OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 25.02.2015 - 16 W 9/15
Fundstelle
openJur 2015, 14289
  • Rkr:
Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18.12.2014 (Az.: 2-31 O 213/12) abgeändert und die Anträge der Nebenintervenientinnen zu 1) – 4) auf Erstattung ihrer Kosten durch die Klägerin zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Nebenintervenientinnen jeweils zu 1/4 zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 36.901,90 € festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin hat die Beklagte mit dem Generalunternehmervertrag vom 09.07.2010 mit der schlüssel-und gebrauchsfertigen Errichtung des Bauvorhabens A in der B-Straße …, in O1 beauftragt. Die Beklagte hat die ihr übertragenen Bauarbeiten durchgeführt.

Während der Bauarbeiten hat die Beklagte die Nebenintervenientinnen als Nachunternehmerinnen für bestimmte Arbeiten beauftragt. Nachdem die Arbeiten der Beklagten durchgeführt worden waren, wurde ein Abnahmeprotokoll vom 24.11.2011 erstellt aufgrund dessen die Beklagte am 15.12.2011 ihre Schlussrechnung eingereicht hat. Die Klägerin hat die Schlussrechnung geprüft und gegenüber den Forderungen der Beklagten Gegenansprüche geltend gemacht und sodann Klage auf Feststellung erhoben, dass der Beklagten aus dem Generalunternehmervertrag über das vorbezeichnete Bauobjekt über die bereits geleisteten Abschlagszahlungen kein weiterer Vergütungsanspruch mehr zusteht.

Mit der Widerklage hat die Beklagte den nach ihrer Rechnung noch offenstehenden Werklohnbetrag i. H. v. 973.441,56 € geltend gemacht.

Ab 17.07.2014/21.07.2014 haben die Parteien eine als solche bezeichnete Schlussvereinbarung zum Generalunternehmervertrag vom 09.07.2010 zur Beendigung des Rechtsstreites vor dem Landgericht getroffen. Unter Nr. 3.2 dieser Schlussvereinbarung wurde vereinbart, dass die Gerichtskosten einschließlich etwaiger bereits angefallener Sachverständigenkosten zwischen den Parteien hälftig geteilt würden, die Kosten der anwaltlichen Vertretung beider Parteien tragen die jeweiligen Parteien selbst. Weiterhin wurde unter Nr. 3.1 vereinbart, dass für den Fall der Erfüllung der Verpflichtungen aus der Schlussvereinbarung sich die Parteien verpflichten würden, wechselseitig die vor dem Landgericht Frankfurt am Main erhobene Klage bzw. Widerklage zurückzunehmen.

Mit Schriftsatz vom 26. August 2014 hat die Klägerin die Klage zurückgenommen und erklärt, dass sie bei Zurücknahme der Widerklage keinen Kostenantrag stellen werde. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27. August 2014 ihre Widerklage zurückgenommen, die Zustimmung zur Klagerücknahme der Klägerin erklärt. In der Folgezeit haben die Nebenintervenientinnen beantragt, der Klägerin die Kosten der Streitverkündeten gemäß § 269 Abs. 3 S. 2, Halbsatz 1 ZPO der Klägerin aufzuerlegen.

Mit Beschluss vom 17.12.2014 hat das Landgericht der Klägerin die Kosten der Nebenintervenientinnen auferlegt, da der außergerichtliche Vergleich allein zwischen den Hauptparteien des Vertrages geschlossen wurde und als solcher keine Wirkung zum Nachteil der Nebenintervenientinnen entfalten könne, sodass sich aus § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO ein Kostenerstattungsanspruch ergäbe.

Gegen diesen ihr am 5. Januar 2015 zugestellten Beschluss wendet sich die Klägerin mit ihrer am 9. Januar 2005 bei Gericht eingegangene sofortigen Beschwerde und macht geltend, ein Anspruch der Nebenintervenientinnen zu 1) – 4) gegen die Klägerin auf Erstattung bzw. Übernahme von Kosten bestehe nicht, weil die Parteien eine Kostenaufhebung vereinbart hätten und wegen des Grundsatzes der Kostenparallelität sich dies dahingehend auswirke, dass die Nebenintervenientinnen, wie dies aus den § 101, 98 ZPO folge, an die durch den Vergleich vorgenommene Kostenquotierung im Verhältnis zwischen den Hauptparteien gebunden seien. Sie seien deshalb so zu behandeln, wie die von ihnen unterstützte Hauptpartei, die aber gerade keinen Anspruch auf Kostenerstattungsanspruch gegen die Klägerin habe, sodass dies auch für die Streithelferinnen gelten müsse.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde der Klägerin nach Anhörung der Beteiligten nicht abgeholfen und sich zur Begründung insoweit auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in MDR 2000, 1219 berufen, da es keinen Unterschied zwischen einer einfachen Nebenintervention oder einer streitgenössischen Nebenintervention gäbe.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 290 Abs. 5 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§§ 569 Abs. 1, 568 ZPO); sie wurde form-und fristgerecht eingelegt und hat auch in der Sache Erfolg.

10Den Nebenintervenientinnen steht entgegen der Ansicht des Landgerichts gegen die Klägerin kein Anspruch auf den Ersatz von außergerichtlichen Kosten zu. Bei einer Klagerücknahme nach einem Vergleich geht nämlich die in dem Vergleich getroffene Kostenregelung dem § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO vor (Zöller/Hergert, ZPO, 30 Aufl. § 101, Rdnr. 10).

Die von dem Prozessbevollmächtigten der Nebenintervenientin zu 4) zitierte Entscheidung des Landgerichts Lübeck vom 14. August 2000 ist durch eine zwischen-zeitliche Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs überholt. Mit Beschluss vom 3. April 2003 (BGH Z154 351 hat nämlich der Bundesgerichtshof seine frühere Rechtsprechung aufgegeben und sich der Auffassung angeschlossen, wonach dem Nebenintervenienten bei einer Aufhebung der Kosten der Hauptparteien gegeneinander eine Anspruch auf Erstattung seiner Kosten nicht zusteht. In Umsetzung dieser Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 24.06.2004 ausdrücklich entschieden, dass bei Rücknahme der Klage nach einem Vergleich die im Vergleich getroffene Kostenregelung auch im Verhältnis zum Streithelfer der gesetzlichen Regelung des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO vorgehe (BGH MDR 2004, 1251).

12Nach dieser Entscheidung geht bei einer Klagerücknahme aufgrund gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichs, dessen Kostenregelung der gesetzlichen Regelung nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO vor. Hier haben sich aber die Hauptparteien in ihrem außergerichtlichen Vergleich, der als Schlussvereinbarung gekennzeichnet wurde, gerade geeinigt, dass die Kosten der anwaltlichen Vertretung beider Parteien die jeweiligen Parteien selbst tragen. Ferner wurde geregelt, dass die Gerichtskosten einschließlich etwaiger bereits angefallener Sachverständigenkosten zwischen den Parteien hälftig geteilt würden. Dies entspricht aber inhaltlich genau der Regelung des § 92 Abs. 1 S. 2 ZPO, sodass die Kosten des Verfahrens zwischen den Parteien gegeneinander aufgehoben wurden. Weiterhin haben die Parteien dieses Ergebnis auch dadurch abgesichert, dass sie sich wechselseitig verpflichtet haben, keine Kostenanträge bezüglich der Klagerücknahme zu stellen. Aufgrund des Grundsatzes der Kostenparallelität, wonach der Kostenerstattungsanspruch des Streithelfers inhaltsgleich ist mit dem der von ihm unterstützten Partei gilt deshalb für die Nebenintervenientinnen die Kostenregelung der Nr. 3 der Schlussvereinbarung der Parteien. Danach sind außergerichtliche Kosten der Hauptparteien gerade nicht auszugleichen, sodass auch die Streithelfer der Beklagten, weil sie nur deren Position erhalten können, keine Kostenerstattungsansprüche gegen die Klägerin geltend machen können.

Es kommt auch kein hälftiger Kostenerstattungsanspruch gegen die Klägerin in Betracht, wie dies das Landgericht Lübeck ursprünglich befunden hat, da diese Rechtsprechung von dem Bundesgerichtshof in der vorerwähnten Entscheidung aufgegeben wurde. Dieses Ergebnis ist auch materiell gerecht, denn im Falle einer Entscheidung, die zu einer Kostenaufhebung geführt hätte, hätte die Streitverkündete auch keinen Anspruch gegen die Klägerin auf Erstattung ihrer Kosten gehabt. Dass die Beilegung des Rechtsstreits hier nicht in Form eines förmlichen gerichtlichen Vergleichs erfolgte, sondern durch Rücknahme der Klage, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern, da die Interessenlage völlig gleich ist (OLG Koblenz, Juristisches Büro 2010, S. 210).

Hintergrund dieser Wertung ist der "Sinngehalt des § 101 ZPO", wonach der Streithelfer in Bezug auf die ihm entstandenen Kosten genau so zu behandeln ist, wie die unterstützte Hauptpartei. Der Vorrang einer kostenrechtlichen Regelung der Parteien ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 101 selbst, wonach sich die Kostentragungspflicht nach den Vorschriften der §§ 91 – 98 richtet, nicht aber ausdrücklich den § 269 ZPO erwähnt. Aus dieser Wertung ist ersichtlich, dass vorrangig die Disposition der Hauptparteien über die Kostenregelung sein soll, die aber hier inhaltlich gerade auf eine Kostenaufhebung hinauslief, mit der Folge, dass auch die Nebenintervenientinnen keinen Kostenausgleich verlangen können.

Soweit sich das Landgericht zum Begründung der Entscheidung auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14.10.2010 bezogen hat, ist dieser Beschluss nicht einschlägig, da in diesem Beschluss ausdrücklich ausgeführt wird, dass für die streitgenössische Nebenintervention, der für die einfache Streitgenossenschaft in § 101 Abs. 1 ZPO geregelte Grundsatz der Kostenparallelität und damit auch der in dieser Vorschrift in Bezug genommene § 98 ZPO nicht Anwendung finde, vielmehr seien ausschließlich die §§ 101 Abs. 2, 100 ZPO anzuwenden. Hier liegt aber gerade keine streitgenössische Nebenintervention vor, vielmehr sind die Nebenintervenientinnen nur einfache Streitgenossen mit der Konsequenz, dass hier nicht die Kostenregelung des § 100 einschlägig ist, aus der der Bundesgerichtshof die Kostentragungspflicht inhaltlich herleitet.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass auch bei anderer Sicht der Dinge die Klägerin allenfalls die für die Klageerhebung entstandenen Kosten zu tragen gehabt hätte, der Streitwert für die Klage aber von dem Landgericht mit Beschluss vom 23.12.2014 auf 450.000,00 € festgesetzt wurde. Nur aus diesem Streitwert hätten deshalb nach § 269 Abs. 3 ZPO Kostenerstattungsansprüche bestanden. Dementsprechend war der Beschwerdewert ausgehend von diesem Kostenansatz zu berechnen. Das Kosteninteresse der Nebenintervenientinnen ist deshalb mit 36.901,90 € zu bewerten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, da die Anträge der Nebenintervenientinnen jeweils zurückzuweisen waren.

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst, weil die Voraussetzung des § 574 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 ZPO für eine Zulassung keinesfalls erfüllt sind, da die Fragen hinsichtlich der einfachen Streitgenossenschaft durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt sind.