LG Köln, Urteil vom 26.05.2015 - 21 O 361/14
Fundstelle
openJur 2015, 15646
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, die Freigabe der Grundschuld, Grundbuch von L, Blatt xxx, Flur xxx, Flurstück xxx, in Höhe von 70.000,00 € zu erklären, Zug um Zug gegen Rückzahlung des aktuellen Darlehensbetrages aus dem Darlehen mit der Nummer xxx in Höhe von 66.500,32 €.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Freigabe der Grundschuld, Grundbuch von L, Blatt xxx, Flur xxx, Flurstück xxx, in Höhe von 70.000,00 € in Verzug befindet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 68 % und die Beklagte zu 32 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Kläger gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 80.000,00 €, für die Beklagte gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Kläger schlossen mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der T Bank, Filiale N, Smarkt 14 bis 16, N, am 05.11.2009 einen Darlehensvertrag mit der Nummer xxx in Höhe von 150.000,00 € und am 21.11.2009 einen weiteren Darlehensvertrag mit der Darlehensummer xxx in Höhe von 70.000,00 €. Wegen der näheren Einzelheiten, insbesondere zu den seitens der T Bank erteilten Widerrufsbelehrungen, wird auf die zur Akte gereichten Ablichtungen der Darlehensverträge (Anlage K 1) Bezug genommen.

Zur Sicherung der Darlehensforderungen wurde eine Grundschuld über 220.000,00 € im Grundbuch von L, Blatt xxx, Flur xxx, Flurstück xxx, eingetragen.

Mit Schreiben vom 15.07.2014 (Anlage K 8) widerriefen die Kläger die streitgegenständlichen Darlehensverträge und begehren nunmehr die Freigabe der Grundschuld.

Der Darlehensstand des Darlehens mit der Nummer xxx betrug per 30.06.2014 66.388,29 €; bis zum 15.07.2014 fielen Tageszinsen in Höhe von 112,03 € an.

Der Darlehensstand des Darlehens mit der Nummer xxx betrug per 30.06.2014 126.027,73 €; bis zum 15.07.2014 fielen Tageszinsen in Höhe von 218,45 € an.

Die Kläger begehren nunmehr die Freigabe der Grundschuld Zug um Zug gegen Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 191.600,00 €.

Sie sind der Auffassung, dass sie die streitgegenständlichen Darlehensverträge am 15.07.2014 noch wirksam widerrufen konnten, weil die Widerrufsfrist mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung nicht in Gang gesetzt worden sei. Die von der T Bank verwendeten Widerrufsbelehrungen entsprächen nicht dem Deutlichkeitsgebot, sondern seien vielmehr so zu verstehen, die Widerrufsfrist beginne bereits einen Tag nach Zugang des Darlehensangebotes bei den Klägern, ohne dass deren Vertragserklärung zu berücksichtigen wäre; der Bundesgerichtshof habe eine der streitgegenständlichen entsprechende Widerrufsbelehrung als undeutlich eingestuft. Auch die Formulierung "Ich bin darüber belehrt worden..." sei unklar, da diese nicht die Belehrung der Kläger als solche, sondern die Bestätigung, dass eine solche Belehrung stattgefunden habe, ausspreche. Die Formulierung " Der Lauf der Frist beginnt einen Tag..." lasse offen, ob die Widerrufsfrist einen oder zwei Tage nach Erhalt der erforderlichen Unterlagen beginne. Zudem seien vorliegend die Vorschriften über Fernabsatzverträge anwendbar, weil die Kläger ihre Darlehensverträge bei dem Finanzierungsvermittler unterschrieben hätten. Hinsichtlich des Darlehensvertrages mit der Nummer xxx fehle der Hinweis darauf, dass der Darlehensnehmer nach erfolgtem Widerruf Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen innerhalb von 30 Tagen nach Absendung der Widerrufserklärung erfüllen muss.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen, die Freigabe der Grundschuld Zug um Zug gegen die Rückzahlung der aktuellen Darlehensbeträge aus den Darlehen mit den Nummern xxx und xxx insgesamt in Höhe von 191.600,00 € zu erteilen;

festzustellen, dass die Beklagte sich im Verzug befindet.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln. Sie ist der Auffassung, die Widerrufsbelehrungen seien nicht fehlerhaft, so dass den Klägern kein Widerrufsrecht mehr zustehe. Jedenfalls müssten sich die Kläger den Einwand der Verwirkung entgegenhalten lassen, da der Widerruf erst Jahre nach Vertragsschluss erklärt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere das angerufene Gericht örtlich zuständig. Die beklagtenseits erhobene Rüge verfängt insoweit nicht. Erfüllungsort im Sinne des § 29 ZPO ist bei Darlehensverträgen der Wohnsitz des Schuldners bei Kreditgewährung (Zöller/Vollkommer, 30. Auflage 2014, § 29 Rn 25). Die Kläger verlangten - formal - zwar die Freigabe der darlehenssichernden Grundschuld. Allerdings begründen sie ihren Anspruch auf Freigabe damit, dass sie die Darlehensverträge widerrufen haben, berufen sich also darauf, dass sie ihre Verbindlichkeiten aus den Darlehensverträgen nicht (länger) erfüllen müssen. Vor diesem Hintergrund besteht jedenfalls ein derart enger Zusammenhang zwischen der Darlehensverbindlichkeit und dem geltend gemachten Anspruch, dass eine "Aufsplittung" des Gerichtsstandes künstlich erschiene.

II.

Die Klage ist begründet, soweit die Kläger den Widerruf des Darlehens mit der Nummer xxx (Darlehenssumme 70.000,00 €) erklärt haben.

1.

Die Kläger konnten das (Verbraucher-)Darlehen mit der Nummer xxx widerrufen, weil zum Zeitpunkt des Widerrufs die Widerrufsfrist (§§ 495, 355 BGB a.F.) mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung noch nicht abgelaufen war und für eine Verwirkung des Widerrufsrechts kein Raum ist.

a)

Die Widerrufsbelehrung ist fehlerhaft, soweit die Kläger nicht darauf hingewiesen wurden, dass sie bzw. die Beklagte oder ihre Rechtsvorgängerin Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen innerhalb von 30 Tagen nach Zugang der Widerrufserklärung erfüllen muss (§ 286 Abs. 3 Satz 2 BGB); einen entsprechenden Hinweis enthält im Übrigen die Musterwiderrufsbelehrung nach Anlage 2 der BGB-InfoV in der Fassung vom 04.08.2009 bis zum 10.06.2010 sowie die Widerrufsbelehrung der T Bank AG betreffend den Darlehensvertrag xxx. Zwar trifft die Auffassung der Beklagten zu, dass eine Belehrung über die Folgen des Widerrufs eines Verbraucherdarlehensvertrages grundsätzlich nicht erforderlich war. Wenn der Darlehensgeber aber auf die Widerrufsfolgen hinweist, hat dieser Hinweis nach Auffassung der Kammer vollständig zu erfolgen und muss dem Darlehensnehmer zumindest auch seine Rechte im Falle des Widerrufs - namentlich die Verpflichtung der Bank zur Rückerstattung erhaltener Zahlungen innerhalb von 30 Tagen - und seine eigene Rückerstattungspflicht binnen dieses Zeitraums verdeutlichen. Der Schutz des Verbrauchers erfordert eine möglichst umfassende, unmissverständliche und aus dem Verständnis des Verbrauchers eindeutige Belehrung (ständige Rspr., beispielsweise BGH, Urteil vom 04.07.2002, Aktenzeichen I ZR 55/00), wobei diese Grundsätze auf alle Widerrufsrechte anwendbar sind. Eine Belehrung, welche zwar auf die Pflicht der Darlehensvertragsparteien zur Rückgewähr erhaltener Leistungen hinweist, zugleich aber die Pflicht verschweigt, diese Leistungen innerhalb von 30 Tagen zu erbringen, ist unvollständig und zumindest missverständlich; sie hinterlässt den Eindruck, dass der Vertragspartner des Darlehensnehmers die Rückerstattung auch zu einem späteren Zeitpunkt erbringen kann.

b)

Das Widerrufsrecht der Kläger ist nicht verwirkt. Die Beklagte hat keine Umstände aufgezeigt, welche eine solche Verwirkung begründen könnten. Nach Auffassung der Kammer ist vorliegend bereits das erforderliche Zeitmoment nicht erfüllt (vgl. hierzu Palandt/Grüneberg, 74. Auflage 2015, § 242 Rn 93); zwischen dem Abschluss des Darlehensvertrages und der Widerrufserklärung liegt ein Zeitraum von weniger als fünf Jahren. Jedenfalls aber fehlt es an einem Umstandsmoment. Zwar haben die Kläger mit der Zahlung der vereinbarten Zins- und Tilgungsraten begonnen, was aber noch kein berechtigtes Vertrauen der Beklagten schaffen konnte, dass die Kläger den Darlehensvertrag nicht widerrufen werden. Vielmehr ließe sich das Umstandsmoment nur dann feststellen, wenn die Kläger - beispielsweise - die Darlehensverbindlichkeit vollständig zurückgeführt und danach längere Zeit hätten verstreichen lassen, um den Widerruf zu erklären (vgl. hierzu OLG Köln, Urteil vom 25.01.2012, Aktenzeichen 13 U 30/11).

2.

Der Saldo des Darlehens mit der Nummer xxx per 30.06.2014 beträgt nach dem Beklagtenvortrag 66.388,29 € zuzüglich Tageszinsen bis zum 15.07.2014 in Höhe von 112,03 €, mithin 66.500,32 €. Den hierauf gerichteten Beklagtenvortrag haben die Kläger nicht mehr bestritten. Dass die Kläger nach Verrechnung der wechselseitigen Wertersatzleistungen einen höheren Betrag zu zahlen haben, ist von der Beklagten nicht substantiiert vorgetragen worden.

III.

Die Klage ist unbegründet, soweit die Kläger den Widerruf des Darlehens mit der Nummer xxx erklärt haben. Mangels fehlerhafter Widerrufsbelehrung ist das Widerrufsrecht verfristet.

1.

Auf die Rechtsfolgen des Darlehenswiderrufs hat die T Bank AG ausreichend hingewiesen, insbesondere auf die Pflicht zur Rückerstattung der erhaltenen Leistungen innerhalb von 30 Tagen.

2.

Die Widerrufsbelehrung entspricht weitestgehend dem Wortlaut der damaligen Fassung des § 355 Abs. 2 S. 3 BGB. Dort ist geregelt, dass, soweit der Verbrauchervertrag schriftlich abzuschließen ist, die Frist nicht zu laufen beginnt, bevor dem Verbraucher "auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrages zur Verfügung gestellt werden". Die den Klägern erteilte Belehrung weicht hiervon allein insofern ab, als sie die Formulierung personalisiert, es dort also "mein" schriftlicher Antrag bzw. eine Abschrift "meines" Vertragsantrages heißt. Dies wirkt sich im Ergebnis aber klarstellend, also gerade nicht irreführend aus. Aufgrund der Verwendung des Possessivpronomens konnten die Kläger nämlich nicht der Fehlvorstellung erliegen, die Frist beginne bereits einen Tag nach Zugang eines (etwaigen) mit einer Belehrung versehenen Darlehensangebots der T Bank, d. h. unabhängig von einer Vertragserklärung ihrerseits, zu laufen. Vielmehr war klar, dass - neben der Aushändigung einer ihre Unterschrift enthaltenden Vertragsurkunde (bzw. einer Abschrift hiervon) - allein die Aushändigung ihres eigenen Antrages (bzw. einer Abschrift hiervon) den Fristlauf in Gang setzen würde. Die von den Klägern zitierte Entscheidung des BGH (BGH Urt. v. 10.03.2009 - Az. XI ZR 33/08), mit der eine der vorliegenden ähnliche, allerdings ohne Possessivpronomen formulierte Widerrufsbelehrung für irreführend und damit für unwirksam erklärt wurde, ist hier nicht einschlägig. Dieser lag die Fallkonstellation zugrunde, dass die beklagte Bank dem Verbraucher ein von ihr bereits unterzeichnetes und mit "Darlehensvertrag" überschriebenes Darlehensangebot nebst Widerrufsbelehrung zugeschickt hatte, welches der Verbraucher erst drei Wochen später unterzeichnet an die Bank zurückgesandt hatte. In einer solchen Konstellation legt die Belehrung nach Ansicht des BGH aus der maßgeblichen Sicht eines unbefangenen durchschnittlichen Verbrauchers das fehlerhafte Verständnis nahe, die Frist beginne unabhängig von einer Vertragserklärung des Verbrauchers bereits am Tag nach Zugang des mit der Belehrung versehenen Angebots der Bank. Die Konstellation ist mit der hiesigen nicht vergleichbar.

3.

Soweit die Kläger meinen, die Formulierung "ich bin darüber belehrt worden (...)" sei unklar formuliert, da diese nicht die Belehrung der Kläger als solche, sondern die Bestätigung, dass eine solche Belehrung stattgefunden habe, ausspreche; hierdurch werde dem Verbraucher suggeriert, dass nicht der von ihnen zu unterzeichnende Text, sondern eine vorausgegangene Belehrung für den Fristbeginn maßgeblich sei, überzeugt dies nicht. Am Maßstab des durchschnittlichen Verbrauchers gemessen suggeriert die Formulierung nicht, dass vorher eine fristenauslösende Belehrung stattgefunden hat. Jedenfalls erfolgt eine Klarstellung in der Belehrung durch die Ausführungen im Abschnitt "Fristlauf": "Der Lauf der Frist (...) beginnt (...) nachdem mir ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung (...) ausgehändigt wurde". Damit ist klar und verständlich, wann die Widerrufsfrist zu laufen beginnt.

4.

Die Einschätzung, die Belehrung über den Fristlauf lasse offen, ob die Frist einen oder zwei Tage nach Erhalt der Widerrufsbelehrung etc. zu laufen beginnt, ist nicht nachvollziehbar und wird von der Kammer daher nicht geteilt

5.

Wieso - wie die Kläger meinen - die Vorschriften über Fernabsatzverträge anwendbar sein sollen und daher zusätzliche Belehrungstexte erforderlich seien, erschließt aus dem Sachverhalt nicht. Zudem zitieren die Kläger selbst nur Belehrungsvorschriften betreffend Fernabsatzverträge über "Dienstleistungen".

6.

Die Widerruflichkeit des Darlehens mit der Nummer xxx führt entgegen der Auffassung der Kläger nicht dazu, dass auch das Darlehen mit der Nummer xxx widerrufen werden kann. Woraus die Kläger eine solche Rechtsfolge herleiten wollen, ist nicht ersichtlich. Die beiden Darlehensverträge stellen entgegen ihrer Auffassung keine wirtschaftliche Einheit im Sinne des § 358 BGB dar. Diese Norm regelt die Widerruflichkeit eines Darlehens und des durch dieses finanzierten Geschäfts, nicht aber diejenige zweier, in Zusammenhang stehender, gleichwohl aber rechtlich selbständiger Darlehen. Insofern befasst sich die klägerseits zitierte Entscheidung der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln (Urteil vom 16.04.2013, Aktenzeichen 3 O 175/11) nicht mit einer Konstellation, die mit dem Streitfall vergleichbar wäre. Die dortigen Darlehensverträge konnten beide mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung widerrufen werden und mit ihnen zugleich das finanzierte Geschäft.

7.

Ob die Beklagte den Klägern den Einwand der Verwirkung entgegenhalten kann und in welcher Höhe der Darlehenssaldo besteht, bedarf aufgrund der vorstehenden Ausführungen keiner Erörterung.

IV.

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 14.08.2014 die Rückabwicklung des Darlehensvertrages ab und befindet sich daher mit der Freigabe der Grundschuld in Höhe von 70.000,00 € seit diesem Zeitpunkt in Verzug (§ 286 Abs. 2 Satz 3 BGB).

V.

Die Kostenentscheidung folgt § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit §§ 709 Satz 1 und 2 ZPO.

VI.

Der Streitwert beträgt 191.600,00 €.