AG Wesel, Urteil vom 19.02.2015 - 5 C 212/14
Fundstelle
openJur 2015, 16305
  • Rkr:
Tenor

Es wird festgestellt, dass dem Beklagten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Stromlieferungsvertrag mit der Vertragsnummer ... kein Bonusanspruch gegen die Klägerin zusteht.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i. H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über das Bestehen eines Bonusanspruchs aus einem Stromlieferungsvertrag.

Die Klägerin, die vormals B1 hieß und nunmehr unter C3 firmiert, ist ein bundesweit tätiges Energieversorgungsunternehmen. Mit Datum vom 12.02.2013 bestätigte die Klägerin dem Beklagten das Bestehen eines Stromlieferungsvertrages für die Abnahmestelle "V-Straße, I". Der streitgegenständliche Vertrag sah unter bestimmten Voraussetzungen einen Bonus von 25 % für Haushaltskunden vor. Vertragsgegenständlich wurden insoweit die Allgemeinen Stromlieferungsbedingungen der Klägerin. Diese enthalten zu den Ziffern 1. (2) Satz 2 und 9. (4) folgende Regelungen:

"Ausgeschlossen ist weiterhin die Belieferung von Kunden, die mittels eigener Fotovoltaikanlagen vor Ort selbst erzeugten Strom unmittelbar in ihr Hausnetz einspeisen."

"Der Bonus und FreikWh werden ausschließlich Haushaltskunden (Standardprofil HO) gewährt. Für gewerblich genutzte Abnahmestellen besteht bei Privatstromtarifen kein Bonusanspruch."

Seit dem 01.02.2013 beliefert die Klägerin den Beklagten unter der im Vertrag genannten Abnahmestelle mit Strom. Unter der von der Klägerin belieferten Abnahmestelle betreibt der Beklagte zudem eine Fotovoltaikanlage. Die durch diese Anlage erzeugte Energie speist der Beklagte vollständig in das öffentliche Netz der RWE ein.

Mit Datum vom 07.06.2014 rechnete die Klägerin gegenüber dem Beklagten Stromkosten von 3.086,35 EUR ab. Einen Bonus gewährte sie nicht. In der Folgezeit berühmte sich der Beklagte der Bonusforderung und rief deshalb die Schlichtungsstelle "Energie e.V." an.

Die Klägerin ist der Ansicht, als Betreiber einer Fotovoltaikanlage stünde dem Beklagten nach ihren oben genannten Geschäftsbedingungen kein Bonusanspruch zu.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte rügt die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts. Er ist der Ansicht, der Bonus sei zu gewähren, weil er als Haushaltskunde zu behandeln sei, da er den von der Klägerin gelieferten Strom ausschließlich für seinen Eigenverbrauch im Haushalt verwende und nicht für den Betrieb seiner Fotovoltaikanlage, deren erzeugte Energie wiederum vollständig in das öffentliche Stromnetz eingespeist werde.

Wegen der weiteren einzelnen Sach- und Streitstands wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig.

Das Amtsgericht Wesel ist gemäß den §§ 12, 13 ZPO als Wohnortgericht des Beklagten örtlich zuständig und gemäß § 23 Nr. 1 GVG sachlich zuständig, weil der Streitwert 5.000 EUR nicht übersteigt.

Entgegen der Ansicht des Beklagten ergibt sich keine Sonderzuständigkeit des Landgerichts aus § 102 EnWG. Für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die sich aus dem EnWG ergeben, sind danach ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes die Landgerichte ausschließlich zuständig. Streitigkeiten, die sich um die Auslegung von Verträgen und deren Geschäftsbedingungen drehen, gehören nicht dazu (vgl. auch OLG Oldenburg, Beschluss vom 03.01.2011, 5 AR, 35/10, zitiert nach juris m.w. Nachweis MDR 2011, 505f.). Gemessen daran kann vorliegend keine Sonderzuständigkeit des Landgerichts bejaht werden, weil das EnWG keine Regelungen dazu enthält, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Energieversorgungsunternehmen ihren Kunden einen Bonus zu gewähren hat. Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Bonus gewährt wird, obliegt vielmehr ausschließlich der Parteivereinbarung und damit im Streitfall der Auslegung des streitgegenständlichen Vertrages und der streitgegenständlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin.

Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an der von der Klägerin begehrten Feststellung ergibt sich daraus, dass sich der Beklagte eines Anspruchs auf den Bonus berühmt und er deshalb auch die Schlichtungsstelle "Energie e.V." angerufen hat.

Nach Ziffer 15 (3) Satz 2 der Geschäftsbedingungen der Klägerin bleibt das Recht der Beteiligten, die Gerichte anzurufen, von der Möglichkeit, die Schlichtungsstelle zu bemühen, unberührt.

Die Klage ist in der Sache begründet, weil der Beklagte nach dem Vertrag bzw. den dem Vertrag zu Grunde liegenden Geschäftsbedingungen der Klägerin keinen Anspruch auf den von ihm geltend gemachten Bonus hat.

Unstreitig liegen dem Vertragsverhältnis die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zu Grunde. Dort heißt es zu Ziffer 9. (4) "Der Bonus und FreikWh werden ausschließlich Haushaltskunden (Standardprofil HO) gewährt. Für gewerblich genutzte Abnahmestellen besteht bei Privatstromtarifen kein Bonusanspruch."

Diese Klausel ist wirksam und insbesondere nicht unklar im Sinne des § 305 Buchst. c Abs. 2 BGB. Denn sie ist ohne weiteres verständlich und eindeutig, ohne dass Auslegungsschwierigkeiten bestehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind Allgemeine Geschäftsbedingungen - ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten durchschnittlichen Vertragspartners - einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden. Dabei sind sie unabhängig von der Gestaltung des Einzelfalles sowie dem Willen und den Belangen der jeweiligen konkreten Vertragspartner nach ihrem typischen Sinn auszulegen. Ansatzpunkt für die bei einem Formularvertrag gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierenden Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut. In Anlehnung dieses Maßstabes sind Zweifel nicht erkennbar. So wird der durchschnittliche Kunde ohne weiteres realisieren, dass jedwede gewerbliche Nutzung unter der Abnahmestelle zum Verlust des Bonus führt. Hierbei handelt es sich um eine eindeutige sprachliche Gestaltung, die keinen Platz seine Auslegung lässt. Eine Beschränkung dieser Regelung dahingehend, dass sie nur die ausschließliche gewerbliche Nutzung zum Gegenstand hat, kann dem Wortlaut nicht entnommen werden (vgl. zu allem AG Bad Freienwalde (Oder), Urteil vom 11.09.2014, Az: 20 C 156/14).

Nach den tatbestandlichen Voraussetzungen der genannten Klausel liegen die Verhältnisse hier so, dass ein Bonusanspruch des Beklagten nicht entstanden ist. Nach den vertraglichen Absprachen der Parteien hat die Klägerin lediglich Privatkunden einen Bonus gewähren wollen, die keinerlei gewerbliche Tätigkeit unter der vertraglich gemeldeten Abnahmestelle betreiben. Unerheblich ist insoweit daher, dass unter der streitgegenständlichen Abnahmestelle eine lediglich teilgewerbliche Nutzung vorliegt. Dass der Betrieb einer Fotovoltaikanlage, dessen Strom gegen Entgelt in das Netz eingespeist wird, jedenfalls eine wirtschaftliche bzw. gewerbliche Tätigkeit darstellt, ist höchstrichterlich entschieden (EuGH, Urteil vom 20.06.2013, C-219/12, zitiert nach juris m.w. Nachweisen).

Unerheblich ist nach dem oben Gesagten auch, dass der von der Klägerin gelieferte Strom ausschließlich für den Eigenverbrauch im Haushalt des Beklagten verwendet wird und nicht für den Betrieb seiner Fotovoltaikanlage, deren erzeugte Energie wiederum vollständig in das öffentliche Stromnetz eingespeist wird. Entgegen der Auffassung des Beklagten vermag § 3 Ziffer 22 EnWG daran nichts zu ändern. Die Verwehrung des Bonus seitens der Klägerin beruht dabei nicht auf der fehlenden Eigenschaft des Beklagten als "Haushaltskunden" im Sinne von § 3 Ziffer 22 EnWG. Die Klägerin hat vielmehr im Rahmen ihrer Geschäftsbedingungen eine Einschränkung des Begriffs des bonusfähigen "Haushaltskunden" im Sinne der genannten Vorschrift vorgenommen. Hierbei handelt es sich um die Ausnutzung der Spielräume der Privatautonomie innerhalb der gesetzlichen Schranken (AG Bad Freienwalde (Oder), a.a.O.).

Der Schriftsatz des Beklagten vom 29.01.2015 bietet zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage und/oder zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO keine Veranlassung. Die Regelung nach Ziffer 9. (4) der Allgemeinen Stromlieferungsbedingungen der Klägerin ist entgegen der Ansicht des Beklagten insbesondere nicht unter Verstoß gegen § 307 BGB intransparent. Dass die im Vertrag bezeichnete Abnahmestelle "V-Straße, I." aufgrund der dort vorhandenen Fotovoltaikanlage mit Einspeisung von Strom gegen Entgelt in das Netz jedenfalls eine teilgewerbliche Abnahmestelle darstellte, hätte dem Beklagten jedenfalls klar sein können.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 91, 711 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 771,58 EUR (25 % von 3086,35 EUR) festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Duisburg, König-Heinrich-Platz, 47051 Duisburg, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Duisburg zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Duisburg durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

Terhorst

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