VG Düsseldorf, Urteil vom 20.03.2015 - 13 K 7737/14
Fundstelle
openJur 2015, 14950
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der teilweisen Rücknahme des Beihilfebescheides vom 17. Juli 2009 und der Rückforderung der auf dieser Grundlage gezahlten Beihilfeleistung in Höhe von 256,71 Euro.

Der Kläger ist als im Dienst der Beklagten stehender Bundesbeamter beihilfeberechtigt.

Mit Formularantrag vom 5. April 2009 (Bl. 1 und 2 des Verwaltungsvorgangs) beantragte der Kläger gegenüber der Postbeamtenkrankenkasse (PBeaKK) die Gewährung von Beihilfe unter anderem zu Aufwendungen in Höhe von 320,88 Euro für die kieferorthopädische Behandlung seines minderjährigen Sohnes am 9. und 19. Februar 2009, welche der behandelnde Arzt Prof. Dr. E. mit Rechnung vom 27. März 2009 (Bl. 4 des Verwaltungsvorgangs) abrechnete. Mit Leistungsabrechnung vom 29. April 2009 (Bl. 7 des Verwaltungsvorgangs) erkannte die PBeaKK für die Beklagte unter anderem den vorstehend genannten Rechnungsbetrag als beihilfefähig an und erstattete dem Kläger insoweit eine Beihilfe in Höhe von 256,71 Euro.

Mit Formularantrag vom 26. Juni 2009 (Bl. 9 und 10 des Verwaltungsvorgangs) beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Beihilfe zu den durch die kieferorthopädische Behandlung seines minderjährigen Sohnes am 9. und 19. Februar 2009 entstandenen Aufwendungen in Höhe von 320,88 Euro, die Prof. Dr. E. mit Rechnung vom 22. Juni 2009 ein zweites Mal abrechnete (Bl. 12 des Verwaltungsvorgangs). Mit Leistungsabrechnung vom 17. Juli 2009 (Bl. 13 und 14 des Verwaltungsvorgangs) erkannte die PBeaKK diesen Rechnungsbetrag als beihilfefähig an und erstattete dem Kläger eine Beihilfe in Höhe von 256,71 Euro.

Nachdem die Beklagte am 15. April 2014 im Rahmen einer Überprüfung festgestellt hatte, dass dem Kläger Leistungen für die kieferorthopädische Behandlung seines minderjährigen Sohnes am 9. und 19. Februar 2009 doppelt gewährt worden seien, nahm sie die Leistungsabrechnung vom 17. Juli 2009 insoweit zurück und forderte den überzahlten Betrag in Höhe von 320,88 Euro zurück (Bl. 15 des Verwaltungsvorgangs).

Mit Schreiben vom 22. April 2014 wies der Kläger die PBeaKK darauf hin, dass es ihm nicht möglich sei, die monierten Doppelleistungen nachzuvollziehen, da er bereits im Jahr 2011 das Konto bei der Deutschen Postbank gekündigt habe und daher Zahlungseingänge aus dieser Zeit nicht mehr überprüfen könne. Überdies sei er entreichert im Sinne der §§ 812 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), da er ganz bestimmt nicht vorsätzlich eine Rechnung doppelt eingereicht habe. Zum damaligen Zeitpunkt sei damit beschäftigt gewesen, seine Mutter und seinen im Sterben liegenden Vater zu betreuen. Schließlich erhebe er die Einrede der Verjährung.

Unter dem 9. Juli 2014 teilte die PBeaKK dem Kläger mit, dass seinem Widerspruch nicht abgeholfen werden könne (Bl. 21 ff. des Verwaltungsvorgangs). Der Kläger könne sich nicht auf Vertrauen berufen, da er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Das Vertrauen des Klägers in das Behaltendürfen der rechtswidrigen Leistungen sei nicht schutzwürdig, weil der Kläger die Mehrfacherstattung hätte erkennen können. Er hätte bei der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, dass eine Doppelerstattung vorliege. Die Rücknahme der Leistungsabrechnung sei auch in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens unter Abwägung der widerstreitenden Interessen erfolgt. Das Interesse der PBeaKK und der Versicherungsgemeinschaft an der Erbringung satzungsgemäßer Leistungen überwiege das Interesse des Mitglieds am Behaltendürfen der rechtswidrigen Leistungen. Der Rücknahme des rechtswidrigen Bescheides stehe auch nicht § 48 Absatz 4 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) entgegen. Die Jahresfrist habe erst am 15. April 2014 zu laufen begonnen. Schließlich sei auch die Rückforderung des überzahlten Betrages rechtmäßig. Aus den vorstehenden Gründen könne sich der Kläger nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Der Rückforderungsanspruch sei auch nicht verjährt, da er erst mit Rücknahme der rechtswidrigen Leistungsabrechnung, mithin am 15. April 2014, entstanden sei.

Mit Schreiben vom 29. Juli 2014 (Bl. 26 ff. des Verwaltungsvorgangs) zeigte der Kläger an, dass er seinen Widerspruch aufrecht erhalte und ergänzte sein Schreiben vom 22. April 2014 wie folgt: Einer Rücknahme der Leistungsabrechnung stehe sein Vertrauensschutz entgegen. Denn nach fast fünf Jahren bestehe ein Verwirkungsanspruch. Überdies habe die PBeaKK bereits vor dem 15. April 2014 von einem etwaigen Erstattungsanspruch Kenntnis haben müssen, weshalb die in § 48 Absatz 4 VwVfG geregelte Frist seit langem abgelaufen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2014, dem Kläger zugestellt am 19. November 2014, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück (Bl. 32 ff. des Verwaltungsvorgangs). Die Begründung entspricht im Wesentlichen dem Inhalt des Schreiben der PBeaKK vom 9. Juli 2014. Den überzahlten Betrag in Höhe von 256,71 Euro forderte die Beklagte in vier monatlichen Raten in Höhe von 50,00 Euro und einer Rate in Höhe von 56,71 Euro zurück.

Am 21. November 2014 hat der Kläger Klage erhoben.

Zur Begründung wiederholt er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und ergänzt es dahingehend, dass er weder positive Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Leistungsabrechnung gehabt habe, noch von grober Fahrlässigkeit seinerseits auszugehen sei. Als Laie habe ihn nicht die Obliegenheit getroffen, sämtliche Anträge im Hinblick auf die Leistungseinreichung zu überprüfen. Auch liege ein Fall von Ermessensfehlgebrauch vor. Hinsichtlich der Überzahlung sei er entreichert, da er sie ausgegeben habe. Ein konkreter Nachweis diesbezüglich sei entbehrlich, da bei einer geringen Überzahlung die Möglichkeit des Beweises des ersten Anscheins bestehe.

Der Kläger beantragt,

den Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 15. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2014 aufzuheben und

die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

In Ergänzung zum bisherigen Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren trägt die Beklagte vor, dass auch keine Ermessensfehler ersichtlich seien. Im Rahmen der Ermessensausübung sei zu berücksichtigen, dass der Grund für die Erstellung der fehlerhaften Leistungsabrechnung ausschließlich im Verantwortungsbereich des Klägers gelegen habe. Die Erklärung des Klägers dass er für die Aufwendung noch keine Beihilfe beantragt habe, sei objektiv falsch gewesen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin erklärt (Bl. 36 und 54 der Gerichtsakte).

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Entscheidung kann gemäß § 101 Absatz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung und gemäß § 87a Absatz 2 und 3 VwGO durch die Berichterstatterin ergehen, da sich die Beteiligten hiermit in ihren Schriftsätzen vom 23. Dezember 2014 und 20. Januar 2015 jeweils einverstanden erklärt haben.

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 15. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Absatz 1 Satz 1 VwGO). Sowohl die teilweise Aufhebung der Leistungsabrechnung vom 17. Juli 2009 (I.) als auch die aufgrund dessen erfolgte Rückforderung zu viel geleisteter Beihilfe in Höhe von 256,71 Euro (II.) begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

I. Rechtsgrundlage für die teilweise Rücknahme der Leistungsabrechnung vom 17. Juli 2009 bildet § 48 Absatz 1 Satz 1 VwVfG. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach Satz 2 dieser Vorschrift darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt) nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden. Bei dem Verwaltungsakt vom 17. Juli 2009 handelt es sich um einen rechtswidrigen Verwaltungsakt (1.). Die Einschränkungen des § 48 Absatz 2 bis 4 VwVfG sind bei dem hier vorliegenden, begünstigenden Verwaltungsakt gewahrt (2.). Die Beklagte handelte auch nicht ermessensfehlerhaft (3.).

1. Der Bescheid vom 17. Juli 2009 war insoweit rechtswidrig, als er dem Kläger zu der Arztrechnung vom 22. Juni 2009 eine Beihilfe in Höhe von 256,71 Euro gewährte. Denn der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Beihilfe für die kieferorthopädische Behandlung seines minderjährigen Sohnes vom 9. und 19. Februar 2009 gemäß § 10 Absatz 1 Satz 1, 15 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1, 46 Absatz 2 Nr. 4 Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) ist infolge der mit Leistungsabrechnung vom 29. April 2009 bereits erfolgten Erstattung dieser Aufwendungen durch Erfüllung erloschen. Die mit Leistungsantrag vom 7. April 2009 eingereichte Rechnung vom 26. Juni 2009 entspricht sowohl hinsichtlich der Rechnungsnummer als auch inhaltlich der mit Leistungsantrag vom 5. April 2009 eingereichten Abrechnung vom 27. April 2009 für die kieferorthopädische Behandlung des Sohnes des Klägers vom 9. und 19. Februar 2009. Hieran besteht auch zwischen den Beteiligten kein Streit.

2. Der teilweisen Rücknahme der Leistungsabrechnung vom 17. Juli 2009 steht auch nicht § 48 Absatz 1 Satz 2 VwVfG entgegen, da die Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 erfüllt sind.

a) Gemäß § 48 Absatz 2 Satz 1 VwVfG darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Nach § 48 Absatz 1 Satz 2 VwVfG darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der - wie hier - eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Ob diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben sind, kann hier dahingestellt bleiben. Denn der Kläger kann sich jedenfalls gemäß § 48 Absatz 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG nicht auf Vertrauen berufen. Danach kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauensschutz berufen, wenn er den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren. So verhält es sich hier.

Mit Leistungsantrag vom 26. Juni 2009 beantragte der Kläger die Erstattung seiner Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung seines Sohnes vom 9. und 19. Februar 2009, obwohl er einen entsprechenden Antrag bereits mit Leistungsantrag vom 5. April 2009 gestellt hat und ihm mit Leistungsabrechnung vom 7. April 2009 insoweit Beihilfe gewährt worden ist. Insoweit traf seine Erklärung, er versichere, für die geltend gemachten Aufwendungen noch keine Beihilfe erhalten zu haben, nicht zu. Die Unrichtigkeit dieser Angaben war auch kausal für die Fehlerhaftigkeit der zurückgenommenen Leistungsbescheides. Die Beklagte hätte bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände insoweit von einer Beihilfebewilligung abgesehen, da sie dem Kläger für diese Aufwendungen bereits Beihilfe gewährt und seinen Beihilfeanspruch erfüllt hat.

Dahingestellt bleiben kann, inwieweit dem Kläger die Unrichtigkeit seiner Angaben objektiv bekannt gewesen ist bzw. hätte bekannt sein müssen. Verschulden ist für die Anwendung des § 48 Absatz 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG nicht Voraussetzung. Maßgeblich ist allein die objektive Unrichtigkeit der Angaben. Denn § 48 Absatz 2 Satz 3 Nr. 2 beruht auf der Erwägung, dass die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, wenn sie auf im wesentlichen unrichtigen und unvollständigen Angaben des Begünstigten zurückzuführen ist, ihre Ursache nicht in der Sphäre der Verwaltung, sondern in der Sphäre des Begünstigten hat und die Rücknahme deshalb in diesen Fällen dem Prinzip des Vertrauensschutzes nicht widersprechen kann.

Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 14. August 1986 - 3 C 9.85 -, BVerwGE 74, 357, 364 und 20. Oktober 1987 - 9 C 255.86 -, BVerwGE 78, 139,142 = juris, Rn. 17 m.w.N.; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14. Dezember 2011 - 1 L 64/11 -, juris, Rn. 13 m.w.N.

Daher kann ebenso dahingestellt bleiben, ob und wenn ja inwieweit eine Mitverantwortung der Behörde am Erlass des rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht.

Ohne dass es noch darauf ankommt, weist das Gericht darauf hin, dass sich der Kläger auch nach § 48 Absatz 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG nicht auf Vertrauen berufen kann. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen zur Rechtmäßigkeit der Rückforderung der doppelt geleisteten Beihilfe verwiesen (siehe unten Seite 8 f.).

b) Die in § 48 Absatz 4 Satz 1 VwVfG geregelte Jahresfrist ist ebenfalls gewahrt. Danach ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, zu dem die Behörde von Tatsachen Kenntnis erlangt hat, welche die Rücknahme des Verwaltungsaktes rechtfertigen. Dies setzt die positive Kenntnis der Behörde von den eine Rücknahme des Verwaltungsaktes rechtfertigenden Tatsachen voraus; grob fahrlässige Unkenntnis genügt insoweit nicht, sodass es vorliegend nicht darauf ankommt, ob die Beklagte bereits zu einem früheren Zeitpunkt die doppelte Leistungsbewilligung an den Kläger hätte erkennen müssen. Die Beklagte hat nachvollziehbar geschildert, dass sie erst am 15. April 2014 im Rahmen einer Überprüfung festgestellt hatte, dass dem Kläger Leistungen für die kieferorthopädische Behandlung seines minderjährigen Sohnes am 9. und 19. Februar 2009 doppelt gewährt worden sind. Das Gericht hat keinen Anlass an dieser Darstellung zu zweifeln. Insbesondere hat der Kläger keine substantiierten Einwände hiergegen vorgetragen.

c) Entgegen der Ansicht des Klägers, hat die Beklagte ihr Recht zur teilweisen Rücknahme der Leistungsabrechnung vom 17. Juli 2009 auch nicht verwirkt. Zwar können auch im öffentlichen Recht Ansprüche und Rechte vom Inhaber verwirkt werden mit der Folge, dass sie nicht mehr ausgeübt werden können. Die Anwendung dieses allgemeinen in § 242 BGB verankerten Grundsatzes wird insbesondere auch nicht von § 48 Absatz 4 Satz 1 VwVfG ausgeschlossen.

Kopp/Schenke, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 48 Rn. 147 m.w.N., § 53, Rn. 41 m.w.N.

Danach kann die Geltendmachung einer Befugnis oder eines Rechts ausgeschlossen sein, wenn der Inhaber die Geltendmachung entgegen Treu und Glauben in illoyaler Weise über längere Zeit hinaus verzögert hat, obwohl er wusste bzw. damit rechnen musste, dass der Schuldner bzw. Verpflichtete darauf vertrauen würde, dass von der Befugnis bzw. dem Recht kein Gebrauch mehr gemacht werde und sich darauf eingerichtet hat.

Kopp/Schenke, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 53, Rn. 41 m.w.N.

Diese Voraussetzungen sind aber nicht erfüllt, da es jedenfalls an einem entsprechenden Verhalten der Beklagten fehlt, aus dem der Kläger hätte ableiten können, dass diese trotz Kenntnis der zu Unrecht gewährten Leistung gleichwohl von der Rücknahme der Leistungsabrechnung absehen wird. Die bloße Untätigkeit der Beklagten vermag eine solche Erwartung des Klägers nicht zu begründen.

Vgl. Kopp/Schenke, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 53, Rn. 46.

3. Die Entscheidung der Beklagten ist auch nicht ermessensfehlerhaft erfolgt. Liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsaktes vor, steht die Rücknahme gemäß § 48 Absatz 1 Satz 1 VwVfG zwar grundsätzlich im Ermessen der Beklagten. Indes wird die Ermessensausübung durch die Beklagte in den Fällen des § 48 Absatz 2 Satz 3 gesetzlich dahingehend vorgezeichnet, dass die zu Unrecht festgesetzte Beihilfe zwingend aufzuheben war (sog. intendiertes Ermessen). § 48 Absatz 2 Satz 4 VwVfG lenkt das behördliche Ermessen, indem er für die Fälle des Satzes 3 die Rücknahme des Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit als Regel festlegt. Danach müssen besondere Gründe vorliegen, wenn von der Rücknahme abgesehen werden soll. Liegt ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, versteht sich das Ergebnis der Abwägung von selbst und bedarf es insoweit auch keiner das Selbstverständliche darstellenden Begründung. Nur dann, wenn der Behörde außergewöhnliche Umstände des Falles bekannt geworden oder erkennbar sind, die eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen, liegt ein rechtsfehlerhafter (Nicht-)Gebrauch des Ermessens vor, wenn diese Umstände von der Behörde nicht erwogen worden sind. Die entsprechenden Erwägungen sind dann auch in der Begründung kenntlich zu machen.

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Mai 2011 - OVG 4a N 34.11 -, juris, Rn.10 m.w.N.; Verwaltungsgericht Magdeburg, Urteil vom 24. Juli 2012 - 5 A 275/11 -, juris, Rn. 31.

Im Falle des Klägers sind derartige außergewöhnliche Umstände weder dargetan noch sonst ersichtlich.

II. Die Rückforderung der danach zu viel geleisteten Beihilfe ist ebenfalls rechtmäßig.

Die Ermächtigungsgrundlage für die Rückforderung der überzahlten Beihilfe in Höhe von 256,71 Euro findet sich in § 49a Absatz 1 Satz 1 VwVfG. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt - wie vorliegend (s.o.) - mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist.

Der Kläger kann sich auch nicht gemäß § 49a Absatz 2 Satz 1 VwVfG in Verbindung mit § 818 Absatz 3 BGB auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Denn dies ist nach § 49a Absatz 2 Satz 2 VwVfG ausgeschlossen, soweit der Begünstigte die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, die zur Rücknahme des Verwaltungsakts geführt haben. So liegt der Fall hier.

Grobe Fahrlässigkeit liegt bei einer Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße vor. Das ist der Fall, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist oder wenn aufgrund der Umstände mit seiner Aufhebung gerechnet werden musste.

Die teilweise Rechtswidrigkeit der Leistungsabrechnung vom 17. Juli 2009 war für den Kläger bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt offensichtlich erkennbar. Korrespondierend mit der Pflicht zur Abgabe einer Erklärung, für die geltend gemachten Aufwendungen nicht bereits eine Beihilfe beantragt zu haben, darf vom Beihilfeberechtigten erwartet werden, dass er die einzureichenden Rechnungen insoweit auch seinerseits überprüft. Dann hätte sich dem Kläger aber aufdrängen müssen, dass er die mit Leistungsantrag vom 26. Juni 2009 beantragte und mit Leistungsabrechnung vom 17. Juli 2009 bewilligte Beihilfe für die durch die kieferorthopädische Behandlung seines Sohnes entstandenen Aufwendungen in Höhe von 320,88 Euro bereits mit Leistungsantrag vom 5. April 2009 beantragt und mit Leistungsabrechnung vom 7. April 2009 bewilligt bekommen hat; er mit anderen Worten für ein und dieselbe ärztliche Behandlung zwei Mal Beihilfe beantragt hat. Hieran vermag auch der Umstand, dass der behandelnde Arzt Prof. Dr. E. seinerseits fehlerhaft die kieferorthopädische Behandlung des Sohnes des Klägers vom 9. und 19. Februar 2009 zwei Mal abrechnete, nichts zu ändern. Zum einen hätte der Kläger diesen Umstand bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt offensichtlich erkennen müssen. Beide Rechnungen enthalten dieselbe Rechnungsnummer und sind auch hinsichtlich der in Rechnung gestellten ärztlichen Leistungen völlig identisch, wie zumindest ein Blick auf das Behandlungsdatum und den berechneten Betrag (9. und 19. Februar 2009) ohne weiteres veranschaulicht hätte. Zum anderen betrifft die doppelte Abrechnung ein und derselben Behandlung allein das privatrechtliche Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und Prof. Dr. E. .

Schließlich ist der Erstattungsanspruch nach § 49a Absatz 1 Satz 1 VwVfG auch nicht verjährt. Nach § 199 Absatz 1 BGB, der auch im öffentlich Recht Anwendung findet, sofern - wie hier - keine Sonderregelung besteht,

vgl. Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 15. Aufl. 2014, § 53 Rn. 7 m.w.N.,

beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (vgl. § 195 BGB) mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Diese Frist ist vorliegend noch nicht abgelaufen, da der Rückforderungsanspruch erst im Zeitpunkt der Aufhebung des Bewilligungsbescheides, mithin am 15. April 2014, entstanden ist. Denn solange der Bewilligungsbescheid als Rechtsgrund für die erbrachte Leistung wirksam ist, kann eine Rückforderung nicht erfolgen.

vgl. Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 15. Aufl. 2014, § 49a Rn. 9 m.w.N.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO, 167 VwGO.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 256,71 Euro festgesetzt.