LG Münster, Urteil vom 19.03.2015 - 102 O 87/14
Fundstelle
openJur 2015, 14518
  • Rkr:
Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.401,11 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.03.2014 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der F mbH. Mit Beschluss vom 18.03.2014 wurde über das Vermögen der Insolvenzschulderin das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Insolvenzschulderin gab die kostenlos erscheinende "P Sonntagszeitung" heraus.

Der Beklagte war als stiller Gesellschafter an der Insolvenzschulderin beteiligt. Zwischenzeitlich bestanden 16 Gesellschaftsverträge jeweils über eine Einlage von 5.000,00 €. In § 3 der Gesellschaftsverträge war jeweils eine sog. Vorabvergütung geregelt, die je nach Vertrag unterschiedlich hoch war und zwischen 4,75 % und 6,25 % variierte. So heißt es etwa in § 3 des Vertrages vom 16.05.2013 (Bl. 17 d.A.):

§ 3 Vergütung

Als Vorabvergütung zahlt der Verlag an den stillen Gesellschafter 4,75 % (in Worten: vierkommasiebenfünf Prozent) pa.. Die Zahlung erfolgt jeweils zum 30. Juni und 31. Dezember eines jeden Jahres.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gesellschaftsverträge (Bl. 17 ff. d.A.) Bezug genommen.

Zwei Verträge kündigte der Beklagte zum 30.06.2012 und erhielt seine Einlage in voller Höhe zurück.

In der Zeit vom 01.07.2010 bis 27.12.2012 wurden an den Beklagten über die o.g. Rückzahlung von Einlagen hinaus insgesamt 9.404,11 € ausgezahlt und zwar unter dem 01.07.2010 ein Betrag in Höhe von 1.562,50 €; unter dem 28.12.2010 ein Betrag in Höhe von 1.437,50 €; unter dem 30.06.2011 ein Betrag in Höhe von 1.437,50 €; unter dem 30.12.2011 ein Betrag in Höhe von 1.666,46 €; unter dem 02.07.2012 ein Betrag in Höhe von 1.700,00 € und unter dem 27.12.2012 ein Betrag in Höhe von 1.597,15 €.

Der Kläger behauptet, in dem Zeitraum der Zahlungen habe die Insolvenzschulderin zu keinem Zeitpunkt Gewinne erwirtschaften können; sie habe ausweislich der Gewinn- und Verlustrechnungen durchweg negative Ergebnisse erzielt.

Der Kläger ist der Ansicht, es bestehe eine Rückzahlungsverpflichtung auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage, darüber hinaus gem. § 134 InsO.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 9.401,11 € zzgl. Zinsen in Höhe von

5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.03.2014

zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, er sei aufgrund sittenwidrigen Geschäftsgebarens schützenswert. Wegen Sittenwidrigkeit bestehe daher kein Rückforderungsanspruch.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.03.2015 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 9.401,11 € gem. §§ 143 Abs. 1 S. 1, 134 Abs. 1 InsO.

Der Beklagte hat die 9.401,11 € durch anfechtbare Rechtshandlungen gem. § 134 Abs. 1 InsO erlangt.

Gem. § 134 Abs. 1 InsO ist eine unentgeltliche Leistung anfechtbar, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung vorgenommen worden.

Die Zahlungen sind hier in der Zeit vom 01.07.2010 bis 27.12.2012 und damit binnen vier Jahren vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung erfolgt. Der Antrag auf Insolvenzeröffnung ist jedenfalls vor dem 18.03.2014, dem Datum des Beschlusses über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, gestellt worden.

Bei den Zahlungen handelt es sich auch um unentgeltliche Leistungen. Denn dann, wenn der Gewinnausschüttung kein tatsächlicher Gewinn zugrundeliegt, handelt es sich um eine unentgeltliche Leistung (vgl. BGH NZI 2013, 841; NJW 2009, 363). Unerheblich ist auch, wenn sich der Leistungsempfänger insoweit in einem von dem Schuldner hervorgerufenen Irrtum befindet (vgl. BGH NJW 2009, 363). Unerheblich ist darüber hinaus, dass der Beklagte - wie er in seiner persönlichen Anhörung angegeben hat - davon ausgegangen ist, dass es sich bei den Auszahlungen - ebenso wie bei den Prozentangaben in den Gesellschaftsverträgen - um "Zinsen" handele. Denn aus den Verträgen ergibt sich, dass es sich nicht um Zinsen, sondern um Vergütungen in Form der Vorabvergütungen handelt, welche im Zusammenhang mit der Gewinn- und Verlustverteilung stehen.

Den Ausschüttungen lag kein entsprechender Gewinn zugrunde. Dies ergibt sich aus den vom Kläger vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen. Soweit der Beklagte dies bestreitet, ist sein Bestreiten nicht hinreichend substantiiert.

Auch bestand ein Anspruch auf Ausschüttung nicht unabhängig von einem etwaigen Gewinn. Denn gem. § 3 der jeweiligen Gesellschaftverträge ist von einer "Vorabvergütung" die Rede, d.h. sie erfolgt vorab - ohne vorherige Feststellung des Gewinns - aber dennoch natürlich abhängig von einem etwaigen Gewinn. Dies ist auch Inhalt der gesetzlichen Regelung des § 232 HGB.

Die Zahlungen waren auch gläubigerbenachteiligend, § 129 InsO.

Denn wenn die 9.401,11 € nicht an den Beklagten gezahlt worden wären, stünden sie zur Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung.

Der Anspruch ist auch nicht gem. § 242 BGB ausgeschlossen.

Nur in Extremfällen hindert § 242 BGB die Durchsetzung des Rückgewähranspruchs aus § 143 InsO (vgl. BGH NZI 2013, 841; NJW 2009, 363). Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben. Der Schutz des Beklagten als einer der getäuschten Anlieger gebietet es nicht, den Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger zurücktreten zu lassen (vgl. BGH a.a.O.).

Dem Anspruch stehen auch nicht etwaige Schadensersatzansprüche des Beklagten entgegen, mit denen der Beklagte aufrechnen könnte. Dabei kann dahinstehen, ob dem Beklagten ein Schadensersatzanspruch aufgrund einer Täuschung bei Abschluss der Gesellschaftsverträge zusteht, denn mit einem solchen Anspruch könnte er gegenüber dem Anspruch gem. §§ 143, 134 BGB nicht aufrechnen, § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Denn der Rückgewähranspruch wegen anfechtbarer Rechtshandlung entsteht erst mit Insolvenzeröffnung.

Darüber hinaus ist der Beklagte aber auch an der Durchsetzung eines etwaigen Schadensersatzanspruches insoweit gehindert, als ein solcher die gleichmäßige Befriedigung der Ansprüche der übrigen stillen Gesellschafter gefährden würde (vgl. BGH, Urteil vom 19.11.2013, II ZR 383/12, zit. nach juris). Dies ist hier der Fall. Denn im Hinblick auf die Insolvenz droht eine Gefährdung der schutzwürdigen Interessen der übrigen Anleger, weil das Vermögen möglicherweise die Abfindungs- und Auseinandersetzungsansprüche aller stillen Gesellschafter als auch einen möglichen Schadensersatzanspruch des Beklagten nicht deckt (vgl. BGH a.a.O.).

II.

Der Kläger hat darüber hinaus einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zinsen im tenorierten Umfang gem. §§ 143 Abs. 1 S. 2 InsO, 819 Abs. 1, 291, 288 Abs. 1 BGB. Die Zinspflicht beginnt mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens (vgl. BGH NJW-RR 2007, 557; Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung/Kirchhof, 3. Auflage, § 143 Rn. 88 m.w.N.). Diese war am 18.03.2014.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 1 und 2 ZPO.

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