auszugehen: In der Einlösung eines übersandten Schecks ist bei einem Vergleichsvertrag eine Betätigung des Annahmewillens zu sehen (Tonner, Der Reisevertrag, 5. Aufl., § 651 g Rn. 27 m. w. N.; Palandt/Ellenberger, a. a. O., m. w. N.); aus Sicht eines unbeteiligten Dritten kann dieses Verhalten nur als Annahme des Vergleichsangebots angesehen werden (vgl. BGH NJW 1990, 1655; OLG Nürnberg, NJW-RR 1998, 256; OLG Düsseldorf a. a. O.).

Eines ausdrücklichen Hinweises der Beklagten darauf, dass mit der Einlösung des Schecks die Annahme des Vergleichsangebots verbunden sein würde, bedurfte es nicht. Der Schriftverkehr erfolgte zwischen der Beklagten und den bereits beauftragten Prozessbevollmächtigten des Klägers. Angesichts der anwaltlichen Vertretung musste die Beklagte davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen der Scheckeinlösung nach vorangegangenem Vergleichsangebot bekannt sein würden.

Um die Annahme des Vergleichsangebotes zu verhindern, hätte die Einlösung unter entsprechendem Vorbehalt erfolgen müssen. Ein entsprechender Vorbehalt ist mit der Einlösung des Schecks nicht erklärt worden. Aus der Perspektive der Beklagten musste sich die Einlösung des Schecks als Annahme des abschließenden Vergleichsangebotes darstellen.

Da die Klage in der Hauptsache unbegründet ist, besteht auch kein Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Verzugszinsen.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 S. 1, 2 ZPO.

Streitwert: 618,00 €

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Duisburg, König-Heinrich-Platz 1, 47051 Duisburg, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Duisburg zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Duisburg durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Duisburg statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Duisburg, König-Heinrich-Platz 1, 47051 Duisburg, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.