LG Aachen, Urteil vom 24.07.2014 - 1 O 78/14
Fundstelle
openJur 2015, 15497
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Fortführung seines Bausparvertrages bei der Beklagten zu den im Jahre 1997 vereinbarten Konditionen.

Der Kläger schloss unter dem 04.12.1997 einen Bausparvertrag bei der I Bausparkasse mit der Nr. # ab. Hierbei wählte der Kläger die als "renditestarke Sparvariante für langfristig orientierte Rendite-Bausparer ohne feste Erwerbsabsichten" beworbene Tarifvariante 3. Die jetzige Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der I Bausparkasse. Der ursprüngliche Bausparvertrag sah eine Bausparsumme von 20.000 DM vor. Ende 1997 wurde auf Wunsch des Klägers die Bausparsumme auf 15.000 DM ermäßigt. Im Rahmen der Euroumstellung wünschte der Kläger die Anpassung der Bausparsumme auf 8.000,00 €. Im Jahr 2012 überstieg das Guthaben erstmals 8.000 € und belief sich per 31.12.2012 auf 8.006,73 €. Zuletzt betrug das Sparguthaben 8.196,95 €.

Dem Vertrag lagen dabei die Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge Tarif W (ABB W), Stand Januar 2004, zu Grunde. Unter § 9 regeln die Vertragsbedingungen ein Kündigungsrecht des Bausparers. § 9 Abs. 4 der Vertragsbedingungen lauten:

"Solange die Rückzahlung des Bausparguthabens nicht begonnen hat, kann die Bausparkasse auf Antrag des Bausparers den Bausparvertrag fortführen."

Ein Kündigungsrecht der Bausparkasse bei Nichtinanspruchnahme des Bauspardarlehens sehen die Vertragsbedingungen nicht vor. Wegen der weiteren Einzelheiten der ABB W wird auf ihren bei den Akten befindlichen Inhalt Bezug genommen. Mit Schreiben vom 15.02.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie den Bausparvertrag zum 31.05.2013 beenden wolle. Dem war ein reger Schriftverkehr zwischen den Parteien vorausgegangen. Der Beklagte widersprach der "Kündigung" und machte zuletzt mit Schreiben seiner nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 12.06.2013 die Fortsetzung des Bauspardarlehens zu den bisherigen Bedingungen geltend.

Der Kläger meint, dass die erfolgte Kündigung zu Unrecht ausgesprochen worden sei. Ein Kündigungsrecht der Bausparkasse sei gänzlich ausgeschlossen, zumal er die "renditestarke Sparvariante" gewählt habe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, den Bausparvertrag mit der Vertragsnummer #, den der Kläger bei der Beklagten unterhält, über den 31.05.2013 zu den bis dahin vereinbarten Bedingungen auf unbestimmte Zeit fortzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass sie nach Erreichen der Bausparsumme gemäß § 488 Abs. 3 BGB zur Kündigung des Bausparvertrages berechtigt gewesen sei.

Der Kläger hat seine Klage ursprünglich beim Landgericht Regensburg erhoben. Dieses hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 14.03.2014 an das Landgericht Aachen verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die bei den Akten befindlichen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Aufgrund des gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO für die Kammer bindenden Beschlusses des Landgerichts Regensburg steht die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Aachen fest. Anhaltspunkte für eine objektiv willkürliche Verweisung sind nicht ersichtlich.

II.

Die Klage ist unbegründet.

Die Beklagte hat den zwischen den Parteien bestehenden Bausparvertrag mit Schreiben vom 15.02.2013 zum 31.05.2013 gemäß § 488 Abs. 3 BGB wirksam gekündigt und dadurch das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis beendigt.

1. Dieses Schreiben ist gemäß §§ 133, 157 BGB als Kündigungserklärung der Beklagten auszulegen. Der Wille der Beklagten zur Vertragsbeendigung zum 31.05.2013 tritt deutlich hervor. Auch die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die Beklagte mit diesem Schreiben die Kündigung des Bausparvertrages erklärt hat.

2. Der Beklagten steht ein Kündigungsrecht gemäß § 488 Abs. 3 BGB zu.

a) Die Darlehensvorschriften gelten auch für Bauspardarlehen. Die Kammer schließt sich der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur an, wonach ein Bausparvertrag einen einheitlichen Darlehensvertrag darstellt, bei dem die Parteien mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen. Es handelt es sich um einen einheitlichen Vertrag mit zwei Stufen. Zunächst wird vom Bausparer bis zur Zuteilungsreife ein Guthaben angespart. Hierfür erhält er die vereinbarte Guthabenverzinsung. Nach Zuteilung kann der Bausparer bestimmungsgemäß das Bauspardarlehen in Höhe der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Bausparsumme und dem bis zur Zuteilung angesammelten Guthaben in Anspruch nehmen. Damit ist ein Bausparvertrag auch in der Ansparphase als Darlehensvertrag zu qualifizieren (OLG Stuttgart WM 2013, 508; LG Frankfurt, Urt. v. 22.02.2013, Az. 21 O 69/12, Rn. 17; Staudinger/ Freitag/Mülbert, BGB, Neubearbeitung 2011, § 488 Rn. 539 m.w.N. Palandt/ Weidenkaff, BGB, 73. Auflage 2014, vor § 488 Rn. 17).

b) Die Parteien haben das ordentliche Kündigungsrecht der Beklagten nicht durch Einbeziehung der ABB W ausgeschlossen. Die allgemeinen Bausparbedingungen schließen das Kündigungsrecht der Bausparkasse nicht ausdrücklich aus, wenn die Bausparsumme durch die Ansparungen vollständig erreicht wurde. Nichts anderes folgt aus § 14 Abs. 1 ABB W (Vertragsfortsetzung), wonach der Vertrag als nicht zugeteilt weiterläuft, wenn die Annahme der Zuteilung zurückgenommen oder widerrufen wird. Diese Vorschrift bezieht sich auf einen ungekündigten Vertrag (vor der Übersparung).

c) Ein Ausschluss des Kündigungsrechts kann auch nicht aus Sinn und Zweck des Vertrages abgeleitet werden. Die ABB W sehen zwar für den Fall der Zuteilungsreife kein Kündigungsrecht der Bausparkasse vor. Sie vermitteln aber auch nicht den Eindruck einer abschließenden Regelung, die keinen Raum mehr für das gesetzliche Kündigungsrecht lässt. Die Übersparung des Bausparvertrages liegt außerhalb des eigentlichen Vertragszwecks des Bausparvertrages und wird in den ABB W gerade nicht abschließend geregelt. Der Bausparvertrag enthält für den Fall, dass die Regelbausparsumme überschritten worden ist, eine Lücke, die durch Rückgriff auf das dispositive Recht auszufüllen ist. Es besteht im Falle des Erreichens Bausparsumme kein Anspruch auf Zuteilung mehr, dem sich die Beklagte entziehen könnte. Zweck des Bausparvertrages ist die Erlangung eines Bauspardarlehens, § 1 Abs. 1 ABB W. Zwar ist der Bausparer nicht verpflichtet, nach Zuteilung das Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen. Spart der Bausparer, wie im vorliegenden Fall, die vertraglich vereinbarte Bausparsumme vollständig an, ist jedoch die Gewährung eines Bauspardarlehens nicht mehr möglich. Denn in diesem Fall besteht keine durch ein Darlehen zu überbrückende Lücke zwischen Bausparguthaben und Bausparsumme. Der eigentliche Vertragszweck ist damit nicht mehr gegeben (OLG Stuttgart WM 2013, 508; OLG Frankfurt, Beschluss v. 02.09.2013, Az. 19 U 106/13, Rn. 2; LG Frankfurt, Urt. v. 22.02.2013, Az. 21 O 69/12, Rn. 21; vgl. auch Staudinger/ Freitag/Mülbert, BGB, Neubearbeitung 2011, § 488 Rn. 548).

d) Nach Auffassung der Kammer folgt nichts Abweichendes daraus, dass der Kläger vorliegend die "renditestarke Sparvariante" abgeschlossen hat. Bei diesem Titel handelt es sich gleichsam um eine werbende Anpreisung der Beklagten. Wenngleich bei Abschluss einer solchen Renditevariante der Abruf des Bauspardarlehens von vornherein im Hintergrund gestanden haben dürfte, so diente auch ein solcher Bausparvertrag nach dem objektiven Verständnis der Vertragsparteien nicht als gut verzinstes Sparbuch auch über die Bausparsumme hinaus. Hierfür spricht auch § 9 Abs. 4 ABB W, wonach die Bausparkasse auf Antrag des Bausparers den Bausparvertrag fortführen kann, wenn die Rückzahlung des Bausparguthabens nicht begonnen hat. Aus dem Wortlaut "kann" folgt, dass die Bausparkasse gerade nicht bis in alle Ewigkeit verpflichtet sein sollte, den Vertrag fortzuführen. Im Übrigen regelt § 6 ABB W auch die weitreichende Möglichkeit des Wechsels der Zinsvariante, so dass die Wahl der "renditestarken Sparvariante" für den Kläger nicht verbindlich war. Damit traf er entgegen seiner Darstellung nicht die unwiderrufliche Entscheidung bei Vertragsschluss, letztlich nicht doch ein Darlehen abzurufen.

3. Die Beklagte hat das Darlehen fristgemäß mit Schreiben vom 15.02.2013 zum 31.05.2013 gekündigt. Die Kündigungsfrist beträgt nach § 488 Abs. 3 BGB drei Monate.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709 S. 1, S. 2 ZPO.

Streitwert: 8.006,00 €

Rechtsbehelfsbelehrung:

A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Köln, Reichenspergerplatz 1, 50670 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Köln zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Aachen statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Aachen, Adalbertsteinweg 92, 52070 Aachen, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.