OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.04.2015 - 1 A 1242/12
Fundstelle
openJur 2015, 15398
  • Rkr:

Die Erstattung von Ausbildungskosten nach § 56 Abs. 4 Satz 1 oder Satz 2 SG darf den früheren Soldaten gemessen an der Härteklausel des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG nicht in einer Weise belasten, dass er in die Gefahr einer existenzgefährdenden wirtschaftlichen Notlage gerät.

In Anwendung dieses Grundsatzes darf in dem Falle, dass Ratenzahlung gewährt wird, die Zahlungspflicht grundsätzlich nicht während des gesamten weiteren Berufslebens des Soldaten andauern, sondern muss zeitlich begrenzt sein.

Die zeitliche Begrenzung hat bereits in dem ersten Leistungsbescheid (Ausgangsbescheid) zu erfolgen. Dies gilt unabhängig von der Höhe der im Bescheid festgesetzten Rate und der sich hieraus ergebenden voraussichtlichen Dauer der Tilgung.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Der Leistungsbescheid des Personalamts der Bundeswehr vom 9. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2010 wird aufgehoben, soweit ein Erstattungsbetrag von mehr als 40.998,00 Euro gefordert wird.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der am 22. Mai 1977 geborene Kläger trat am 1. März 2000 - er war zu diesem Zeitpunkt schon Stabsunteroffizier der Reserve - als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit wieder in die Bundeswehr ein. Sein Wehrdienst wurde aufgrund einer Verpflichtungserklärung vom 18. Oktober 1999 auf 19 Jahre festgesetzt; als Dienstzeitende war der Ablauf des 11. Februar 2018 bestimmt.

Im Zeitraum vom 5. Oktober 2000 bis zum 9. Mai 2006 setzte der Kläger unter Beurlaubung vom militärischen Dienst ein bereits vor dem Wiedereintritt in das Soldatenverhältnis begonnenes Studium der Humanmedizin an der K. -H. -Universität N. fort. Am 25. April 2006 erhielt er die Approbation als Arzt. Mit Urkunde vom 5. April 2006 wurde der Kläger am 10. Mai 2006 zum Stabsarzt ernannt. Vom 10. Mai 2006 bis zum 30. Juni 2007 absolvierte er eine klinische Weiterbildung für Anästhesiologie im Bundeswehrzentralkrankenhaus in L. .

Durch Ernennungsurkunde der Westfälischen-Wilhelms-Universität vom 14. Juni 2007 wurde der Kläger mit Wirkung zum 1. Juli 2007 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit zum Akademischen Rat ernannt.

Mit Blick auf die hierdurch kraft Gesetzes eingetretene Entlassung aus dem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit, welche als Entlassung auf eigenen Antrag gelte, forderte das Personalamt der Bundeswehr von dem Kläger mit Leistungsbescheid vom 9. Oktober 2009 die Erstattung des ihm als Sanitätsoffiziers-Anwärter gewährten Ausbildungsgeldes sowie der darüber hinaus im Rahmen seiner ärztlichen Aus? und Weiterbildungen entstandenen Fachausbildungskosten in der festgesetzten Gesamthöhe von 119.976,07 Euro (Ziffer 1 des Bescheides). Zur Vermeidung einer besonderen Härte wurde dem Kläger aufgrund der von ihm dargelegten wirtschaftlichen Situation zugleich eine verzinsliche Stundung eingeräumt; die monatlich zu leistenden Raten wurden auf 220,00 Euro festgesetzt (Ziffer 2 des Bescheides). Stundungszinsen in Höhe von 4 % sollten mit Bestandskraft des Leistungsbescheides, spätestens aber ab 20. November 2009 anfallen (Ziffer 3 des Bescheides). Die verzinsliche Stundung durch Einräumung von Ratenzahlungen wurde unter den Vorbehalt gleichbleibender wirtschaftlicher Verhältnisse gestellt. Dies sollte von der für die Einziehung der Forderung zuständigen Stelle jährlich überprüft werden. Unvorhergesehene Verbesserungen in den Einkommens- oder Vermögensverhältnissen waren vom Kläger unverzüglich anzuzeigen (Ziffer 4 des Bescheides).

Zur Begründung war in dem Bescheid u.a. ausgeführt: Die Erstattungsforderung gründe auf § 56 Abs. 4 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 4 Satz 2 des Soldatengesetzes (SG). Bezogen auf die Härteregelung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG komme hier - über die gewährte Stundung durch Gewährung von Teilzahlungen hinaus - ein teilweiser Verzicht auf die Rückforderung des Ausbildungsgeldes aufgrund einer Abdienzeit nicht in Betracht. Denn der Kläger habe sich nach dem Medizinstudium bis zum Ausscheiden aus der Bundeswehr ausschließlich in der Fachausbildung befunden und habe daher dem Dienstherrn zu keinem Zeitpunkt mit den erworbenen Kenntnissen uneingeschränkt zur Verfügung gestanden.

Seinen gegen diesen Leistungsbescheid gerichteten Widerspruch, welchen der Kläger auf den eine Erstattungssumme von 40.998,00 Euro übersteigenden Betrag beschränkte, stützte er im Wesentlichen auf den Gesichtspunkt einer defizitären Ausschöpfung der bestehenden Härtefallregelung. Er, der Kläger, habe die Bundeswehr aus Gewissensgründen verlassen. Hierbei habe es sich - im Sinne der Rechtsprechung zum Begriff der "besonderen Härte" in § 56 Abs. 4 Satz 3 SG - um schwerwiegende Umstände gehandelt, denen er sich nicht habe entziehen und nur durch ein sofortiges Ausscheiden aus dem Wehrdienst habe Rechnung tragen können. Eine solche Ausnahmesituation könne nicht nur - was das Bundesverwaltungsgericht bereits anerkannt habe - in den Fällen der Ausübung des Grundrechts auf Kriegsdienstverweigerung bestehen, sondern auch dann, wenn - wie hier - der Zeitsoldat eine Gewissensentscheidung anderer Art, d.h. eine solche im Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 GG, getroffen habe. Die betreffende Grundrechtsausübung habe keinen "geringeren" Rang als die Ausübung des Grundrechts nach Art. 4 Abs. 3 GG.

Der Widerspruchsbegründung fügte der Kläger eine detaillierte schriftliche Darstellung derjenigen Gründe bei, die ihn zum Ausscheiden aus der Bundeswehr bewogen hätten: Aus Gewissensgründen habe er den in den letzten zehn Jahren eingetretenen Wandel der Bundeswehr von einer auf die Aufgabe der Landesverteidigung und echte Nothilfe für die Verbündeten beschränkten Armee hin zu einer weltweit einzusetzenden und unspezifisch-"präventiv" tätig werdenden Interventionsarmee nicht mehr mittragen können. Diese seines Erachtens falsche Militärdoktrin habe er nach seiner in langen und schweren Kämpfen gewonnenen, auch in Gesprächen mit Vorgesetzten gereiften inneren Überzeugung nicht mit seinem Gewissen vereinbaren können. Allerdings fühle er sich weiterhin seiner Überzeugung und dem Eid verpflichtet, woraus sich seine Dienstpflicht zur Landesverteidigung als Reserveoffizier ergebe. Dieser Überzeugung entspringe auch sein Engagement, als Reservist in Wehrübungen und im Reservistenverband aktiv zu sein und an Ausbildung und Training für Reservisten aktiv teilzunehmen. Gerade deshalb sei für ihn eine generelle Kriegsdienstverweigerung niemals in Frage gekommen. Wenn auch seine Entscheidung, das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit bei der Bundeswehr zu verlassen, maßgeblich auf die moralische Unvereinbarkeit mit den Rahmenbedingungen des Dienstes zurückgehe, seien davon abgesehen auch die Arbeitsbedingungen bei der Bundeswehr innerhalb des Sanitätsdienstes derart belastend und ausweglos gewesen, dass für ihn ein weiterer Verbleib objektiv nicht zumutbar gewesen sei. Es sei dort keine ordnungsgemäße Aus? und Weiterbildung gewährleistet, es existierten keine zivilen Arbeitszeiten, das Patientenwohl sei durch die nicht haltbaren Zustände gefährdet und er selbst habe aufgrund der Gegebenheiten sich ständig der Gefahr der Begehung rechtswidriger Handlungen ausgesetzt gesehen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 2010 wies das Personalamt der Bundeswehr den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück und führte im Wesentlichen aus: Ein vollständiger oder auch nur teilweiser Verzicht auf die begründete Erstattungsforderung komme hier nicht in Betracht. Ein Härtefalltatbestand im Sinne von § 56 Abs. 4 Satz 3 SG sei nicht gegeben. Mit Blick auf die Gewährung von Ratenzahlungen sei eine ernstliche Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz nicht zu erwarten. Der Kläger habe auch weder seine Entlassung aus der Bundeswehr betrieben, um als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden, noch sei eine solche Anerkennung nach seinem Ausscheiden erfolgt. Soweit der Kläger darauf verweise, dass sein Ausscheiden aus der Bundeswehr gleichwohl maßgeblich aus Gewissensgründen erfolgt sei, sei dies für den Rückforderungsanspruch nach § 56 Abs. 4 SG rechtlich nicht von Belang. Für den Wechsel in das Beamtenverhältnis und die daran knüpfende Entlassung aus dem Soldatenverhältnis seien die Motivation sowie die persönlichen Beweggründe unerheblich. Da der Kläger einem anderen Personenkreis angehöre als dem der anerkannten Kriegsdienstverweigerer, liege insoweit auch keine dem Gleichbehandlungsanspruch widersprechende Benachteiligung vor. Die schließlich geltend gemachte Unzufriedenheit mit den dienstlichen Verhältnissen bzw. der Einplanungssituation könne nach der Rechtsprechung die Annahme einer persönlichen Härte im Sinne von § 56 Abs. 4 Satz 3 SG nicht begründen.

Am 7. September 2010 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat darin den Leistungsbescheid angegriffen, soweit eine Erstattung von mehr als 40.998,00 Euro gefordert wird. Diese Beschränkung hat er damit begründet, dass er gegen eine Erstattung in Höhe desjenigen Betrages, den er als Studierender für seinen Lebensunterhalt ohnehin aufgewandt hätte, keine Einwände erhebe. Weiter hat er seine Auffassung bekräftigt, dass auch in seinem Fall eine "besondere Härte" im Sinne des § 56 SG bejaht werden müsse. Er habe zwar keine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe getroffen, jedoch eine Gewissensentscheidung, die es ihm unmöglich mache, sich an den kriegerischen Auseinandersetzungen, welche die Bundeswehr führe, zu beteiligen. Diese Entscheidung sei grundrechtlich geschützt durch die Gewissensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 GG. Auch diese Gewissensentscheidung habe ein solches Gewicht, dass ihm das Verbleiben in der Bundeswehr nicht möglich gewesen sei. Entscheidend sei in diesem Zusammenhang nicht, welchen formalen Weg er für die Entlassung gewählt habe, sondern das Motiv der Entlassung. Demgemäß sei dieser Umstand bei der Ermessensentscheidung im Rahmen der Härtefallregelung zur Rückforderung von Ausbildungskosten zu berücksichtigen.

Der Kläger hat beantragt,

den Leistungsbescheid des Personalamtes der Bundeswehr vom 8. (richtig: 9). Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2010 insoweit aufzuheben, als ein Betrag von mehr als 40.998,00 Euro geltend gemacht wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen und die darin zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung bekräftigt und vertieft. Die von dem Kläger in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in den Kriegsdienstverweigererfällen sei davon ausgehend hier nicht einschlägig. Da es der Kläger unterlassen habe, seinerzeit die Entlassung aus den von ihm genannten Gründen zu beantragen, könnten diese Gründe für die Festsetzung der Höhe der Rückforderungssumme auch nicht mehr maßgeblich sein.

Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Es hat dabei keine durchgreifenden Gründe für eine weitergehende Berücksichtigung der in Rede stehenden Härtefallregelung feststellen können. Sei von dem betroffenen Soldaten - wie hier - kein Verfahren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer angestrengt worden, lasse sich auf sonst angeführte Gewissensgründe eine besondere Härte nicht erfolgreich stützen.

Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 17. April 2014 zugelassenen Berufung wiederholt und vertieft der Kläger - unter ergänzender Bezugnahme auf sein Vorbringen im vorausgegangenen Zulassungsverfahren - den Rechtsstandpunkt, dass hier ein Fall vorliege, in welchem die von der Beklagten geforderte Erstattung von Ausbildungskosten für den früheren Soldaten eine "besondere Härte" im Sinne des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG bedeuten würde.

Diesbezüglich komme es nicht darauf an, dass er kein förmliches Verfahren zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer durchlaufen habe. Für eine derartige Beschränkung biete die in Rede stehende Härtefallregelung keine Anhaltspunkte. Entscheidend sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Erstattung allein ein Instrument des wirtschaftlichen Vorteilsausgleichs sei und kein Druckmittel darstellen dürfe, welches geeignet sei, den Soldaten von der Grundrechtsausübung auszuschließen. Auch wenn das einschlägige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu einem anerkannten Kriegsdienstverweigerer ergangen sei, sei es in seinen Auswirkungen nicht auf eine Absicherung der Ausübung des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 GG beschränkt. Denn ob ein Soldat wegen Kriegsdienstverweigerung oder aus moralischen Gründen im Sinne des Art. 4 Abs. 1 GG aus der Bundeswehr ausscheide, mache keinen beachtlichen Unterschied, zumal es nach dem derzeitigen Recht für Soldaten auf Zeit, welche den Kriegsdienst mit der Waffe verweigern wollten, kein förmliches Anerkennungsverfahren mehr gebe.

Er, der Kläger, habe - wie schon mit seinem Widerspruch gegen den streitgegenständlichen Leistungsbescheid ausführlich dargelegt - eine Gewissensentscheidung getroffen, die es ihm nicht möglich mache, an den kriegerischen Auseinandersetzungen, die die Bundeswehr führe, teilzunehmen. Diese Entscheidung gegen die Teilnahme an bestimmten kriegerischen Auseinandersetzungen sei durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützt. Schutzgut der Gewissensfreiheit sei die moralische Identität und Integrität des Einzelnen. Eine Gewissensentscheidung sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts "jede ernstliche sittliche, d. h. an den Kategorien von Gut und Böse orientierte Entscheidung (...), die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte". Mit Blick auf die etwa an verschiedenen Interviews damaliger Spitzenpolitiker (Köhler, 22.05.2010; zu Guttenberg, 9. November 2010) festzumachende Neuausrichtung der Bundeswehr in Gestalt der Umwandlung von einer Institution zur Landesverteidigung hin zu einer allseits tätigen und weltweit einsatzfähigen Interventionsarmee habe er, der Kläger, eine den vorgenannten Anforderungen entsprechende Gewissensentscheidung getroffen und sei aus diesem Grunde vorzeitig aus dem Dienstverhältnis eines Zeitsoldaten ausgeschieden. Diese Gewissensentscheidung habe sich gegen die konkrete Tätigkeit der Bundeswehr nach deren Neuausrichtung, von deren Auswirkungen auch der Sanitätsdienst in besonderer Weise betroffen sei (bezogen auf Afghanistan etwa: Einsatz unter Gefechtsbedingungen, äußerst ungünstige Infrastruktur) gerichtet, nicht aber gegen den Zwang zum Dienst an der Waffe.

Eine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer habe er folglich nicht erreichen können. Insoweit sei aber anerkannt, dass das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 GG nicht durch das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung verdrängt werde, denn Art. 4 Abs. 3 GG regele die Wirkungen der Gewissensfreiheit nur für den Bereich der Wehrpflicht, also des Zwanges zum Wehrdienst, abschließend, nicht aber auch im Übrigen für das Soldatenverhältnis. Letzteres ergebe sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.06.2005 - 2 WD 12.04 -.

Die von ihm getroffene Gewissensentscheidung sei auch von gleichem Gewicht wie eine solche im Rahmen der Ausübung des Grundrechts auf Kriegsdienstverweigerung. Es habe für ihn eine erhebliche Zwangslage bestanden, die er nur in der geschehenen Weise habe lösen können. Seinen Gewissenskonflikt habe er dabei gegenüber Vorgesetzten (den schon erstinstanzlich benannten Zeugen Dr. M. und Dr. W. ) bereits im Herbst 2006 nach Erscheinen des Weißbuches der Bundeswehr in mehreren Gesprächen zum Ausdruck gebracht.

In diesem Zusammenhang sei auch der Weg, den der Soldat auf Zeit zum Verlassen der Bundeswehr konkret gewählt habe (hier: Übertritt in den Beamtenstatus) unerheblich. In besonderer Weise müsse dies für Angehörige des Sanitätsdienstes der Bundeswehr gelten. Denn bis zu einer Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erst im Jahre 2012 hätten die betreffenden Zeitsoldaten, da sie "waffenlosen" Dienst leisteten, nicht erfolgversprechend einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellen und auf jenem Weg ihre Entlassung aus der Bundeswehr herbeiführen können; ihnen sei hierfür vielmehr das Rechtsschutzinteresse abgesprochen worden. Für die Anwendung der in Rede stehenden Härtefallregelung könne es deswegen allein auf das Motiv für die Entlassung ankommen.

Bei Anwendung der Härtefallregelung brauchten die Ausbildungskosten nur in Höhe des geldwerten Vorteils erstattet zu werden, der dem früheren Soldaten "real und nachprüfbar" verblieben sei. Das entspreche hier den ersparten Ausbildungskosten. Für deren Berechnung sei der Unterhaltsbedarf eines Studenten zugrunde zu legen, wie er sich aus der Düsseldorfer Tabelle ergebe. Das führe hier für den Gesamtzeitraum auf einen zu erstattenden Betrag von 40.988,00 Euro. Wegen der darüber hinausgehenden Erstattungsforderung sei die Klage begründet. Jedenfalls sei der angefochtene Bescheid aufzuheben und habe ggf. eine Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erfolgen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezweifelt zum einen, dass der Kläger bei seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr im Wege des Übertritts in den Beamtenstatus in einem Gewissenskonflikt gestanden hat, wie er ihn später, nämlich erst nach Ergehen des Erstattungsbescheides im Oktober 2009 im Rahmen der Begründung des dagegen erhobenen Widerspruchs schriftlich behauptet hat. Der als maßgeblicher Grund für das Ausscheiden angeführte verteidigungspolitische Paradigmenwechsel erscheine hier nur vorgeschoben, um eine Reduzierung des Erstattungsbetrages zu erreichen. Auslandseinsätze (z.B. im Kosovo) habe es nämlich auch schon zu Zeiten gegeben, als der Kläger als Offiziersanwärter in den Dienst der Bundeswehr wieder eingetreten sei. Zum anderen lägen die Voraussetzungen für eine Reduzierung des Erstattungsbetrages im Rahmen der Anwendung der Härtefallklausel aber selbst dann nicht vor, wenn sich der Kläger damals tatsächlich in dem behaupteten Gewissenskonflikt befunden hätte. Denn es fehle hier an einer mit anerkannten Kriegsdienstverweigerern vergleichbaren Situation, insbesondere an einer entsprechend existenziellen Zwangslage. Die Ablehnung bestimmter Kriege aus politischen Gründen habe nicht den Charakter einer unbedingten und unteilbaren Gewissensentscheidung. Der Kläger verhalte sich widersprüchlich, wenn er auf der anderen Seite als Reservist weiterhin aktiv tätig sei und sich der Landesverteidigung verpflichtet fühle.

Der Senat hat in der mündlichen Berufungsverhandlung zu der Frage, ob, wann, und ggf. in welcher Weise der Kläger mit den Zeugen Generalarzt a.D. Dr. W. und Oberstarzt Dr. M. darüber gesprochen hat, dass er mit der Neuausrichtung der Bundeswehr im Gefolge einer geänderten Sicherheitspolitik Probleme habe, Beweis erhoben durch Vernehmung der vorbenannten Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift über den Verhandlungstermin verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (3 Hefte) Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

Die Anfechtungsklage des Klägers hat im Ergebnis Erfolg. Der angegriffene Leistungsbescheid vom 9. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2010 ist in dem Umfang, in dem sich der Kläger mit seiner - wie schon im Widerspruchsverfahren - auf einen Teilbetrag beschränkten Klage gegen ihn wendet, aufzuheben. Denn dieser Bescheid ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Nach § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Soldatengesetzes (SG) - hier wegen der in § 97 Abs. 1 SG enthaltenen Übergangsregelung noch anzuwenden in der bis zum Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 19. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1815) gültig gewesenen Fassung - muss ein früherer Soldat auf Zeit, dessen militärische Ausbildung mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden war und der auf seinen Antrag entlassen worden ist oder als auf eigenen Antrag als entlassen gilt, die entstandenen Kosten des Studiums oder der Fachausbildung seinem Dienstherrn grundsätzlich erstatten. Nach dem Satz 2 der Vorschrift gilt das unter den gleichen Voraussetzungen für einen früheren Zeitsoldaten in der Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes, der als Sanitätsoffizier-Anwärter Ausbildungsgeld erhalten hat.

Hierunter fällt auch der Kläger. Dieser war bis zu seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr Soldat auf Zeit und gehörte der Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes an. Während der Zeit, in welcher der Kläger im Status des Soldaten auf Zeit unter Freistellung vom militärischen Dienst Humanmedizin an einer Hochschule außerhalb der Bundeswehr studierte, erhielt er - als Sanitätsoffiziersanwärter - Ausbildungsgeld in der Gesamthöhe von 119.976,07 Euro. Das entspricht dem mit Leistungsbescheid zurückgeforderten Betrag; Kosten einer Fachausbildung sind in diesem nicht enthalten. Aufgrund der Regelung des § 125 Abs. 1 Satz 2 und 3 BRRG a. F. galt der Kläger mit seiner Ernennung zum Akademischen Rat bei der X1. X. -Universität N1. zum 1. Juli 2007 schließlich auch als auf eigenen Antrag entlassen.

2. Die danach bestehende (vollständige) Erstattungspflicht greift jedoch nicht in jedem Falle. So kann nach § 56 Abs. 4 Satz 3 SG auf die Erstattung ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn sie für den früheren Soldaten eine besondere Härte bedeuten würde. Hierbei handelt es sich um eine sog. Kopplungsvorschrift, die als Tatbestandsmerkmal das gerichtlich voll überprüfbare Vorliegen einer- gemessen am Regelfall atypischen - besonderen Härte voraussetzt. Ist dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt, muss sich daran noch eine Ermessensentscheidung des Dienstherrn anschließen, die nach Maßgabe des § 114 VwGO nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt.

Die Beklagte hat mit ihrem Leistungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides dem Vorliegen eines solchen Härtefalles jedenfalls in einem Punkte zu Unrecht nicht Rechnung getragen. Sie hat damit zur Frage der Härtefallregelung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG eine nicht ermessensgerechte Entscheidung getroffen, was im Ergebnis die Rechtswidrigkeit des gesamten Bescheides und (im Umfang des Streitgegenstandes) seine Aufhebung zur Folge hat.

a) Unter welchen Voraussetzungen eine "besondere Härte" angenommen werden kann, konkretisiert das Gesetz nicht unmittelbar. Mit dem Zusatz "besondere" weist allerdings schon der Gesetzeswortlaut in die Richtung, dass es sich um deutlich aus dem üblichen Rahmen fallende, eben atypische und dabei zugleich als schwerwiegend zu bewertende (Ausnahme-)Situationen in Bezug auf das als Anknüpfungspunkt betroffene Erstattungsverhältnis handeln muss. In diesem Zusammenhang ist zur näheren Konkretisierung des Norminhalts namentlich dem inneren Grund, also dem Zweck der betreffenden Härtefallregelung Rechnung zu tragen. Dieser geht dahin, es über die vom Gesetzgeber in der Regelvorschrift vorgenommene Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen hinaus für besondere Einzelfälle oder Gruppen von solchen zu ermöglichen, dass den dem Rechtsstaatsprinzip zuzuordnenden Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit von Zweck und Mittel und des Übermaßverbots die gebührende Beachtung geschenkt werden kann.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1977 - VI C 135.74 -, BVerwGE 52, 84 = juris, Rn. 44; ferner etwa das Urteil des Senats vom 22. August 2013 - 1 A 2278/10 -, NZWehrr 2014, 122 = juris, Rn. 28.

Den Begriff der "besonderen Härte" verwendet das Soldatengesetz allerdings auch im Zusammenhang mit den Entlassungsgründen (§ 55 Abs. 3 SG und entsprechend für Berufssoldaten § 46 Abs. 6 SG). In jenem Zusammenhang ist gesetzlich näher bestimmt worden, dass sich die Härte auf persönliche, insbesondere häusliche, berufliche oder wirtschaftliche Gründe beziehen muss. Ob eine entsprechende Festlegung bzw. Eingrenzung der beachtlichen Gründe auch für das Merkmal der besonderen Härte in § 56 Abs. 4 Satz 3 SG anzunehmen ist und wie sich die jeweils wortgleichen Tatbestandsmerkmale in den genannten Vorschriften inhaltlich zueinander verhalten, braucht aus Anlass des vorliegenden Verfahrens nicht abschließend entschieden zu werden.

Vgl. zu nicht nur sprachlichen, sondern auf einer gemeinsamen Zielsetzung beruhenden auch inhaltlichen Parallelen BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1977 - VI C 135.74 -, BVerwGE 52, 84 = juris, Rn. 45; zu systematischen Bedenken gegen eine sachlich übereinstimmende Auslegung unter Hinweis u.a. auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes etwa OVG NRW Urteil vom 16. August 1996 - 12 A 2476/94 -, RiA 1997, 145 = juris, Rn. 12, sowie Sohm, in: Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 2. Aufl. 2010, § 56 Rn. 22.

Denn hier geht es mit Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des früheren Zeitsoldaten (siehe näher unter c) entscheidungstragend um einen Anwendungsfall einer "besonderen Härte", dessen Zuordnung zu den im Rahmen des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG beachtlichen Härtegründen nicht in Frage steht.

b) Unter den vom Kläger im Verlauf des Verfahrens angeführten Gesichtspunkten kann die begehrte teilweise Aufhebung des Leistungsbescheides mit Blick auf eine Anwendung der Härtefallklausel des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG allerdings nicht erfolgen.

Soweit das Bundesverwaltungsgericht für die Gruppe der anerkannten Kriegsdienstverweigerer einen Härtefall angenommen hat,

Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 2006 - 2 C 18.05 -, Buchholz 449 § 56 SG Nr. 3 = Schütz/Maiwald, BeamtR, ES/A II 1 Nr. 11 = juris, Rn. 13, 15 ff., und zuvor (evtl. weniger weitgehend) schon Beschluss vom 2. Juli 1996- 2 B 49.96 -, DVBl. 1996, 1152 = juris, Rn. 5 ff.,

hilft das dem Kläger nicht unmittelbar weiter. Denn er ist kein anerkannter Kriegsdienstverweigerer und hat auch einen solchen Antrag schon nicht gestellt.

Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch darauf, nach der von ihm geltend gemachten Motivationslage, insbesondere einer reklamierten Gewissensentscheidung, die für seine Entscheidung, durch Ernennung zum Beamten aus dem aktiven Soldatenverhältnis auszuscheiden, maßgeblich gewesen sei, mit der Fallgruppe der anerkannten Kriegsdienstverweigerer gleichbehandelt zu werden. In diesem Zusammenhang braucht der Senat nicht zu entscheiden, in welchem Verhältnis das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung nach Art. 4 Abs. 3 GG zu der in Art. 4 Abs. 1 GG vorbehaltlos gewährleisteten Gewissensfreiheit steht, wenn die vorgegeben Gewissensentscheidung zum Ausscheiden aus dem aktiven Soldatenverhältnis führt (nachfolgend bb)). Denn dem Kläger ist bereits eine derartige Gewissensentscheidung nicht abzunehmen (nachfolgend aa)).

aa) Der Kläger hat den Senat nicht davon überzeugen können, dass sein Entschluss, die Bundeswehr zum Juli 2007 durch Eintritt in ein Beamtenverhältnis zu verlassen, ursächlich auf Gewissensgründe zurückzuführen ist, welche dem Schutz des Grundrechts der Gewissensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG unterfallen können. Solches erschließt sich weder aus seinem schriftlichen Vorbringen noch folgt es aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Senat.

Nach Art. 4 Abs. 1 GG ist (u. a.) die Freiheit des Gewissens unverletzlich. Ob der Begriff des Gewissens angesichts der Vielzahl möglicher prägender Bezugspunkte überhaupt einer einfachen (einheitlichen) Definition zugänglich ist, wird zum Teil bezweifelt.

Vgl. etwa Bethge, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI , § 158 Rn. 4.

Das Bundesverfassungsgericht versteht "Gewissen" im Sinne des "allgemeinen Sprachgebrauchs", und zwar als ein (wie auch immer begründbares, jedenfalls aber) real erfahrbares seelisches Phänomen, dessen Forderungen, Mahnungen und Warnungen für den Menschen unmittelbar evidente Gebote unbedingten Sollens sind. Als eine Gewissensentscheidung ist dementsprechend jede ernste sittliche, d. h. an den Kategorien "Gut" und "Böse" orientierte Entscheidung anzusehen, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte.

Vgl. - grundlegend - BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 1960 - 1 BvL 21/60 -, BVerfGE 12, 45 = juris, Rn. 28, 30; unbeschadet eines gewandelten, den Begriff der Gewissenentscheidung in Richtung auf eine "relative" Entscheidung über die Zweckmäßigkeit menschlichen Verhaltens ausweitenden Verständnisses in der Öffentlichkeit hieran festhaltend Urteil vom 13. April 1978 - 2 BvR 1/77 u.a. -, BVerfGE 48, 127 = juris, Rn. 83.

Die Anwendung dieser Verfassungsnorm im Einzelfall darf dabei dem Phänomen "Gewissen" nur so weit nachgehen, als sie mit den ihr zu Gebote stehenden Erkenntnismitteln zu prüfen hat, ob, was sich nach außen als Gewissensentscheidung kundgibt, wirklich den Charakter eines unabweisbaren Gebots, einer inneren Wahrung vor dem Bösen und eines unmittelbaren Aufrufs zum Guten, trägt. Praktische Schwierigkeiten bei der Beurteilung solcher Sachverhalte müssen in Kauf genommen werden; in die Prüfungskompetenz der Gerichte fällt es insbesondere nicht, eine - einmal als solche erkannte - Gewissensentscheidung in irgendeinem Sinne zu bewerten, etwa als "irrig", "falsch" oder "richtig".

BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 1960, a.a.O., juris, Rn. 31.

Das insoweit erforderliche Prüfprogramm setzt sich im Kern aus vier Kriterien zusammen, die kumulativ vorliegen müssen: Individualität, Moralität, Existentialität und Plausibilität. Individualität kennzeichnet den Charakter als reines Individualgrundrecht. Es kommt somit nicht auf ein "verobjektiviertes" Durchschnittsgewissen an, sondern das Grundrecht dient dem Schutz der moralischen Identität und Integrität des Einzelnen. Moralität meint die erforderliche prägende Ausrichtung der in Rede stehenden persönlichen Überzeugung an ethischmoralischen Kriterien ("Gut" und "Böse). Existentialität kommt der gewonnenen Überzeugung nur zu, wenn sie für den Grundrechtsträger in einem derart hohen Maß wesentlich ist, dass ihr für seine Persönlichkeit existentielle Bedeutung zukommt. Die Hürden hierfür liegen eher hoch, und zwar aus systematischen Gründen und auch, um eine missbräuchliche Berufung auf das Grundrecht zu verhindern. Eine gewisse Orientierungshilfe können in diesem Zusammenhang die Anforderungen an das spezielle Grundrecht des Art. 4 Abs. 3 GG geben. Das Merkmal der Plausibilität geht darauf zurück, dass, obwohl die Gewissensentscheidung naturgemäß individuellsubjektive Züge hat, die bloße verbale Berufung auf das Grundrecht nicht ausreicht. Den Betroffenen trifft vielmehr eine Darlegungslast, welche der Kontrolle der (formalen, nicht inhaltlichen) Plausibilität seiner Haltung dient.

Vgl. Mückl, in: Bonner Kommentar zum GG, Loseblatt (Stand: Februar 2015), Art. 4 Rn. 79 ff.

Im Ergebnis muss das "Ob" des Vorliegens einer durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützten Gewissensentscheidung - ggf. im Wege der Beweisaufnahme - positiv festgestellt werden, soweit daran wie hier weitere rechtliche Folgen geknüpft werden sollen. Für eine solche Feststellung wird (dem vorgenannten Merkmal der Plausibilität zuzuordnen) von Rechtsprechung und Literatur der Sache nach eine nach außen tretende, rational mitteilbare und dem Kontext intersubjektiv nachvollziehbare Darlegung der Ernsthaftigkeit, Tiefe und Unabdingbarkeit der Gewissensentscheidung gefordert.

Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2005 - 2 WD 12.04 -, a.a.O. und juris, Rn. 160, m.w.N.

Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers in mehrfacher Hinsicht nicht. Auch insgesamt zeichnet sich nicht das Bild eines Handelns aus einer ernsthaften, tiefgreifenden, innerlich unbedingt verpflichtenden Gewissensnot, der nicht in anderer Weise als durch das vollständige Ausscheiden aus dem aktiven Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit Rechnung getragen werden konnte.

Der Kläger hat schon nicht klar und überzeugend, dabei widerspruchsfrei und auch im Übrigen plausibel, dem Senat vermitteln können, dass es überhaupt innerlich verpflichtende ethischmoralische Kriterien waren, die ihn letztlich dazu veranlasst haben, seinen Dienst als Arzt im Sanitätsdienst der Bundeswehr nicht über Juni 2007 hinaus fortzusetzen.

Das gilt zunächst schon für seine schriftlichen Darlegungen. Zwar führt der Kläger im Anhang zu seiner Widerspruchsbegründung "größte innere Widerstände" an und verweist zur Erläuterung auf seine "feste Überzeugung", dass er als Soldat eines rechtsstaatlichdemokratischen Staates nur in einem äußerst begrenzten objektivrechtstaatlich (nicht ausschließlich parlamentarisch) legitimierten Notfall, nämlich der Landesverteidigung im engeren Sinne, aktiv werden oder mit seiner Tätigkeit die kämpfende Truppe unterstützen dürfe. Hierzu bezieht er sich weiter u. a. auf die "historisch begründete(n) einzigartige(n) Verantwortung bei der Aufstellung der deutschen Armee" und auf die dem widersprechende "Kehrtwendung der deutschen Sicherheitspolitik", wie sie etwa im Weißbuch 2006 ihren Ausdruck gefunden habe. Als Beispiele führt der Kläger namentlich den "Kriegseinsatz" der Bundeswehr in Afghanistan und auch (als noch bedrückender empfunden) das Engagement der Bundeswehr im zweiten (als völkerrechtswidrig zu bewertenden) Irakkrieg an. Als er sich im Jahre 1999 als Soldat auf Zeit verpflichtet habe, habe er dies demgegenüber unter Maßgabe der seinerzeitigen Verteidigungsdoktrin getan. Die neue Linie, welche den Einsatz todbringender Waffen mit ggf. zahlreichen Opfern auch außerhalb der Landesverteidigung unter zum Teil unspezifisch präventivem Tätigwerden umfasse, widerspreche seinem christlich geprägten Weltbild; für sie gebe es keine sittliche Rechtfertigung. Schließlich hätten ihn auch persönliche Erfahrungen seiner Ehefrau, die sich auf den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern bezögen, in die gleiche Richtung beeinflusst.

Diese Ausführungen lassen zwar hervortreten, dass der Kläger den wahrgenommenen Wandel in der Ausrichtung des Einsatzes der Bundeswehr aus seiner individuellpersönlichen Sicht nicht gutgeheißen hat. Für die Glaubhaftmachung einer tiefgründigen moralischethischen Unterfütterung dieser Position fehlt es indes an detaillierten Darlegungen von Substanz, etwa schon an einer Erläuterung seiner moralischen Wertvorstellungen in den sich hier stellenden konkreten Bezügen.

Entsprechendes gilt im Wesentlichen für die ergänzenden Angaben des Klägers in der Berufungsverhandlung. Dort hat er zwar ausgeführt, im Unterschied zu den vorangegangenen Einsätzen in Ex-Jugoslawien, welche er insbesondere angesichts der Vorkommnisse in Srebrenica für moralisch gerechtfertigt gehalten habe, sei beim Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan eine Unterscheidung von "Gut" und "Böse" nicht mehr möglich gewesen. Solches habe er Berichten sowohl von Ärzten als auch von Angehörigen der Kampftruppen entnommen. Entsprechende Kontakte habe er namentlich in der Zeit seiner Tätigkeit im Bundeswehrzentralkrankenhaus in L. gehabt. All dies macht aber vor allem nicht hinreichend deutlich, inwiefern der Kläger als maßgebliche Grundlage seines Ausscheidens aus der Bundeswehr zu dem damaligen Zeitpunkt eine eigene Gewissensentscheidung getroffen hat, welche gerade an den Kategorien von "Gut" und "Böse" hätte orientiert sein müssen und sich einer Zuordnung nicht hätte enthalten dürfen.

Die Aussagen der in der mündlichen Verhandlung gehörten Zeugen sind nicht geeignet, den Vortrag des Klägers zu einem bei ihm persönlich vorhanden gewesenen Gewissenskonflikt weiter zu stützen. Der Zeuge Dr. M. konnte sich schon nicht an irgendein unmittelbar mit dem Kläger geführtes Gespräch erinnern. Dem Zeugen Dr. W. war zwar noch ein persönliches Gespräch mit dem Kläger zu dessen persönlichen Beweggründen erinnerlich; an den Inhalt dieses Gesprächs hatte er aber keine Erinnerung mehr. Die Aussage des Zeugen Dr. W. ist allerdings unter einem anderen Gesichtspunkt von Interesse. Sie verdeutlicht nämlich, dass es zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt unter den am Bundeswehrzentralkrankenhaus in L. tätig gewesenen jungen Ärzten Angst und Unruhe mit Blick auf die nicht unrealistische Erwartung gegeben hat, im Rahmen von sog. beweglichen Ärztetrupps möglicherweise an Kampfeinsätzen in Afghanistan teilnehmen zu müssen. Außerdem hat dieser Zeuge bekundet, dass seinerzeit etwa hundert Sanitätsoffiziere den Weg des § 125 BRRG (a.F.) gewählt hätten, um das Soldatenverhältnis durch den Übertritt in ein Beamtenverhältnis zu verlassen.

Die Darlegungen des Klägers zu seiner Gewissensentscheidung sind im Übrigen von Pauschalurteilen geprägt, welche in dieser Form die Lebenswirklichkeit verfehlen. So werden etwa die Auslandseinsätze der Bundeswehr (allgemein) als "Hasardeureinsätze unklarer moralischer Legitimation im fernen Ausland" bezeichnet (Seite 3 der Anlage zur Widerspruchsbegründung). Dabei fehlt jede Differenzierung nach Anlass und Art der Einsätze, etwa mit Blick auf eine ggf. nur humanitäre oder lediglich dem Aufbau von Sicherheitsstrukturen in einem Land dienende Zielsetzung. Auch findet der Umstand keine Berücksichtigung, dass bewaffnete Auseinandersetzungen im Rahmen der Auslandseinsätze der Bundeswehr grundsätzlich nur zulässig sind, um sich oder Dritte gegen Angriffe zu schützen. Es fehlt auch jede erkennbare tiefere moralische Auseinandersetzung mit dem zum Teil unermesslichen Leid, welches "Schurkenstaaten" und "Terrorregime" - gleich in welchem Teil der Welt - über die jeweilige Bevölkerung gebracht haben und weiter bringen, bevor (nach häufig komplizierten und ggf. auch kontrovers geführten Verhandlungen) ein internationaler Einsatz letztendlich beschlossen wird, wobei sich die Bundeswehr an solchen Einsätzen grundsätzlich auch nur innerhalb bestimmter Bündnisse und nach Zustimmung des Parlaments beteiligt. Ebenso wird nicht auf die (zumindest abstrakte und ggf. auch konkrete) Gefahr für die deutsche Bevölkerung durch eine ungezügelte weltweite Ausbreitung terroristischer Aktivitäten eingegangen. Der Hinweis auf die moralische Legitimation des Bundeswehreinsatzes in Ex-Jugoslawien überzeugt dabei wenig. Zum einen hatte auch dieser Einsatz mit der Landesverteidigung im engeren Sinne oder mit Bündnisverpflichtungen nichts zu tun, verlässt der Kläger damit also die Linie seiner übrigen Argumentation. Zum anderen erscheint es aber auch kaum plausibel und hätte jedenfalls näherer Darlegung bedurft, etwa gegenüber dem Vorgehen der Taliban in Afghanistan im Verhältnis zu der dortigen Bevölkerung und in Anbetracht ihrer (damals wohl nicht unbegründet zumindest vermuteten) Rolle als Unterstützer eines ggf. weltweit um sich greifenden Terrorismus einen anderen moralischen Standpunkt einzunehmen. Der plakative Hinweis, bei dem Afghanistan-Einsatz lasse sich nicht zwischen "Gut" und "Böse" unterscheiden, womit offensichtlich gemeint ist, dass auch völlig Unbeteiligte durch Einsätze der Bundeswehr zu Schaden kommen (können), lässt eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Für und Wider nicht erkennen.

Zu bedenken bleibt ferner, dass das Vorbringen des Klägers unbeschadet der verbalen Berufung auf moralische Prinzipien eine bestimmte (verteidigungs-)politische Auffassung zum Ausdruck bringt. Politische Überzeugungen fallen als solche aber in aller Regel noch nicht dem Schutzbereich des Grundrechts der Gewissensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG. Ansonsten wäre einer Überbeanspruchung bzw. einem Missbrauch dieses Grundrechts Tür und Tor geöffnet. Deshalb ist es - jedenfalls einen großen Teil jener Fälle betreffend - in hohem Maße fragwürdig, ob bei Soldaten, welche (nur) Auslandseinsätze der Bundeswehr bzw. (wie im Falle des Klägers) den Dienst mit Blick auf die Einbeziehung auch solcher Einsätze in die politisch festgelegte Verteidigungsstrategie verweigern, wirklich die Kriterien der "Moralität" und der "Existentialität" leitend sind, auch wenn sich diese Soldaten hierfür verbal auf ihr "Gewissen" berufen.

Vgl. Mückl, in: Bonner Kommentar zum GG, a.a.O., Art. 4 Rn. 193 a.E.

Dafür, dass der Kläger sich jedenfalls nicht in Gestalt einer absoluten, also unbedingten Verpflichtung durch sein Gewissen innerlich gebunden gefühlt hat, als er Mitte 2007 sein aktives Dienstverhältnis als Zeitsoldat zu beendete, gibt es davon abgesehen eine Reihe von Gegenindizien. So erscheint es insbesondere weder konsequent, dass der Kläger sich noch im Oktober 1999 langjährig zur Dienstleistung verpflichtet hatte, noch leuchtet es ein, warum er keine Gewissensbedenken dagegen (gehabt) hat, als Offizier der Reserve für die Institution Bundeswehr - zum Teil auch aktiv - weiterhin tätig zu sein.

Zunächst ist die Einbeziehung von Auslandseinsätzen in das Aufgabenspektrum der Bundeswehr nicht Ergebnis einer abrupten Neuausrichtung gewesen, die erst mit dem Erscheinen des Weißbuchs 2006 eingesetzt hätte. Vielmehr hat es solche Einsätze schon seit Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts gegeben (u.a. auf dem Balkan, in der Adria und in Somalia) und hatte auch die Debatte darüber schon zu jener Zeit eingesetzt.

Vgl. Weißbuch 2006 (Online-Ausgabe), Seite 89 ff., Gliederungspunkt 4. "Die Bundeswehr im Einsatz"; siehe auch Wikipedia, Stichwort: "Auslandseinsätze der Bundeswehr"; ferner etwa VG Münster, Urteil vom 21. August 2014 - 5 K 2265/12 -, juris, Rn. 91.

Das war geraume Zeit vor dem Wiedereintritt des Klägers in die Bundeswehr als Soldat auf Zeit am 1. März 2000 und hat ihn von diesem Schritt offenbar weder moralisch noch sonst abgehalten. Die in der Berufungsverhandlung behauptete anfängliche Naivität erscheint als Erklärung wenig glaubhaft. Immerhin war der Kläger zu dem Zeitpunkt nach seinem Wehrdienst schon ein "gestandener" Unteroffizier der Reserve, hatte zwei Jahre Rechtswissenschaften studiert und das Studium der Medizin bereits aufgenommen. Auch während der ersten Jahre seines Status als Zeitsoldat hat der Kläger keine erkennbaren Probleme mit seinem Gewissen gehabt, der Bundeswehr anzugehören (das hat nach seinem schriftlichen Vorbringen erst im Jahre 2006 eingesetzt), obwohl etwa der von ihm als "besonders bedrückend" empfundene zweite Irak-Krieg im Frühjahr 2003 begann. Auch wenn der Kläger zu jener Zeit unter Freistellung vom Dienst studierte, musste ihm schon damals klar sein, dass er nach dem Studium (und einer ggf. weiteren Fachausbildung) bei einer Bundeswehr aktueller verteidigungspolitischer Prägung und Ausrichtung zur Dienstleistung auch konkret verpflichtet sein würde. Konsequenzen daraus hat er aber zu jener Zeit noch nicht gezogen. Was sein Gewissen dann im Jahr 2006 entscheidend dazu gebracht hat, ein Ausscheiden aus der Bundeswehr als moralisch unbedingt verpflichtend anzusehen, bleibt auch bei Einbeziehung seiner ergänzenden Angaben in der Berufungsverhandlung diffus. Eine Art "Schlüsselerlebnis" lässt sich dem Vorbringen nicht entnehmen. Nach den Angaben im Termin sollen letztlich wohl die Eindrücke während der Tätigkeit im Bundeswehrzentralkrankenhaus in L. , namentlich solche aus Gesprächen mit im Afghanistan-Einsatz verwundeten Soldaten und den sie besuchenden Kameraden über die Rahmenbedingungen des Einsatzes, die Entscheidung des Klägers maßgeblich beeinflusst haben. Das führt indes keineswegs zwingend auf eine Gewissensentscheidung, sondern kann - zumal in der konkreten, vom Zeugen Dr. W. näher geschilderten Situation der jungen Ärzte an jenem Krankenhaus - auch anders gearteten Überlegungen geschuldet gewesen sein, etwa der - verständlichen - Sorge und Angst, ggf. nur unzureichend geschützt selbst in einen solchen Kampfeinsatz geschickt zu werden.

Soweit der Kläger in seinem schriftlichen Vorbringen auf Vorgänge aus den Jahren nach 2007 verweist, wie z.B. auf den Luftangriff in Kundus vom 4. September 2009 ("überforderter deutscher Oberst") und auf Erklärungen des früheren Bundespräsidenten Köhler von Mai 2010 und des früheren Verteidigungsministers zu Guttenberg von November 2010, konnten all diese Umstände schon aus Zeitgründen die im Jahr 2007 getroffene Entscheidung des Klägers, die Bundeswehr zu verlassen, nicht mehr schlüssig beeinflusst haben.

Eher gegen die Glaubhaftigkeit der Behauptung, eine Gewissensentscheidung getroffen zu haben, spricht auch, dass der Kläger jedenfalls in Form von schriftlichen Eingaben auf den angeblichen Gewissenskonflikt erst mehrere Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Soldatenverhältnis, nämlich im Zusammenhang mit der Rückforderung des Ausbildungsgeldes (Widerspruchsverfahren) Anfang 2010 aufmerksam gemacht. Mit welchem konkreten Inhalt ggf. zuvor Gespräche mit Vorgesetzten geführt worden waren, hat die Beweisaufnahme nicht ergeben. Hinzuweisen bleibt allerdings darauf, dass der Kläger sich im zeitlichen Zusammenhang mit seinem Ausscheiden einem Verfahren, in welchem als etwaige Härtegründe Gewissensgründe hätten konkret angeführt werden können, nämlich einem Entlassungsverfahren nach § 55 Abs. 3 SG, nicht gestellt hat; er hat sich vielmehr für den insofern leichteren Weg des unmittelbaren Übertritts in ein Beamtenverhältnis entschieden.

Als in der Sache widersprüchlich, jedenfalls aber nicht schlüssig stellt sich weiter insbesondere auch das Verhalten des Klägers nach seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr dar. Er ist wieder Offizier der Reserve der Bundeswehr und hat als solcher auch an Wehrübungen im Inland teilgenommen. Diese Haltung lässt sich zunächst schwerlich in Einklang bringen mit dem Vorbringen der Prozessbevollmächtigten des Klägers in dem Schriftsatz vom 16. Oktober 2012 im Berufungszulassungsverfahren. Dort ist auf Seite 3 ausgeführt:

"Das Gesamtkonzept der Bundeswehr widersprach den moralischen Empfindungen des Klägers. Dabei ging es nicht nur um einzelne Befehle. Der Kläger konnte es mit seinem Gewissen grundsätzlich nicht vereinbaren, ein aktives Mitglied einer Institution zu sein, die seinen Vorstellungen und Überzeugungen deutlich zuwider war. Es war für ihn schlechthin unvereinbar als aktives Mitglied der Bundeswehr diese zugleich als Repräsentant zu vertreten."

Auf der Grundlage dieses Vortrags ist nicht verständlich, wieso der Kläger, welcher nach dieser Einlassung nicht etwa nur die eigene Teilnahme an bestimmten Auslandseinsätzen der Bundeswehr, sondern die Gesamtkonzeption der Bundeswehr als solche ablehnt, offenbar keinerlei Probleme mit dem Status als Reservist und mit der Teilnahme an Wehrübungen hat. Ausgehend von der seinerzeit gültig gewesenen "Konzeption für die Reservisten und Reservistinnen der Bundeswehr" (Fassung 2003), von deren Text den Beteiligten in der Berufungsverhandlung eine Kopie überreicht wurde, waren/sind nämlich auch die Reservisten - ohne Weiteres einleuchtend - ein Teil des Gesamtkonzepts der Bundeswehr; damit repräsentieren auch sie die Institution Bundeswehr mit. Das bezieht im Grundsatz auch mögliche Auslandsverwendungen ein. So heißt es etwa in den "Vorbemerkungen" der angesprochenen Konzeption:

"Verteidigung im Sinne des Grundgesetzes umfasst heute mehr als die herkömmliche Verteidigung an den Landesgrenzen gegen einen konventionellen Angriff; als strukturbestimmende Aufgabe der Bundeswehr entspricht diese nicht mehr den aktuellen sicherheitspolitischen Erfordernissen. ... Diese Neuausrichtung der Bundeswehr bestimmt Organisation, Ausbildung, Verwendung und Verfügbarkeit der Reservisten und Reservistinnen. Ziel ist es, auch deren Einsatz ohne den Rückgriff auf Mobilmachung auf eine sichere Grundlage zu stellen".

In ähnlichem Sinne hat sich der damalige Bundesminister der Verteidigung Dr. Peter Struck anlässlich der Einführung der in Rede stehenden Konzeption am 17. September 2003 in einer Pressekonferenz geäußert, wobei der Text auf der Internet-Seite des BMVg abrufbar ist. Der Minister hat dabei u.a. ausgeführt:

"Die Bundeswehr benötigt den Beitrag der Reservistinnen und Reservisten für ihr gesamtes Aufgabenspektrum - auch für die mittlerweile wahrscheinlichsten Aufgaben der Konfliktverhütung und Konfliktbewältigung. Ich habe immer wieder betont, dass Verteidigung heute mehr als die herkömmliche Verteidigung an den Landesgrenzen gegen einen konventionellen Angriff umfasst. Dem muss auch die neuen Reservistenkonzeption Rechnung tragen. Einsatzorientierung der Bundeswehr und ein zeitgemäßes Reservistenkonzept schließen sich nicht aus, sondern ergänzen einander."

Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass die Neuausrichtung der Bundeswehr den Kläger aus Gewissensgründen nur an einer "aktiven" Zugehörigkeit zur Bundeswehr hindern soll, nicht aber auch an einem Engagement als Reservist. Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus der Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, er habe bei seiner Wehrübung keinen "Spiegeldienstposten" bekleidet, also keinen im Einsatz befindlichen Sanitätsoffizier vertreten (und damit Auslandseinsätze nicht aktiv unterstützt). Denn auch eine Tätigkeit wie die von ihm angegebene Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung für Wehrpflichtige trägt dazu bei, dass die als Ganzes zu betrachtende Bundeswehr insgesamt ihre Aufgaben im In- und Ausland erfüllen kann. Zudem erscheint zweifelhaft, ob ein Reservist bei seiner Heranziehung zu einer Wehrübung stets sicherstellen kann, nicht auf einem "Spiegeldienstposten" eingesetzt zu werden.

Anderes ergibt sich auch nicht, wenn in Rechnung gestellt wird, dass der Kläger keine Einwände gegen die Aufgabe der Landesverteidigung im engeren Sinn geltend macht, der er offenbar die Tätigkeit als Reservist zuordnet. Zum einen verkennt dieser Ansatz, dass nach der vorerwähnten Konzeption für den Einsatz von Reservisten in der Bundeswehr auch diese zum Gelingen der vom Kläger abgelehnten Auslandseinsätze beitragen. Zum anderen steht es dem einzelnen (Reserve-)Soldaten und damit auch dem Kläger als Offizier der Reserve nicht zu, die Bundeswehr in einen "bösen" (aktive Soldaten) und einen "guten" (Reservisten) Teil aufzuteilen und bei letzterem auch noch zu differenzieren, ob "Spiegeldienstposten" wahrgenommen werden.

Schließlich mindert die Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Klägers zur Maßgeblichkeit einer Gewissensentscheidung für sein Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis eines Zeitsoldaten als weiteres Indiz noch der Umstand, dass der Kläger zugegebenermaßen auch noch andere Gründe für seinen Entschluss zum Ausscheiden gehabt hat. Dies waren die aus seiner Sicht schlechten, unzumutbaren Arbeits- und sonstigen Rahmenbedingungen im Sanitätsdienst der Bundeswehr, welche er namentlich während seiner Tätigkeit als Stabsarzt am Bundeswehrzentralkrankenhaus in L. - also unmittelbar zeitnah vor seinem Ausscheiden - wahrgenommen haben will (vgl. Gliederungspunkt 2. der Anlage zur Widerspruchsbegründung). Zwar betont der Kläger zu Beginn der Ausführungen zu jenem Gliederungspunkt, jene Gründe seien nicht die "maßgeblich"(en) Gründe für sein Ausscheiden gewesen, und weist ihnen damit sinngemäß nur eine ergänzende Bedeutung zu. Glaubhaft ist das angesichts der zum Teil massiven Vorwürfe und der Gesamtbewertung der Zustände als unzumutbar aber nicht. So spricht der Kläger am Ende des angesprochenen Gliederungspunktes des Anhangs der Widerspruchsbegründung dann auch davon, dass er "sowohl" wegen der ausgeführten Gewissensgründe "als auch" wegen der unzumutbaren dienstlichen Rahmenbedingungen kurzfristig gewechselt habe. Das stellt die beklagten dienstlichen Rahmenbedingungen auf eine Stufe mit den vorgegebenen Gewissensgründen und zieht die Maßgeblichkeit letztgenannter Gründe für die Entscheidung, den aktiven Dienst als Soldat der Bundeswehr aufzugeben, in Zweifel.

bb) Ist ein Ausscheiden des Klägers aus der Bundeswehr aus Gewissensgründen nach alledem nicht glaubhaft gemacht, bedarf es keiner Entscheidung des Senats darüber, welche Folgewirkungen eine gegebene, Art. 4 Abs. 1 GG unterfallende Gewissensentscheidung für die Anwendung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG hätte.

Insoweit nimmt der Senat allerdings die Gelegenheit wahr, auf die folgenden rechtlichen Bedenken hinzuweisen:

Zweifelhaft ist, ob allein schon die Betroffenheit in Grundrechten als solche (in jedem Fall) auf die Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG führen muss. Eher scheint es, als knüpfe das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 30. März 2006 - 2 C 18.05 - (a.a.O.) in dem betreffenden Zusammenhang (Drucksituation, wegen einer finanziellen Belastung von der Grundrechtsausübung Abstand zu nehmen) an die besondere Situation bei der Ausübung gerade des Grundrechts auf Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe nach Art. 4 Abs. 3 GG an. Diese Situation zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie eine grundlegende Bedeutung hinsichtlich der Frage hat, ob überhaupt - also im Ganzen - Wehrdienst in der Bundeswehr geleistet werden kann bzw. ob ein ggf. schon bestehendes Soldatenverhältnis insgesamt fortgesetzt werden darf. Damit unterscheidet sich die Situation bei Kriegsdienstverweigerern nicht unerheblich von derjenigen bei der Betroffenheit anderer, darunter auch sog. "einschränkungsloser" Grundrechte wie Art. 4 Abs. 1 GG. Deren Ausübung kann nämlich im Rahmen der Herstellung "praktischer Konkordanz"

- hierzu vgl. aus jüngster Zeit etwa BVerfG, Beschlüsse vom 10. März 2014 - 1 BvR 377/13 -, juris, Rn. 22, vom 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 -, NZA 2014, 1387 = juris, Rn. 124 und 177, sowie vom 15. Januar 2015 - 1 BvR 2796/13 -, WM 2015, 526 = juris, Rn. 8 -

häufig ohne erforderliche Auflösung des aktiven Soldatenverhältnisses in einen schonenden Ausgleich mit den Belangen der Bundeswehr (Verteidigungsbereitschaft, Funktionsfähigkeit) gebracht werden.

Zum verfassungsrechtlichen Rang der Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr vgl. etwa BVerfG, Beschlüsse vom 10. März 2014 - 1 BvR 377/13 -, juris, Rn. 22 bis 24, und vom 28. April 2007 - 2 BvR 71/07 -, NVwZ-RR, 2008, 330 = juris, Rn. 16, jeweils m.w.N.

Davon ausgehend kann zumeist auch ernsthaften Gewissensnöten solcher Soldaten, die nicht umfassend den Kriegsdienst mit der Waffe bzw. ein Verbleiben in der Bundeswehr ablehnen, durch die Verpflichtung des Dienstherrn zur Bereitstellung einer gewissenschonenden Handlungsalternative (z.B. Verwendung im Inland) ausreichend Rechnung getragen werden.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2005 - 2 WD 12.04 -, BVerwGE 127, 302 = DVBl. 2005, 1455 = juris, Rn. 116 ff., 345, 348.

Das gilt im Übrigen auch für den Kläger, weil dessen Behauptung, er lehne aus Gewissensgründen die Institution Bundeswehr in ihrer derzeitigen Konzeption als Ganzes ab, angesichts seiner Einstellung zum Status des Reservisten aus den oben genannten Gründen sachlich nicht nachvollzogen werden kann. Die Ausübung des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 GG wirkt somit für den aktiven Soldaten in der Regel nicht "absolut" im Sinne einer Rechtfertigung zum Ausscheiden. Zugleich besteht in solchen Fällen - anders als bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern - auch nicht typischerweise die Situation, dass mit Blick auf eine erforderliche Beendigung des Dienstverhältnisses bisher entstandene Ausbildungskosten vom Dienstherrn nicht mehr nutzbringend (weiter) verwendet werden können. Entsprechend gemindert ist damit auch die "Drucksituation", von der Ausübung des Grundrechts mit Blick auf die wegen der Erstattung von Ausbildungskosten zu erwartende finanzielle Belastung (vollständig) Abstand zu nehmen.

Darüber hinaus ist schon fraglich, ob Art. 4 Abs. 1 GG in Fällen der vorliegenden Art überhaupt neben Art. 4 Abs. 3 GG anwendbar ist. Insoweit könnte von einer Ausschlusswirkung wegen Spezialität des Absatzes 3 auszugehen sein. Eine solche Ausschlusswirkung könnte jedenfalls dann zu bejahen sein, wenn es - wie hier - um (angebliche) Gewissensgründe geht, die es dem betroffenen Soldaten ausgehend von seiner kundgetanen inneren Überzeugung zwingend verwehren, überhaupt bei der Bundeswehr (aktiven) Dienst zu tun und nicht etwa nur einzelnen Befehlen nicht nachkommen zu können.

Vgl. zu der letztgenannten Konstellation in Richtung auf einen fehlenden Ausschluss des Art. 4 Abs. 1 GG durch Art. 4 Abs. 3 GG BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2005 - 2 WD 12.04 -, a.a.O. und juris; ablehnend etwa Mager, in: v. Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Art. 4 Rn. 65 und 84, jeweils Stichwort "Befehlsverweigerung", m.w.N. zur zum Teil zustimmenden, verbreitet aber auch kritischen Aufnahme des Urteils in der Literatur; u.U. anders auch noch BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 1996 - 2 WD 21.96 -, BVerwGE 103, 361 = NJW 1997, 536 (538) = juris, insb. Rn. 30, betreffend die (dort bejahte) Dienstpflichtwidrigkeit der Verweigerung sog. "out of area"-Einsätze.

Der Ausschluss dürfte ggf. auch unabhängig davon eintreten, ob die konkret geltend gemachten Gründe voraussichtlich ausreichen können, eine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu erreichen. Denn eine für einen bestimmten Bereich bestehende Spezialvorschrift wie Art. 4 Abs. 3 GG kann auch Bedeutung dafür haben, ob in Fällen, in denen ihre (besonderen) Voraussetzungen nicht erfüllt sind, in ihrem Anwendungsbereich noch auf eine allgemeinere Vorschrift zurückgegriffen werden darf. Gäbe es insoweit keine Sperrwirkung, wäre hier unter Berufung auf das allgemeinere Grundrecht - die Gewissensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG - eine Kriegsdienstverweigerung unter erleichterten Bedingungen möglich, nämlich die vollständige Verweigerung des Dienstes bei der Bundeswehr aus anderen, nicht durch Art. 4 Abs. 3 GG geschützten Gewissensgründen. Das hätte insbesondere - und auch hier - Bedeutung für die sog. situationsbedingte Kriegsdienstverweigerung, welche im Rahmen des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 GG im Ergebnis nicht zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer führt. Jene Fälle sind dadurch gekennzeichnet, dass die Betroffenen den Kriegsdienst mit der Waffe aus Gewissensgründen nicht wie nach dem speziellen Grundrecht erforderlich schlechthin, also insgesamt ablehnen, sondern solches nur in Bezug auf bestimmte Situationen bzw. Konstellationen tun (z.B. Verweigerung der Teilnahme an kriegerischen Auseinandersetzungen bei Betroffenheit oder Nichtbetroffenheit bestimmter Staaten als Gegner bzw. als um Unterstützung ersuchende Verbündete; dies ggf. in Abhängigkeit von den in den betroffenen Staaten/Regionen herrschenden politischen Systemen oder unter Berücksichtigung von bestimmten historischen Situationen; Verweigerung der Teilnahme in Abhängigkeit von der Art der zum Einsatz kommenden Waffen; Wunsch, nur zur unmittelbaren Verteidigung der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland eingesetzt zu werden).

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 1960 - 1 BvL 21/60 -, BVerfGE 12, 45 = juris, Rn. 34, 35 ff., 38 f.; BVerwG, Urteil vom 5. März 1986- 6 C 34.84 -, BVerwGE 74, 72 = juris, Rn. 14, und namentlich auch Beschluss vom 8. November 1993 - 6 B 48.93 -, NJW 1994, 603 = juris, Rn. 2; ferner z. B. Thüringer OVG, Urteil vom 17. Mai 2010 - 2 KO 63/10 -, juris, Rn. 30.

Die vom Kläger geltend gemachten Gründe, nämlich die Ablehnung von kriegerischen Auseinandersetzungen, welche über die "Landesverteidigung im engeren Sinne" als historische Kernaufgabe der Bundeswehr sowie über "echte Bündnisfälle" hinausgehen, fallen in den Kreis dieser Gründe. Da sie sich auf einen bestimmten Sektor militärischen Handelns beziehen, betreffen sie (partiell) zugleich den "Kriegsdienst mit der Waffe" im Sinne des Art. 4 Abs. 3 GG. Würde man in solchen Fällen dem Soldaten unter Berufung auf sein Grundrecht der allgemeinen Gewissensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG erlauben, vollständig aus dem aktiven Dienst der Bundeswehr auszuscheiden, stellte sich dies letztlich als Umgehung der auch begrenzend wirkenden Sonderstellung des Grundrechts der Kriegsdienstverweigerung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 GG bezogen auf den militärischen Bereich und das Soldatenverhältnis dar.

Im Übrigen entspricht es auch der Wehrpflichtige betreffenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts, eine im Verhältnis zum Absatz 1 abschließende Sonderstellung des Absatzes 3 des Grundrechts aus Art. 4 GG hinsichtlich von Gewissensgründen anzunehmen, aus denen heraus sich die Berechtigung eines Wehrpflichtigen ergeben soll, das Leisten von Wehrdienst insgesamt abzulehnen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1965- 1 BvR 112/63 -, BVerfGE 19, 135 = juris, Rn. 9, und Beschluss vom 26. Mai 1970 - 1 BvR 83/69, 244/69, 345/69 -, NJW 1970, 1729 (1731) = juris, Rn. 65; BVerwG, z. B. Urteile vom 2. April 1970 - VIII C 114.68 -, Buchholz 448.0 § 25 WpflG Nr. 30, am Ende, und vom 11. November 1974 - VIII C 100.69 -, BVerwGE 39, 53 = NJW 1972, 653 = juris, Rn. 8.

Da sich auch Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit auf das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung berufen dürfen, spricht in Bezug auf jene nichts dafür, das Verhältnis von Art. 4 Abs. 3 GG zu Art. 4 Abs. 1 GG anders als für Wehrpflichtige zu beurteilen, soweit es darum geht, ob sie aus Gewissensgründen die Bundeswehr vorzeitig verlassen dürfen.

Vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerwG, Urteil vom 31. Juli 1996 - 2 WD 21.96 -, BVerwGE 103, 361 = juris, Rn. 30, am Ende (einen Stabsoffizier betreffend), und VG Münster, Urteil vom 21. August 2014 - 5 K 2265/12 -, juris, Rn. 85 ff., 88 ff.

In diesem Zusammenhang könnte der Kläger auch nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass im Jahre 2007 eine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer für Soldaten im Sanitätsdienst der Bundeswehr nach der seinerzeitigen ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von vorneherein nicht in Betracht gekommen sei. Es trifft allerdings zu, dass das Bundesverwaltungsgericht seinerzeit in diesem Sinne entschieden hat. Diese Rechtsprechung wurde erst im Jahre 2012 aufgegeben.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2012 - 6 C 11.11 -, BVerwGE 142, 48 = juris.

Die vormalige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts datiert aus den 1980er und 1990er Jahren. Gerade im Hinblick auf die von dem Kläger in den Mittelpunkt seiner Argumentation gestellte Neuausrichtung der Bundeswehr konnte auch schon vor dem vorzitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 2012 nicht davon ausgegangen werden, dass eine Neubewertung des Kriegsdienstverweigerungsrechts für Sanitätssoldaten der Bundeswehr offensichtlich ausgeschlossen war.

Vgl. hierzu und zu der insoweit durch Verzicht auf die Revisionsinstanz anzunehmenden mangelnden Ausschöpfung des Rechtswegs BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 2011 - 2 BvR 862/10 -, BVerfGK 19, 106 = juris, Rn. 17.

cc) Die auf den behaupteten Mängeln des Dienstbetriebs fußende Unzufriedenheit des Klägers mit den im Sanitätsdienst der Bundeswehr seinerzeit angeblich vorherrschenden und nicht seinen Erwartungen entsprechenden innerdienstlichen Arbeits- und Rahmenbedingungen führt als solche nicht auf einen Härtefall im Sinne des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG, weil diese Umstände alle Soldaten des Sanitätsdienstes regelmäßig gleich betroffen haben.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1977 - VI C 135.74 -, BVerwGE 52, 84 = juris, Rn. 46.

Hiergegen hat sich der Kläger im Berufungsverfahren auch nicht mehr gewandt.

c) Bei dem Kläger liegt allerdings eine "besondere Härte" im Sinne des § 46 Abs. 4 Satz 3 SG unter dem wirtschaftlichen Gesichtspunkt des möglichen Eintritts einer zu vermeidenden Existenzgefährdung vor. Dieser Gesichtspunkt wurde in den Regelungen des angegriffenen Leistungsbescheides der Beklagten nicht (ausreichend) berücksichtigt.

Die Erstattung von Ausbildungskosten wie hier dem Ausbildungsgeld darf den früheren Soldaten in Anwendung der Härteklausel nicht in einer Weise belasten, dass er in die Gefahr einer existenzgefährdenden wirtschaftlichen Notlage gerät.

Vgl. dazu allgemein etwa BVerfG, Beschluss vom 22. Januar 1975 - 2 BvL 51/71 -, BVerfGE 39, 128 = juris, Rn. 49; BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1977 - VI C 135.74 -, BVerwGE 52, 84 = juris, Rn. 54; OVG NRW, 26. Juni 1975- 1 A 927/74 -, DÖV 1975, 792 = juris (LS 2); VG Gießen, Urteil vom 26. Oktober 2005 - 8 E 2875/04 -, Rpfleger 2006, 90 = juris, Rn. 20; Sohm, in: Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 2. Aufl. 2010, § 56 Rn. 23.

Dabei muss u.a. eine dauerhafte wirtschaftliche Knebelung, wie sie insbesondere bei einer sehr hohen Erstattungspflicht und einem (bei eingeräumter Ratenzahlung) entsprechend sehr langen Erstattungszeitraum eintreten kann, unterbleiben. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung vertreten, dass sich dann, wenn die Beklagte - wie etwa auch in dem vorliegenden Leistungsbescheid - Ratenzahlungen gewährt, die Zahlungspflicht grundsätzlich nicht während des gesamten weiteren Berufslebens des Soldaten andauern darf, sondern zeitlich begrenzt sein muss.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 2006 - 2 C 18.05 -, Schütz/Maiwald, BeamtR, ES/A II 1 Nr. 11 = juris, Rn. 24; dem grundsätzlich folgend u.a. VG Gelsenkirchen, Urteile vom 8. September 2014 - 1 K 623/13 -, juris, Rn. 38, und vom 17. Dezember 2014 - 1 K 6101/12 -, juris, Rn. 47; VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Dezember 2013 - 10 K 5420/13 -, juris, Rn. 32; a.A. VG Gießen, Urteil vom 5. November 2012 - 5 K 785/11.GI -, juris, Rn. 38, VG Schleswig, Urteil vom 6. März 2014 - 12 A 153/13 -, juris, Rn. 41, und wohl auch Sohm, in: Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 2. Aufl. 2010, § 56 Rn. 23.

Die betreffende Formulierung in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist systematisch eingebettet in Ausführungen zu der Frage, ob der in Anwendung der Härteklausel zu erstattende Betrag "von einem bestimmten ehemaligen Zeitsoldaten" verlangt werden dürfe, was von seiner individuellen Vermögenslage abhänge. Das verdeutlicht, dass es an dieser Stelle um generelle Erwägungen zur Frage der (individuellen) wirtschaftlichen Zumutbarkeit geht und damit nicht um einen etwaigen weiteren "Bonus" im Rahmen der Anwendung der Härteklausel speziell auf die Gruppe der anerkannten Kriegsdienstverweigerer. Insofern hat es in diesem Punkt auch keine Bedeutung, dass die Entscheidung einen Fall betroffen hat, in dem es um die Erstattung der Ausbildungskosten eines Kriegsdienstverweigerers ging. Allein ein solches Verständnis der betreffenden Urteilspassage ergibt im Übrigen auch Sinn, weil es der Sache nach - wie schon ausgeführt - um eine Konkretisierung des im Rahmen der Härteklausel für alle betroffenen früheren Soldaten geltenden Gesichtspunktes gegangen ist, dass diese durch die Erstattung und die Modalitäten ihrer Abwicklung nicht in existentielle wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sollen.

Soweit es Gegenstimmen zu einer gebotenen zeitlichen Begrenzung des Erstattungszeitraums gibt (VG Gießen, VG Schleswig, jeweils a.a.O.), setzen diese dabei an, dass grundsätzlich die Pflicht bestehe, den Erstattungsbetrag in einer Summe zu zahlen. Würden den Soldaten Ratenzahlungen eingeräumt, bleibe es ihnen unbenommen, die hierdurch bewirkte Zahlungsdauer im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten durch höhere Ratenzahlungen zu verkürzen. Diese Argumentation überzeugt schon deswegen nicht, weil sie die angesprochene Verkürzungsmöglichkeit offenbar als regelmäßig gegeben unterstellt. Diese hängt aber entscheidend von den wirtschaftlichen Verhältnissen im jeweiligen Einzelfall ab. Ferner wird wohl nicht hinreichend bedacht, dass die Pflicht zur Zahlung in einer Summe angesichts der Höhe der zumeist in Rede stehenden Beträge gerade wegen der bestehenden Härteklausel in der Praxis kaum zum Tragen kommen dürfte. Die ggf. bestehende Härte in Anwendung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG auszugleichen, bleibt dabei Aufgabe der Beklagten, kann also nicht, jedenfalls nicht vollständig, einem Handeln der betroffenen ehemaligen Soldaten (auch im Rahmen von deren finanziellen Möglichkeiten) überlassen bleiben.

Die danach erforderliche zeitliche Begrenzung des Erstattungszeitraums (Zeitraums der Ratenzahlungspflicht) in Richtung auf nur einen Teilzeitraum des gesamten Berufslebens muss auch bereits in dem Leistungsbescheid (Ausgangsbescheid) selbst erfolgen; dort sind die hierzu notwendigen Regelungen zu treffen. Das ist keine Besonderheit, sondern entspricht auch im Übrigen der Anwendung der Härteklausel des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG. Diese unterscheidet sich insoweit im Kern nicht von der Billigkeitsentscheidung bei der Rückforderung zuviel gezahlter Bezügen (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG). Dazu ist anerkannt, dass die Billigkeitsentscheidung nicht lediglich die Vollziehung oder Vollstreckung des Rückforderungsbescheides, sondern den materiellen Bestand des (insofern modifizierten) Rückforderungsanspruchs betrifft. Ein Rückforderungsbescheid darf deshalb nicht ergehen, ohne dass bzw. bevor eine Billigkeitsentscheidung getroffen wurde.

Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 26. April 2012- 2 C 4.11 -, Schütz/Maiwald, BeamtR, ES/C V 5 Nr. 84 = juris, Rn. 23, m.w.N.; sinngemäß entsprechend zur Härteklausel des Soldatengesetzes wohl auch BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1977 - VI C 135.74 -, BVerwGE 52, 84 = ZBR 1977, 287 = juris, Rn. 56, unter Abgrenzung der Anwendung der Härteklausel von lediglich haushaltsrechtlichen Zahlungserleichterungen.

Ob das gleiche Ergebnis in Fällen der vorliegenden Art auch unmittelbar aus dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes und aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn hergeleitet werden kann,

vgl. etwa VG Gelsenkirchen, Urteil vom 8. September 2014 - 1 K 623/13 -, juris, Rn. 38 am Ende,

braucht hier nicht entschieden zu werden.

Der Anforderung der zeitlichen Begrenzung des Erstattungszeitraums kann die Beklagte regelmäßig in der Weise ermessensgerecht entsprechen, dass sie die Verpflichtung zur Zahlung von Tilgungsraten auf einen Zeitraum von zwei Dritteln der Zeit von der Entlassung aus dem Zeitsoldatenverhältnis bis zum Eintritt in das Rentenalter (§ 35 SGB VI) begrenzt. Denn hierdurch ist auch unter Berücksichtigung etwa zusätzlich zu zahlender Stundungszinsen in aller Regel ausreichend gewährleistet, dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der Anwendung der Härteklausel die Zahlungspflicht nicht während des gesamten (weiteren) Berufslebens andauert, sondern deutlich vor dem 67. Lebensjahr endet.

Vgl. in diesem Sinne auch VG Gelsenkirchen, Urteile vom 8. September 2014 - 1 K 623/13 -, juris, Rn. 40, und vom 17. Dezember 2014 - 1 K 6101/12 -, juris, Rn. 49.

Das bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass der im Leistungsbescheid festgesetzte Erstattungsbetrag am Ende nicht vollständig getilgt werden muss. Das gilt selbst dann, wenn ausgehend von der im Bescheid bestimmten Höhe der Rate eine vollständige Tilgung bis zu dem betreffenden Zeitpunkt rechnerisch nicht möglich ist. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang nämlich, dass der streitige Leistungsbescheid (wie auch in ähnlichen Fällen) unter Ziffer 4 eine (Neben-)Regelung enthält, derzufolge eine jährliche Überprüfung der Ratenhöhe anhand der Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse des früheren Soldaten zu erfolgen hat. Das kann es ermöglichen, die Raten vorübergehend oder ggf. auch dauerhaft höher festzusetzen. In einem solchen Fall kann ggf. erreicht werden, dass der gesamte Erstattungsbetrag schon vor Ablauf des vorgenannten Zweidrittelzeitraums getilgt ist. Es ist mit anderen Worten Aufgabe der Beklagten, diese begleitende Kontrolle auch tatsächlich effektiv wahrzunehmen.

Wegen dieser möglichen Veränderungen der Tilgungshöhe, welche ggf. auch in Richtung auf eine wirtschaftlich gebotene Verringerung der Ratenhöhe gehen können, ist es aus Sicht des Senats sogar erforderlich ist, die Zeitdauer der Zahlungspflicht in dem Leistungsbescheid nicht nur dann begrenzend zu regeln, wenn ausgehend von der Höhe der dort festgesetzten Raten eine Tilgung innerhalb des Zweidrittelzeitraums nicht gelingen kann. Vielmehr ist solches auch dann geboten, wenn ausgehend von jenen u.U. recht hohen Raten eine rechtzeitige Tilgung gelingen könnte.

Anders im Ergebnis VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. Dezember 2014 - 1 K 6101/12 -, juris, Rn. 53.

Denn ob es dann auch wirklich gelingen wird, ist angesichts der künftigen Veränderbarkeit der Höhe der Rate im Zeitpunkt des Ergehens des Leistungsbescheides keineswegs sicher. Gerade mit Blick darauf bedarf es aber schon in diesem Bescheid einer begrenzenden Regelung genereller Natur, die etwa an das Erreichen eines bestimmten Lebens- oder Kalenderjahres (bzw. Datums) anknüpft. Die Gegenauffassung des VG Gelsenkirchen, wonach es in jenen Fällen ausreichen soll, dass mit Blick auf eine mögliche Absenkung der Rate erst in dem diesbezüglichen Änderungsbescheid die zeitliche Begrenzung erforderlichenfalls geregelt wird,

vgl. Urteil vom 17. Dezember 2014 - 1 K 6101/12 -, juris, Rn. 53,

erscheint inkonsequent zu der auch dort eingenommenen Grundposition, dass über das Vorliegen einer besonderen Härte bereits im Ausgangsbescheid entschieden werden muss.

Ist die für die Erstattung in zeitlicher Hinsicht bestehende Grenze erreicht, ohne dass der Gesamtbetrag getilgt werden konnte, dürfte die Beklagte im Übrigen verpflichtet sein, die Restsumme zu erlassen. Denn die Stundung unberührt zu lassen und weiterhin Stundungszinsen zu fordern, würde (in Abhängigkeit von der Zinshöhe einerseits und der Höhe des noch nicht getilgten Betrages andererseits) die wirtschaftliche Belastung jedenfalls zum Teil fortbestehen lassen und damit zu einer Belastung bis zum Ende der Berufstätigkeit oder sogar noch darüber hinaus führen.

Der vom Kläger angefochtene Leistungsbescheid entspricht mit seinen vier Teilregelungen den vorstehenden Grundsätzen nicht. Das ist bereits deswegen der Fall, weil er im Zusammenhang mit der eingeräumten Ratenzahlung keine zeitliche Begrenzung des Zahlungszeitraums enthält. Darüber hinaus würde sich im Fall des Klägers bei einer unverändert bleibenden Höhe der bestimmten Monatsraten von 220 Euro ohne Berücksichtigung der Stundungszinsen ein Tilgungszeitraum von über 45 Jahren ergeben. Der Kläger wäre bei Zahlungsende dann 77 Jahre alt.

Hinzu kämen als Belastungsfaktor noch die Stundungszinsen. Ob diese wie geschehen in Höhe von 4 Prozent erhoben werden durften, muss hier nicht entschieden werden, da der angefochtene Bescheid wegen der fehlenden Regelung einer Begrenzung des Erstattungszeitraums in Anbetracht der inhaltlichen Verknüpfung seiner einzelnen Teilregelungen nicht nur in Bezug auf einzelne Ziffern (Teilregelungen), sondern insgesamt aufzuheben ist. Allerdings weist der Senat in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Zinshöhe schon an dieser Stelle darauf hin, dass es u.a. auch im Hinblick auf den Sanktionscharakter der Erstattungspflicht,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2014 - 2 B 96.13 -, juris, Rn. 7, zur Erstattungspflicht eines Berufssoldaten,

jedenfalls nicht auf der Hand liegt, dass sich das Ermessen der Beklagten in jenem Zusammenhang zwingend an ihren eigenen Refinanzierungsmöglichkeiten orientieren muss. Selbst bei Zugrundelegung dieser Variante ist darüber hinaus mit Blick auf die fehlende Sicherung der Forderung problematisch, ob als Maßstab für die "Marktlage" (ausschließlich) durch Hypotheken abgesicherte Darlehen zugrunde gelegt werden können.

Vgl. in diesem Zusammenhang etwa VG Gelsenkirchen, Urteile vom 8. September 2014- 1 K 623/13 -, juris, Rn. 43 ff., und vom17. Dezember 2014 - 1 K 6101/12 -, juris, Rn. 62 f.; VG Münster, Urteil vom 21. August 2014 - 5 K 2265/12 -, juris, Rn. 97, aber auch- im Ergebnis keine rechtlichen Bedenken gegen einen Zinssatz von 4 % äußernd - VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Dezember 2013 - 10 K 5420/13 -, juris, Rn. 2, 44 f., sowie Bayerischer VGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - 6 BV 12/19 -,juris, Rn. 4, 42.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.