VG Münster, Urteil vom 17.04.2015 - 5 K 3212/13
Fundstelle
openJur 2015, 16315
  • Rkr:

1. Zu der aus der Fürsorgepflicht erwachsenen Pflicht des Dienstherrn, auf die ihm bereitgestellten Parkmöglichkeiten für einen verkehrssicheren Zustand entsprechend den zivilrechtlichen Grundsätzen zur Verkehrssicherungspflicht zu sorgen.

2. Den Verkehrssicherungspflichtigen trifft die Pflicht, unverzüglich eine anlassbezogene Baumkontrolle durchzuführen, wenn ihm besondere Anhaltspunkte bekannt werden, die erfahrungsgemäß auf eine besondere Gefährdung hindeuten. Zu diesem Anzeichen gehören massive Windereignisse.

3. Das Vorliegen eines Druckzwiesels stellt ein Stabilitätsrisiko für einen Baum dar.

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.794,45 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. November 2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt 15 %, die Beklagte 85 % der Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der als Soldat beim Bundessprachenamt, Sprachenzentrum West, N. , IV. Inspektion eingesetzte Kläger parkte seinen privaten Personenkraftwagen (PKW) am 12. Juni 2013 auf einer ausgewiesenen Parkfläche auf dem hinteren Parkplatz der Liegenschaft X. 1545 des Bundeswehrdienstleistungszentrums N. , da er dort ein Dienstfahrzeug abholen wollte. Im Laufe des Tages brach in der Folge von am 1./2. Juni 2013 aufgetretenem z. T. stark böigen Wind aus einer seitlich vom Parkplatz in einer Baumgruppe in einem Grünstreifen am Außenzaun der Liegenschaft stehenden Eiche einer von zwei Leittrieben aus, fiel auf den PKW des Klägers und beschädigte diesen.

Mit am 17. Juni 2013 beim Bundeswehrdienstleistungszentrum N. eingegangenen Schreiben begehrte der Kläger unter Vorlage eines Kostenvoranschlags für die Reparatur seines PKW die "baldige Deckung der Summe". Der Kostenvoranschlag wies Reparaturkosten in Höhe von 2.794,45 Euro netto bzw. 3.325,40 Euro brutto aus. Eine Reparatur des Fahrzeugs erfolgte bislang nicht.

Mit Bescheid vom 11. Juli 2013 lehnte das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung führte es aus, Schadensersatz könne nicht unter dem Gesichtspunkt einer Amtspflichtverletzung gewährt werden, da das Bundeswehrdienstleistungszentrum seiner Verkehrssicherungspflicht im Hinblick auf die Kontrolle des Baumbestandes nachgekommen sei. Die letzte jährliche Kontrolle sei am 27. November 2012 durch den verantwortlichen Meister der Geländebetreuung erfolgt und habe nicht zu der Feststellung von Schäden geführt. Am 3. Juni 2013 habe es eine weitere Kontrolle des Baumbestandes gegeben; die Schadhaftigkeit des später ausgebrochenen Astes sei dabei von außen nicht sichtbar gewesen; erst nach Ausbruch des Astes sei bei diesem auf der oberen Seite ein Rindeneinschluss mit leichter Faulstelle und leichter seitlicher Rissbildung erkennbar gewesen, die durch Callus geschlossen gewesen sei. Ebenso könne weder eine Billigkeitszuwendung nach den "Richtlinien für Billigkeitszuwendungen bei Sachschäden, die im Dienst entstanden sind" gewährt werden noch eine Erstattung des Schadens auf Basis des ministeriellen Erlasses über die "Erstattung von Sachschäden an dienstlich benutzten, aber nicht vom Dienstherrn bereitgestellten Fahrzeugen, insbesondere Kraftfahrzeugen sowie Fahrrädern" erfolgen, da die entsprechenden Voraussetzungen der Verwaltungsvorschriften nicht vorlägen.

Mit Beschwerdebescheid vom 2. Oktober 2013 wies das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr die Beschwerde des Klägers vom 29. Juli 2013 zurück. In Ergänzung des Ablehnungsbescheides führte es aus, bei der Kontrolle am 3. Juni 2013 habe es sich um eine nicht einzeln dokumentierte anlassbezogene Sichtkontrolle gehandelt; bei dem ausgebrochenen Ast habe es sich um einen steil angebundenen Zwiesel gehandelt, das heißt um einen der beiden Leittriebe des Baumes; der Baum habe durch die beiden Leittriebe bildlich gesprochen ungefähr die Form einer Stimmgabel gehabt.

Der Kläger hat am 8. November 2013 Klage erhoben. Er ist der Ansicht, die Beklagte sei der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Hierzu trägt er insbesondere vor, es lägen keine ausreichenden Nachweise dafür vor, dass am 27. November 2012 und am 3. Juni 2013 eine Kontrolle der Eiche stattgefunden habe; eine am 3. Juni 2013 durchgeführte Sichtkontrolle hätte, wenn sie stattgefunden habe, nicht ausgereicht; sie sei auch nicht von einem Fachmann durchgeführt worden.

Der Kläger hat zunächst beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2013 in der Fassung des Beschwerdebescheids vom 2. Oktober 2013 aufzuheben und ihn antragsgemäß zu bescheiden.

Der Kläger beantragt nunmehr schriftsätzlich,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.794,45 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 2. Oktober 2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie rügt die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts, soweit der Kläger Amtshaftungs- und/oder zivilrechtliche Ansprüche verfolge. Zur Begründung des Klageabweisungsantrags nimmt sie im Wesentlichen Bezug auf ihre Ausführungen im Ablehnungs- und Beschwerdebescheid. Sie ergänzt ihr Vorbringen insbesondere dahin, dass auch am 11. Juni 2013 noch eine Baumkontrolle durchgeführt worden sei.

Die Beteiligten haben in dem Erörterungstermin am 9. April 2015 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Gründe

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Berichterstatter anstelle der Kammer (§ 87a Abs. 2 u. 3 VwGO) ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 14. Januar 2014 die Klage konkludent zurückgenommen hat, ist das Verfahren nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Dem liegt seitens des Gerichts das Verständnis zu Grunde, dass sich der ursprüngliche (mit Schriftsatz vom 7. November 2013 angekündigte) Klageantrag - losgelöst von allen Erwägungen zu seiner Zulässigkeit - auf die Zahlung eines Betrags in Höhe von 3.325,40 Euro bezog. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem in den Schriftsätzen vom 7. November 2013 und 20. November 2013 angegebenen Streitwert in entsprechender Höhe sowie zusätzlich dem - in dem Klageantrag in Bezug genommen - Antrag des Klägers im Verwaltungsverfahren, der ebenfalls auf die Zahlung von 3.325,40 Euro gerichtet war.

Die aufrechterhaltene Klage hat im Hinblick auf die Hauptforderung vollständig sowie hinsichtlich der Zinsforderung teilweise Erfolg.

I. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 2 Satz 2 VwGO i. V. m. § 82 Abs. 1 Soldatengesetz (SG) eröffnet. Der Kläger stützt sein Begehren im vorliegenden Verfahren zum einen auf die "Richtlinien für Billigkeitszuwendungen bei im Dienst entstandenen Sachschäden" und den Erlass über die "Erstattung von Sachschäden an dienstlich benutzten, nicht vom Dienstherrn bereitgestellten Fahrzeugen, insbesondere Kraftfahrzeugen sowie Fahrrädern" sowie zum anderen auf eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Letzterer Aspekt erlangt Bedeutung unter dem Gesichtspunkt der Fürsorge- und Schutzpflicht des Dienstherrn; das Bestehen eines Amtshaftungsanspruchs nach Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB wird hingegen weder explizit vom Kläger geltend gemacht noch hier geprüft.

Die auf die Zahlung von Schadensersatz gerichtete Klage ist als Leistungsklage statthaft,

vgl. BVerwG, Urteil vom 20. April 1977 - VI C 7.74 -, BVerwGE 52, 247 = juris, Rn. 29 f.; siehe auch Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 42 Rn. 14,

und auch im Übrigen zulässig.

II. Die Klage ist teilweise begründet. Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung von 2.794,45 Euro beanspruchen (1.). Einen Zinsanspruch kann der Kläger ab dem 9. November 2013 geltend machen, nicht jedoch für den vorangegangenen Zeitraum ab dem 2. Oktober 2013 (2.).

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz des ihm an seinem PKW entstandenen Sachschadens in Höhe von 2.794,45 Euro. Dies folgt unmittelbar aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 31 Abs. 1 SG).

Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SG hat der Bund im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl des Berufssoldaten und des Soldaten auf Zeit sowie ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses, zu sorgen.

Dabei entspricht die Fürsorgepflicht des § 31 Abs. 1 SG derjenigen des § 78 BBG (= § 79 BBG i. d. F. vom 17. Juli 1971 [BGBl. I S. 1182 ff., 1193]).

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 1973 - II B 13.73 -, Buchholz 238.4 § 31 SG Nr. 3 = juris, und Urteil vom 30. August 1973 - II C 5.72 -, BVerwGE 44, 52 = juris, Rn. 19.

Der Rückgriff auf die allgemeine Fürsorgepflicht ist weder durch die gesetzlichen Regelungen zur Unfallfürsorge bzw. Beschädigtenversorgung noch durch die oben genannten Verwaltungsvorschriften gesperrt, da es bei dem hier vorliegenden Fall des Betreibens eines Behördenparkplatzes um einen gänzlich anderen Sachverhalt handelt, der weder von den tatbestandlichen Voraussetzungen noch von dem Einzugsbereich der genannten Regelungen erfasst wird.

Die Voraussetzungen des aus § 31 Abs. 1 Satz 1 SG entspringenden Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung der Fürsorgepflicht durch den Dienstherrn liegen vor. Das schuldhafte - b) - objektiv fürsorgepflichtwidrige Verhalten der Beklagten - a) - hat zu einem kausalen Schaden beim Kläger - c) - geführt, als dessen Rechtsfolge - d) - Schadensersatz in der tenorierten Höhe zu zahlen ist.

a) Die Beklagte - bzw. die Personen, derer sie sich bei der Erfüllung ihrer Verpflichtung aus § 31 SG bedient - hat sich objektiv fürsorgepflichtwidrig verhalten, indem sie entgegen ihrer Verkehrssicherungspflicht die seitlich von dem hinteren Parkplatz der Liegenschaft X. 1545 des Bundeswehrdienstleistungszentrums N. in einer Baumgruppe in einem Grünstreifen am Außenzaun der Liegenschaft stehenden Eiche nach dem Windereignis am 1./2. Juni 2013 nicht hinreichend kontrolliert hat.

(1) Die Pflicht zu Schutz und Fürsorge beinhaltet nicht nur die Pflicht, Schaden vom Beamten bzw. Soldaten abzuwenden, sondern insbesondere auch, dem Beamten bzw. Soldaten und den von ihm in den Dienst eingebrachten Gegenständen keinen Schaden zuzufügen. Die Schutzpflicht des Dienstherrn erfasst allerdings nur diejenigen Sachen des Beamten, die dieser notwendig und im üblichen Rahmen zum Dienst mitbringt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. September 1993 - 2 C 32.91 -, BVerwGE 94, 163 = juris, Rn. 9.

Dagegen gebietet es ihm die Fürsorgepflicht nicht, Parkmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge der Beamten bzw. Soldaten überhaupt oder gar kostenlos zur Verfügung zu stellen. Es ist grundsätzlich Sache des Beamten bzw. Soldaten selbst, entweder mit öffentlichen Verkehrsmitteln - falls nicht zu Fuß oder mit dem Fahrrad - zum Dienst oder vom Dienst nach Haus zu gelangen oder, falls er ein Kraftfahrzeug benutzt, sich selbst um eine, auch entgeltliche, Unterbringungsmöglichkeit zu bemühen. Andererseits ist der Dienstherr nicht gehindert, in Konkretisierung der ihm obliegenden Fürsorgepflicht Parkmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen.

Vgl. Nds. OVG, Urteil vom 12. Dezember 1995 - 5 L 5768/94 -, IÖD 1996, 161 = juris, Rn. 10.

Soweit der Dienstherr aber - wie hier - Parkmöglichkeiten zur Verfügung stellt, ist er gegenüber den Beamten bzw. Soldaten durch seine Fürsorgepflicht gehalten, für einen verkehrssicheren Zustand entsprechend den zivilrechtlichen Grundsätzen zur Verkehrssicherungspflicht zu sorgen.

Vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 14. Januar 2004 - 1 Q 2/03 -, ZBR 2004, 231 = juris, Rn. 14; siehe auch Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, § 78 BBG Rn. 66 (Stand: September 2014); Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 8. Aufl. 2013, § 10 Rn. 45; Hartung, in: Fürst, GKÖD, Bd. I, Teil 2d, § 78 BBG Rn. 36 (Stand: Dezember 2012).

(2) Nach den allgemeinen Anforderungen hinsichtlich der Verkehrssicherungspflicht hat der Verkehrssicherungspflichtige zur Abwehr der von Bäumen ausgehenden Gefahren die Maßnahmen zu treffen, die einerseits zum Schutz gegen Astbruch und Windwurf erforderlich, andererseits unter Berücksichtigung des umfangreichen Baumbestandes der öffentlichen Hand zumutbar sind. Dazu genügt in der Regel eine in angemessenen Abständen vorgenommene äußere Sichtprüfung, bezogen auf die Gesundheit des Baumes. Eine eingehende fachmännische Untersuchung ist nur dann vorzunehmen, wenn Anhaltspunkte vorliegen, die erfahrungsgemäß auf eine besondere Gefährdung hindeuten. Solche Anzeichen sind etwa eine spärliche oder trockene Belaubung, dürre Äste, äußere Verletzungen, Wachstumsauffälligkeiten oder Pilzbefall. Auch das Vorliegen eines Druckzwiesels, d. h. eines mehrstämmigen Baumstammes mit etwa gleichmäßigem Dickenwachstum der Stämme, bei dem der Druck der Teilstämme an sich gegeneinander gerichtet ist, stellt ein Stabilitätsrisiko dar.

Vgl. OLG Hamm, Urteile vom 31. Oktober 2014 - 11 U 57/13 -, juris, Rn. 5, und vom 4. Februar 2003 - 9 U 144/02 -, NJW-RR 2003, 968 = juris, Rn. 4 f.; siehe auch BGH, Urteil vom 6. März 2014 - III ZR 352/13 -, NJW 2014, 1588 = juris, Rn. 7, 12.

In der Rechtsprechung ist dabei umstritten, ob die regelmäßigen Kontrollen - so die bisherige ständige Rechtsprechung - grundsätzlich zweimal jährlich durchzuführen sind oder ob - wie es von einem Teil der neueren Rechtsprechung vertreten wird - unter Heranziehung der "Richtlinien für Regelkontrollen zur Überprüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen" der Forschungsgesellschaft Landesentwicklung Landschaftsbau e.V. (Baumkontrollrichtlinie) unter bestimmten Voraussetzungen auch einmal jährliche oder längere Kontrollintervalle ausreichen.

Vgl. dazu m. w. N. für beide Ansichten OLG Hamm, Beschluss vom 4. November 2013 - 11 U 38/13 u.a. -, juris, Rn. 15 f.

Über die regelmäßigen Kontrollen hinaus trifft den Verkehrssicherungspflichtigen die Pflicht, unverzüglich eine anlassbezogene Baumkontrolle durchzuführen, wenn ihm besondere Anhaltspunkte bekannt werden, die erfahrungsgemäß auf eine besondere Gefährdung hindeuten. Zu diesen Anzeichen gehören insbesondere massive Windereignisse.

Siehe Thüringer OLG, Urteil vom 24. Juni 2009 - 4 U 648/08 -, MDR 2009, 1339 = juris, Rn. 20; vgl. auch Saarländisches OLG, Teilurteil vom 9. November 2011 - 1 U 177/10 - 46 u. a. -, juris, Rn. 35.

(3) Unter Anwendung der vorangestellten Maßstäbe hat die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Sie hat es pflichtwidrig unterlassen, nach dem Windereignis am 1./2. Juni 2013 eine fachmännische Untersuchung der Eiche vorzunehmen.

Die Notwendigkeit einer anlassbezogenen Kontrolle ergibt sich zunächst daraus, dass am 1./2. Juni 2013 z. T. stark böiger Wind aufgetreten ist. Insoweit stützt sich das Gericht in tatsächlicher Hinsicht auf die fachliche Stellungnahme des Leiters der Geländebetreuungsstelle C. N. I. vom 25. Juni 2013, in der das Windereignis in Bezug genommen wird. Dieses Windereignis stellte aufgrund seiner Erheblichkeit einen Anhaltspunkt dar, der erfahrungsgemäß auf eine besondere Gefährdung hindeutet. Zu dieser Einschätzung ist offenbar auch die Beklagte gelangt, da sie nach ihrem eigenen Vortrag die in anderen Liegenschaften aufgetretenen Astausbrüche zum Anlass genommen hat, auch die Baumbestände des hinteren Parkplatzes der Liegenschaft X. 1545 des Bundeswehrdienstleistungszentrums N. auf abgebrochene bzw. trocken werdende Äste zu untersuchen. Diese anlassbezogene Untersuchung hätte jedenfalls im Hinblick auf die Eiche in einer fachmännischen Untersuchung bestehen müssen. Denn dieser Baum wies mit einem Druckzwiesel ("V-Zwiesel") ein (weiteres) Anzeichen auf, das erfahrungsgemäß auf eine besondere Gefährdung hindeutet. Der sog. V-Zwiesel weist, anders als der insoweit grundsätzlich unbedenkliche sog. U-Zwiesel, eine verstärkte Bruchgefahr auf, weil die einwachsende Rinde die beiden Stämme auseinander drückt und zugleich eine "Wassertaschenbildung" droht, bei der das sich in der Mulde sammelnde Wasser in den Stamm eindringen und dort Fäulnis verursachen kann.

Der Pflicht zur fachmännischen Untersuchung der Eiche ist die Beklagte nicht nachgekommen. Dabei kann zu ihren Gunsten unterstellt werden, dass sie tatsächlich - wie von ihr behauptet - am 27. November 2012 und am 3. Juni 2013 überhaupt Kontrollen durchgeführt hat. Denn selbst auf der Grundlage des eigenen Vortrags der Beklagten ist sie - unabhängig von der Frage, ob die die Kontrolle vornehmende Person dafür hinreichend fachlich qualifiziert war - ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht in ausreichender Weise nachgekommen, weil sie nach diesem lediglich eine - hier nicht ausreichende - bloße Sichtkontrolle durchgeführt hat.

Nichts Abweichendes ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten, am 11. Juni 2013 habe eine (weitere) Kontrolle der Baumbestände im betroffenen Bereich stattgefunden. Den Verwaltungsvorgängen (hier: der fachlichen Stellungnahme des Leiters der Geländebetreuungsstelle C. N. I. vom 7. August 2013) lässt sich entnehmen, dass die "Kontrolle" lediglich darin bestand, dass dieser am 11. Juni 2013 einen Dienstwagen auf dem Parkplatz abgestellt hat und ihm hierbei nach eigenem Bekunden keine leicht erkennbaren Schäden aufgefallen sind. Dies genügt offensichtlich nicht den oben dargelegten Anforderungen an eine ordnungsgemäße anlassbezogene Baumkontrolle.

b) Der Beklagten fällt auch Verschulden zur Last. Für die Haftung des Dienstherrn auf Schadensersatz wegen Verletzung von Pflichten aus dem Beamten- bzw. Soldatenverhältnis gilt der allgemeine Verschuldensmaßstab des Bürgerlichen Rechts. Danach handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (vgl. § 276 Abs. 2 BGB).

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 - 2 C 37.04 -, BVerwGE 124, 99 = juris, Rn. 24 m. w. N.

Hier hat die Beklagte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen, als sie die Eiche nach dem am 1./2. Juni 2013 aufgetretenen stark böigen Wind nicht fachmännisch untersucht, sondern sich auf eine bloße Sichtkontrolle beschränkt hat. Der Umstand, dass das Windereignis geeignet war, Astbrüche herbeizuführen, war der Beklagten ausweislich der nach eigenem Bekunden ergriffenen Maßnahmen bekannt. Ebenso war ihr generell bekannt, dass ein Druckzwiesel ein Anzeichen darstellt, das erfahrungsgemäß auf eine besondere Gefährdung hindeutet. Dies ergibt sich bereits aus den entsprechenden Ausführungen im Bescheid des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr vom 11. Juli 2013 (Seite 2 unter II., dritter Absatz). Weiterhin war ihr bekannt oder hätte es jedenfalls auf der Basis eines objektivabstrakten Sorgfaltsmaßstabs bekannt sein müssen, dass die Eiche einen Druckzwiesel aufwies. Dass die hieraus folgenden erforderlichen Sicherungsvorkehrungen sich nicht auf eine bloße Sichtkontrolle beschränken können, sondern eine fachmännische Untersuchung erforderlich machen, erschließt sich einem verständigen Beobachter ohne Weiteres.

c) Es liegt auch ein kausaler Schaden vor. Der Dienstherr haftet dabei nicht für alle nachteiligen Folgen, die - im Sinne einer nicht hinwegzudenkenden Bedingung - in einem logischen Ursachenzusammenhang mit seinem Verhalten oder Unterlassen stehen. Er hat nur dann Schadensersatz zu leisten, wenn eine Fürsorgepflichtverletzung den geltend gemachten Schaden adäquat kausal verursacht hat. Ein haftungsbegründender adäquater Zurechnungszusammenhang besteht, wenn eine Tatsache im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung des Schadens geeignet war. Ein fürsorgepflichtwidriges Unterlassen des Beklagten wäre für die geltend gemachten Schäden nur dann haftungsbegründend ursächlich, wenn das gebotene pflichtgemäße Handeln nicht nur möglicherweise, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Eintritt des Schadens verhindert hätte. Die bloße Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit genügt nicht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 2000 - 2 C 5.99 -, DVBl 2001, 726 = juris, Rn. 68, 72.

Es steht zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) fest, dass eine fachmännische Kontrolle der Eiche zwischen dem 1./2. Juni 2013 und dem 12. Juni 2013 den Schadenseintritt verhindert hätte. Hierbei stützt sich das Gericht maßgeblich auf die in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Vermerke des Leiters der Geländebetreuungsstelle C. N. I. . Nach dessen fachlicher Stellungnahme vom 25. Juni 2013 führte ein durch den starken Wind am 1./2. Juni 2013 ausgelöstes sog. "Schranktürklappen" zu einem Anbrechen des Astes, der sodann am 12. Juni 2013 endgültig riss und den Schaden am PKW des Klägers verursachte. Nach den Ausführungen von Herrn I. in der o. g. Stellungnahme wäre der Schaden an dem später ausgebrochenen Ast bei einer intensiven Begutachtung erkannt worden - und damit die Gefahr beseitigt worden.

d) Als Schadensersatz kann der Kläger von der Beklagten die Zahlung eines Betrages von 2.794,45 Euro verlangen. Auf Rechtsfolgenseite kann der Kläger grundsätzlich als Schadensersatz die Differenz zwischen der Vermögenslage verlangen, die sich aus der schuldhaften Pflichtverletzung ergibt, und der Vermögenslage, wie sie ohne die Pflichtverletzung bestünde.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. April 2005 - 2 C 5.04 -, BVerwGE 123, 175 = juris, Rn. 56.

Für beamten- wie soldatenrechtliche Schadensersatzansprüche ist dabei der Schadensbegriff maßgebend, der auch den §§ 249 ff. BGB zugrunde liegt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2004 - 2 C 61.03 -, BVerwGE 122, 65 = juris, Rn. 36 m. w. N.

Ausweislich des vom Kläger im behördlichen Verfahren vorgelegten - von der Beklagten nicht angegriffenen und auch sonst nicht ersichtlich fehlerhaften - Kostenvoranschlags vom 14. Juni 2013 belaufen sich die - angemessenen - Reparaturkosten für den PKW auf einen Netto-Betrag von 2.794,45 Euro.

Die Zahlung des Brutto-Betrags von 3.325,40 Euro hat der Kläger mit der aufrechterhaltenen Klage nicht mehr begehrt. Dies entspricht unter Berücksichtigung des Umstands, dass das Fahrzeug nach eigenem Vortrag des Klägers bislang nicht repariert worden ist, der gesetzlichen Regelung des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB. Nach dieser ist die Umsatzsteuer nur dann zu erstatten, wenn sie tatsächlich angefallen ist.

2. Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung von Prozesszinsen gemäß § 291 i. V. m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB im tenorierten Umfang in entsprechender Anwendung von § 187 Abs. 1 BGB seit dem 9. November 2013 als dem Tag nach Klageerhebung verlangen, da es sich vorliegend um eine auf eine genau bezifferte Geldzahlung gerichtete Leistungsklage handelt.

Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen bereits ab dem 2. Oktober 2013 besteht hingegen nicht. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechts, der zur Zahlung von Verzugszinsen verpflichtet. Diese können bei öffentlichrechtlichen Geldforderungen nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage verlangt werden. Eine solche ist hier aber nicht ersichtlich. Eine analoge Anwendung des § 288 BGB kommt ausnahmsweise nur in Betracht, wenn es sich bei der öffentlichrechtlichen Forderung um eine Entgeltforderung handelt, also um eine vertragliche Leistungspflicht, die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Leistungspflicht des anderen Vertragspartners steht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2011 - 3 C 30.10 -, DVBl 2011, 1224 = juris, Rn. 19 f.

Dies ist aber vorliegend nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3, § 155 Abs. 2 VwGO und berücksichtigt, dass die Klagerücknahme unter Kostengesichtspunkten ungefähr 15 % der Kosten des Verfahrens betrifft. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 709 Sätze 1 und 2 ZPO sowie §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.