VG Köln, Urteil vom 27.05.2015 - 3 K 5625/14
Fundstelle
openJur 2015, 16049
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger sind jemenitische Staatsangehörige mit Wohnsitz im Jemen. Der Kläger zu 1) ist derzeit wohnhaft in Sana’a, die Kläger zu 2) und zu 3) in Khashamer, Hadramout.

Sie wenden sich mit der am 15.10.2014 erhobenen Klage gegen Drohneneinsätze der USA im Jemen unter Nutzung der Air Base Ramstein.

Sie tragen hierzu vor, dass die USA seit dem Jahre 2002 im Rahmen des "Kriegs gegen den Terror" Drohnenangriffe im Jemen durchführten, die sie seit 2009 intensiviert hätten. Der Jemen habe dem zugestimmt. Die Drohnenangriffe richteten sich hauptsächlich gegen Mitglieder des regionalen Ablegers von Al-Qaida "Al Qaida on the Arabian Peninsula" (im Folgenden: AQAP). Seit dem Jahr 2012 würden auch sogenannte "signature strikes" durchgeführt, bei denen die Ziele aufgrund eines bestimmten Verhaltensmusters ausgewählt würden, ohne dass konkret bekannt wäre, um welche Person es sich handele. Die Drohnenpiloten hielten sich in den USA auf. Die Daten würden über Glasfaserkabel von den USA aus nach Ramstein/Deutschland übermittelt und von dort mittels einer Satelliten-Relais-Station an die Drohnen gefunkt. Der Drohnenpilot in den USA stehe dabei in ständigem Kontakt mit Kollegen in Ramstein. Wegen der Erdkrümmung sei eine Steuerung der Drohnen direkt aus den USA ohne die Satelliten-Relais-Station in Ramstein nicht möglich. Die Satelliten-Relais-Station sei im Jahre 2010 errichtet worden, worüber die USA die Beklagte unterrichtet hätten.

Der Beklagten seien diese Zusammenhänge auch bekannt. Zwar hätte sie öffentlich und insbesondere auf parlamentarische Anfragen hin, immer wieder behauptet, keine Kenntnisse zu haben und auf laufende Anfragen an die US-Regierung verwiesen. Aufgrund der umfangreichen Medienberichterstattung könne sich die Beklagte jedoch nicht auf eine Unkenntnis berufen.

Diese Drohnenangriffe würden vielfach auch in der Region Hadramout, der Wohngegend der Kläger zu 2) und 3), durchgeführt, da dort die AQAP besonders stark sei. Als Bewohner der Region Hadramout befänden die Kläger sich in ständiger Lebensgefahr durch die Drohnenangriffe. Die Angst vor den Drohnenangriffen traumatisiere eine ganze Generation. Bei einem solchen Angriff am 29.08.2012 seien ihre nahen Verwandten X. B. B1. K. , von Beruf Polizist, und T. B2. B1. K. , muslimischer Geistlicher, ums Leben gekommen. T. B2. B1. K. habe am vorangegangen Freitag in der Moschee die Taten Al-Qaidas angeprangert. Er sei daraufhin am 28.08.2012 von Al-Qaida-Mitgliedern angesprochen und zu einem Treffen zur Aussprache aufgefordert worden. Als er zu diesem Treffen, begleitet von seinem Cousin, erschienen sei, sei es zu dem Drohnenangriff gekommen, bei dem die anwesenden Personen durch insgesamt vier Raketen getötet worden seien. Eine besondere Gefährdung der Kläger ergebe sich heute auch daraus, dass sie mögliches Ziel sogenannter "signature strikes" seien. Der Stamm, dem sie angehörten, habe im Rahmen von Familienfeiern Verhaltensmuster, die einen "signature strike" auslösen könnten. Die Gefährdung des Klägers zu 1) ergebe sich daraus, dass er sich regelmäßig in Hadramout aufhalte und seine Familie dort lebe.

Die Kläger sind der Ansicht, die Klage sei als allgemeine Leistungsklage auf Einschreiten der Beklagten gegen die ihrer Ansicht nach völkerrechtswidrige Nutzung der Air Base Ramstein durch die USA zulässig. Die Klagebefugnis folge daraus, dass die grundrechtliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG den Klägern einen Anspruch gegen die Beklagte vermittele. Die Kläger seien aufgrund der dargestellten Gefährdungslage auch selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen. Die Anforderungen an die Gefahrenintensität seien bei Gefährdungen des Schutzguts Leben nur niedrig anzusetzen. Weiterhin seien sie durch die ständige Angst vor Drohnenangriffen schon jetzt in ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit verletzt.

Die Klage sei auch begründet. Es sei allgemein anerkannt, dass das Grundrecht auf Leben auch eine Schutzpflicht des deutschen Staates begründe. Danach sei der Staat verpflichtet, die Grundrechte vor Einwirkungen Dritter - auch fremder Staaten - zu schützen.

Die Kläger seien Grundrechtsträger, da das Grundrecht auf Leben aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein Jedermann-Grundrecht sei. Auch als im Ausland lebende Ausländer könnten sie sich gegenüber der Beklagten auf dieses Grundrecht berufen, da Art. 1 Abs. 3 GG deutlich mache, dass die Grundrechte territorial umfassend Anwendung fänden. Die erforderliche Gebietsbezogenheit ergebe sich aus der Nutzung der Air Base Ramstein für den Drohnenkrieg, da damit deutsches Territorium für die völkerrechtswidrigen Handlungen genutzt würde und die Bundesregierung hiergegen einschreiten müsse. Es sei anerkannt, dass die deutsche Rechtsordnung auch Rechtsgüter im Ausland schütze. Die Schutzpflicht ergebe sich ferner aus Art. 2 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 25 GG. Denn der Drohnenkrieg sei völkerrechtswidrig. Es handele sich nicht um einen bewaffneten Konflikt, so dass das humanitäre Völkerrecht, das unter Umständen auch die Tötung Unbeteiligter zulasse, nicht zur Anwendung komme. Gegen das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts spreche, dass die USA sich nach eigener Auffassung in einem räumlich nicht begrenzten Konflikt mit Al-Qaida befänden. Nach weit überwiegender Auffassung müssten Konflikte im Sinne des Völkerrechts jedoch räumlich begrenzt sein. Weiterhin fehle es den von den USA bekämpften Konfliktparteien an einem hinreichenden Organisationsgrad. Denn es sei allgemein bekannt, dass Al-Qaida und auch AQAP, als Teil hiervon, dezentral organisiert seien und gerade keine klassischen Kommandostrukturen kennen würden. An dieser Lage habe sich durch die jüngeren Ereignisse im Jemen im Ergebnis nichts geändert. Sei der Drohnenkrieg damit völkerrechtswidrig, so folge daraus eine völkerrechtliche Verpflichtung der Beklagten, dessen Durchführung von ihrem Territorium aus nicht zu dulden. Dafür sei es wiederum unerheblich, dass sie behaupte, über keine gesicherten Erkenntnisse zu verfügen. Schließlich werde die Verantwortlichkeit nicht dadurch ausgeschlossen, dass die USA eigenverantwortlich und hoheitlich tätig würden. Denn es bestehe die ausreichende Möglichkeit bestimmenden Einflusses der Bundesrepublik. Diese müsse entweder die stationierungsrechtlichen Grundlagen zum Einsatz bringen oder - sollten diese nicht ausreichen - Anträge auf Revision des Nato-Truppenstatuts stellen, um entsprechend auf die USA einwirken zu können. Ferner käme in Betracht, die den US-Truppen zur Nutzung der Satelliten-Relais-Station erteilten Frequenzen zurückzuziehen. Alleine der politische Austausch mit den USA würde die grundrechtliche Schutzpflicht jedenfalls nicht erfüllen.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen, die Nutzung der Air Base Ramstein, insbesondere der Satelliten-Relais-Station, durch die Vereinigten Staaten von Amerika für Einsätze von unbemannten Fluggeräten, von denen aus Raketen zur Tötung von Personen abgeschossen werden, auf dem Gebiet der Republik Jemen (Region Hadramout), insbesondere im Distrikt Al-Qutn, in der Ortschaft Khashamer und an den Wohnanschriften der Kläger zu 2) und 3) durch geeignete Maßnahmen, insbesondere Einleitung von Konsultationen zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten über die Anwendung der Art. 35, 60 des Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut, durch Anwendung diplomatischer Mittel, Einleitung der Streitbeilegungsverfahren nach dem Nato-Truppenstatut und dem Zusatzabkommen hierzu, Zurückziehung der Zuteilung der Funkfrequenzen für den Funkverkehr der Satelliten-Relais-Station auf der Air Base Ramstein, Kündigung der Nutzungsvereinbarung über die Air Base Ramstein, Einleitung der Revision des Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut, Einleitung der Revision des Nato-Truppenstatuts zu unterbinden;

hilfsweise

festzustellen, dass das Unterlassen von geeigneten Maßnahmen, insbesondere der vorstehend bezeichneten Art, zur Unterbindung der Nutzung der Air Base Ramstein, insbesondere der Satelliten-Relais-Station, durch die Vereinigten Staaten von Amerika für Einsätze von unbemannten Fluggeräten, von denen aus Raketen zur Tötung von Personen abgeschossen werden, auf dem Gebiet der Republik Jemen (Region Hadramout), insbesondere an den vorstehend bezeichneten Orten, rechtswidrig ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Klage sei schon unzulässig. Es fehle den Klägern am Rechtsschutzbedürfnis, da sie der Sache nach diplomatischen Schutz begehrten, dessen Voraussetzungen jedoch evident nicht vorlägen. Jedenfalls fehle es an der nach § 42 Abs. 2 VwGO analog zu fordernden Klagebefugnis. Es lägen ihr keine gesicherten Erkenntnisse darüber vor, dass die Air Base Ramstein für die Drohneneinsätze genutzt werde. Die US-Regierung, mit der sie in einem intensiven Dialog stehe, habe stets bekundet, dass von Deutschland aus keine Drohnen befehligt oder gesteuert würden und Deutschland auch nicht Ausgangspunkt der Drohnenangriffe sei. Die USA hätten wiederholt versichert, dass jedwedes Handeln auf deutschem Boden nach geltendem Recht erfolge. Schon diese Tatsachenlage schließe das Bestehen einer Schutzpflicht aus. Aber selbst unterstellt, die Satelliten-Relais-Station würde zur Durchführung der Drohneneinsätze genutzt, bestünde keine Schutzpflicht, da die Beklagte nach dem einschlägigen Stationierungsrecht keine rechtliche Grundlage für ein Einschreiten gegen diese Nutzung habe. Der Bau der Station sei im sogenannten Truppenbauverfahren und damit rechtlich einwandfrei ohne deutsche Baugenehmigung errichtet worden. Die deutschen Kontrollbefugnisse würden gerade keine Kontrolle von Kommunikationsdaten erlauben. Es sei auch nicht Aufgabe der Beklagten, als Weltstaatsanwaltschaft gegenüber anderen souveränen Staaten aufzutreten. Vielmehr seien die USA und der Jemen die beiden handelnden und damit allein verantwortlichen Staaten. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Art. 25 GG. Denn dieser enthalte gerade keine Verpflichtung der Beklagten, sich als Hüterin des Völkerrechts zu gebärden. Schließlich sei auch - höchst hilfsweise - entgegen dem Vortrag der Kläger das humanitäre Völkerrecht auf den Drohneneinsatz im Jemen anwendbar, da dort ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt unter Beteiligung der USA und AQAP bestehe. Durch die Nutzung Ramsteins werde auch keine völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Bundesrepublik ausgelöst, die mehr als das bisherige Bemühen der Beklagten zur Sachaufklärung voraussetze. Völkerrechtliche Verantwortlichkeit für Beihilfehandlungen setze nach dem Entwurf der International Law Commission positive Kenntnis des Unterstützerstaates und Zweckgerichtetheit der Unterstützungsleistung voraus. An beidem fehle es.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtakte Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

A.

Die Klage ist mit dem Hauptantrag als allgemeine Leistungsklage zulässig.

Die Kläger sind im Ergebnis in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer sich anschließt, ist anerkannt, dass auch die Zulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage zur Ausschaltung von Popularklagen eine mögliche Rechtsbeeinträchtigung voraussetzt,

vgl. BVerwG, Urteil vom 28.10.1970 - 6 C 48.68 - BVerwGE 36, 192 (199); Beschluss vom 01.09.1976 - 7 B 101.75 - NJW 1977, 118; Urteil vom 17.01.1980 - 7 C 42.78 - BVerwGE 59, 319 (326); Beschluss vom 05.02.1992 - 7 B 15/92 - NVwZ-RR 1992, 371.

Die Klagebefugnis ist dabei nur dann auszuschließen, wenn die von den Klägern behaupteten Rechte offensichtlich nicht bestehen oder ihnen nach keiner Betrachtungsweise zustehen können,

vgl. schon grundlegend BVerwGE, Urteil vom 20.03.1964 - 7 C 10.61 - juris Rz. 21, für die Leistungsklage BVerwG, Urteil vom 28.10.1970 - 6 C 48/68 - BVerwGE 36, 192 (199).

Es erscheint vorliegend nicht von vorneherein und nach jeder erdenklichen Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass die Beklagte die Kläger in ihren Rechten verletzt.

Zwar liegt kein Eingriff der Beklagten in Grundrechte der Kläger vor. Denn die Drohnenangriffe werden von den USA mit Zustimmung der jemenitischen Regierung durchgeführt. Sowohl die USA als auch der Jemen sind jedoch nicht an die Grundrechte des deutschen Grundgesetzes gebunden. Auch die Kläger behaupten nicht, dass die Drohneneinsätze der USA der Beklagten als eigener Grundrechtseingriff zugerechnet werden könnten.

Die Kläger können jedoch die Möglichkeit der Verletzung einer grundrechtlichen Schutzpflicht durch die Beklagte geltend machen, die - jedenfalls für das Recht auf Leben - allgemein anerkannt ist,

vgl. nur BVerfG, Urteil vom 25.02.1975 - 1 BvF 1/74 u. a. - BVerfGE 39, 1 (24) und allgemein Calliess, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte Bd. II, 2006, § 44 Rz. 5 ff.

und die nach heute ganz einhelliger Auffassung auch nicht lediglich eine objektivrechtliche Dimension der Grundrechte sondern einen individualrechtlich durchsetzbaren Anspruch begründet,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.10.1987 - 2 BvR 624, 1080, 2029/83 - BVerfGE 77, 170 (214 f.); BVerfG, Beschluss vom 30.11.1988 - 1 BvR 1301/84 - BVerfGE 79, 174 (201 f.).

Es steht dem Bestehen der Schutzpflicht nicht von vorneherein entgegen, dass vorliegend Grundrechtsschutz durch einen im Ausland lebenden Ausländer begehrt wird.

Die Kammer folgt nicht der in der Literatur vertretenen Auffassung, extraterritoriale Geltung könnten Grundrechte allenfalls dann entfalten, wenn der deutsche Staat über fremdes Territorium Herrschaftsgewalt ausübe. Anderenfalls seien "gänzlich inakzeptable Konsequenzen zu befürchten",

so Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG Bd. IV, Art. 59, Rz. 230.

Es sei "absurd" würde man eine Grundrechtsbindung der deutschen Staatsgewalt bei jedem Tätigwerden im Ausland annehmen,

Isensee, in Handbuch des Staatsrechts Bd. V, Allgemeine Grundrechtslehren, § 115 Rz. 90, Fn. 201.

Dieser Ansicht liegt ein staatstheoretisches Verfassungsverständnis zu Grunde, nach dem Grundrechte sich nicht gleichsam als Schutzmantel über jeden Menschen legten, sondern Bestandteil eines besonderen, durch die Verfassung begründeten Rechtsverhältnisses seien, durch das legitime Herrschaft ermöglicht, aber zugleich beschränkt würde. Die Schutzpflichten werden in dieser Konzeption insbesondere aus dem staatlichen Gewaltmonopol abgeleitet. Wenn der Staat es dem Bürger weitgehend verbiete, zur Durchsetzung seiner Interessen Gewalt anzuwenden, so müsse der Staat zugleich den Bürger vor rechtswidrigen Angriffen Dritter schützen. In der Konsequenz dieser Auffassung liegt es, dass im Verhältnis zu im Ausland lebenden ausländischen Staatsangehörigen, denen der deutsche Staat gerade kein Gewaltverbot auferlegt, auch keine Schutzpflichten bestehen können.

Die überwiegende Auffassung, der sich die Kammer anschließt, geht demgegenüber davon aus, dass die Grundrechte die deutsche Staatsgewalt auch bezüglich im Ausland gelegener Schutzgüter verpflichtet, soweit ein hinreichend konkreter Bezug zur eigenen hoheitlichen Tätigkeit vorliegt,

vgl. BVerfG, Urteil vom 14.07.1999 - 1 BvR 2226/94, 1 BvR 2420/95, 1 BvR 2437/95 - BVerfGE 100, 313 (356); Badura, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte Bd II, 2006, § 47, Rz. 21 ff.; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG I, Art. 1 Abs. 3 Rz. 71 ff., Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 1 Rz. 44; Kahl, in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 169. Aktualisierung 2014, Art. 1 Abs. 3 Rz. 210.

Denn die Grundrechte sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht eine staatliche "Gegenleistung" für dessen Gewaltmonopol, sondern wesentlicher Teil einer objektiven Werteordnung. Auf diese wird die deutsche Staatsgewalt durch das Grundgesetz verpflichtet, unabhängig davon, wo sich ihre Handlungen oder Unterlassungen konkret auswirken. Dem entspricht es, dass der Text des Grundgesetzes keine Anhaltspunkte für eine einschränkende Auslegung bietet. Art. 1 Abs. 3 GG, der die Bindung der hoheitlichen Gewalt an die Grundrechte vorgibt, sieht keine räumliche Beschränkung vor. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG normiert ein sogenanntes Jedermann-Grundrecht.

Es ist auch nicht ersichtlich, inwieweit diese Grundrechtsbindung der deutschen Staatsgewalt zu "unerträglichen Konsequenzen" führen sollen. Denn auch wenn die extraterritoriale Grundrechtsbindung dem Grunde nach bejaht wird, so sind bei der konkreten Schutzintensität je nach Einzelfall die extraterritorial oftmals begrenzten Handlungsmöglichkeiten, die außenpolitischen Rahmenbedingungen und die völkerrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Die von den Vertretern der Gegenauffassung zur Begründung geltend gemachten Probleme des Grundrechtsschutzes im bewaffneten Konflikt lassen sich durch eine konsequente Anwendung der Regeln des humanitären Völkerrechts auf der Ebene der Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs bewältigen.

Ob ein in dem Sinne der herrschenden Meinung hinreichender territorialer Bezug vorliegt, ist keine Frage der Klagebefugnis sondern eine solche der Begründetheit der Klage.

Es steht der Klagebefugnis weiterhin nicht entgegen, dass es noch zu keinen Verletzungen des grundrechtlichen Schutzguts "Leben" bei den Klägern gekommen ist. Es folgt aus der Natur des durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechtsguts "Leben", dass eine einmal erfolgte Verletzung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Bei Gefährdungen dieses Rechts kann dem Grundrechtsträger grundsätzlich kein Abwarten eines Schadenseintritts zugemutet werden

Vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 15.02.2006 - 1 BvR 357/05 - BVerfGE 115, 118 (137) .

Für die Zulässigkeit einer Klage ist in solchen Zusammenhängen nur erforderlich, dass eine hinreichende Schadenseintrittswahrscheinlichkeit besteht. An diese dürfen bei dem hochwertigen Schutzgut "menschliches Leben" nur geringe Anforderungen gestellt werden.

Gemessen an diesen Maßstäben ist vorliegend eine hinreichend konkrete Gefährdung zu bejahen. Die Kläger zu 2) und zu 3) sind jeweils in der Region Hadramout im Jemen wohnhaft, der Kläger zu 1) hält sich dort nach eigenem Vortrag regelmäßig auf. Die Region ist einer der Schwerpunkte der US-amerikanischen Drohneneinsätze. Zahlreiche solche Angriffe sind insbesondere in englischsprachigen Medien dokumentiert. In der Region kam es auch nach Angaben der Kläger im August 2012 zu dem Drohneneinsatz, bei dem zwei ihrer Angehörigen ums Leben kamen und sich der Kläger zu 2) auch in direkter räumlicher Nähe zu den Explosionen aufhielt. Es kann vor diesem Hintergrund nicht ausgeschlossen werden, dass es erneut zu Drohnenangriffen in unmittelbarer räumlicher Nähe zu den Klägern kommt.

Der Klagebefugnis steht es auch nicht etwa entgegen, dass seit der weitgehenden Eroberung des Landes durch die "Houthi-Rebellen" keine Drohnenangriffe mehr geflogen würden. Vielmehr gab es im April 2015 nach Medienberichten mehrere weitere US-amerikanische Drohnenangriffe in der Region Hadramout. Die fortdauernde, ausgesprochen prekäre Lage im Jemen erlaubt jedenfalls keine gesicherten Erkenntnisse, dass es in Zukunft nicht zu US-amerikanischen Drohneneinsätzen kommen wird, die das Leben der Kläger in Gefahr bringen könnten.

Der Zulässigkeit des Hauptantrags steht es schließlich nicht entgegen, dass der Klageantrag nicht hinreichend bestimmt wäre. Die Kläger haben diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung präzisiert, so dass die diesbezüglichen Bedenken der Beklagten ausgeräumt sein dürften.

Im Übrigen muss eine Leistungsklage zwar grundsätzlich einen vollstreckbaren Antrag zum Gegenstand haben. Machen die Kläger jedoch - wie hier - die Verletzung einer grundrechtlichen Schutzpflicht geltend, bei deren Erfüllung dem Staat ein erheblicher Spielraum zukommt, so sind sie von vorneherein darauf beschränkt, ein Tätigwerden des Staates zu verlangen, ohne dass sie insofern Anspruch auf eine bestimmte Handlung haben können.

B.

Die Klage ist allerdings mit dem Hauptantrag unbegründet.

Die Kläger haben keinen Anspruch gegen die Beklagte, dass diese die Nutzung der Air Base Ramstein, insbesondere der Satelliten-Relais-Station, durch die Vereinigten Staaten von Amerika für Einsätze von unbemannten Fluggeräten, von denen aus Raketen zur Tötung von Personen abgeschossen werden, auf dem Gebiet der Republik Jemen (Region Hadramout) unterbindet.

Denn auch wenn von der Nutzung der Air Base Ramstein zur Durchführung der Drohneneinsätze der US-Armee im Jemen ausgegangen wird (dazu unter I.), werden die Anforderungen, die die grundrechtliche extraterritoriale Schutzpflicht an die Beklagte stellt (II.), durch diese erfüllt (III.).

I. Die Kammer unterstellt zu Gunsten der Kläger, dass im vorliegenden Fall ein ausreichender territorialer Bezug besteht, der geeignet ist, die Schutzpflicht auszulösen. Die Kläger tragen hierfür vor, dass aufgrund der deutschen Genehmigung und Duldung der Nutzung der auf deutschem Bundesgebiet liegenden Air Base Ramstein durch die US-amerikanischen Streitkräfte ein solcher territorialer Bezug bestünde. Die Beklagte habe hiervon auch ausreichende Kenntnis. Die Kläger stützen diese Behauptung auf zahlreiche Medienberichte und die Aussage eines ehemals mit den Drohneneinsätzen befassten US-amerikanischen Soldaten. Hieraus ergebe sich übereinstimmend, dass die Einsatzpiloten der Drohnen zwar in den USA säßen, die Satelliten-Relais-Station in Ramstein jedoch derzeit notwendiger Bestandteil des Drohnenkriegs sei. Auch die Art der Anzeige der Errichtung der Satelliten-Relais-Station seitens der USA an die Beklagte spreche hierfür. Die Beklagte hat dies nicht substantiell bestritten, sondern lediglich ausgeführt, sie habe "keine gesicherten Informationen" über eine solche Nutzung. Die von der Beklagten zitierten Antworten der US-Regierung auf entsprechende Anfragen schließen lediglich aus, dass die Drohnen direkt aus Deutschland gesteuert oder gestartet würden. Weitere Anfragen an die USA sind bisher erfolglos geblieben.

Aber auch wenn man annimmt, dass sich die Kläger grundsätzlich auf die grundrechtliche Schutzpflicht berufen können, besteht keine Handlungspflicht für die Regierung im Sinne des klägerischen Hauptantrages. Denn deren bisheriges Handeln genügt den Mindestanforderungen zur Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflichten.

II. Die Kammer lässt sich bei der Bestimmung des Rahmens für die gerichtliche Überprüfung der grundrechtlichen Schutzpflicht von folgenden Erwägungen leiten:

1. Grundrechtliche Schutzpflichten begründen für die hoheitliche Gewalt grundsätzlich keine konkreten Handlungspflichten. Die Verfassung gibt den Schutz als Ziel vor, nicht aber seine Ausgestaltung im Einzelnen.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 28.05.1993 - 2 BvF 2/90 u.a. - BVerfGE 88, 203 (254).

Dabei kommt der jeweils zuständigen staatlichen Gewalt ein weiter Spielraum zu, wie sie dieses Ziel verfolgt. Den Gerichten ist es verwehrt, ihre eigene Einschätzung, wie die Schutzpflicht zweckmäßig erfüllt werden sollte, an die Stelle des jeweils handelnden Organs zu setzen. Diese Zurücknahme der gerichtlichen Kontrolldichte folgt insbesondere aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung. Die Schutzpflichtenlehre bedeutet - als weitere Leistungsdimension der Grundrechte - ohnehin eine Erweiterung der gerichtlichen Kontrolle legislativen oder exekutivischen Tuns und Unterlassen. Würden die Gerichte ihre Wertung über die Zweckmäßigkeit einer Schutzmaßnahme an die Stelle der jeweils handelnden Stelle setzen, würde aus der grundgesetzlich vorgesehenen Rechtmäßigkeitskontrolle durch die Gerichte eine mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung nicht vereinbare umfassende Zweckmäßigkeitskontrolle und im Ergebnis Letztentscheidungskompetenz der Judikative.

Das Bundesverfassungsgericht führt hierzu in ständiger Rechtsprechung aus:

"Dem Gesetzgeber wie der vollziehenden Gewalt kommt bei der Erfüllung dieser Schutzpflichten ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich zu, der auch Raum lässt, etwa konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Diese weite Gestaltungsfreiheit kann von den Gerichten je nach Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden und der Bedeutung der auf dem Spiele stehenden Rechtsgüter nur in begrenztem Umfang überprüft werden (vgl. BVerfGE 50, 290 (332 f.). Der mit einer solchen Schutzpflicht verbundene grundrechtliche Anspruch ist im Blick auf diese Gestaltungsfreiheit nur darauf gerichtet, dass die öffentliche Gewalt Vorkehrungen zum Schutze des Grundrechts trifft, die nicht gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind. Nur unter ganz besonderen Umständen kann sich diese Gestaltungsfreiheit in der Weise verengen, dass allein durch eine bestimmte Maßnahme der Schutzpflicht Genüge getan werden kann."

So BVerfG, Beschluss vom 28.10.1987 - 2 BvR 624, 1080, 2029/83 - BVerfGE 77, 170 (214 f.).

Es hat diese Rechtsprechung später in Richtung eines Untermaßverbots weiter entwickelt und festgestellt:

"Art und Umfang des Schutzes im Einzelnen zu bestimmen, ist Aufgabe des Gesetzgebers. Die Verfassung gibt den Schutz als Ziel vor, nicht aber seine Ausgestaltung im Einzelnen. Allerdings hat der Gesetzgeber das Untermaßverbot zu beachten (vgl. zum Begriff Isensee in: Handbuch des Staatsrechts, Band V, 1992, § 111 Rdnrn. 165 f.); insofern unterliegt er der verfassungsgerichtlichen Kontrolle. Notwendig ist ein - unter Berücksichtigung entgegenstehender Rechtsgüter - angemessener Schutz; entscheidend ist, dass er als solcher wirksam ist. Die Vorkehrungen, die der Gesetzgeber trifft, müssen für einen angemessenen und wirksamen Schutz ausreichend sein und zudem auf sorgfältigen Tatsachenermittlungen und vertretbaren Einschätzungen beruhen."

So BVerfG, Urteil vom 28.05.1993 - 2 BvF 2/90 u.a. - BVerfGE 88, 203 (254).

Beide Obersätze hat es in späteren Entscheidungen zusammengeführt:

"Der Staat muss Maßnahmen normativer und tatsächlicher Art treffen, die dazu führen, dass ein unter Berücksichtigung entgegenstehender Rechtsgüter angemessener und wirksamer Schutz erreicht wird (Untermaßverbot; vgl. BVerfGE 88, 203 ). Dem Gesetzgeber steht jedoch bei der Erfüllung dieser Schutzpflicht ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich zu, der auch Raum lässt, etwa konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Das Bundesverfassungsgericht kann eine Verletzung der Schutzpflicht daher nur dann feststellen, wenn die staatlichen Organe gänzlich untätig geblieben sind oder wenn die bisher getroffenen Maßnahmen evident unzureichend sind (BVerfGE 56, 54 ; 77, 170 ; 79, 174 )."

So BVerfG, Kammerbeschluss vom 29.11.1995 - 1 BvR 2203/95 - NJW 1996, 651.

Die Kammer versteht diese Rechtsprechung dahingehend, dass der staatlichen Gewalt bei der Erfüllung einer Schutzpflicht ein erheblicher Spielraum zukommt, der von den Gerichten nur im Wege einer Evidenzkontrolle zu überprüfen ist. Dabei kommt die Annahme einer offenkundig untauglichen oder evident unzureichenden Maßnahme nur in Betracht, wenn das gewählte Mittel entweder nicht im Entferntesten geeignet ist, das angestrebte Ziel zu erreichen oder dieses Mittel - im Vergleich mit anderen zur Verfügung stehenden Mitteln und unter Berücksichtigung der davon berührten Interessen - eine nicht mehr hinnehmbare deutlich niedrigere Wahrscheinlichkeit des Schutzes des grundrechtlichen Schutzguts aufweist.

2. Zu berücksichtigen ist ferner, dass sich der ohnehin erhebliche Spielraum der staatlichen Hoheitsgewalt erweitert, wenn, wie vorliegend, Schutz vor Grundrechtsbeeinträchtigungen im Ausland gewährt werden soll. In außenpolitischen Angelegenheiten besteht grundsätzlich ein weiter Spielraum der Exekutive. Dies ergibt sich schon daraus, dass bei Sachverhalten mit Auslandsbezug die konkreten Einflussmöglichkeiten der Bundesrepublik meist deutlich beschränkt sind. Soweit danach überhaupt Einflussmöglichkeiten der deutschen Staatsgewalt bestehen, kann der Einzelne lediglich deren Einsatz im Rahmen der pflichtgemäßen politischen Entscheidung und Verantwortung der zuständigen deutschen Organe einfordern,

vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 16.12.1980 - 2 BvR 419/80 - BVerfGE 55, 349 (360); BVerfG, Beschluss vom 16.12.1983 - 2 BvR 1160/83 u. a. - BVerfGE 66, 39 (60 ff.); BVerfG, Urteil vom 10.01.1995 - 1 BvF 1/90 u. a. - BVerfGE 92, 26 (47).

Denn in außenpolitischen Angelegenheiten sind regelmäßig zahlreiche unterschiedliche Faktoren, wie die Beziehungen zu anderen Staaten, völkerrechtliche Verpflichtungen und diverse gegenläufige außenpolitische Interessen zu berücksichtigen. Dies gilt nicht lediglich für Vertragsverhandlungen, bei denen sich die vertraglichen Vereinbarungen auf das politisch Erreichbare beschränken, sondern für außenpolitisches Handeln insgesamt, weil die Gestaltung auswärtiger Verhältnisse und Geschehensabläufe nicht allein vom Willen der Bundesrepublik abhängt,

siehe BVerfG, Beschluss vom 04.09.2008 - 2 BvR 1720/03 - BVerfGK 14, 192.

Die Bindungswirkung deutscher Grundrechte kann sich nur im Rahmen völkerrechtlich gesicherter oder faktisch in Anspruch genommener Gestaltungsmöglichkeiten der Bundesrepublik entfalten,

vgl. Herdegen, in Maunz/Dürig, Grundgesetz I, Art. 1 Abs. 3 Rz. 72.

3. Ferner können sich Ausländer, die im Ausland leben, nicht über die allgemeinen grundrechtlichen Schutzpflichten hinaus auf die in der Verfassungstradition wurzelnde Pflicht des deutschen Staates, seinen im Ausland lebenden Staatsangehörigen diplomatischen Schutz zukommen zu lassen, berufen. Dies können staatliche Organe in der Ermessensentscheidung über die Schutzpflichtgewährung jedenfalls dahingehend berücksichtigen, dass ein Ausländer ohne einen Bezug zum deutschen Staat einen weiter abgeschwächten Anspruch auf Schutzgewährung hat,

vgl. zum Ganzen: Kleinlein/Rabenschlag, Auslandsschutz und Staatsangehörigkeit, ZaöRV 67 (2007), S. 1277 ff.

4. Dabei kann daraus, dass ergriffene Schutzmaßnahmen das Ziel nicht erreicht haben, nicht gefolgert werden, dass nunmehr ein Anspruch auf weitergehende Maßnahmen bestünde. Es bleibt auch insofern der Einschätzung und Abwägung der auswärtigen Gewalt überlassen, inwieweit sie andere Maßnahmen für geeignet und unter Berücksichtigung des Schutzguts und der Belange der Allgemeinheit für angebracht hält,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.12.1980 - 2 BvR 419/80 - BVerfGE 55, 349 (366).

5. Schließlich äußert sich der erhebliche Spielraum der auswärtigen Gewalt auch darin, dass es den innerstaatlichen Gerichten verwehrt ist, völkerrechtliche Beurteilungen der auswärtigen Gewalt unbeschränkt zu überprüfen. Zwar sind auch Entscheidungen der auswärtigen Gewalt nicht generell der Beurteilung durch deutsche Gerichte entzogen,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.08.2013 - 2 BvR 2660/06 - juris Rz. 55.

Die innerstaatlichen Gerichte können völkerrechtliche Einschätzungen der Bundesregierung, die einem Tätigwerden gegenüber dritten Staaten zugrundeliegen, jedoch nur darauf überprüfen, ob sich die Einnahme der fraglichen Rechtsposition als vertretbar gegenüber dem Bürger darstellt,

BVerfG, Beschluss vom 16.12.1980 - 2 BvR 419/80 - BVerfGE 55, 349 (367 f.).

Diese Einschränkung der Rechtmäßigkeitskontrolle durch die Gerichte liegt in der nach wie vor in der Völkerrechtsordnung nur rudimentär entwickelten Möglichkeit begründet, im Streitfall die richtige Auslegung des Völkerrechts verbindlich feststellen zu lassen. Daraus folgt eine besondere Bedeutung des jeweiligen Rechtsstandpunkts der durch ihre Regierungen repräsentierten Staaten. Diese würde durch eine unbeschränkte innerstaatliche gerichtliche Kontrolle ihres außenpolitischen Handelns konterkariert. Wird die Erfüllung von grundrechtlichen Schutzpflichten mit Verstößen eines anderen Staates gegen Völkerrecht begründet, sind die Gerichte demnach darauf beschränkt zu überprüfen, ob die von der Bundesregierung eingenommene Position sich als vertretbar darstellt. Kommt die Bundesregierung auf Grundlage der vorhandenen Tatsachenbasis rechtlich vertretbar zu dem Ergebnis, es lasse sich kein Verstoß des fremden Staats gegen Völkerrecht feststellen, können sich die Schutzmaßnahmen für das Grundrechtsgut auf konsensuale Einwirkungsversuche beschränken.

III. Gemessen an dem Maßstab der dem Gericht nach Vorstehendem nur möglichen Rechtskontrolle, ob die Beklagte auf der Basis einer zumindest vertretbaren völkerrechtlichen Einschätzung (1.) gänzlich untätig geblieben ist (2.) oder ob die bisher getroffenen Maßnahmen evident unzureichend sind (3.), kann die Beklagte nicht zu der im Klageantrag formulierten Betätigung verurteilt werden.

1. Dagegen spricht schon, dass die Bundesregierung vorliegend vorträgt, mangels zur Verfügung stehender und auch nicht beschaffbarer Informationen keine abschließende Beurteilung der Völkerrechtskonformität der Drohneneinsätze im Jemen vornehmen zu können. Ausreichende Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das nach ihrer Auffassung Anwendung findenden humanitäre Völkerrecht sieht sie nicht. Diese Beurteilung der völkerrechtlichen Situation im Jemen stellt sich - entsprechend dem oben entwickelten Prüfungsmaßstab - als vertretbar und frei von Willkür dar. Denn es dürfte im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung Überwiegendes dafür sprechen, dass im Jemen - und zwar im gesamten Staatsgebiet - derzeit ein nicht internationaler bewaffneter Konflikt im Sinne des gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Konventionen und des Zweiten Zusatzprotokolls vom 8. Juni 1977 zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte herrscht. Im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kämpfen die Truppen der von Saudi-Arabien angeführten Koalition auf Seiten der gewählten Regierung gegen die sogenannten Houthi-Rebellen, die weite Teile des Landes unter ihre Kontrolle gebracht haben, und gegen die AQAP, die zwischenzeitlich wohl wesentliche Teile der Region Hadramout beherrscht. Es spricht derzeit ganz Überwiegendes dafür, dass AQAP einen ausreichenden Organisationsgrad aufweist, um Konfliktpartei eines nicht internationalen bewaffneten Konflikts im Sinne des humanitären Völkerrechts zu sein. Dafür spricht sowohl ihre militärische Schlagkraft und die Fähigkeit, gezielte militärische Aktionen durchzuführen, als auch ihre derzeit wohl bestehende territoriale Herrschaftsgewalt über die Provinz Hadramout. Es erscheint auch vertretbar, mit der Beklagten davon auszugehen, dass die USA in diesem Konflikt die jemenitische Regierung durch die Drohneneinsätze gegen AQAP unterstützen. Denn die Drohnenangriffe erfolgen im Einvernehmen und in Abstimmung mit der jemenitischen Regierung und wenden sich gegen einen gemeinsamen Gegner. Ob sich die USA darüber hinaus in einem weltweiten Krieg gegen den Terror sehen, dürfte für die Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts unerheblich sein, da die Anwendbarkeit der Genfer Konvention nicht von den subjektiven Absichten der handelnden Akteure abhängig ist.

Geht die Bundesregierung damit in vertretbarer Weise von der Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts aus, so ist ihre Ansicht, dass die USA durch die Drohneneinsätze im Jemen derzeit hiergegen nicht verstoßen, gerichtlich nicht zu beanstanden. Zwar kommt es bei den Drohneneinsätzen auch zu der Tötung von Zivilisten. Dies bedeutete jedoch erst dann einen Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht, wenn diese Angriffe unterschiedslos erfolgten oder durch den Angriff auf ein legitimes militärisches Ziel nicht verhältnismäßige Schäden in der Zivilbevölkerung in Kauf genommen würden. Der Präsident der USA hat in einer Rede im Mai 2013 erklärt, dass Drohneneinsätze nur erfolgen würden, wenn "near certainty" bestünde, dass hierbei keine Zivilisten getötet würden. Ein solcher Maßstab wäre mit humanitärem Völkerrecht vereinbar. Die Bundesregierung geht davon aus, dass diese Richtlinien generell eingehalten werden. Es ist der Bundesregierung dabei von vorneherein in tatsächlicher Hinsicht unmöglich, die US-amerikanische Praxis des Drohnenkriegs im Einzelfall zu überprüfen. Denn die Auswahl der Ziele der Drohnen erfolgt streng geheim und ohne dass die Bundesregierung von den jeweils zu Grunde liegenden Kriterien Kenntnis erlangen würde. Zwar haben zwischenzeitlich mehrere Menschenrechtsorganisationen Zweifel angemeldet, ob die USA diese Richtlinien ausreichend konsequent anwendeten,

vgl. etwa Open Justice Society, Death by Drone, Civilian Harm Caused by U.S. Targeted Killings in Yemen, April 2015.

Auch diese Berichte äußern jedoch nur Zweifel an der Rechtmäßigkeit einzelner Drohneneinsätze, die größtenteils vor der Rede des US-Präsidenten im Mai 2013 erfolgten. Soweit die Drohnenangriffe danach erfolgten, ergibt sich aus dem Bericht, dass auch die Verfasser des Berichts davon ausgehen oder zumindest nicht ausschließen können, dass durch den Angriff AQAP-Mitglieder getötet wurden. Insoweit dürfte es sich dabei jeweils um legitime militärische Ziele im Sinne des humanitären Völkerrechts gehandelt haben, die von den USA gezielt angegriffen wurden. Dass bei den Angriffen auch Unbeteiligte getötet wurden, führt nach dem oben Ausgeführten nicht ohne weiteres zu einer Völkerrechtswidrigkeit des Angriffs.

Etwas anderes ergibt sich schließlich nicht aus der von den Klägern zitierten Resolution 2051 (2015) der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. Denn diese verurteilt weder generell Drohnenangriffe, noch setzt sie sich konkret mit der Situation im Jemen auseinander.

2. Ausgehend von ihrer gerichtlich nicht zu beanstandenden völkerrechtlichen Auffassung, ist die Beklagte vorliegend nicht gänzlich untätig geblieben. Denn sie hat in Konsultationen mit der amerikanischen Regierung und zahlreichen Anfragen an diese darauf gedrungen, dass die USA die Air Base Ramstein nur in einer geltendem deutschen Recht und Völkerrecht entsprechenden Weise nutzt. Die amerikanische Regierung hat dies auch zugesagt.

3. Dieses von der Beklagten gewählte Mittel ist auch nicht offenkundig untauglich. Politische Konsultationen mit anderen Regierungen sind ein klassisches Mittel der auswärtigen Gewalt, um außenpolitische Interessen durchzusetzen. Zwar lässt sich hiermit fremden Staaten keine Verpflichtung auferlegen. Dies ist aber aufgrund des dem Völkerrecht zugrundliegenden Grundgedankens der souveränen Gleichheit der Staaten auch nicht erforderlich. Es ist der Beklagten dabei (selbstverständlich) nicht verwehrt, in ihre Entscheidung über die konkreten Maßnahmen zur Erfüllung der Schutzpflicht die besondere Bedeutung der Beziehungen zu den USA einzustellen.

Eine offenkundige Untauglichkeit der politischen Konsultationen ergibt sich auch nicht aus einem Vergleich mit den von den Klägern geforderten Mitteln.

Insbesondere erlaubt das Stationierungsrecht in seiner derzeitigen Fassung keine vollständige Rechtmäßigkeitskontrolle der Bundesrepublik der Tätigkeiten fremder Streitkräfte in der Bundesrepublik. Zwar verpflichtet Artikel II des Nato-Truppenstatuts (NTS) die in Deutschland stationierten Streitkräfte dazu, deutsches Recht zu achten. Eine allgemeine, damit korrelierende Befugnis zum ordnungsbehördlichen Einschreiten kennt das Stationierungsrecht jedoch nicht. Art. 49, 53 und 53a des Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut (ZA-NTS) sehen nur sehr beschränkte Einwirkungsmöglichkeiten deutscher Behörden auf die Liegenschaftsnutzung durch fremde Truppen vor. Ein zielgerichtetes Einschreiten, das nur gegen den behauptet rechtswidrigen Teil der Nutzung der Satelliten-Relais-Station gerichtet wäre, ist damit von vorneherein ausgeschlossen. Gleiches gilt für die von den Klägern geforderte Zurückziehung der Zuteilung von Frequenzen für den Satellitenfunkverkehr. Denn unabhängig davon, dass völlig offen ist, ob Art. 60 Abs. 5 ZA-NTS im vorliegenden Fall tatsächlich zur Anwendung gelangen könnte, wäre auch damit jedenfalls kein gezieltes, nur völkerrechtswidrige Drohneneinsätze verhinderndes Eingreifen möglich. Auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, inwieweit Art. II NTS subjektive Rechte des Klägers zu begründen vermag, kommt es nicht an, da die Norm jedenfalls nur den Entsendestaat verpflichtet, nicht aber den Empfängerstaat berechtigt.

Die Kläger haben auch keinen Anspruch, dass die Beklagte gegenüber den anderen Vertragsstaaten auf eine Revision des Nato-Truppenstatus gem. Art. XVII NTS hinwirkt. Unabhängig davon, dass eine solche Initiative politisch wenig erfolgversprechend sein dürfte, liegt die entsprechende Initiativbefugnis ausschließlich bei der Bundesregierung.

Schließlich folgt aus der Schutzpflicht erst recht kein Anspruch auf Kündigung des Vertrags über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland vom 23. Oktober 1954 (BGBl. 1955 II S. 253), der die Stationierung ausländischer Truppen in Deutschland erlaubt, oder des Nato-Truppenstatus gem. Art. XIX NTS. Dabei kann und muss die Beklagte berücksichtigen, dass eine solche Kündigung nicht nur die Nutzung der Satelliten-Relais-Station in der Air Base Ramstein, sondern zwangsläufig zahlreiche andere vitale und ohne weiteres rechtmäßige Interessen der Bundesrepublik in der außen- und verteidigungspolitischen Kooperation schwerwiegend beeinträchtigen würde. Dass die Kläger hierauf keinen Anspruch haben können, liegt auf der Hand.

Vorstehendes gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass nach Presseberichten die USA zwischenzeitlich eine zweite entsprechende Satelliten-Relais-Station auf einer Air Base in Italien errichten wollen,

vgl. Der Spiegel, vom 18.04.2015.

Mit Hilfe dieser weiteren Satelliten-Relais-Station wollen die USA den Drohnenkrieg unabhängig von der Nutzung der Air Base Ramstein fortsetzen können. Selbst eine Kündigung des Nato-Truppenstatuts durch die Bundesrepublik, die gemäß Art. XIX Abs. 3 Satz 1 NTS ein Jahr nach Eingang der Notifizierung bei den USA wirksam würde, könnte demnach zwar den für das Bestehen der deutschen Schutzpflicht erforderlichen territorialen Bezug beseitigen, nicht jedoch das grundrechtliche Schutzgut effektiv schützen. Da aber auch die extraterritoriale Schutzpflicht nicht formal darauf gerichtet ist, den territorialen Bezug zu beseitigen, sondern materiell das grundrechtliche Rechtsgut zu schützen, wäre die Kündigung des Nato-Truppenstatus keine geeignete Maßnahme, um das gewünschte Ziel dauerhaft zu erreichen.

C.

Die Klage ist mit dem gestellten Hilfsantrag unzulässig.

Unabhängig von der Frage, ob zwischen den Beteiligten ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis besteht, ist der Hilfsantrag aufgrund der Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage gem. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO unzulässig. Es führt nicht zur Zulässigkeit der Feststellungsklage, dass der mit der Leistungsklage verfolgte Anspruch nicht besteht. Im Übrigen könnte aber auch die von den Klägern begehrte Feststellung - aufgrund des zur Begründetheit des Hauptantrags Ausgeführten - inhaltlich nicht getroffen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Berufung ist gem. § 124a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Satz 3 VwGO durch das Verwaltungsgericht zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.