VG Düsseldorf, Beschluss vom 26.03.2015 - 14 L 751/15
Fundstelle
openJur 2015, 15087
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,

die aufschiebende Wirkung der Klage 14 K 1737/15 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 29. Januar 2015 wiederherzustellen bzw. anzuordnen,

hat keinen Erfolg.

Der Antrag ist zulässig.

Der erhobenen Klage kommt hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins wegen der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 Satz 1 des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen (JG NRW) keine aufschiebende Wirkung zu.

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen belastenden Verwaltungsakt wiederherstellen bzw. anordnen, wenn bei einer Interessenabwägung das private Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Dies kommt dann in Betracht, wenn die angefochtene Verfügung offensichtlich rechtswidrig ist oder aus anderen Gründen das Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Vorliegend überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers.

In formeller Hinsicht genügt die Anordnung der sofortigen Vollziehung dem in § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO normierten Begründungserfordernis. Die Antragsgegnerin war sich des Ausnahmecharakters der sofortigen Vollziehung bewusst und hat dies in der angefochtenen Verfügung hinreichend zum Ausdruck gebracht. Dem stehen auch möglicherweise formelhaft klingende Wendungen angesichts der Vielzahl vergleichbarer Verfahren und der jeweils sehr ähnlich gelagerten widerstreitenden Interessen nicht entgegen.

Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 19. März 2012 - 16 B 237/12 -, Rn. 2, juris; OVG NRW, Beschluss vom 7. April 2014 - 16 B 89/14 - juris; OVG NRW, Beschluss vom 14. November 2014 - 16 B 1195/14 - juris; VGH Bayern, Beschluss vom 15. Juni 2009- 11 CS 09.373 -, Rn. 19, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Januar 2012 - 6 L 1971/11 -,Rn. 2, juris.

Das Erlassinteresse und das Interesse an der sofortigen Vollziehung können - gerade im Gefahrenabwehrrecht - durchaus zusammenfallen, wobei die Frage, ob die Abwägung inhaltlich tragfähig ist, keinen Aspekt des Formerfordernisses gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO darstellt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. März 2012 - 16 B 237/12 -, Rn. 2, juris; OVG NRW, Beschluss vom 8.August 2008 - 13 B 1122/08 -, Rn. 4, 6, juris.

Die angefochtene Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 29. Januar 2015 erweist sich bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung auch in materieller Hinsicht als offensichtlich rechtmäßig. Die in der Hauptsache erhobene Klage wird voraussichtlich erfolglos bleiben.

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung maßgeblich.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2008 - 3 C 26.07 -, Rn. 16, juris; OVG NRW, Beschluss vom 2. April 2012 - 16 B 356/12 -, Rn. 6, juris.

Die Entziehung der Fahrerlaubnis findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV -). Hiernach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Nach Nr. 9.1. der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV ist derjenige zum Führen von Kraftfahrzeugen als ungeeignet anzusehen, der Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) einnimmt.

Betäubungsmittel sind nach § 1 Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) die in den Anlagen I bis III zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgeführten Stoffe. Dazu zählt auch Kokain (Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG). Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung lässt insoweit bereits der einmalige Konsum von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) die Kraftfahreignung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV i.V.m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV entfallen und zwar unabhängig davon, ob unter dem Einfluss der Betäubungsmittel ein Kraftfahrzeug geführt wurde. Ein Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr ist demnach nicht erforderlich, so dass der Entzug der Fahrerlaubnis auch gerechtfertigt gewesen wäre, wenn der Antragsteller kein Fahrzeug geführt hätte. Diese Sichtweise findet ihre Berechtigung nicht zuletzt in dem hohen Missbrauchspotenzial sog. harter Drogen, das bis zum Nachweis einer verlässlichen Abkehr vom Konsum eine hinreichende abstrakte Gefahr von Fahrten unter dem Einfluss derartiger Substanzen begründet.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2012 - 16 B 1106/12 -, Rn. 2, juris; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2012 - 16 B 944/12 -, Rn. 2, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1. November 2012 - 3 O 141/12 -, Rn. 3, juris; VGH Bayern, Beschluss vom 7. August 2012- 11 ZB 12.1404 -, Rn. 7, juris.

Nach Maßgabe dieser Kriterien liegen beim Antragsteller die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis vor.

Es ist nach Aktenlage davon auszugehen, dass der Antragsteller Kokain konsumiert hat. Er wurde am Montag, dem 00.0.2014 gegen 15:35 auf einem Parkplatz an der A 00 bei I. von der Polizei angehalten und kontrolliert. Ein durchgeführter Drogenvortest verlief positiv auf Kokain. Daraufhin wurde dem Antragsteller eine Blutprobe entnommen. Die Auswertung der Blutprobe durch das Institut für Rechtsmedizin der I1. -I2. -Universität E. ergab ausweislich des Gutachtens vom 30. Juni 2014 einen Benzoylecgonin-Wert von 24 ng/ml. Hierzu stellt der Sachverständige, Herr Prof. E1. , schlüssig und nachvollziehbar fest, dass der Antragsteller Kokain konsumiert habe. In der gutachterlichen Stellungnahme vom 3. März 2015 führt der Sachverständige zu der Frage, ob der an der Blutprobe des Antragstellers erhobene Befund auch dadurch zu erklären sei, dass er Mate de Coca Tee getrunken habe, aus, dass der Tee Kokain enthalte und man dieses durch das Trinken des Tees in einer nennenswerten Menge aufnehme. Die in einem Teebeutel enthaltene Menge reiche aus, um die im Blut des Antragstellers erhobenen Befunde zu erklären.

Nach den oben stehenden Grundsätzen steht die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen aufgrund des nachgewiesenen Kokainkonsums fest. Denn bei Kokain handelt es sich um ein Betäubungsmittel im Sinne von § 1 Abs. 1 BtMG (vgl. Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG), so dass dem Antragsteller nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen war. Ein Ermessen ist der Fahrerlaubnisbehörde insofern nicht eingeräumt.

Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall von dieser Regel sind nicht ersichtlich. Der Vortrag des Antragstellers, er habe den Mate de Coca Tee nur einmalig konsumiert und außerdem nicht gewusst, dass der Tee in Deutschland unter das Betäubungsmittelgesetz falle, läuft letztlich auf die Behauptung hinaus, dass der Antragsteller das Kokain unbewusst konsumiert habe. Dieser pauschale Vortrag ändert indes an der rechtlichen Beurteilung nichts,

vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18. Mai 2009 - 1 SsRs 11/09 - juris; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., 2015, § 24a StVG, Rdnr. 21a.

Zwar kann ein eignungsausschließender Konsum von Betäubungsmitteln nur bei einer willentlichen Einnahme angenommen werden. Allerdings geht nach allgemeiner Lebenserfahrung einem positiven Drogennachweis typischerweise ein entsprechender Willensakt voraus. Der vom Antragsteller behauptete Fall einer versehentlichen Rauschmitteleinnahme stellt sich dagegen als ein Ausnahmetatbestand dar, zu dem nur der Betroffene als der am Geschehen Beteiligte Klärendes beisteuern kann und der daher von diesem jedenfalls glaubhaft und widerspruchsfrei dargetan werden muss. Erst nach einer solchen Schilderung kann sich die Frage ergeben, zu wessen Nachteil eine gleichwohl verbleibende Ungewissheit über den genauen Hergang der Ereignisse ausschlägt.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. Oktober 2014- 16 B 1032/14 - und vom 22. März 2012 - 16 B 231/12 - mit weiteren Nachweisen.

Das Vorbringen des Antragstellers sieht das Gericht als unglaubhaft an und wertet es als bloße Schutzbehauptung. Seine Angaben sind substanzlos und erschöpfen sich in dem bloßen Vortrag, dass ihm nicht bekannt gewesen sei, dass der Mate de Coca Tee unter das Betäubungsmittelgesetz falle. Dieser Vortrag ist derart dürftig und unsubstantiiert, dass er allein deshalb nicht geeignet ist, den oben beschriebenen Ausnahmetatbestand zu begründen. Darüber hinaus ist der Mate de Coca Tee aufgrund des Umstandes, dass der Besitz und die Einfuhr des Tees zur Bestrafung führen können, in Deutschland nicht im üblichen Handel erhältlich, so dass sich die Frage stellt, wo der Antragsteller den Tee erworben hat oder wer ihn ihm unter welchen Umständen angeboten hat. Zudem muss die Bezeichnung Mate de Coca bei einem normal verständigen Menschen den Verdacht erwecken, dass der Tee aus der Cocapflanze gewonnen werde und damit auch Kokain enthalte,

vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18. Mai 2009, a.a.O..

Dies gilt umso mehr für den Antragsteller, der nach seinem eigenen Vortrag im Rahmen von Arzneimittelstudien seit ca. 1994 zweimal jährlich für die Firma C. AG Medikamente testet und aufgrund dieser Tätigkeit aufgrund des Produktnamens hätte hellhörig werden müssen.

Der Antragsteller hat seine aufgrund des Drogenkonsums entfallene Kraftfahreignung auch nicht wiedererlangt. Es fehlt zum einen an dem nach Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV grundsätzlich erforderlichen Nachweis einer mindestens einjährigen Drogenfreiheit. Der Antragsteller muss zudem belegen, dass seine Drogenfreiheit von einem tiefgreifenden und stabilen Einstellungswandel getragen ist. Der vom Antragsteller vorgelegte negative Laborbefund vom 18. Februar .2015 ist nicht geeignet, die Zweifel an seiner Drogenfreiheit auszuräumen, da er einen Zeitraum vor der polizeilichen Kontrolle betrifft. Auch ist die hausärztliche Bescheinigung vom 5. März 2015 nicht geeignet, die Zweifel auszuräumen. Denn den auf Eigeninitiative des Betroffenen durchgeführten Drogenscreenings mangelt es in der Regel an der erforderlichen Aussagekraft, da der Konsum von Drogen in den Körperflüssigkeiten Blut und Urin nicht unbegrenzte Zeit nachweisbar ist und der Betroffene sich (bei ggf. fortbestehendem Drogenkonsum) einen für ihn günstig erscheinenden Untersuchungstermin ausgesucht haben könnte. Zudem können einzelne oder auch mehrere Drogenscreenings für sich genommen eine tiefgreifende und dauerhafte Verhaltensänderung nicht belegen. Hierzu bedarf es grundsätzlich einer medizinischpsychologischen Untersuchung (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV).

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. April 2012 - 16 B 356/12 - juris; OVG NRW, Beschluss vom 6. Oktober 2006 - 16 B 1538/06 - juris.

Ein weiteres Zuwarten der Antragsgegnerin wiederum, um dem Antragsteller zunächst den erforderlichen Beleg längerfristiger Drogenfreiheit zu ermöglichen, hätte sich aus Gründen der Effektivität der Gefahrenabwehr verboten. Ein derartiges Vorgehen ist in einem Fahrerlaubnisentziehungsverfahren regelmäßig nicht mit dem übergeordneten Interesse des Schutzes der Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrerlaubnisinhabern zu vereinbaren,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Juli 2012 - 16 A 1928/11 -.

Die Interessenabwägung fällt auch im Übrigen zulasten des Antragstellers aus. Denn in aller Regel trägt allein die voraussichtliche Rechtmäßigkeit einer auf den Verlust der Kraftfahreignung gestützten Ordnungsverfügung die Aufrechterhaltung des Sofortvollzugs. Zwar kann die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen. Derartige Folgen, die bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage reichen können, muss der Betroffene jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen.

Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Juni 2002 - 1 BvR 2062/96 -, Rn. 50 ff., juris; BVerfG, Beschluss vom 25. September 2000 - 2 BvQ 30/00 -, Rn. 4, juris; OVG NRW, Beschluss vom 11. September 2012 - 16 B 944/12 -, Rn. 11, juris; OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2012- 16 B 1106/12 -, Rn. 7, juris.

Rechtliche Bedenken gegen die in der Ordnungsverfügung vom 29. Januar 2015 getroffenen sonstigen Entscheidungen bestehen ebenfalls nicht.

Die Verpflichtung zur Vorlage des Führerscheins folgt aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 FeV. Die mit der Fahrerlaubnisentziehung verbundene Zwangsgeldandrohung ist gemäß §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) rechtmäßig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Das Interesse an der Fahrerlaubnis der betroffenen Klassen wird in Klageverfahren nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2012 - 16 B 1106/12 -, Rn. 9, juris,

der das Gericht folgt, mit dem Auffangwert des GKG angesetzt. Im Verfahren betreffend die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes ermäßigt sich dieser Betrag um die Hälfte.

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