Bayerischer VGH, Beschluss vom 24.07.2015 - 11 CS 15.1203
Fundstelle
openJur 2015, 13268
  • Rkr:

Aberkennung des Rechts, von einer ausländischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen;Anordnung eines ärztlichen Gutachtens;Keine hinreichenden Tatsachen, die die Annahme von Cannabisabhängigkeit begründen

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 12. Mai 2015 wird geändert und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 des Bescheids wiederhergestellt, gegen Nr. 2 des Bescheids angeordnet.

II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der am ... 1986 geborene Antragsteller wendet sich gegen die für sofort vollziehbar erklärte Aberkennung des Rechts, von seiner polnischen Fahrerlaubnis der Klasse B in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen.

Der Antragsteller verzichtete am 1. Februar 2005 auf die am 26. Mai 2003 erteilte Fahrerlaubnis der Klasse M und nahm seinen Antrag vom 25. Mai 2004 auf Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse B zurück. Weitere Anträge auf Erteilung einer Fahrerlaubnis nahm er am 18. Februar 2011 und am 10. Dezember 2014 ebenfalls zurück.

Das im Rahmen des letzten Erteilungsverfahrens eingeholte Führungszeugnis vom 30. Januar 2013 weist folgende drei Eintragungen auf:

Das Amtsgericht Laufen verurteilte den Antragsteller mit Urteil vom 26. März 2009 wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in vier tatmehrheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten und setzte die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus. Der Verurteilung lag zu Grunde, dass der Antragsteller am 15. November 2008 einer polizeilichen Kontrolle unterzogen worden war und dabei 0,5 Gramm Marihuana mit sich führte. Er hatte an diesem Tag insgesamt 3 Gramm Marihuana zum Eigenkonsum erworben. Des Weiteren hatte er ohne konkrete Veranlassung gestanden, bei drei weiteren Gelegenheiten im Februar 2008, im Juli 2008 und Mitte Oktober 2008 jeweils ca. zwei bis drei Gramm Marihuana für den Eigenverbrauch erworben zu haben.

Mit Urteil vom 29. September 2011 verurteilte das Amtsgericht Laufen den Antragsteller wegen fahrlässigen Vollrauschs zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten und setzte die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus. Der Antragsteller hatte am 10. Februar 2011 nach Bestehen seiner Gesellenprüfung erhebliche Mengen an Alkohol konsumiert und in diesem Zustand verschiedene Sachbeschädigungen verursacht. Er entschuldigte sich bei der geschädigten Bank und seine Großeltern beglichen den Schaden.

Das Amtsgericht München verurteilte den Antragsteller am 11. Mai 2012 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten. Am 26. Januar 2012 hatte er im Außenbereich einer Diskothek einen Joint konsumiert und hatte eine Menge von drei Gramm Marihuana in seiner Hosentasche. In den Urteilsgründen ist festgestellt, der Antragsteller habe im Alter von 14 Jahren begonnen, übermäßig Alkohol zu trinken. Mit 15 Jahren habe er erstmals Cannabis konsumiert und in den Folgejahren auch gelegentlich Partydrogen, was er aber nicht weiter verfolgt habe. In der Zeit von März bis August 2011 habe er eine Alkohol-/Drogenentzugstherapie gemacht. Zuvor habe er regelmäßig Marihuana und Alkohol konsumiert. Im Oktober/November 2011 habe er aufgrund privater Probleme einen Rückfall erlitten.

Am 4. Februar 2014 stellte die Fahrerlaubnisbehörde in Starosta Slubicki, Polen, für den Antragsteller eine Fahrerlaubnis der Klasse B aus. Ein Verfahren wegen eines Vergehens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis stellte die Staatsanwaltschaft Traunstein mit Verfügung vom 26. Januar 2015 nach § 170 Abs. 2 StPO ein.

Mit Strafbefehl vom 18. Juni 2014, rechtskräftig seit 28. Juni 2014, verurteilte das Amtsgericht Hof den Antragsteller wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe. Bei einer Kontrolle in einem Fernbus am 2. Mai 2014 hatte die Polizei bei dem Antragsteller 0,5 Gramm Marihuana gefunden. Der Antragsteller war nach den Feststellungen der Polizei bei der Kontrolle sichtlich nervös und hatte Schwierigkeiten, sich auszudrücken.

Der eingeholte Auszug aus dem Fahreignungsregister vom 15. Januar 2015 weist drei Eintragungen auf, den Verzicht auf die Fahrerlaubnis der Klassen M und B am 1. Februar 2005 sowie eine Geschwindigkeitsübertretung am 9. November 2014, rechtskräftig geahndet am 30. Dezember 2014.

Mit Schreiben vom 19. Januar 2015 ordnete die Fahrerlaubnisbehörde daraufhin die Vorlage eines ärztlichen Gutachtens an. Nach Aktenlage sei der Antragsteller alkohol- und betäubungsmittelabhängig oder zumindest früher gewesen. Er habe in den Jahren 2002 bis 2007 verschiedene Therapien wegen seines Alkohol- und Drogenkonsums absolviert. Im Jahr 2008 sei er letztmalig im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln auffällig geworden und das Amtsgericht Laufen habe ihn deswegen am 26. März 2009 rechtskräftig verurteilt. Am 2. Mai 2014 habe er erneut 0,5 Gramm Marihuana besessen. Es sei daher notwendig, ein fachärztliches Gutachten nach § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FeV anzuordnen. Nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV sei die Fahreignung bei regelmäßigem Cannabiskonsum ausgeschlossen. Es bestünden deshalb erhebliche Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen. Es sei daher notwendig und angemessen, gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FeV i.V.m. 9.3 der Anlage 4 zur FeV die Beibringung eines fachärztlichen Gutachtens anzuordnen, um eine Fahrungeeignetheit hinreichend sicher ausschließen zu können. Es sei den Fragen nachzugehen, ob der Antragsteller Cannabis einnehme oder eingenommen habe, ob sich die aus den aktenkundigen Tatsachen begründete Annahme einer Abhängigkeit von Cannabis bestätigen lasse, ob der Antragsteller ggf. Abstinenz einhalte und ob das Konsumverhalten als einmalig, gelegentlich oder regel- und gewohnheitsmäßig zu bezeichnen sei.

Nachdem der Antragsteller ein entsprechendes Gutachten nicht vorlegte, erkannte ihm die Fahrerlaubnisbehörde mit Bescheid vom 30. März 2015 das Recht ab, von seiner polnischen Fahrerlaubnisbehörde auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch machen zu dürfen (Nr. 1 des Bescheids), ordnete die Vorlage des Führerscheins zur Eintragung der Aberkennung (Nr. 2) sowie die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheids an (Nr. 3). Der Antragsteller habe von März bis November 2002 eine stationäre Alkoholentwöhnungstherapie durchgeführt. Im Jahr 2005 sei eine weitere Therapie erforderlich gewesen. Im Jahr 2007 habe er sich erneut wegen seiner Drogenproblematik in einer Klinik aufgehalten. Seit 28. Januar 2011 befinde er sich erneut in einer Klinik, um seine Suchtproblematik zu behandeln. Nachdem er das rechtmäßig auf der Grundlage des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FeV angeordnete Gutachten nicht vorgelegt habe, könne nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden.

Über die gegen den Bescheid vom 30. März 2015 erhobene Klage (Az. M 1 K 15.1439) hat das Verwaltungsgericht München noch nicht entschieden. Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 12. Mai 2015 abgelehnt. In den Gründen werden Verurteilungen durch das Amtsgericht Laufen vom 31. Januar 2008 wegen verschiedener Betäubungsmittelstraftaten und vom 9. September 2008 wegen Betrugs genannt, sowie die drei in dem Bundeszentralregisterauszug vom 31. Januar 2013 enthaltenen Verurteilungen aufgeführt. Zur Begründung wird ausgeführt, die Klage werde voraussichtlich erfolglos bleiben. Die in der Behördenakte dokumentierte Abhängigkeit des Antragstellers von Marihuana, die sich in zahlreichen Verurteilungen wegen Handels mit oder unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln sowie Drogenentzugstherapien und anschließenden Rückfällen darstelle, begründe zusammen mit dem am 2. Mai 2014 festgestellten Besitz von 0,5 Gramm Marihuana und dem auffälligen Verhalten des Antragstellers bei der polizeilichen Kontrolle die Annahme einer auch aktuell wieder zutage getretenen Abhängigkeit von Betäubungsmitteln.

Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt. Er macht geltend, die vor der Erteilung der polnischen Fahrerlaubnis liegenden Umstände könnten nur verwertet werden, wenn nach dem Erwerb der ausländischen Fahrerlaubnis eine Auffälligkeit von einigem Gewicht vorliege. Dies sei hier nicht der Fall, denn der Besitz von 0,5 Gramm Marihuana trage die Vermutung nicht, dass eine Abhängigkeit von Betäubungsmitteln vorliege und rechtfertige keine Maßnahme nach § 14 Abs. 1 FeV. Im Übrigen fehle es an der Verhältnismäßigkeit, da nur Tatsachen die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens rechtfertigen könnten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Führen eines Fahrzeugs im Straßenverkehr stehen würden. Das Bundesverfassungsgericht habe mit Beschluss vom 20. Juni 2002 entschieden, dass der gelegentliche Cannabiskonsum ohne Bezug zum Straßenverkehr nicht als hinreichendes Verdachtselement zu bewerten sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde, bei deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO das form- und fristgerechte Beschwerdevorbringen berücksichtigt, hat Erfolg.

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 30. März 2015 ist hinsichtlich Nr. 1 des Bescheids wiederherzustellen und bezüglich Nr. 2 anzuordnen, da die Klage bei summarischer Prüfung erfolgreich sein wird. An der sofortigen Vollziehung einer rechtswidrigen Verfügung besteht kein besonderes öffentliches Interesse.

1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. März 2015 (BGBl S. 186), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 18. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. Dezember 2014 (BGBl. S. 2213), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis hat die Entziehung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 StVG, § 46 Abs. 5 FeV die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen.

Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV). Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 FeV sind die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen insbesondere nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 vorliegt. Nach Nr. 9.3 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV ist die Fahreignung zu verneinen, wenn eine Abhängigkeit von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (BtmG) oder von anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen besteht.

Begründen Tatsachen die Annahme, dass Abhängigkeit von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes oder von anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen vorliegt, ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FeV zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder die Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anzuordnen. Wird das geforderte Gutachten nicht fristgerecht beigebracht, kann die Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Betreffenden schließen, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01NJW 2002, 78). Dazu sind nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV in der Anordnung die Gründe für die Zweifel an der Eignung darzulegen. Dabei sind an die Einhaltung der formellen Kriterien strenge Anforderungen zu stellen, denn eine Gutachtensaufforderung ist nicht selbstständig anfechtbar und muss dem Betroffenen die Möglichkeit geben, sich frühzeitig Klarheit darüber zu verschaffen, ob die Anordnung rechtmäßig ist (BayVGH, B.v. 24.11.2014 – 11 ZB 13.2240 – juris Rn. 12; B.v. 27.11.2012 – 11 ZB 12.1596 – juris Rn. 10; NdsOVG, U.v. 8.7.2014 – 12 LC 224/13 – juris Rn. 47).

Diesen Vorgaben genügt die Gutachtensanordnung vom 19. Januar 2015 nicht, denn die dort genannten Tatsachen tragen den Verdacht einer Abhängigkeit von Cannabis und damit die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens gestützt auf § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FeV i.V.m. Nr. 9.3 der Anlage 4 zur FeV nicht. Dabei ist zweifelhaft, ob eine körperliche Abhängigkeit von Cannabis überhaupt eintreten kann (vgl. BVerfG, B.v. 29.6.2004 – 2 BvL 8/02DVBl 2004, 1108 – juris Rn. 42). Es kann dahinstehen, ob Nr. 9.3 der Anlage 4 zur FeV auf einen Fall des Cannabiskonsums überhaupt anwendbar ist oder selbst bei einem sehr intensiven Gebrauch nur eine regelmäßige Einnahme von Cannabis nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV angenommen werden kann (vgl. Berr/Krause/Sachs, Drogen im Straßenverkehr, 2007, Rn. 1233 und 1242; Himmelreich/Janker/Karbach, Fahrverbot, Fahrerlaubnisentzug und MPU-Begutachtung im Verwaltungsrecht, 8. Auflage 2007, Rn. 182). Auch eine psychische Abhängigkeit geht in jedem Fall mit einer langdauernden Zufuhr größerer Mengen der toxischen Stoffe einher, die trotz schädlicher Folgen fortgesetzt wird (Berr/Krause/Sachs a.a.O. Rn. 1234 ff., Nr. 3.12.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Bundesanstalt für Straßenwesen, gültig ab 1.5.2014). Eine Abhängigkeit von Cannabis ist daher nur bei einem täglichen oder nahezu täglichen Konsum von Cannabis anzunehmen, wofür der Gutachtensanordnung keine hinreichenden Anhaltspunkte entnommen werden können.

Der Besitz von 0,5 Gramm Marihuana stellt im Rahmen der Betäubungsmittelkriminalität ein Bagatelldelikt dar, weil er sich im untersten Bereich der geringen Menge bewegt (BGH, B.v. 15.4.2014 – 2 StR 626/13 – juris). Die Menge ist, abhängig vom Wirkstoffgehalt, ungefähr ausreichend für einen Joint (vgl. Berechnungen in BayVGH, B.v. 22.9.2010 – 11 ZB 10.184 – juris Rn. 11). Sowohl das in der Gutachtensanordnung allein genannte Urteil vom 26. März 2009 als auch der Vorfall vom 2. Mai 2014 bezogen sich jeweils auf den Besitz oder Erwerb geringer Mengen an Marihuana, die nicht auf einen täglichen oder nahezu täglichen Konsum und damit auch nicht auf eine Abhängigkeit von Cannabis nach Nr. 9.3 der Anlage 4 zur FeV hinweisen (vgl. für den Erwerb von erheblich größeren Mengen als Indiz für regelmäßigen Gebrauch BayVGH, B.v. 22.9.2010 a.a.O. und zweifelnd für einen Besitz von 200 Gramm Haschisch HessVGH, U.v. 24.11.2010 – 2 B 2190/10 – Blutalkohol 48, 44).

Es kommt deshalb nicht auf die Fragen an, ob der Verdacht einer Betäubungsmittelabhängigkeit wegen des langen Zeitablaufs überhaupt noch auf die dem Urteil vom 26. März 2009 zugrunde liegenden Vorgänge aus dem Jahr 2008 und noch weiter zurück liegende Umstände gestützt werden könnte (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 25/04DAR 2005, 581; einen regelmäßigen Gebrauch ablehnend für einen 2,5 Jahre zurückliegenden Vorfall HessVGH, U.v. 24.11.2010 a.a.O.) und ob der beim Antragsteller festgestellte Besitz einer sehr geringen Menge von Marihuana am 2. Mai 2014 ausreichender Anlass wäre, um das Recht abzuerkennen, von der polnischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen (vgl. EuGH, B.v. 2.12.2010 – Scheffler, C-334/09 – Slg 2010, I-12379; BayVGH, B.v. 28.10.2010 – 11 CS 10.1930 – juris; B.v. 19.4.2010 – 11 ZB 09.298 – juris; NdsOVG, B.v. 27.1.2015 – 12 LA 9/14NZV 2015, 356).

Ob sich in der Zusammenschau mit den vom Verwaltungsgericht weiter angeführten Vorfällen, die den Urteilen vom 31. Januar 2008, 29. September 2011 und 11. Mai 2012 zugrunde lagen, der Verdacht auf eine Betäubungsmittelabhängigkeit oder einen regelmäßigen Konsum von Cannabis mit der Möglichkeit, die Anordnung auf § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder Satz 2 FeV zu stützen, ergeben könnte, braucht hier nicht entschieden zu werden. Die Fahrerlaubnisbehörde hat ihre Gutachtensanordnung ausdrücklich nur auf die Verurteilung vom 26. März 2009 und den Vorfall vom 2. Mai 2014 gestützt. Im Übrigen ist das Urteil vom 31. Januar 2008 gemäß dem letzten Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 31. März 2013 auch schon aus dem Register getilgt. Auch die Unterlagen zu den von der Fahrerlaubnisbehörde im Bescheid vom 30. März 2015 genannten Therapien in den Jahren 2002 bis 2007 wurden teilweise schon aus der übersandten Behördenakte entfernt und können damit wohl ohnehin nicht mehr zur Grundlage einer Entscheidung gemacht werden.

2. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist auch in Bezug auf die Ablieferungs-verpflichtung statthaft. Die Fahrerlaubnisbehörde hat die Verpflichtung zur Abliefe-rung des Führerscheins in Nr. 3 des Bescheids ausdrücklich für sofort vollziehbar erklärt. Insoweit geht die Anordnung des Sofortvollzugs zwar ins Leere, weil die Ablieferungspflicht gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 FeV nach der Rechtsprechung des Senats unmittelbar kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, wenn – wie hier – der Entzug der Fahrerlaubnis selbst für sofort vollziehbar erklärt wurde (BayVGH, B.v. 26.9.2011 – 11 CS 11.1427 – juris Rn. 12; B.v. 1.7.2015 – 11 CS 15.1151). Es handelt sich damit um einen besonderen Fall des gesetzlichen Sofortvollzugs im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO. Nachdem die Beschwerde hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis begründet ist, ist die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ablieferungsverpflichtung nach der Terminologie des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anzuordnen. Dies entspricht auch dem erkennbaren Begehren des Antragstellers.

3. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nrn. 1.5 Satz 1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, Anh. § 164 Rn. 14).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).