OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.08.2015 - 13 C 16/15
Fundstelle
openJur 2015, 14892
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 27. April 2015 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der vom Antragsteller dargelegten Gründe befindet, ist unbegründet. Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch auf Zulassung außerhalb der festgesetzten Kapazität glaubhaft gemacht.

1. Das Vorbringen zu den weiteren 30 Studienplätzen, die aufgrund einer Vereinbarung der Antragsgegnerin mit dem Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen über die Ausweitung des Bochumer Modells der Medizinerausbildung nach Ostwestfalen-Lippe vergeben worden sind, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.

Allein der Umstand, dass zusätzliche Studienplätze ausgewiesen worden sind, rechtfertigt nicht die Annahme, es gebe darüber hinausgehende Kapazitäten. Hinzu kommt, dass hier bei 335 vom Verwaltungsgericht errechneten Studienplätzen (einschließlich der 30) bereits 342 Studierende eingeschrieben sind. Ferner hat die Antragsgegnerin ausgeführt, dass sie für zusätzliche 30 Studienplätze finanzielle Zuwendungen erhalten und Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter auf Zeit geschaffen habe.

Sie hat zwar die zusätzlichen Stellen nicht in die eigentliche Kapazitätsberechnung aufgenommen, wie dies eigentlich rechtlich geboten wäre (a.). Die Antragsgegnerin hat aber im Beschwerdeverfahren plausibel näher dargelegt, wie sie durch die so bewirkte Erhöhung des Lehrangebots für die zusätzlich aufgenommenen Studierenden Ausbildungskapazitäten geschaffen hat (b).

a. Für eine "außerkapazitäre" Ausbildung bieten weder die nordrheinwestfälischen Kapazitätsverordnung noch das Hochschulzulassungsgesetz Raum. Die jährliche Aufnahmekapazität, die Grundlage für die Festsetzung der Zulassungszahlen ist, ergibt sich nach § 3 KapVO NRW 2010 aus der Gegenüberstellung von Lehrangebot und Lehrnachfrage. Dies gilt auch für Studienplätze, die aufgrund von Ziel- oder Sondervereinbarungen geschaffen werden. Eine Regelung, wonach diese bei der Ermittlung der Aufnahmekapazität (vorübergehend) unberücksichtigt bleiben können oder gesondert auszuweisen sind, enthält weder die Kapazitätsverordnung noch das Hochschulzulassungsgesetz.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 1. April 2014 - 13 C 3/14 -, juris, Rn. 16, und vom 19. März 2014 - 13 C 8/14 -, NWVBl. 2014, 274 = juris, Rn. 11.

Die Antragsgegnerin hat in der erstinstanzlich eingereichten Anlage 2 (später: Anlage 7) die zusätzlichen Stellen in der Anatomie sowie der Medizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie nur informatorisch aufgeführt ("PM OWL ab 1.10.2014"). In die Kapazitätsberechnung sind sie nicht eingeflossen.

b. Die Antragsgegnerin hat aber gleichwohl nachvollziehbar dargelegt, dass sie über die eingeschriebenen Studierenden hinaus keine weiteren Bewerber aufnehmen kann, die Kapazität also erschöpft ist. Sie hat im Beschwerdeverfahren ausgeführt, dass und wie sie die weiteren 30 Studierenden - unter Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Ausbildungsbetriebs - mit Hilfe zusätzlicher Lehrkapazitäten ausbildet. Sie hat damit insbesondere klar zu erkennen gegeben, dass sie die in die Berechnung der Kapazität eingestellten Größen nicht als variabel betrachtet. Die zusätzlich geschaffenen Stellen (zum 1. Oktober 2014 jeweils 0,5) sind der Anatomie sowie der Medizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie zugewiesen worden, weil im 1. Fachsemester von diesen Fächern die Hauptlast der vorklinischen Ausbildung getragen wird. Auch nachfolgend ist im Übrigen eine weitere Erhöhung des Lehrangebots erfolgt bzw. zum 1. Oktober 2015 vorgesehen. Die Antragsgegnerin hat ferner ergänzend rechnerisch belegt, wie sie mit den zusätzlichen Lehrkapazitäten die zur Ausbildung erforderlichen Deputatstunden (DS) abdeckt.

2. Das von der Beschwerde angesprochene "zusätzliche Lehrangebot im Umfang von 3 DS" führt nicht zu weiteren Studienplätzen. Wie das Verwaltungsgericht näher ausgeführt hat (Seite 5 des Beschlussabdrucks) ist es darauf zurückzuführen, dass die Stelle eines Akademischen Rates ohne Lehre (5 DS) mit einem unbefristet beschäftigten Angestellten (8 DS) besetzt ist. Dass die Antragsgegnerin deshalb zusätzlich 3 DS in die Berechnung des Lehrangebots eingestellt hat, ist kapazitätsfreundlich.

3. Der Vortrag zu den befristeten und unbefristeten wissenschaftlichen Angestellten greift nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht keinen Anlass gesehen, die Angaben der Antragsgegnerin zur Befristung von Verträgen (Übersicht vom 5. Februar 2015) in Frage zu stellen. Weiter ist nicht zu überprüfen, ob die Befristungen nach § 2 WissZeitVG zulässig sind. Der Befristungsdauer kommt nach ständiger Senatsrechtsprechung keine kapazitätsrechtliche Bedeutung zu. Ob sie § 2 WissZeitVG entspricht, ist allein arbeitsrechtlich relevant.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 5. Juli 2013 - 13 B 630/13 -, juris, Rn. 13 ff., und vom 4. März 2015 - 13 C 1/15 -, juris, Rn. 10.

4. Die Lehrverpflichtungen für die Akademischen Räte bzw. Akademischen Oberräte auf Zeit ergeben sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 8 und 9 LVV. Raum für Erhöhungen um eine zusätzliche Deputatstunden lassen die Vorschriften nicht.

5. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu den Lehrauftragsstunden sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Insbesondere durfte das Verwaltungsgericht auf die Angaben der Antragsgegnerin zurückgreifen, wonach 23 Lehrauftragsstunden mit einem Anrechnungsfaktor von 0,5 für den Kursus der Medizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie II anzusetzen waren. Art. 19 Abs. 4 GG musste das Verwaltungsgericht nicht zu einer weiteren Aufklärung veranlassen.

6. Nach ständiger Senatsrechtsprechung, die durch das Beschwerdevorbringen nicht in Frage gestellt wird, ist die sog. Titellehre nicht kapazitätserhöhend zu berücksichtigen. Lehrtätigkeiten im Rahmen der Titellehre sind nicht als Lehrauftragsstunden im Sinne von § 10 Satz 1 KapVO anzurechnen, weil sie freiwillig und unentgeltlich erbracht werden und nicht sicher ist, ob sie kontinuierlich fortgeführt werden.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 20. November 2009 - 13 C 271/09 u.a. -, und vom 17. März 2011 - 13 C 25/11 -, jeweils juris.

Die Frage, ob Titellehre bei der Ermittlung des Lehrangebots zu berücksichtigen ist, ist nach dem jeweiligen Landesrecht zu beurteilen. Weder das verfassungsrechtliche Kapazitätserschöpfungsgebot noch Bundesrecht zwingen den Normgeber, die im Pflichtlehrbereich erbrachte Titellehre in die Kapazitätsberechnung einzubeziehen.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Januar 2014 ? 13 A 1421/13 -, juris, Rn. 32, und vom 4. März 2015 - 13 C 1/15 -, juris, Rn. 15.

7. Auch Drittmittelbedienstete sind nach der Rechtsprechung des Senats, an der er festhält, auf der Lehrangebotsseite nicht zu berücksichtigen. Sie erbringen keine aus einer Lehrpersonalstelle oder einem vergüteten Lehrauftrag - in Verbindung mit haushalts- und stellenplanmäßigen Ressourcen - abgeleitete verbindliche Leistungen.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. Mai 2004 - 13 C 20/04 -, vom 19. August 2008 - 13 C 213/08 -, vom 27. April 2009, und vom 21. Juni 2012 - 13 C 21/12 u.a. -, jeweils juris.

8. Die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu den Dozenten, die aus Mitteln der Studienbeiträge bzw. Qualitätsverbesserungsmitteln eingestellt worden sind, werden durch das Beschwerdevorbringen ebenfalls nicht durchgreifend in Frage gestellt. Es entspricht der Senatsrechtsprechung, an der in Ansehung des Beschwerdevorbringens festgehalten wird, dass solche Mittel von der Hochschule zweckgebunden für die Verbesserung der Lehre und der Studienbedingungen einzusetzen sind. Die Hochschule ist nicht verpflichtet, ihre daraus resultierenden Einnahmen zur Schaffung neuer Studienplätze zu verwenden. Mit der auf die Steigerung der Qualität der Ausbildung abzielenden Zweckbestimmung ist ein Mitteleinsatz nicht vereinbar, der die Ausweitung der Quantität an Studienplätzen bezweckt.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 8. Februar 2011 - 13 C 277/10, 13 C 278/10, 13 C 279/10, 13 C 280/10, 13 C 281/10 -, juris, Rn. 3, und vom 18. Januar 2008 - 13 C 1/08 -, juris.

Dies gilt nicht nur für Sach-, sondern auch für Personalmittel.

9. Die Einwände gegen die angenommene Gruppengröße bei Vorlesungen von 180 greifen ebenfalls nicht durch. Der Senat hat diese Gruppengröße in ständiger Rechtsprechung, mit der sich der Antragsteller nicht auseinandersetzt, für angemessen erachtet. In dem durch das Berechnungsmodell der Kapazitätsverordnung vorgegebenen Beziehungsgefüge und dem Spannungsverhältnis des vom Studienbewerber Beanspruchbaren und des von der Hochschule Erbringbaren stellt die Gruppengröße 180 für Vorlesungen einen zwischen den beteiligten Interessen vermittelnden, akzeptablen, fächerübergreifenden Mittelwert dar.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 8. Juni 2010 - 13 C 260/10 -, juris, vom 25. Mai 2007 - 13 C 125/07 u. a. ? , vom 27. Februar 2008 - 13 C 5/08 u. a. -, juris, und vom 26. August 2013 - 13 C 88/13 -, juris, Rn. 30; vgl. auch Beschluss vom 20. Juli 2005 - 13 C 244/05 u. a. -, juris sowie VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. November 2005 - NC 9 S 140/05 -, juris.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.