VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 30.07.2015 - 6 L 1220/15
Fundstelle
openJur 2015, 16567
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 10.200,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 8. Juni 2015 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 26. Mai 2015 -°°°°°°°°°°°- wiederherzustellen,

hat keinen Erfolg.

Soweit die Antragstellerin damit beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 26. Mai 2015 hinsichtlich der darin enthaltenen Nutzungsuntersagung wiederherzustellen, ist der zulässige Antrag unbegründet.

Die in der angegriffenen Verfügung vom 26. Mai 2015 enthaltene Anordnung der sofortigen Vollziehung der Aufforderung, die baurechtswidrige Nutzung der Halle auf dem Grundstück I.-----straße °°° in H. (Gemarkung T. , Flur 2, Flurstück °°°) zu gewerblichen Zwecken als Groß- und Einzelhandel mit Lebensmitteln und Haushaltsbedarf innerhalb von einer Woche nach Zustellung der Verfügung einzustellen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO), entspricht den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Danach ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Dieses Erfordernis soll der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, die Frage des Sofortvollzugs besonders sorgfältig zu prüfen. Die Antragsgegnerin hat vorliegend in rechtlich nicht zu beanstandender einzelfallbezogener Weise dargelegt, das besondere öffentliche Vollzugsinteresse folge regelmäßig bereits aus dem erheblichen öffentlichen Interesse an der Effizienz des bauaufsichtlichen Verfahrens. Zur Wahrung des an der Beachtung und Durchführung des formellen Baugenehmigungsverfahrens bestehenden erheblichen öffentlichen Interesses sei es unverzichtbar, dass das Genehmigungserfordernis unbedingt beachtet werde und Verstöße ausnahmslos und sofort sanktioniert würden. Andernfalls mache sich schnell die Erkenntnis breit, dass eine genehmigungsbedürftige Nutzung zum eigenen Vorteil und ohne nennenswerte Nachteile befürchten zu müssen auch ohne die vorgeschriebene Baugenehmigung aufgenommen werden könne. Das Rechtsbewusstsein der Allgemeinheit, wonach Vorschriften des formellen Baurechts strikt eingehalten werden müssten, würde schwer erschüttert und nähme großen Schaden, wenn der formell illegal Handelnde aus einer formell baurechtswidrigen Nutzung wirtschaftliche Vorteile ziehen könnte, die dem rechtstreuen Bürger, der die baurechtlichen Regeln befolge, versagt blieben. Zudem lasse auch die mit einer baurechtswidrigen Nutzung verbundene mögliche Vorbildwirkung für etwaige Nachahmer eine Überprüfung des Vorhabens vor Aufnahme der gewerblichen Nutzung erforderlich erscheinen. Schließlich spreche der Umstand, dass die sofortige Einstellung der Betriebstätigkeit aus den in der Verfügung benannten Gründen des Brandschutzes zur Abwehr von Gefahren für Leib, Leben oder Gesundheit erforderlich sei, für einen dringenden Handlungsbedarf. Ob diese Begründung für den vorliegenden Fall im Einzelnen zutreffend und auch im Übrigen ausreichend ist, das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug zu rechtfertigen, ist für die rein formelle Begründungspflicht des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ohne Bedeutung.

Hat die Verwaltungsbehörde die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes angeordnet, so kann das Gericht der Hauptsache allerdings gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung des gegen den Verwaltungsakt gerichteten Rechtsbehelfs wiederherstellen. Dabei hat es in dem wegen der Eilbedürftigkeit nur summarischen Verfahren nicht unmittelbar und nicht ausschließlich die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes zu überprüfen, sondern zu untersuchen, ob das - in der Regel öffentliche - Interesse an dessen sofortiger Vollziehung das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiegt. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Klage zu berücksichtigen. Stellt sich heraus, dass die Klage aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird und ist überdies ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung erkennbar, so kommt diesem Interesse regelmäßig der Vorrang zu.

Gemessen an diesen Grundsätzen überwiegt im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Ordnungsverfügung das Interesse der Antragstellerin, durch Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage vorläufig von dem Vollzug der Verfügung verschont zu bleiben. Denn die angegriffene Ordnungsverfügung vom 26. Mai 2015 begegnet aller Voraussicht nach keinen rechtlichen Bedenken, die zu ihrer Aufhebung führen könnten, und es sind weitere Gründe für den Sofortvollzug gegeben.

In formeller Hinsicht begegnet die angegriffene Ordnungsverfügung keinen rechtlichen Bedenken, insbesondere wurde die Antragstellerin vor Erlass der Ordnungsverfügung - wie in § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) vorgeschrieben - angehört. Die Antragsgegnerin hat zudem in der angegriffenen Ordnungsverfügung die für ihre Entscheidung maßgeblichen Gründe mitgeteilt und damit der in § 39 VwVfG NRW statuierten Begründungspflicht Rechnung getragen.

Die angegriffene Ordnungsverfügung ist auch materiell rechtmäßig. Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Ordnungsverfügung ist § 61 Abs. 1 Satz 2 Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW). Nach § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW haben die Bauaufsichtsbehörden im Rahmen ihrer Aufgabe, die Einhaltung der öffentlichrechtlichen Vorschriften bei der Errichtung, der Änderung, dem Abbruch, der Nutzung, der Nutzungsänderung sowie der Instandhaltung baulicher Anlagen zu überwachen, nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Zu den öffentlichrechtlichen Vorschriften in diesem Sinne gehören unter anderem die §§ 63 ff. BauO NRW, denen zufolge bestimmte Vorhaben der Einholung einer Baugenehmigung bedürfen. Wird ein solches genehmigungsbedürftiges Vorhaben ohne die erforderliche Genehmigung durchgeführt, hat die Behörde ein Einschreiten zu erwägen.

Die Voraussetzungen für ein solches Einschreiten liegen hier vor. Die von der Antragstellerin vorgenommene Nutzung des in dem der Ordnungsverfügung beigefügten Kartenausschnitt bezeichneten Bereichs der auf dem Flurstück °°° des Grundstücks I.-----straße °° in H. aufstehenden Halle zum Betrieb eines Lebensmittel- und Haushaltswaren-Einzelhandels hätte gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW einer Baugenehmigung bedurft. Die Nutzung ist formell illegal, da eine entsprechende Baugenehmigung nicht vorliegt.

Die Nutzung der Halle zu dem vorgenannten Zweck ist von der bestehenden Baugenehmigung vom 16. August 2001, die eine Nutzungsänderung der Halle von einer Produktionshalle in einen Lagerverkauf genehmigt, nicht gedeckt. Bei der Aufnahme der von der Antragstellerin vorgenommenen Nutzung handelt es sich vielmehr um eine im Vergleich zu der genehmigten Nutzung nach § 63 BauO NRW genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung. Eine Nutzungsänderung liegt dann vor, wenn sich die neue Nutzung von der bisherigen (legalen Nutzung) dergestalt unterscheidet, dass jedenfalls die Möglichkeit besteht, dass die Zulässigkeit des geänderten Vorhabens nach den Bauvorschriften anders beurteilt werden kann.

Vgl. Boeddinghaus u.a., Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Kommentar, Loseblatt, Stand: Februar 2015, § 63 Rdnr. 69; OVG NRW, Beschluss vom 13. November 1995 - 11 B 2161/95 -, juris.

Das Vorliegen einer Nutzungsänderung folgt hier bereits aus dem Umstand, dass die Antragstellerin ein im Wesentlichen anderes Sortiment als das durch die Baugenehmigung vom 16. August 2001 genehmigte zum Verkauf anbietet. Durch die Baugenehmigung vom 16. August 2001 ist der Vertrieb von Lebensmitteln jedenfalls in den ganz überwiegenden Bereichen der Halle ausgeschlossen.

Für den Inhalt dessen, was baurechtlich genehmigt ist, ist in erster Linie die Baugenehmigung selbst maßgeblich. Bei der Ermittlung des objektiven Erklärungsinhalts der Baugenehmigung ist nicht nur der Bauschein selbst, sondern sind auch die mit einem Zugehörigkeitsvermerk versehenen Bauvorlagen heranzuziehen, die die Baugenehmigung inhaltlich konkretisieren. Eine etwaige Unbestimmtheit der Baugenehmigung selbst kann durch die als zugehörig gekennzeichneten Bauvorlagen konkretisiert werden.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. März 2007 - 7 B 134/07 -, vom 29. April 2004 - 10 B 545/04 - und Urteil vom 10. Dezember 1996 - 10 A 4248/92 -, jeweils juris; Boeddinghaus u.a., Bauordnung, Kommentar, Loseblatt, Stand: Februar 2015, § 75 Rdnr. 193, 195.

Der auf den 21. August 2001 datierte Bauschein selbst enthält eine bestimmte Sortimentsbezeichnung bzw. -einschränkung unter Ausschluss des Vertriebs von Lebensmitteln nicht. Die Angaben zur "Nähere[n] Erläuterung der Nutzung" - "Verkauf von Restposten aller Art" - in der zu den Baugenehmigungsunterlagen gehörenden, grün gestempelten Baubeschreibung lassen eine weite Interpretation des genehmigten Warensortiments zu und schließen den Vertrieb von Lebensmitteln nicht unbedingt aus. Gleiches gilt für die in der - ebenfalls mit grünem Zugehörigkeitsstempel versehenen - Betriebsbeschreibung enthaltenen Angaben zu den Punkten Erzeugnisse und Dienstbezeichnung - "Verkauf von Restposten aller Art", "Verkauf von Waren aller Art" - sowie die Angaben unter dem Punkt "Rohstoffe, Materialien, Betriebsstoffe, Reststoffe, Waren" - "Holz, Textilien, Keramik, Glas".

Indes werden die Arten bzw. Kategorien von Waren, deren Verkauf in der Halle durch die Baugenehmigung vom 16. August 2001 genehmigt ist, durch die Angaben in der Grundrisszeichnung der Halle, die als grün gestempelte Bauvorlage ebenfalls Baugenehmigungsbestandteil ist, in hinreichend bestimmter Weise konkretisiert. Diese sieht vor, dass sich in der Mitte der Halle ein breiter Gang ohne Verkaufsflächen befindet. Im nördlich davon gelegenen Bereich der Halle sind entlang der nördlichen Außenwand der Halle verlaufende und voneinander abgegrenzte Verkaufsflächen eingezeichnet. So ist im nordwestlichen Bereich der Halle eine "Aktionsfläche Kleinteile" genehmigt, an die sich von Westen nach Osten die Verkaufsflächen "Aktionsfläche Kleinmöbel", "Aktionsfläche Teppich", "Aktionsfläche Teppich", "Kassenbereich" und "Aktionsfläche Textilien" anschließen. An der Ostseite der Halle befindet sich eine weitere Verkaufsfläche "Aktionsfläche Kleinteile" und direkt westlich daneben eine "Aktionsfläche Textilien". Südlich des Gangs in der Hallenmitte sind von Westen nach Osten zunächst zwei "Aktionsflächen Kleinmöbel" und daran anschließend drei mit "Aktionsfläche Sonderposten" bezeichnete Verkaufsflächen genehmigt.

Eine objektive Auslegung der Baugenehmigung unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundrisszeichnung könnte durchaus den Schluss nahelegen, dass - ausgehend von den dort genannten Warenkategorien, die Lebensmittel nicht umfassen - in den für die Sonderposten vorgesehenen Bereichen ebenfalls keine Lebensmittel vertrieben werden dürfen. Zwingend ist dieser Schluss indes nicht. Es scheint durchaus denkbar, dass sich der Begriff "Sonderposten" auch auf Lebensmittel beziehen könnte. Durch die in dem Grundriss enthaltenen Angaben wird das genehmigte Warensortiment indes dahingehend konkretisiert, dass der Vertrieb von Lebensmitteln jedenfalls in dem weit überwiegenden Teil der Halle ausgeschlossen ist. Lediglich in den drei im südwestlichen Hallenbereich verorteten Verkaufsflächen "Aktionsfläche Sonderposten" ist ein genehmigter Vertrieb von Lebensmitteln demnach überhaupt denkbar. Gleiches gilt für die nunmehr ebenfalls vertriebenen Haushaltswaren, die allenfalls darüber hinaus noch in die Kategorie "Kleinteile" eingeordnet werden könnten.

Von diesem genehmigten Warensortiment weicht das nunmehr vertriebene Sortiment - Lebensmittel und Haushaltswaren - in erheblicher Weise ab. Weil aber der Wortlaut der Genehmigung den genehmigten Umfang des Bauvorhabens auch im Hinblick auf das zu verkaufende Sortiment bestimmt, stellt der Sortimentswechsel eines Einzelhandelsbetriebs regelmäßig eine Nutzungsänderung dar.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. März 1999 - 10 B 417/99 -, juris, betreffend einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb, Urteil vom 5. September 1997 - 7 A 2902/93 -, juris; vgl. a. BayVGH, Beschluss vom 9. September 2013 - 14 ZB 12.1899 -, juris, betreffend die Änderung von Einzelhandelsgeschäft zu Drogeriemarkt. VG H. , Beschluss vom 28. September 2006 -, bestätigt durch OVG NRW, Beschluss vom 15. November 2006 - 10 B 2211/06 -.

Das Gleiche gilt, wenn - wie hier - der Sortimentswechsel nicht vollständig, aber im Hinblick auf den weit überwiegenden Teil des Sortiments erfolgt. Hier kommt hinzu, dass das nunmehr vertriebene Sortiment gegenüber dem zuletzt angebotenen und baurechtlich genehmigten Sortiment in besonderer Weise zentrenrelevant ist und die Nutzungsänderung deshalb schon im Hinblick auf § 34 Abs. 3 BauGB anderen bauplanungsrechtlichen Anforderungen unterworfen sein kann.

Nicht zuletzt liegt eine Nutzungsänderung auch im Hinblick auf die offenbar nach der Erteilung der Baugenehmigung vom 16. August 2001 vorgenommenen nicht unbeträchtlichen baulichen Veränderungen im Inneren der Halle vor, die anhand der Lichtbilder festzustellen sind. Dies betrifft beispielsweise die zwischen Hallenabschnitt °° und °° eingezogene Trennwand nebst Rolltor und den in der nordöstlichen Ecke des "Verkaufsraums" im westlichen Hallenbereich eingezogenen Raum (vgl. Blatt °° BA °, Foto Nr. °° auf Blatt °° BA °). Diese bauliche Teilung der Halle wirft jedenfalls in Bezug auf brandschutzrechtliche Aspekte Fragen auf, die möglicherweise anders beurteilt werden könnten als bei der genehmigten Nutzung der in Rede stehenden Halle als Einheit.

Vgl. hierzu auch VG H. , Beschluss vom 21. November 2014 - 6 L 1176/14 -, www.nrwe.de.

Ob das Vorhaben materiell rechtmäßig, also genehmigungsfähig ist, spielt für das vorliegende Verfahren keine Rolle. Die Antragsgegnerin hat sich insoweit in ermessensfehlerfreier Weise auf die Prüfung der formellen Baurechtswidrigkeit beschränkt. Die Ausführungen auf Seite 2 der Verfügung zu den brandschutztechnischen Defiziten dienen allein dazu darzutun, dass der Bauantrag der Antragstellerin aus Sicht der Behörde nicht ohne Weiteres genehmigungsfähig ist, was zur Unverhältnismäßigkeit der Ordnungsverfügung führen würde.

Die Nutzungsuntersagung ist auch im Übrigen rechtmäßig. Die Antragsgegnerin hat das ihr nach § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Insbesondere ist die angeordnete Nutzungsuntersagung nicht unverhältnismäßig. Der Gesetzgeber hat durch das Erfordernis der Baugenehmigung dem öffentlichen Interesse an einer vor Aufnahme der geänderten baulichen Nutzung erfolgenden Überprüfung des Vorhabens den Vorrang vor dem Interesse des Bauherrn an der sofortigen Aufnahme einer genehmigungsbedürftigen Nutzung gegeben. Durch die angegriffene Ordnungsverfügung wird lediglich dieser Wertung des Gesetzgebers Rechnung getragen, ohne dass der Antragstellerin für den Fall, dass sich in einem Genehmigungsverfahren die materielle Rechtmäßigkeit der Nutzung ergeben sollte, unbeabsichtigte Nachteile entstehen. Der Nachteil, der dadurch entsteht, dass das Genehmigungsverfahren abgewartet werden muss, ist durch die gesetzliche Regelung vorgegeben und regelmäßig in Kauf zu nehmen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. Juli 2002 - 10 B 942/02 -.

Eine Nutzungsänderung ist ausnahmsweise dann unverhältnismäßig und kommt nicht in Betracht, wenn der entsprechende Bauantrag bereits gestellt und auch nach Auffassung der Baugenehmigungsbehörde genehmigungsfähig ist und der Baugenehmigung keine sonstigen Hindernisse entgegenstehen. Denn dann könnte die Baugenehmigungsbehörde die Störung durch die formelle Illegalität sofort beseitigen, indem sie die fehlende Baugenehmigung erteilt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Februar 2014 - 2 A 1181/13 -, juris; VG H. , Beschluss vom 28. September 2006 - 5 L 1372/06 -.

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier indes nicht vor. Zwar hat die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin am 13. November 2014 einen entsprechenden Bauantrag gestellt. Die Antragsgegnerin hält diesen Bauantrag indes auch nach der weiteren Ortsbesichtigung vom 20. Mai 2015, bei dem das Vorhandensein einer Feuerwehrumfahrt festgestellt wurde, nicht für genehmigungsfähig. Wie sie in der angefochtenen Ordnungsverfügung ausführlich dargelegt hat, stehen ihrer Auffassung nach unter anderem brandschutztechnische Mängel der Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung für die vorgenommene Nutzung entgegen.

Die Inanspruchnahme der Antragstellerin als Störerin ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Verursacht eine Person eine Gefahr, so sind nach § 17 Abs. 1 Ordnungsbehördengesetz Nordrhein-Westfalen (OBG NRW) Maßnahmen gegen diese Person zu richten. Als Mieterin ist die Antragstellerin Verhaltensstörer im Sinne des § 17 OBG NRW, denn in ihrem Verhalten bzw. dem ihrer Geschäftsführer liegt die formell baurechtswidrige Nutzung der in Rede stehenden Halle zum Betrieb ihres Einzelhandels mit Lebensmitteln und Haushaltsbedarf ohne die dafür erforderliche Baugenehmigung. Insoweit war auch nicht vornehmlich der Eigentümer des Gebäudes als Zustandsstörer nach § 18 Abs. 1 OBG NRW in Anspruch zu nehmen. Eine Nutzungsuntersagung ist bei vermieteten Gebäuden - wie hier - vielmehr grundsätzlich an den Mieter zu richten.

Vgl. Dürr/Middeke/Schulte Beerbühl, Baurecht Nordrhein-Westfalen, 4. Aufl. 2012, Rdnr. 371; Jäde, Bauaufsichtliche Maßnahmen, 3. Aufl. 2009, Rdnr. 283.

Vor diesem Hintergrund bedurfte es keiner besonderen Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin hinsichtlich der Störerauswahl. Denn nur durch die Inanspruchnahme des Mieters als Inhaber der tatsächlichen Gewalt über die jeweiligen Räumlichkeiten kann eine materiell illegale Nutzung effektiv beendet werden, wohingegen eine Inanspruchnahme des Eigentümers zeitintensiver und bereits deswegen weniger effektiv ist. Denn der Eigentümer müsste das bestehende Mietverhältnis kündigen und unter Umständen die Räumung der baulichen Anlage zwangsweise durchsetzen.

Der Verhältnismäßigkeit der Ordnungsverfügung steht auch nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin eine Frist von lediglich einer Woche ab Zustellung der Verfügung eingeräumt hat, um der in der angegriffenen Ordnungsverfügung enthaltenen Aufforderung nachzukommen. Diese Frist ist trotz ihrer Kürze noch verhältnismäßig, da sich der mit der Ordnungsverfügung verbundene Eingriff in die Rechte der Antragstellerin, die vornehmlich ihre wirtschaftlichen Interessen betreffen, als relativ geringfügig erweist. Der Antragstellerin wird insbesondere nicht untersagt, ihr Gewerbe als solches weiterzuführen. Die Kürze der Frist entspricht im Übrigen auch dem Sinn und Zweck der Nutzungsuntersagung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und rechtfertigt sich aus der in § 61 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers, dass die Vorschriften des Baurechts durchgesetzt werden sollen. Wäre in den Fällen einer formell baurechtswidrigen Nutzung eine Frist zu gewähren, die es dem Betreffenden realistischer Weise ermöglichen würde, unter Aufrechterhaltung der formell illegalen Nutzung einen rechtmäßigen Betrieb zu gründen, indem er eine Baugenehmigung beantragt und erhält, würde dies dem formell illegal Handelnden ermöglichen, aus seinem Tun weiterhin wirtschaftliche Vorteile zu ziehen. Dies aber würde den formell illegal Handelnden gegenüber demjenigen bevorzugen, der sich rechtstreu verhält und die baurechtlichen Regeln befolgt, bevor er eine genehmigungsbedürftige Nutzung aufnimmt.

Die Antragsgegnerin war schließlich an dem Erlass der angegriffenen Ordnungsverfügung nicht deswegen gehindert, weil die Antragstellerin ihren Einzelhandel in der in Rede stehenden Halle bereits seit längerer Zeit betrieben hat ohne dass die Antragsgegnerin bauordnungsrechtlich gegen diese Nutzung vorgegangen ist. Einen auf diesem Umstand basierenden Vertrauensschutz kann die Antragstellerin nicht für sich in Anspruch nehmen. Die Annahme eines Vertrauensschutzes würde voraussetzen, dass die Antragsgegnerin den baurechtswidrigen Zustand "aktiv geduldet" hätte, etwa durch eine - in Kenntnis der Umstände - ausdrücklich abgegebene Erklärung, ob und inwieweit sie den baurechtswidrigen Zustand hinzunehmen bereit ist, oder durch eine vorbehaltlose Zusicherung, nicht einzuschreiten. Es spricht zudem vieles dafür, dass eine länger andauernde Duldung oder Duldungszusage, soll sie Vertrauensschutz vermitteln, schriftlich erfolgen muss. Ein bloßes Nichttätigwerden führt hingegen nicht dazu, dass die Behörde die Berechtigung zum Einschreiten verliert.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 20. Januar 2015 - 2 B 1447/14 - und vom 28. August 2014 - 7 B 940/14 -, beide juris; VG H. , Beschluss vom 25. Juli 2013 - 5 L 624/13 -, www.nrwe.de; Wenzel, in: Gädtke/ Czepuck/ Johlen u.a., BauO NRW, Kommentar, 12. Aufl. 2011, § 61 Rdnr. 40 f., 75, mit weiteren Nachweisen; Schönenbroicher/ Kamp, BauO Kommentar, 2012, § 61 Rdnr. 27.

Eine solche aktive Duldung durch die Antragsgegnerin liegt hier nicht vor. Eine ausdrückliche (schriftliche) Duldung des formell baurechtswidrigen Zustands hat die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin nicht erklärt. Aber auch die von der Antragstellerin angeführten (sinngemäßen) Aussagen, die Mitarbeiter der Antragsgegnerin getätigt haben sollen - die Antragstellerin solle das Grundstück kaufen, danach werde das Genehmigungsverfahren durchgeführt (Seite °° des Schriftsatzes vom 17. Juni 2015) bzw., dass das Objekt nicht stillgelegt werde, wenn ein Bauantrag gestellt werde (Seite °° des Schriftsatzes vom 2. Juli 2015) - erfüllen (zugunsten der Antragstellerin unterstellt, solche Aussagen wären tatsächlich getätigt worden) die oben genannten Voraussetzungen einer aktiven Duldung nicht.

An der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Ordnungsverfügung besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse. In aller Regel rechtfertigt aus den oben angeführten Gründen bereits die formelle Illegalität die sofortige Vollziehung eines Nutzungsverbots.

Näher auch dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 11. Mai 2011 - 7 B 329/11 -, juris, und vom 12. Juli 2007 - 7 E 664/07 -, Baurecht 2007, 1870, mit weiteren Nachweisen.

Vorliegend kommt hinzu, dass die mit der formell baurechtswidrigen Nutzung des Gebäudes verbundene mögliche Vorbildwirkung für etwaige Nachahmer eine Überprüfung des Vorhabens vor der Aufnahme der gewerblichen Nutzung erforderlich erscheinen lassen. Diese Überprüfung vor einer weiteren gewerblichen Nutzung durch eine Ordnungsverfügung sicher zu stellen, erscheint im öffentlichen Interesse geboten. Gleiches gilt für die von der Antragsgegnerin angeführten Aspekte des Brandschutzes.

Soweit die Antragstellerin darüber hinaus beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die in der Ordnungsverfügung enthaltene Zwangsgeldandrohung anzuordnen, ist der insoweit zulässige Antrag ebenfalls unbegründet. Die Androhung des Zwangsgeldes ist rechtmäßig. Sie findet ihre Grundlage in §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW und begegnet auch im Hinblick auf die Höhe des Zwangsgeldes keinen rechtlichen Bedenken.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Das Gericht hat das Interesse der Antragstellerin an der Aufrechterhaltung der Nutzung entsprechend ihren Angaben mit jährlich 20.400,- Euro bewertet und diesen Betrag wegen des vorläufigen Charakters des Eilverfahrens auf die Hälfte reduziert.

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