OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.08.2015 - 1 Ws 224/15
Fundstelle
openJur 2015, 13848
  • Rkr:

1. Es ist tatbestandliche Voraussetzung für die Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 BaySvVollzG, dass diese dem Erreichen der Vollzugsziele dienen. Hierbei handelt es sich um eine bewertende Entscheidung, die auch prognostische Elemente enthält. Die Vollzugsbehörde hat daher hinsichtlich der Frage, ob eine vollzugsöffnende Maßnahme dem Erreichen der Vollzugsziele dient, eine Einschätzungsprärogative und im Anschluss daran einen nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbaren Beurteilungsspielraum. 2. Bezüglich der Frage, ob der Sicherungsverwahrte Anspruch auf mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen vier Ausführungen pro Jahr hat, steht der Vollzugsbehörde ein Ermessensspielraum zu. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung sind die durch weitere Ausführungen erreichbaren Fortschritte hinsichtlich der Entwicklung des Untergebrachten einerseits und die organisatorischen Bedürfnisse der Einrichtung für Sicherungsverwahrung andererseits zu berücksichtigen.

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Untergebrachten B. wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 09. März 2015 in dessen Ziffern 1. bis 3. aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing zurückverwiesen.

Gründe

I.

Der Rechtsbeschwerdeführer ist aufgrund Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17.06.2014 (13 KLs 203 Js 12373/03) seit 30.01.2012 in der Sicherungsverwahrung untergebracht. Seit 25.06.2013 befindet er sich in der Einrichtung für Sicherungsverwahrte in der Justizvollzugsanstalt Straubing.

Mit Bescheid vom 03.12.2014 lehnte die Justizvollzugsanstalt Straubing den Antrag des Untergebrachten auf Gewährung von Begleitausgang nach Art. 54 Abs. 1 Nr. 1 BaySvVollzG ab. Sie begründete dies mit dargelegten Befürchtungen des Missbrauchs der Vollzugslockerungen durch den Sicherungsverwahrten und mit der Gefahr, der Untergebrachte werde sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen. Auch stellte sie fest, dass Ausführungen, welche über das gesetzliche Mindestmaß nach Art. 54 Abs. 3 BaySvVollzG hinausgingen, zwar in Betracht kämen, aber von der Erholung eines Sachverständigengutachtens zu Flucht- oder Missbrauchsgefahren abhingen. Auf die Darlegungen der Justizvollzugsanstalt im genannten Bescheid wird Bezug genommen.

Hiergegen wendete sich der Sicherungsverwahrte mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 15.12.2014, eingegangen bei Gericht am 19.12.2014. Er beantragte, die Justizvollzugsanstalt Straubing unter Aufhebung ihres Bescheides vom 03.12.2014, soweit darin über vier Ausführungen pro Jahr hinaus weitere vollzugsöffnende Maßnahmen versagt worden sind, zu verpflichten, ihm vollzugsöffnende Maßnahmen zu gewähren, beziehungsweise hilfsweise die Justizvollzugsanstalt zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung der Strafvollstreckungskammer erneut zu bescheiden. Auf die Ausführungen in der Begründung des Antrags wird Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 09.03.2015 hat die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Auf die Gründe der Entscheidung wird verwiesen.

Gegen den am 13.03.2015 zugestellten Beschluss legte der Untergebrachte mit Schreiben des beigeordneten Rechtsanwalts Scharmer vom 09.04.2015, eingegangen bei Gericht am 13.04.2015, Rechtsbeschwerde ein, welche im selben Schreiben auch begründet wurde.

Auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft von 22.04.2015 erwiderte der Rechtsbeschwerdeführer mit anwaltlichem Schreiben vom 18.05.2015. Auf die jeweiligen Ausführungen wird Bezug genommen.

II.

A. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

Sie wurde gemäß Art. 208 BayStVollzG i. V. m. § 118 StVollzG form- und fristgerecht eingelegt. Auch sind die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art. 208 BayStVollzG i. V. m. § 116 StVollzG gegeben, da die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts geboten ist. Zur Fortbildung des Rechts ist eine Rechtsbeschwerde dann zuzulassen, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen, wobei nicht die gerechte Entscheidung des Einzelfalles im Vordergrund steht, sondern die grundlegende Klärung bestimmter Rechtsfragen (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze, 12. Aufl., Teil P Rn. 91 m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, da obergerichtliche Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen nach Art. 54 BaySvVollzG bislang nicht vorhanden ist und der zu entscheidende Einzelfall deren Entwicklung erfordert.

B. Die Rechtsbeschwerde hat auch zumindest vorläufigen Erfolg.

Die Strafvollstreckungskammer ging im Beschluss vom 09.03.2015 bei der Prüfung der Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 BaySvVollzG von einem unzutreffenden Prüfungsmaßstab aus, so dass die darauf beruhende Entscheidung keinen Bestand haben kann (dazu unten 1. und 3. a)). Die Entscheidung über zu gewährende Ausführungen nach Art. 54 Abs. 3 BaySvVollzG (dazu unten 2.) steht hiermit in unmittelbarem Zusammenhang. Die Entscheidung über vollzugsöffnende Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 BaySvVollzG ist gegenüber der Entscheidung über Ausführungen vorrangig, so dass Letztere nicht bestehen bleiben kann (dazu unten 3. b)).

Auf Antrag des Rechtsbeschwerdeführers ist der angefochtene Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing daher in dessen Ziffern 1. bis 3. aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zur erneuten Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen. Bei der Bestellung des Beistandes mit Ziffer 4. des Beschlusses hat es sein Bewenden (dazu unten 4.).

121. Es ist tatbestandliche Voraussetzung für die Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 BaySvVollzG, dass diese dem Erreichen der Vollzugsziele dienen. Hierbei handelt es sich um eine bewertende Entscheidung, die auch prognostische Elemente enthält. Die Vollzugsbehörde hat daher hinsichtlich der Frage, ob eine vollzugsöffnende Maßnahme dem Erreichen der Vollzugsziele dient, eine Einschätzungsprärogative und im Anschluss daran einen nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbaren Beurteilungsspielraum.

a) Vollzugsöffnende Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 BaySvVollzG, nämlich Begleitausgang und Ausgang (Art. 54 Abs. 1 Nr. 1 BaySvVollzG), Langzeitausgang (Art. 54 Abs. 1 Nr. 2 BaySvVollzG) sowie Außenbeschäftigung und Freigang (Art. 54 Abs. 1 Nr. 3 BaySvVollzG) werden gemäß Art. 54 Abs. 2 BaySvVollzG mit Zustimmung des Sicherungsverwahrten und nach Anhörung der Strafvollstreckungskammer zum Erreichen der Vollzugsziele gewährt, soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen, insbesondere konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, der Sicherungsverwahrte werde sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die vollzugsöffnenden Maßnahmen zur Begehung von Straftaten missbrauchen.

In Teil 11 des BaySvVollzG sollte nach den Gesetzesmaterialien (LT-Drs. 16/13834) die Forderung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 128, 326 ff.) nach einem freiheitsorientierten Vollzug und der Schaffung eines klaren, inhaltlich abgestuften Regelungskonzepts für vollzugsöffnende Maßnahmen umgesetzt werden. Diese seien die wesentlichen Elemente der Entlassungsvorbereitung. Ihnen käme zudem besondere Bedeutung für die Prognose der Gefährlichkeit des Sicherungsverwahrten zu. Vollzugsöffnende Maßnahmen dienten der Eingliederung des Sicherungsverwahrten und wirkten möglichen schädlichen Folgen der Freiheitsentziehung entgegen. Sie seien daher ein wesentliches Instrumentarium zur Umsetzung der Gestaltungsgrundsätze nach Art. 3 BaySvVollzG (freiheitsorientierte und therapiegerichtete Ausgestaltung) sowie zum Erreichen der Vollzugsziele nach Art. 2 BaySvVollzG (Minderung der Gefährlichkeit des Sicherungsverwahrten, dessen Befähigung, ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit ohne Straftaten zu führen, und Schutz der Allgemeinheit vor Straftaten).

b) Im Anschluss hieran sieht es der Senat als tatbestandliche Voraussetzung für die Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 BaySvVollzG an, dass diese dem Erreichen der Vollzugsziele dienen. Der Wortlaut des Art. 54 Abs. 2 BaySvVollzG ist - wie das OLG Hamm für die ähnlich formulierte Vorschrift § 53 Abs. 2 des SVVollzG NRW ausführte (OLG Hamm, Beschluss vom 30.09.2014, 1 Ws 367/14, zitiert nach juris) - insoweit nicht eindeutig. Allerdings legt die Gesetzesformulierung, dass vollzugsöffnende Maßnahmen einerseits zum Erreichen der Vollzugsziele gewährt und andererseits nicht zwingende Gründe entgegenstehen dürfen, nahe, dass es sich hierbei um ein positives Tatbestandsmerkmal einerseits und ein negatives Tatbestandsmerkmal andererseits handelt. Beide Kriterien werden gleichwertig in einem Satz formuliert. Dessen Wortlaut kann nicht entnommen werden, dass nur das Verständnis des Gesetzgebers zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass vollzugsöffnende Maßnahmen an sich schon der Erreichung der Vollzugsziele dienten und insoweit kein Tatbestandsmerkmal vorliege. Vielmehr erscheint die Anknüpfung an die Vollzugsziele aufgrund deren zentraler Bedeutung so wichtig, dass sich die Formulierung nicht nur in einer Allgemeinverständnisbekundung des Gesetzgebers erschöpft, sondern ein Tatbestandsmerkmal darstellt (entgegen OLG Hamm, Beschluss vom 30.09.2014, 1 Ws 367/14). Vollzugsöffnende Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 BaySvVollzG, die sich hinsichtlich der Erreichung der Vollzugsziele lediglich neutral verhalten, oder deren Erreichung gar zuwider laufen würden, haben demnach zu unterbleiben, selbst wenn zwingende Gründe im Sinne von Art. 54 Abs. 2 BaySvVollzG der Gewährung nicht entgegenstünden. So ist nicht jede denkbare Vollzugslockerung bereits zu jedem Zeitpunkt im Blick auf die Vollzugsziele sinnvoll. Beispielsweise haben vollzugsöffnende Maßnahmen zur Ermöglichung einer Paartherapie zu unterbleiben, wenn diese das Zusammenleben des Untergebrachten mit der Partnerin vorbereiten soll, dessen Entlassung aus der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung jedoch in naher und mittlerer Zukunft ausgeschlossen ist.

Im Ergebnis hängt die Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 BaySvVollzG daher davon ab, dass diese einerseits dem Erreichen der Vollzugsziele dienen und andererseits keine zwingenden Gründe i. S. v. Art 54 Abs. 2 BaySvVollzG entgegenstehen. Beides sind unbestimmte Rechtsbegriffe, unter welche die jeweils zu ermittelnden Tatsachen zu subsumieren sind. Erachtet die Vollzugsbehörde die positiven und negativen Voraussetzungen für eine einzelne vollzugsöffnende Maßnahme für gegeben, ist diese zu gewähren. Ein Ermessensspielraum auf der Rechtsfolgenseite besteht nicht.

c) Der Umfang der gerichtlichen Nachprüfbarkeit ist hinsichtlich beider Tatbestandsmerkmale des Art. 54 Abs. 2 BaySvVollzG eingeschränkt.

aa) Während die Interpretation unbestimmter Rechtsbegriffe seitens der Behörden grundsätzlich der vollen gerichtlichen Prüfung unterliegt und die Gerichte die Auffassung der Verwaltung auch durch ihre eigene ersetzen können (vgl. Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze, 12. Auflage, Teil P Rn. 86 m. w. N.), handelt es sich bei der Frage, ob konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass der Sicherungsverwahrte sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die Ausführung zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen wird, um eine Prognoseentscheidung, bei welcher der Verwaltung eine Einschätzungsprärogative zugestanden wird. Wegen ihrer Nähe zum Gefangenen sind die Vollzugsbehörden besser als die Gerichte in der Lage, die Entscheidung zur Missbrauchs- oder Fluchtbefürchtung zu treffen (vgl. BGHSt 30, 320 ff. für Lockerungen des Strafvollzugs). Die gerichtliche Kontrolle durch die Strafvollstreckungskammer beschränkt sich daher darauf, ob die Vollzugsbehörde bei ihrer Entscheidung von einem zutreffend und vollständig ausermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ihrer Entscheidung den richtigen Begriff des Versagungsgrundes zu Grunde gelegt und ob sie dabei die Grenzen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums eingehalten hat. Ist die Sache nicht spruchreif, weil die Vollzugsbehörde den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt hat, ist der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Vollzugsbehörde zu verpflichten, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtauffassung der Strafvollstreckungskammer zu bescheiden. Das Gericht darf die Prognose der Vollzugsbehörde nicht durch seine eigene ersetzen. Infolge dessen ist es auch nicht seine Aufgabe, Tatsachen selbst zu ermitteln, welche die angefochtene Entscheidung rechtfertigen können, von der Vollzugsbehörde aber bisher nicht berücksichtigt worden sind (BGH, a.a.O. ).

bb) Eine solche Einschätzungsprärogative steht den Vollzugsbehörden auch hinsichtlich des weiteren Tatbestandsmerkmals, des Erreichens der Vollzugsziele, zu. Es handelt sich bei der Frage, ob die Bewilligung einer konkreten vollzugsöffnenden Maßnahme dem Erreichen der Vollzugsziele dient, um eine bewertende Entscheidung, die auch prognostische Elemente enthält. Auch hinter dieser Entscheidung steht eine Vielzahl von objektiven Umständen und subjektiven Eindrücken, welche durch die sachnäheren Vollzugsbehörden besser beurteilt werden können, als durch die in der Folgezeit angerufenen Gerichte. Die Vollzugsbehörde hat somit auch hinsichtlich der Frage, ob eine vollzugsöffnende Maßnahme dem Erreichen der Vollzugsziele dient, einen nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbaren Beurteilungsspielraum. Zur Überprüfbarkeit gelten die obigen (1. c) aa)) Ausführungen entsprechend.

202. Bezüglich der Frage, ob der Sicherungsverwahrte Anspruch auf mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen vier Ausführungen pro Jahr hat, steht der Vollzugsbehörde dagegen ein Ermessensspielraum zu. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung sind die durch weitere Ausführungen erreichbaren Fortschritte hinsichtlich der Entwicklung des Untergebrachten einerseits und die organisatorischen Bedürfnisse der Einrichtung für Sicherungsverwahrung andererseits zu berücksichtigen.

a) Werden vollzugsöffnende Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 BaySvVollzG nicht gewährt, ist dem Sicherungsverwahrten gemäß Art. 54 Abs. 3 BaySvVollzG mit seiner Zustimmung das Verlassen der Anstalt unter ständiger und unmittelbarer Aufsicht Vollzugsbediensteter für eine bestimmte Tageszeit (Ausführung) zu gestatten. Sie dienen der Erhaltung der Lebenstüchtigkeit, der Förderung der Mitwirkung an der Behandlung oder der Vorbereitung weiterer vollzugsöffnender Maßnahmen und dürfen nur versagt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass der Sicherungsverwahrte sich trotz besonderer Sicherungsmaßnahmen dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die Ausführung zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen wird. Die Ausführungen unterbleiben auch dann, wenn die zur Sicherung erforderlichen Maßnahmen den Zweck der Ausführung gefährden.

Hinsichtlich der Missbrauchs- oder Fluchtbefürchtung hat die Vollzugsbehörde - entsprechend den obigen Ausführungen unter 1. c) - auch insoweit eine Einschätzungsprärogative und im Anschluss daran einen nur begrenzt gerichtlich überprüfbaren Beurteilungsspielraum.

b) Art. 54 Abs. 3 S. 2 BaySvVollzG legt sodann die Mindestzahl an Ausführungen auf viermal pro Jahr fest. Nach den Gesetzesmaterialien (LT-Drs. 16/13834) soll der Sicherungsverwahrte hinsichtlich zusätzlicher Ausführungen lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung haben. Dies trägt der Gesetzestext auch. So führt die Formulierung „Ausführungen erfolgen mindestens vier Mal im Jahr“ ohne weitere Normierungen dazu, dass die Vollzugsbehörde selbst zur Entscheidung berufen ist, ob Ausführungen jenseits der vier Pflichtausführungen zu bewilligen und wie viele solcher Ausführungen sachgerecht und angemessen sind. Hierbei steht der Vollzugsbehörde ein Ermessensspielraum zu. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung sind die durch weitere Ausführungen erreichbaren Fortschritte für die Entwicklung des Untergebrachten einerseits und die organisatorischen Bedürfnisse der Einrichtung für Sicherungsverwahrung andererseits zu berücksichtigen. Zwar kann der Untergebrachte nicht verlangen, dass für weitere Ausführungen unbegrenzt personelle oder sonstige Mittel seitens der Justizvollzugsanstalt aufgewendet werden. Auf der anderen Seite hat die Justizvollzugsanstalt jedoch die Rechte der Untergebrachten zu wahren, was eine angemessene personelle Ausstattung der Justizvollzugsanstalten bedingt (BVerfG, Beschluss vom 04.05.2015, 2 BvR 1753/14, zitiert nach juris, für beantragte Ausführungen eines Strafgefangenen mit Verurteilung zu lebenslanger Haft).

3. a) Der Prüfungsmaßstab, den die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing bei der Frage der Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 BaySvVollzG herangezogen hat, entspricht nicht den vorgenannten Vorgaben. Die Strafvollstreckungskammer ging davon aus, hinsichtlich des Vorliegens von Missbrauchs- und Fluchtgefahr eine vollumfängliche Prüfungskompetenz zu besitzen, während sie der Anstalt bezüglich der Frage des Erreichens der Vollzugsziele und der Umsetzung der Maßnahmen einen „Beurteilungs- und Ermessensspielraum“ zubilligte. Der Senat kann nicht ausschließen, dass bei Zugrundelegung des zutreffenden Prüfungsmaßstabs eine andere Bewertung, gegebenenfalls auch aufgrund zunächst von der Justizvollzugsanstalt festzustellender Tatsachen, möglich ist.

b) Bei der Entscheidung der Frage, ob dem Sicherungsverwahrten weitere Ausführungen über die Mindestzahl von vier Ausführungen jährlich hinaus zustehen, ging die Strafvollstreckungskammer zutreffend davon aus, dass es sich um eine Ermessensentscheidung handelt. Allerdings kann die Entscheidung unabhängig von der konkreten Prüfung des Ermessens keinen Bestand haben, da diese in unmittelbarem und untrennbarem Zusammenhang mit der aufzuhebenden Entscheidung über die Gewährung von Begleitausgängen steht. Sollte es zur Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 BayStVollzG kommen, würden sich die Ausführungen erledigen. Die Entscheidung über die beantragten Ausgänge muss daher vorrangig erfolgen.

Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 04.05.2015, 2 BvR 1753/14) Zweifel an der Tragfähigkeit des Bescheides der Justizvollzugsanstalt bezüglich der aktuellen Versagung von Ausführungen über die gesetzliche Mindestzahl hinaus bestehen. Es wären Überlegungen zur Förderung des Untergebrachten, insbesondere der Erhaltung von dessen Lebenstauglichkeit, durch zusätzliche Ausführungen einerseits und zu den organisatorischen Möglichkeiten der Vollzugsbehörde andererseits angezeigt. Es ist fraglich, ob das angedachte Gutachten für die Entscheidung, ob vier oder mehr Ausführungen zu gewähren sind, weiter führt. Vom Vorliegen der Ausnahmetatbestände Art. 54 Abs. 3 S. 3 und 4 BaySvVollzG geht die Vollzugsanstalt jedenfalls nicht aus.

c) Somit ist die Sache unter Aufhebung der Entscheidungen Ziffer 1. bis 3. zur erneuten Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing zurückzuverweisen.

4. Bestand hat Ziffer 4. des angefochtenen Beschlusses. Die Beiordnung wurde zutreffend vorgenommen, da die Voraussetzungen des Art. 208 BayStVollzG i. V. m. § 109 Abs. 3 S. 1 StVollzG gegeben sind.