VG Bayreuth, Urteil vom 25.08.2015 - B 5 K 14.802
Fundstelle
openJur 2015, 13580
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem sie zur Zahlung von Bestattungskosten in Höhe von 2.209,79 Euro verpflichtet worden ist.

1. Am ... 2014 wurde der Vater der Klägerin tot in seiner im Zuständigkeitsbereich der Beklagten gelegenen Wohnung aufgefunden; nach polizeilichen Ermittlungen war der Tod mindestens eine Woche vorher eingetreten. Der Verstorbene war zwei Mal verheiratet; aus der ersten, am 2. September 1985 geschlossenen und mit Urteil des Amtsgerichts ... vom 2. November 1995 geschiedenen Ehe ist die am ... 1990 geborene Klägerin hervorgegangen. Aus der zweiten Ehe stammen zwei noch minderjährige Kinder.

2. Mit rechtskräftigem Urteil vom 28. September 1995 hatte das Amtsgericht ... gegen den Vater der Klägerin wegen eines Vergehens der Bedrohung, eines Vergehens der gefährlichen Körperverletzung, dreier Vergehen der versuchten gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit drei Vergehen der vorsätzlichen gefährlichen Eingriffe in den Straßenverkehr eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verhängt und die Strafvollstreckung zur Bewährung ausgesetzt (Az. ...). Den Gründen ist zu entnehmen, dass der von seiner Ehefrau getrennt lebende Angeklagte bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei. Er habe eine Tochter, die bei der Mutter lebe. Am 1. November 1992 gegen Abend sei er in der ehelichen Wohnung erschienen und habe seine Ehefrau bezichtigt, ein außereheliches Verhältnis mit Rechtsanwalt D...zu haben. Als seine Schwiegermutter versucht habe, den immer wütender werdenden Angeklagten zu beruhigen, habe er ihr ein Messer mit einer Klingenlänge von ca. 15 bis 20 cm an den Hals gesetzt und nach kurzer Zeit wieder von ihr abgelassen. Kurze Zeit später habe der Angeklagte das Anwesen verlassen und sei mit seinem Pkw auf öffentlichen Straßen nach ... und von dort zurück in seinen Wohnort auf einen Parkplatz gefahren. Dort habe er erneut seine Ehefrau und Herrn D... getroffen. Es sei zu einer Auseinandersetzung gekommen. Anschließend hätten sich sämtliche Beteiligte in die eheliche Wohnung begeben. Hier habe der Angeklagte seine Angriffe fortgesetzt. Er habe Herrn D... mit beiden Händen am Hals gewürgt. Danach hätten die Ehefrau und Herr D...das Haus verlassen und seien außerhalb des Wohnorts gefahren. Eine halbe Stunde später sei der Angeklagte erschienen und mit seinem Pkw an die Seite des parkenden Pkws des Herrn D... gefahren, in dem Herr D... und die Ehefrau des Angeklagten gesessen hätten. Es sei ihnen nur mit Mühe gelungen, den Wagen zu verlassen. Der Angeklagte sei, als seine Ehefrau aus dem Pkw ausgestiegen sei, auf sie zugefahren, um sie mit dem Wagen gegen einen Baum zu drücken. Sie habe jedoch ausweichen können. Als sie habe wegfahren wollen, habe der Angeklagte sie zu Boden geworfen, so dass sie vor dem linken Hinterreifen des Pkws des Zeugen D... zum Liegen gekommen sei. Der Angeklagte sei daraufhin mit einem Bein auf den Bauch seiner Ehefrau gestiegen und habe dem Zeugen D... zugerufen, er solle mit dem Pkw losfahren. Herr D... habe jedoch ihre Schreie gehört und habe ein Zurückstoßen mit seinem Fahrzeug unterlassen, so dass es zu keiner Verletzung gekommen sei.

Dem in nachfolgenden Namensänderungsverfahren erstellten Vermerk des Amtsgerichts ... vom 12. Juli 2000 ist zu entnehmen, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Anhörung wiederholt sehr bestimmt erklärt habe, nichts mehr mit ihrem leiblichen Vater zu tun haben zu wollen. Die Einbenennung sei sehr wichtig für sie. Sie habe aus freien Stücken erzählt, gesehen zu haben, wie ihr Vater mit Stühlen auf ihre Mutter eingeschlagen habe; er habe auch ihre Großmutter umbringen wollen. Sie sehe ihn nicht mehr als ihren Vater an. Sie habe Angst vor dem Termin gehabt, weil sie befürchtet habe, ihren Vater wiederzusehen und dass dann „alles“ wieder von vorn anfangen würde. Auf Nachfrage, was sie unter „alles“ verstehen würde, habe sie sich verschlossen und nur „das mit den Misshandlungen“ angegeben. Mit Beschluss vom 30. November 2000 ersetzte das Amtsgericht die Einwilligung des Vaters der Klägerin zur Einbenennung der Klägerin auf den Namen „D...“. Den Gründen ist zu entnehmen, im Scheidungsurteil sei die elterliche Sorge auf die Mutter der Klägerin übertragen worden. Im Gespräch sei man zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin eine enge Beziehung zu ihrem Stiefvater, der die Vaterrolle vollständig übernommen habe, aufgebaut habe. Zu ihrem Vater bestehe keine persönliche Bindung mehr; sie habe wiederholt erklärt, sie wolle mit ihm „nichts mehr zu tun haben“. Ihr Vater habe, obwohl er vortrage, „seelisch sehr stark an seinem Kind“ zu hängen, der Namensänderung zugestimmt.

3. Nachdem die Beklagte am 24. Juli 2014 ein Bestattungsinstitut mit der Regelung der Bestattung beauftragt hatte, wies sie die Klägerin unter dem 25. Juli 2014 darauf hin, dass man ihren Vater tot aufgefunden habe. Sie werde gebeten, die Bestattung zu veranlassen, bzw. man werde sie hiermit dazu verpflichten; die Angelegenheit sei sehr dringlich. Mit einem am 4. August 2014 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben wies die Klägerin darauf hin, dass sie die Zahlung der Bestattungskosten aufgrund zurückliegender Geschehnisse und aufgrund ihrer finanziellen Situation verweigere. Man möge die anderen Abkommen ihres Vaters kontaktieren. Unter dem 21. August 2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie als Tochter des Verstorbenen bestattungspflichtig sei. Weil sie dieser Pflicht nicht nachgekommen sei, habe man die Bestattung veranlasst. Sie werde gebeten, bis spätestens 12. September 2014 den Gesamtbetrag von 2.179,79 Euro zu überweisen.

Mit Bescheid vom 17. Oktober 2014 verpflichtete die Beklagte die Klägerin, die für die Bestattung ihres Vaters entstandenen Kosten von 2.209,79 Euro zu bezahlen. Den Gründen ist zu entnehmen, dass man gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2 des Bestattungsgesetzes (BestG) nach Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens von ihr als der nächsten volljährigen Angehörigen Kostenersatz fordere. Man habe sie unter dem 25. Juli 2014 zur Durchführung der Bestattung verpflichtet. Dem sei sie nicht nachgekommen, so dass man unter dem 4. August 2014 angekündigt habe, die Bestattung mit anschließender Kostenforderung durchzuführen. Weil hierauf zunächst keine Antwort erfolgt sei, habe man nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG die Bestattung veranlasst, weil dies wegen der fortgeschrittenen Verwesung dringend erforderlich gewesen sei. Später sei von ihr ein Schreiben eingegangen, in dem sie die Bestattung unter Hinweis auf zurückliegende Ereignisse und ihre finanzielle Situation verweigert habe. Weder, dass die Klägerin zu ihrem Vater seit Jahren keinen Kontakt mehr gehabt habe, noch, dass sich der Verstorbene nicht angemessen um sie gekümmert habe, noch ihre schwierige finanzielle Situation entbinde sie von der Pflicht zur Bestattung ihres Vaters.

4. Mit Schriftsatz vom 18. November 2014, eingegangen beim Bayer. Verwaltungsgericht Bayreuth am 24. November 2014, erhob die Klägerin Klage und beantragte,

den Bescheid der Beklagten vom 17. Oktober 2014 aufzuheben.

Sie trug vor, die Erbschaft ausgeschlagen zu haben. Die Beklagte habe trotz Kenntnis der Umstände in der Beziehung zwischen ihr und ihrem Vater kein Ermessen ausgeübt und keinen Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Beerdigungskosten nach § 74 Sozialgesetzbuch 12. Buch (SGB XII) geprüft. Hierzu wäre sie verpflichtet gewesen. Es liege ein Ermessenfehlgebrauch vor. Zudem habe die Beklagte die Kostenforderung nicht begründet.

Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 18. Dezember 2014 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde vorgetragen, dass die Klägerin als Tochter des Verstorbenen im Sinne von Art. 15 BestG i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1b der Bestattungsverordnung (BestV) bestattungspflichtig sei. Die Klägerin könne von ihren Geschwistern Kostenersatz verlangen. Wegen der fortgeschrittenen Verwesung sei eine zügige Bestattung notwendig gewesen. Die Klägerin habe nichts vorgebracht, was eine unbillige Härte begründen könnte. Es komme nicht darauf an, ob sich der Vater um die Klägerin gekümmert habe oder ob er seinen Unterhaltsverpflichtungen nachgekommen sei. Der öffentlich-rechtliche Bestattungsanspruch bestehe unabhängig von der zivilrechtlichen Verpflichtung zur Kostentragung. Auf die Frage, ob die Bestattungspflichtige Erbin des Verstorbenen sei, komme es nicht an. Es bestehe die Möglichkeit, die Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger zu beantragen.

Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 11. März 2015 ließ die Klägerin vortragen, es lägen ganz außergewöhnlicher Umstände vor, die ein Absehen von der Erstattung der Kosten rechtfertigten. Der Sachbearbeiter der Beklagten sei telefonisch auch auf solche Umstände hingewiesen worden, habe jedoch erwidert, dass ihn das nicht interessiere und die Klägerin eben für diese Bestattungskosten aufkommen müsse. Die Mutter der Klägerin habe sich an Allerheiligen 1992 vom Verstorbenen wegen dessen Alkoholsucht, Gewalttätigkeit und psychischer Auffälligkeit getrennt. Die Eheleute hätten seit der Geburt der Klägerin im selben Haus getrennt gelebt. Der Verstorbene habe schon damals wenig Interesse an seiner Tochter gehabt. An Allerheiligen 1992 sei jedoch die Situation eskaliert. Der Verstorbene habe im Alkoholrausch die Mutter der Klägerin verprügelt und seiner Schwiegermutter, die habe helfen wollen, ein Messer an den Hals gehalten und gedroht, sie umzubringen. Die Klägerin habe dies alles mit ansehen müssen und sei hierdurch schwer traumatisiert worden. Das dreijährige Kind sei damals fast ein Jahr in kinderpsychologischer Behandlung gewesen, sehr verängstigt und verhaltensauffällig. Am selben Abend habe der Verstorbene versucht, seine Ehefrau umzubringen. Im Nachgang sei dem Verstorbenen nur ein eingeschränktes, d.h. begleitetes Umgangsrecht mit der Klägerin zugestanden worden. Allein das spreche für die massive Störung im Verhältnis zwischen Verstorbenem und Klägerin. Als das Jugendamt erklärt habe, aus Personalgründen keinen begleiteten Umgang mehr gewährleisten zu können, sei der Verstorbene mit einem Abänderungsversuch gescheitert und habe danach keinen Umgang mehr ausgeübt. Während eines vorhergehenden Umgangstermins in der Wohnung einer gemeinsamen Bekannten habe der Verstorbene seine damalige Ehefrau gezwungen, die Wohnung zu verlassen, was die Klägerin stark verunsichert und verletzt habe. Danach hätten sich die massiven psychischen Auswirkungen erneut durch Bettnässen gezeigt. Seit jener Zeit bestehe eine starke Unsicherheit und Verlustangst der Klägerin, insbesondere um ihre Mutter. Die Mutter des Verstorbenen habe für die Klägerin mehrere Jahre Unterhalt bezahlt. Der Verstorbene selbst habe nie Unterhalt gezahlt. Die Klägerin leide auch heute noch massiv unter diesen Vorfällen und könne nicht vergessen, dass sie in ständiger Angst vor dem Verstorbenen gelebt habe und leben musste, der ihr ein großes Stück Kindheit gestohlen habe.

Mit Schriftsätzen vom 17. April 2015, 15. Mai 2015 und 18. Juni 2015 trug der Prozessbevollmächtigte der Beklagten vor, die von der Klägerin nun geschilderten Ereignisse seien nicht bekannt gewesen. Sie habe vorher weder schriftlich noch telefonisch entsprechende Angaben gemacht. Bei einer ersten Kontaktaufnahme habe die Mutter der Klägerin zunächst der Übernahme der Beerdigung zugestimmt, diese Zustimmung aber später unter Hinweis auf die Umstände der Trennung wieder zurückgezogen. Angaben zu psychischen Problemen der Klägerin habe sie nicht gemacht. Dieser Sachverhalt, unterstellt er sei richtig, begründe keine unbillige Härte. Die Unzumutbarkeit einer Heranziehung sei nur bei grob pflichtwidrigem Verhalten des Verstorbenen gegenüber dem Bestattungspflichtigen gegeben. Das sei nur bei schweren Straftaten des Verstorbenen zu Lasten des an sich Bestattungspflichtigen, die zu einer Verurteilung des Verstorbenen geführt hätten, wie z.B. bei Tötungsversuchen, Vergewaltigung und jahrelang anhaltendem sexuellen Missbrauch der Fall. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Die Straftat sei nicht gegen die Klägerin, sondern gegen deren Mutter ausgeführt worden. Bei den abgeurteilten Vergehen habe es sich nicht um besonders schwere Straftaten gehandelt, wofür auch das milde Strafmaß spreche. Zudem sei der Verstorbene vorher und nachher strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten. Bei den Geschädigten handele es sich um die Mutter, die Großmutter und den jetzigen Stiefvater der Klägerin. Den Akten lasse sich nicht entnehmen, dass die Klägerin bei Tatbegehung anwesend gewesen sei, was strafschärfend zu berücksichtigen gewesen wäre. Dem Gutachten zur Schuldfähigkeit vom 19. Dezember 1994 sei zu entnehmen, dass der Verstorbene zum damaligen Zeitpunkt unter keiner Alkoholerkrankung gelitten und auch sonst keine besonderen Auffälligkeiten gezeigt habe. Der Verstorbene habe eine tiefe emotionale Bindung zu seiner damaligen Frau und seiner Tochter gehabt. Das Gutachten widerlege die Annahme, bei dem Verstorbenen habe es sich um einen „Familientyrannen“ gehandelt. Vielmehr habe er durch die Trennung von seiner Frau emotional schwer gelitten.

Mit Schriftsatz vom 19. Juni 2015 trugen die Prozessbevollmächtigten der Klägerin vor: Als Erbe des Verstorbenen sei der Freistaat Bayern zur Kostentragung verpflichtet. Von ihren minderjährigen Geschwistern könne die Klägerin keinen Kostenersatz verlangen. Eine Verweisung auf §§ 74 ff. SGB XII greife erst dann, wenn die Verpflichtung der Klägerin zur Kostenübernahme rechtskräftig feststehe. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Urteil vom 26. Oktober 2011 schwere Straftaten des Verstorbenen gegen die Bestattungspflichtigen als verhältnismäßigen Grund angesehen, das Kind des Verstorbenen von der Pflicht zur Tragung der Bestattungskosten freizustellen, und habe eine gegen die Mutter eines Minderjährigen gerichtete Straftat als gegen das Kind selbst gerichtet angesehen.

5. In der mündlichen Verhandlung haben die Prozessbeteiligten auf ihre schriftsätzlich gestellten Anträge Bezug genommen. Hinsichtlich des weiteren Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen. Die Akten der Staatsanwaltschaft ..., Az. ..., wurden beigezogen.

Gründe

1. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 17. Oktober 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist formell rechtmäßig und unterliegt auch in materieller Hinsicht keinen durchgreifenden Zweifeln. Die Beklagte hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die erstattungsfähigen Kosten für die von ihr veranlasste Bestattung des Vaters der Klägerin durch Leistungsbescheid gegenüber der Klägerin als Bestattungspflichtiger gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG geltend gemacht.

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BestG geregelte Verpflichtung, für die Bestattung des Verstorbenen zu sorgen, gemäß Art. 15 BestG i.V.m. § 15 BestV den in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BestV genannten Angehörigen obliegt. Nach dieser Bestimmung kommen als bestattungspflichtige Personen der Ehegatte, die Kinder, die Eltern, die Großeltern, die Enkelkinder und weitere dort genannte Angehörige in Betracht. Die Gemeinden und die Landratsämter als staatliche Verwaltungsbehörden haben dafür zu sorgen, dass die Vorschriften dieses Gesetzes und die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften eingehalten werden (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BestG). Sie können die hierzu erforderlichen Anordnungen für den Einzelfall treffen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BestG). Bestimmt die Gemeinde demnach die nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BestV zur Bestattung verpflichteten Angehörigen, so soll sie dabei den Grad der Verwandtschaft oder Schwägerschaft berücksichtigen (§ 15 Satz 2 BestV). Soweit Anordnungen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BestG nicht möglich oder nicht zulässig sind oder keinen Erfolg versprechen (weil z.B. entweder Bestattungspflichtige nicht rechtzeitig ermittelt werden können oder weil diese nicht bereit sind, rechtzeitig für die Bestattung zu sorgen), muss die Gemeinde, in unaufschiebbaren Fällen die Polizei, selbst die Bestattung veranlassen. In diesem Fall kann die Gemeinde bzw. der Träger der Polizei nach pflichtgemäßem Ermessen von einem Bestattungspflichtigen Ersatz der notwendigen Bestattungskosten verlangen (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG).

Im Hinblick auf das Bestehen bzw. Fortbestehen der Bestattungspflicht der Angehörigen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung klargestellt, dass es auch bei gestörten Familienverhältnissen bei der Bestattungspflicht der Angehörigen verbleibt. Danach führen Unterhaltspflichtverletzungen sowie ein bloßes Sich nicht kümmern oder Sich nicht kümmern können von Elternteilen jedenfalls nicht dazu, dass die den Kindern obliegende Bestattungspflicht auf die Allgemeinheit übergehen müsste. Die Bestattungspflichtigen sind aufgrund der gesetzlichen Regelung des Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG im Wege des intendierten Ermessens zum Kostenersatz zu verpflichten, d.h. in der Regel ist nur die Entscheidung für die Inanspruchnahme des Pflichtigen ermessensfehlerfrei. Denn nach der Zweckrichtung der Regelung in Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG entspricht es regelmäßig ohne Ansehung der tatsächlichen persönlichen Beziehung des Pflichtigen zum Verstorbenen dem Interesse der Allgemeinheit an der rechtmäßigen, wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung von Steuergeldern, die durch die Gemeinde verauslagten Bestattungskosten vom Bestattungspflichtigen zurückzufordern. Die in Art. 15 Abs. 2 BestG und §§ 1 und 15 BestV aufgezählten Angehörigen eines Verstorbenen stehen diesem im Sinne einer Solidargemeinschaft ungeachtet ihrer persönlichen Beziehungen zueinander allein schon aufgrund der familiären Verbundenheit regelmäßig näher als die Allgemeinheit, so dass es deshalb vorrangig ihnen obliegen muss, für eine Bestattung zu sorgen und die damit verbundenen Kosten zu tragen. Bei der Bestattungspflicht und der hieraus resultierenden Kostentragungspflicht geht es vor allem darum, die private Verantwortungssphäre von derjenigen der Allgemeinheit abzugrenzen. In Fällen dieser Art bedarf es einer Darlegung der Ermessenserwägungen nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die ein Absehen von der Rückforderung rechtfertigen könnten. Außergewöhnliche Umstände, die ein Absehen von der Rückforderung rechtfertigen könnten, können danach nur bei schweren Straftaten des Verstorbenen zulasten des an sich Bestattungspflichtigen angenommen werden (BayVGH, B.v. 12.9.2013 - 4 ZB 12.2526 - Juris Rn. 12; B.v. 17.1.2013 - 4 ZB 12.2374 - Juris Rn. 7; B.v. 19.12.2011 - 4 C 11.2581 - Juris Rn. 7; B.v. 9.6.2008 - 4 ZB 07.2815 - BayVBl 2009, 537, jeweils m.w.N.).

Gemessen daran unterliegt der streitgegenständliche Bescheid keinen durchgreifenden Zweifeln. Als Tochter des Verstorbenen ist die Klägerin Bestattungspflichtige im Sinne von Art. 15 BestG i.V.m. § 15 und § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 b BestV. Vorrangig Bestattungspflichtige sind nicht vorhanden.

Umstände, die die Annahme eines besonderen Ausnahmefalles und damit eine von dem in Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG normierten Regelfall abweichende Ermessensentscheidung der Beklagten rechtfertigen könnten, sind vorliegend weder dargetan noch sonst ersichtlich. Die Kammer teilt die Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass ein solcher Ausnahmefall nur bei schweren Straftaten des Verstorbenen zu Lasten des an sich Bestattungspflichtigen, die zu einer Verurteilung des Verstorbenen geführt haben, angenommen werden kann (BayVGH. B.v. 9.6.2008, a.a.O., Juris Rn. 7).

Eine solche Fallgestaltung liegt hier zur Überzeugung des Gerichts jedoch nicht vor. Dabei ist zunächst festzustellen, dass sich die am 1. November 1992 begangenen Straftaten des Verstorbenen ausschließlich gegen die Mutter der Klägerin, ihren jetzigen Stiefvater und ihre Großmutter gerichtet hatten.

Darüber hinaus ergibt sich aus dem rechtskräftigen, knapp drei Jahre nach der Tat ergangenen Strafurteil des Amtsgerichts ... vom 28. September 1995 nicht, dass die zum Tatzeitpunkt zwei Jahre und sieben Monate alte Klägerin, auch nur phasenweise, Augenzeugin der Geschehnisse worden wäre. Entsprechende Hinweise - auch im Hinblick auf eventuelle Spätfolgen der Straftat bei der Klägerin - lassen sich dem Urteil nicht entnehmen, insbesondere auch nicht den dortigen Ausführungen zur Strafzumessung. Darüber hinaus kann, ohne die den Rahmen innerfamiliärer Auseinandersetzungen zweifellos sprengenden Geschehnisse vom 1. November 1992 bagatellisieren zu wollen, nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Amtsgericht ... den Verstorbenen wegen mehrerer Vergehen (nur) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt hatte. Damit ist die o.g. Schwelle der Begehung einer schweren Straftat zu Lasten des Bestattungspflichtigen, die allein die Annahme außergewöhnlicher Umstände begründen könnte, zur Überzeugung der Kammer nicht überschritten.

Der Hinweis der Klägerseite auf die Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 26.10.2011 - 5 A 1245/11 - Juris Rn. 36) führt zu keiner anderen Einschätzung. Es mag sein, dass in den Fällen, in denen sich - wie hier - eine vom Verstorbenen begangene Straftat zwar nicht unmittelbar gegen die Bestattungspflichtige sondern gegen Dritte - hier also u.a. die Mutter der Klägerin - richtete, gleichwohl aber für die damals noch minderjährige Bestattungspflichtige - hier also die Klägerin - nachhaltige Folgen zeitigte, die Annahme einer groben Unbilligkeit rechtfertigen kann.

Selbst wenn man den Vortrag der Klägerseite zu den psychischen Folgen dieser Geschehnisse bei der Klägerin als wahr unterstellt, so liegt zur Überzeugung des Gerichts vorliegend keine auch nur ansatzweise mit der der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zugrundeliegenden Fallkonstellation - Verurteilung des Vaters des Bestattungspflichtigen zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe nach Tötung der Mutter des Bestattungspflichtigen und anschließende mehrjährige Unterbringung des Bestattungspflichtigen in einer Pflegefamilie - vergleichbare Situation vor. Die Kammer hat zwar keinen Zweifel daran, dass die aus den strafrechtlich abgeurteilten Geschehnissen resultierenden Folgen bei der damals minderjährigen Klägerin in ihrer Intensität und Bedeutung deutlich schwerer wiegen, als das was sog. Scheidungskinder üblicherweise zu verarbeiten haben. Gleichwohl rechtfertigen diese Folgen - nicht zuletzt auch unter Berücksichtigung der durch das Amtsgericht ... erfolgten strafrechtlichen Würdigung der Vorfälle - nach der Überzeugung des Gerichts nicht die Annahme der groben Unbilligkeit im Hinblick auf die Pflicht der Klägerin zur Übernahme der Bestattungskosten ihres Vaters.

Weiterhin führt auch der Einwand der Klägerin, sie verfüge über kein ausreichendes Einkommen oder Vermögen, zu keiner anderen Beurteilung. Denn der Bestattungspflichtige kann sich, falls er über kein dafür ausreichendes (pfändungsfreies) Einkommen oder Vermögen verfügt, nicht auf eine dauerhafte subjektive Unmöglichkeit der Erfüllung berufen, weil jeder vorrangig Bestattungspflichtige in einem solchen Fall nach § 74 SGB XII die Übernahme der Bestattungskosten durch den Sozialhilfeträger beantragen kann. Somit liegt in der Kostenersatzpflicht nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG auch für finanziell nicht leistungsfähige Angehörige des Verstorbenen keine unzumutbare oder unverhältnismäßige Belastung (BayVGH, B.v. 12.9.2013 - 4 ZB 12.2526 - Juris Rn. 13 m.w.N.)

Schließlich verhilft auch der Einwand der Klägerseite, dass der Freistaat Bayern Erbe des Verstorbenen geworden und zur Kostentragung verpflichtet sei, der Klage nicht zum Erfolg. Denn die Bestattungspflicht der Angehörigen und die daran anknüpfende Pflicht zur Kostenerstattung stellen öffentlich-rechtliche Verpflichtungen dar, die unabhängig von der erbrechtlichen Lage bestehen; diese Verpflichtungen sind selbst dann zu erfüllen, wenn der Verstorbene ein für die Bestattung ausreichendes Vermögen hinterlassen hat (BayVGH, B.v. 8.6.2015 - 4 ZB 15.364 - Juris Rn. 3).

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

3. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.

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