OLG Köln, Urteil vom 21.01.2015 - 16 U 99/14
Fundstelle
openJur 2015, 15242
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25.2.2014 verkündete Grund- und Teilurteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 25 O 530/09 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 266.300,97 € festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger ist Träger der S G-Schule, Q Weg XX in S2. Er verlangt von der beklagten Baufirma Schadensersatz wegen eines Überschwemmungsschadens am 19.6.2006. Die Gebr. von der X GmbH (künftig: Beklagte), die mit der Beklagten verschmolzen ist, führte zum Schadenszeitpunkt im Auftrag der Stadtwerke S2 Kanalbauarbeiten (Ausbesserungsarbeiten) am Abwasserkanal im Q Weg durch. Um die Arbeiten während des laufenden Betriebs durchführen zu können und den Arbeitsbereich trocken zu halten, verschlossen ihre Mitarbeiter den Kanal in Fließrichtung hinter dem Kanalanschluss der Schule mittels einer sog. Absperrblase. Nach einsetzendem Starkregen kam es zur Überschwemmung der Schule. Unstreitig verfügte die Schule zum Schadenszeitpunkt nicht über eine Rückstausicherung.

Der Kläger macht einen Schaden von 254.300,97 € geltend und verlangt die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz aller weiterer Schäden.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 254.300,97 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm auch weitere als Folge der am 19.6.2006 im Erdgeschoss der S G S2, Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung, Q Weg XX, 5XXXX S2 eingetretenen Überschwemmung entstandene oder noch entstehende Schäden zu ersetzen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich im Wesentlichen darauf berufen, dass alleinige Ursache der Überschwemmung das Fehlen der nach der Entwässerungssatzung der Gemeinde vorgeschriebenen Rückstausicherung und ein fehlerhaftes Entwässerungssystem der Schule gewesen sei. Ferner hat sie die Schadenshöhe bestritten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf das Urteil des Landgericht Bezug genommen, durch das es nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Vernehmung von Zeugen durch Teil- und Grundurteil dem Feststellungsantrag stattgegeben und den Zahlungsantrag dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt hat. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

Sie rügt, dass das Landgericht keinen Hinweis auf eine Haftung aus Auswahlverschulden und die Anwendung der Grundsätze über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter erteilt habe. Sie wiederholt ihre Ansicht, wonach sie wegen der fehlenden Rückstausicherung nicht, jedenfalls nicht alleine hafte. Eine funktionierende Rückstausicherung sei bereits bei Errichtung der Schule, erst Recht aber zum Zeitpunkt der Erweiterung der Schule anerkannte Regel der Technik gewesen. Hierzu legt sie zwei Kanalbauscheine aus 1986 und 2004 vor, in denen auf das Erfordernis der Rückstausicherung hingewiesen wurde. Die Beklagte behauptet zu ihrer Entlastung nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB, dass es sich bei den Mitarbeitern I und L um erfahrene und zuverlässige Bauleiter handle, ein Auswahlverschulden liege daher auch nicht vor. Ferner fehle es an der Widerrechtlichkeit. Das Wasser sei so schnell gekommen, dass keine Zeit geblieben sei, die Absperrblase zu entfernen oder die Pumpen zu installieren. Auch belege die Aussage des Zeugen I keine Pflichtverletzung. Die Pumpe sei auf dem LKW vorhanden gewesen und habe bei Bedarf eingesetzt werden können. Die Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter lägen nicht vor. Die Vertragspflicht zur Ableitung des Mischwassers diene dem Schutz der Straße vor Verschmutzungen, nicht dem Schutz der Anlieger vor einem Rückstauschaden. Diesen gegenüber gelte der Haftungsausschluss der Gemeinde für Rückstauschäden. Jedenfalls wäre die Drittbezogenheit für sie nicht erkennbar gewesen. Für den Schutz der Anleger hätte bei normalem Wetterverlauf bei derartigen Kanalbauarbeiten kein Bedürfnis bestanden. Aufgrund der sehr kurzen Sperrungen und der Vorhaltung der Mischwasserpumpe könne es normalerweise zu keiner Überschwemmung kommen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln - 25 O 530/09 - die Klage abzuweisen,

hilfsweise

das Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Maßgebliche Ursache der Überschwemmung sei der Einsatz der Absperrblase gewesen. Eine Rückstausicherung sei im vorliegenden Fall technisch nicht erforderlich gewesen, da der Wasserablauf aufgrund der extremen Hanglage selbst bei überdurchschnittlichem Wasseranfall stets gewährleistet sei. Der Sachverständige van P habe in seinem Ergänzungsgutachten im Beweisverfahren festgestellt, dass das vorhandene Schwerkraftentwässerungssystem des Schulgebäudes bei vergleichbaren und vielfach höheren Regenmengen zu keinem vergleichbaren Rückstauschaden geführt habe. Erst die Absperrung des Hauptentwässerungskanals mittels der Absperrblase habe die Ableitung des aus dem Entwässerungssystem des alten Schulgebäudes einströmenden Wassers verhindert. Der Sachverständige van P habe ausgeführt, dass eine Rückstausicherung zwar einen Rückstau aus dem Kanalnetz hätte verhindern können, es aber dennoch zu einer Überschwemmung gekommen wäre, weil das anfallende Wasser vom Grundstück der Schule, also das Wasser aus Gullys und aus der Dachentwässerung, wegen der eingesetzten Blase nicht habe abfließen können und sich deshalb Wasser auch bei einer Rückstausicherung im Kanalnetz der Schule gestaut hätte und eine Überschwemmung der Schulräume verursacht hätte (S. 59 seines Hauptgutachtens). Dies hätten sowohl der Sachverständige Prof. Q2 als auch das Landgericht übersehen. Im Übrigen sei es nicht Sinn einer Rückstausicherung, mutwilliges und grob fahrlässiges Verstopfen des Kanals zu verhindern. Darüber hinaus bestreitet er mit Nichtwissen, dass die Entwässerungssatzung der Gemeinde S2 bzw. Stadtwerke S2 eine Verpflichtung zum Einbau einer Rückstausicherung vorsehe.

Die Akten des selbständigen Beweisverfahrens 5 OH 13/06 LG Köln lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstand wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und die von ihnen vorgelegten Urkunden Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg.

1. Nachdem die Gebrüder von der X GmbH nach Rechtshängigkeit der Klage mit der T AG verschmolzen ist, war das Rubrum entsprechend zu berichtigen. Durch die Verschmelzung ist die jetzige Beklagte Gesamtrechtsnachfolgerin der ursprünglichen Beklagten geworden und entsprechend § 246 Abs. 1 ZPO in den Rechtsstreit eingetreten (vgl. BGH Urt. v. 1.12.2003 - II ZR 161/02, NJW 2004, 1528).

2. Die Beklagte haftet dem Kläger nicht nach §§ 823, 831 BGB für die durch die Überschwemmung der von ihm betriebenen G am 19.6.2006 entstandenen Schäden. Die Haftung der Beklagten ist gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG ausgeschlossen, weil die Beklagte bzw. ihre Mitarbeiter bei der Sanierung des Abwasserkanals in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt haben.

a) § 839 BGB verdrängt in seinem Anwendungsbereich konkurrierende Ansprüche aus §§ 823 ff. BGB. Im Rahmen der Haftung nach § 839 BGB tritt gem. Art. 34 S. 1 GG - im Wege der befreienden Haftungsübernahme - der Staat bzw. die jeweilige Anstellungskörperschaft als Anspruchsgegner des Geschädigten an die Stelle dessen, der in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt hat. Die persönliche Haftung des handelnden Amtsträgers gegenüber dem Geschädigten scheidet aus (BGH Urt. v. 9.10.2014 - III ZR 68/14, m.w.Nachw.). Dies gilt auch dann, wenn der Staat sich bei Erfüllung seiner Amtspflichten Privater bedient, die als Verwaltungshelfer bei der Erledigung hoheitlicher Aufgaben tätig werden (BGH Urt. v. 9.10.2014 - III ZR 68/14, m.w.Nachw.)

b) Das Betreiben und die Instandhaltung des Kanalnetzes ist eine hoheitliche Aufgabe (vgl. BGH Urt. v. 13.6.1996 - III ZR 40/95, NJW 1996, 3208).

c) Die Beklagte hat die Sanierungsarbeiten am Kanal als Amtsträgerin im haftungsrechtlichen Sinne, nämlich als Verwaltungshelferin, ausgeführt.

Ob sich das Handeln eines Privaten als Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes darstellt, bestimmt sich danach, ob die eigentliche Zielsetzung seiner Tätigkeit dem Bereich hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung als noch dem Bereich hoheitlicher Tätigkeit angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen (BGH Urt. v. 9.10.2014 - III ZR 68/14, NJW 2014, 3580). Auch Mitarbeiter eines privaten Unternehmens können als Verwaltungshelfer bei der Erledigung hoheitlicher Aufgaben tätig werden. Dafür ist erforderlich, dass ein innerer Zusammenhang und eine enge Beziehung zwischen der Betätigung des Privaten und den hoheitlichen Aufgaben besteht, wobei die öffentliche Hand in so weitgehendem Maße auf die Durchführung der Arbeiten Einfluss nimmt, dass der Private gleichsam als "Werkzeug" des Hoheitsträgers handelt und dieser die Tätigkeit des Privaten deshalb wie eine eigene gegen sich gelten lassen muss (BGH Urt. v. 9.10.2014 - III ZR 68/14, NJW 2014, 3580).

Nach diesen Grundsätzen ist die Beklagte als Verwaltungshelferin tätig geworden. Es kann offen bleiben, ob dies für jedwede Schäden im Zusammenhang mit Kanalbauarbeiten gilt. Der vorliegende Schaden ist deshalb eingetreten, weil die Beklagte die Sanierungsarbeiten "im laufenden Betrieb" der Kanalisation durchgeführt hat und im Zuge dieser Tätigkeit dafür Sorge tragen musste, dass die Kanalisation auch während der Sanierungsarbeiten ihre Funktion, das anfallende Mischwasser gefahrlos abzuführen, erfüllen konnte. Demgemäß ist - wie der Kläger unwidersprochen vorträgt - in dem mit den Stadtwerken S2 geschlossenen Vertrag in Ziff. 22.02.0020 eine Mischwasserhaltung von 24 Stunden am Tag vorgeschrieben, so dass ein schadloser Ablauf der anfallenden Mischwässer absolut garantiert wird (Schriftsatz der Klägerin vom 23.6.2010, GA 284). Dass die Beklagte dieser Vorgabe nicht nachgekommen ist, bedeutet nicht, dass ihr ein eigener Entscheidungsspielraum zustand, sondern begründet ihre Pflichtverletzung.

3. Unabhängig von der Frage der Passivlegitimation steht dem Kläger aber auch deshalb kein Schadensersatzanspruch zu, weil keine deliktische Verkehrssicherungspflicht der Beklagten besteht, im Rahmen der Bauarbeiten Vorkehrungen gegen einen Rückstau im Kanalnetz zu treffen.

a) Rückstauschäden, d.h. Schäden, die dadurch entstehen, dass Wasser aus dem Kanal durch die Hausanschlussleitungen in das angeschlossene Gebäude eindringt, sind zwangsläufige Folge der Auslegung der Kanäle nach dem Prinzip des Druckabflusses. Rückstau ist in Misch- und Regenwasserkanälen der kommunalen Abwasseranlage planmäßig vorgesehen und kann in der öffentlichen Kanalisation auch im laufenden Betrieb nicht dauerhaft vermieden werden (Rotermund/Krafft, Kommunales Haftungsrecht, 5. Aufl., Rn. 994). Aus diesem Grund sehen die einschlägigen DIN-Normen zwingend vor, dass unterhalb der Rückstauebene (welche in der Regel der Straßenebene, d.h. den dortigen Kanaleinläufen entspricht) gelegene Räume gegen Rückstau zu sichern sind, wenn dort Anschlüsse an die Kanalisation bestehen (Rotermund/Krafft, Kommunales Haftungsrecht, 5. Aufl., Rn. 994).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Rückstauschäden nicht vom Schutzzweck der Amtspflicht einer Gemeinde erfasst, ihre Kanalisation ausreichend zu dimensionieren. Denn im Grundsatz ist der Grundstückseigentümer selbst verpflichtet, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um sein Anwesen gegen einen Rückstau bis zur Rückstauebene zu sichern (BGH Beschl. v. 30.7.1998 - III ZR 263/96, VersR 1999, 230). Aus dem gleichen Grund scheiden in diesen Fällen auch Ansprüche aus § 2 Abs. 1 S. 1HaftPflG und dem öffentlichrechtlichen Anschluss- und Benutzungsverhältnis aus (BGH aaO). Dies ist nicht erst eine Frage des Mitverschuldens, sondern bereits eine solche der objektiven Reichweite des durch das Amtshaftungsrecht gewährten Vermögensschutzes (BGH aaO).

b) Diese Rechtsprechung gilt nicht nur für eine nicht ausreichend dimensionierte Kanalisation, sondern auch für den Fall, dass - wie hier - der Rückstauschaden durch fehlerhafte Kanalbauarbeiten verursacht wird.

Das OLG Köln (Urt. v. 30.8.2001 - 7 U 29/01, VersR 2002, 610) und das OLG Karlsruhe (Urt. v. 16.3.2000 - 19 U 231/98, BauR 2001, 663) wenden die Rechtsprechung auch auf Fehler bei Kanalbau- und -sanierungsarbeiten an, während das OLG Saarbrücken die Rechtsprechung auf die unzureichende Dimensionierung der Kanalisation beschränkt (Urt. v. 21.6.2005 - 4 U 197/04, OLGR 2006, 708).

Das OLG Saarbrücken beschränkt die Einschränkung der Haftung auf Schäden infolge unzureichender Dimensionierung der Kanalisation. Ihr liege die Wertung zugrunde, dass die Herstellung einer hinreichend dimensionierten Kanalisation erhebliche, die Allgemeinheit stark belastende Investitionen erfordern würde, während der einzelne Hauseigentümer den Gefahren des Rückstaus durch überschaubare Maßnahmen wirksam vorbeugen könne. Die Haftungsbeschränkung sei aber in den Fällen nicht gerechtfertigt, in denen vom Amtsträger durch einen Eingriff in das Kanalsystem eine besondere Gefahrenlage geschaffen werde. Eine Haftung in diesen Fällen führe nicht dazu, dass die Gemeinde künftig Arbeiten, die zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Kanalsystems erforderlich seien, nur noch eingeschränkt durchführen könne.

Das OLG Köln begründet seine gegenteilige Ansicht damit, dass sich die Gemeinde gerade bei der ihr ebenfalls als Amtspflicht obliegenden Pflicht zur Unterhaltung und Instandhaltung der Kanalisation darauf verlassen können müsse, dass die Anschlussnehmer ihrer durch Satzung begründeten Pflicht, ihr Anwesen vor Rückstau zu sichern, nachgekommen sind. Denn bei solchen Arbeiten kann es immer zu vorübergehenden Verengungen und damit verstärkter Rückstaugefahr kommen (OLG Köln Urt. v. 30.8.2001 - 7 U 29/01, VersR 2002, 610). Das OLG Karlsruhe wendet diese Grundsätze auch gegenüber einem privaten Bauunternehmer an, der von der Gemeinde beauftragt wurde, weil es keinen Unterschied machen könne, ob die Gemeinde die ihr obliegenden Instandhaltungsmaßnahmen selbst oder mit Hilfe privater Unternehmer durchführe (OLG Karlsruhe Urt. v. 16.3.2000 - 19 U 231/98, BauR 2001, 663). Beide Entscheidungen betreffen einen vergleichbaren Fall, in welchem der Kanal im Zuge von Sanierungsarbeiten durch eine Absperrblase verengt wurde und es dann bei starkem Regen zum Rückstauschaden kam.

Der Senat schließt sich der Auffassung der Oberlandesgerichte Köln und Karlsruhe an (ebenso Rotermund/Krafft, Kommunales Haftungsrecht, 5. Aufl., Rn. 1004; Bergmann/Schumacher, Die Kommunalhaftung, 4. Aufl., Rn. 1261). Für den betroffenen Grundstückseigentümer macht es keinen Unterschied, ob der Rückstauschaden auf eine generelle Unterdimensionierung der Kanalisation zurückzuführen ist oder auf Fehler bei Kanalbauarbeiten. Auch von der Schwere der Pflichtverletzung ist eine unterschiedliche Behandlung nicht gerechtfertigt. Die BGH-Rechtsprechung gilt ausdrücklich auch für den Fall einer vorwerfbaren Amtspflichtverletzung durch Unterdimensionierung der Kanalisation. Es ist nicht ohne weiteres einzusehen, warum die Gemeinde bei einer dauerhaften Unterdimensionierung des Kanals nicht haften soll, wohl aber bei einer nur kurzfristigen. Die Ungleichbehandlung lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass die Gemeinde unfachgemäße Sanierungsarbeiten eher vermeiden kann als die nicht ausreichende Dimensionierung des Kanalsystems (so OLG Saarbrücken Urt. v. 21.6.2005 - 4 U 197/04, OLGR 2006, 708). Der tragende Grund für den Haftungsausschluss liegt nicht in der Zumutbarkeit, sondern in der Pflicht des Grundstückseigentümers, sein Grundstück selbst zu schützen. Indem der BGH die Haftung auch bei schuldhafter Amtspflichtverletzung verneint, bezieht er gerade auch die Fälle ein, in denen der Gemeinde die Errichtung und Unterhaltung eines ausreichend dimensionierten Kanalsystems möglich und zumutbar gewesen wäre. Auch differenziert der BGH nicht nach der Ursache des Rückstaus (ebenso Bergmann/Schumacher, Die Kommunalhaftung, 4. Aufl., Rn. 1261).

Der Ausschluss der Haftung für Rückstauschäden gilt auch gegenüber der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht eines privaten Bauunternehmers, der im Auftrag der Gemeinde Kanalbauarbeiten durchführt (OLG Karlsruhe Urt. v. 16.3.2000 - 19 U 231/98, BauR 2001, 663). Rückstau in der öffentlichen Kanalisation ist eine Gefahrenquelle, vor der sich der Anlieger selbst schützen kann und muss.

c) Diese Grundsätze gelten auch für den vorliegenden Fall. Etwas anderes folgt weder daraus, dass die damals gültige Entwässerungssatzung der Gemeinde S2 nicht vorliegt, noch daraus, dass aufgrund extremer Hanglage eine Rückstausicherung nicht erforderlich gewesen wäre.

Die Beklagte hat zwar die zum Zeitpunkt der Errichtung der Schule bzw. des Schadensfalles geltende Entwässerungssatzung nicht vorgelegt. Unabhängig davon oblag es dem Kläger, seine Schule selbst durch eine geeignete und funktionsfähige Rückstausicherung gegen eventuelle Rückstauschäden zu sichern. Eine Rückstausicherung ist in den einschlägigen DIN-Normen (DIN EN 12056-4, Ausgabe Januar 2001, und DIN 1986-100, Ausgabe März 2002 sowie auch in der älteren DIN 1986, Ausgabe Juni 1988) ausdrücklich vorgeschrieben (Rotermund/Krafft, Kommunales Haftungsrecht, 5. Aufl., Rn. 1004; ebenso der Sachverständige van P S. 54 des Gutachtens vom 10.8.2007 im selbständigen Beweisverfahren 5 OH 13/06 LG Köln)). Hierauf wird in den von der Beklagten mit der Berufung vorgelegten (und vom Kläger nicht bestrittenen) Kanalbauscheinen aus 1986 (GA 548) und 2004 (GA 551) ausdrücklich hingewiesen. Die aktuelle Satzung der Stadtwerke S2 enthält eine entsprechende Regelung und sie war auch zum Zeitpunkt des Schadensfalls üblich. Auch setzt der Haftungsausschluss für Rückstauschäden nicht voraus, dass die Entwässerungssatzung eine Pflicht zur Rückstausicherung vorsieht (vgl. BGH Beschl. v. 30.7.1998 - III ZR 263/96, VersR 1999, 230, wo lediglich erläuternd auf die Satzung Bezug genommen wird, ohne dass dies Voraussetzung für das Freiwerden von der Haftung ist).

Dass wegen extremer Hanglage eine Rückstausicherung entbehrlich wäre, kann dem Gutachten des Sachverständigen van P nicht entnommen werden. Schon der eingetretene Schaden zeigt, dass dem nicht so ist. Die Feststellung des Sachverständigen van P in seinem im selbständigen Beweisverfahren erstatteten Gutachten, dass "augenscheinlich ... bei der Planung und Errichtung des alten Schulkomplexes eine Schwerkraftentwässerung, d.h. der Abfluss von anfallendem Mischwasser mit einem freiem Gefälle zum öffentlichen Kanal in der Straße "Q Weg" vorgesehen und ausgeführt" wurde (Ergänzungsgutachten vom 29.1.2008, GA 88) reicht hierfür nicht aus. Diese Feststellung betrifft nicht die Gefahr eines Rückstaus, sondern das außen anfallende Wasser. Die Rückstausicherung dient dazu, zu verhindern, dass das im Kanal rückstauende, d.h. ansteigende Wasser durch Öffnungen wie Abflüsse etc. in das Gebäude eindringen kann. Das war hier möglich, weil sich solche Abflüsse unterhalb der Rückstauebene (d.h. der Gullys P2 Straße) befanden. Dort ist das Wasser nach dem Vortrag der Klägerin auch eingedrungen. Dass aufgrund der Hanglage auch bei extremen Wetterverhältnissen das Wasser im Kanal nicht bis zur Höhe der ungesicherten Abflüsse ansteigen kann, ist nicht ersichtlich und wurde von den Sachverständigen auch nicht festgestellt. Dass es bisher auch bei stärkeren Regenfällen nicht zu einem Rückstau gekommen ist (vgl. den Vortrag in der Berufungserwiderung, GA 561), besagt hierzu nichts. In seinem Hauptgutachten (dort. S. 56 f., GA 77 f.) hat der Sachverständige van P zwar ausgeführt, dass die Topographie der Schule mit starkem Gefälle von West nach Ost "auf die Abflussbedingungen von anfallenden Abwässern einen äußerst positiven Einfluss" hat. Dennoch liegt das Untergeschoss der Schule unterhalb der Rückstauebene. Der Sachverständige stellt auch nicht fest, dass deshalb eine Rückstausicherung technisch entbehrlich gewesen wäre. Er stellt nur fest, dass er nicht beurteilen könne, "ob diese Zusammenhänge in die Planung und Herstellung des Abwassersystems einbezogen wurden und aus diesem Grund keine Vorrichtungen für eine Rückstausicherung eingebaut wurden" (S. 57 des Hauptgutachtens, GA 78).

Jeder Grundstückseigentümer, der seinen Hausanschluss an einen öffentlichen Kanal anschließt, muss mit der Möglichkeit eines Rückstaus rechnen und hiergegen selbst Vorkehrungen treffen.

d) Nach den von den Parteien nicht angegriffenen Feststellungen der Sachverständigen Prof. Dr. Q2 und Dr.-Ing. X2 und Dipl.-Ing. G2 handelt es sich um einen Rückstauschaden. Die Berechnungen der Sachverständigen Dr.-Ing. X2 und Dipl.-Ing. G2 haben gezeigt, dass das Wasser - wie vom Kläger in der Klageschrift vorgetragen - im Untergeschoss der G aus den dort befindlichen Einläufen, die unter der Rückstauebene (Schachtoberkante des Kanalschachts XXX, 123,38 m über NN) lagen, in die Räume der Schule ausgetreten ist (vgl. S. 4 des Gutachtens Prof. Dr. Q2 vom 15.8.2012, GA 411, und die Berechnungen der G2 Ingenieurbüro GmbH vom 13.8.2012, GA 416).

Die Überschwemmung der Schule wäre trotz der Absperrblase, welche das Abfließen des Wassers durch den Kanal verhindert hat, vermieden worden, wenn eine funktionierende Rückstausicherung vorhanden gewesen wäre. Allerdings wäre es ungeachtet des Starkregens ohne die Absperrblase auch nicht zum Rückstau gekommen.

Schließlich ist auch der Vortrag des Klägers, wonach eine Rückstausicherung die Überschwemmung der Schule nicht hätte verhindern können, da die Überschwemmung durch anfallendes Wasser vom Grundstück der Schule mit verursacht worden sei, welches aufgrund des Verstopfung des Kanals durch die Absperrblase nicht durch diesen habe abfließen können, nicht erheblich.

Allerdings gilt der Haftungsausschluss für Rückstauschäden nicht für solches Wasser, welches durch den Gully aus dem Kanal auf das Gelände läuft und von außen ins Gebäude eindringt (BGH Beschl. v. 30.7.1998 - III ZR 263/96, VersR 1999, 30 Rn. 7). Ein solcher Fall liegt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aber nicht vor. Vielmehr kommt der Sachverständige Prof. Q2 zu dem Ergebnis, dass der Schaden durch eine Rückstausicherung vermieden worden wäre. Der Sachverständige van P hat ebenfalls festgestellt, dass das Wasser durch die Abläufe unterhalb der Rückstauebene in das Gebäude eingedrungen ist und nicht von außen. Auch dem Vortrag des Klägers lässt sich nicht entnehmen, dass von außen anfallendes Oberflächenwasser anders als durch die unterhalb der Rückstauebene liegenden Abflüsse (etwa durch Fenster oder Türen) in das Gebäude eingedrungen ist. Der Kläger trägt vielmehr vor, dass wegen der eingesetzten Absperrblase im städtischen Kanal auch das auf dem Grundstück der Schule anfallende Oberflächenwasser und Wasser aus der Dachentwässerung nicht habe abfließen können und sich im Kanalnetz des Schulgebäudes gestaut habe (GA 584 und GA 3). Die Obliegenheit zur Rückstausicherung erfasst auch Wasser, das sich im eigenen Kanalnetz staut. Sie soll verhindern, dass Wasser aus dem Kanal in das Gebäude gelangt und setzt daher an den unterhalb der Rückstauebene liegenden Abflüssen des Gebäudes an.

4. Schließlich besteht auch kein Schadensersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.

Ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wird angenommen, wenn die Auslegung des Vertrages ergibt, dass nach seinem Sinn und Zweck und nach Treu und Glauben der Gläubiger den Dritten in die ihm obliegenden Schutzpflichten einbeziehen wollte, weil er für dessen Wohl und Wehe verantwortlich ist, und wenn dieses Interesse dem Gläubiger erkennbar oder bekannt ist (BGH Urt. v. 12.7.1977 - VI ZR 136/76, NJW 1977, 2208; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl., Rn. 2268). Rechtsfolge ist, dass dem Dritten zwar kein Erfüllungsanspruch gegen den Schuldner zusteht, er aber u.U. einen eigenen vertraglichen Schadensersatz hat, für den ohne Exkulpationsmöglichkeit die Zurechnungsnorm des § 278 BGB gilt.

Dem Werkvertrag zwischen den Stadtwerken S2 und der Beklagten kommt im Hinblick auf die von der Beklagten zum Schutz der Anlieger zu beachtenden Sorgfaltspflichten keine Schutzwirkung zugunsten des Klägers als Anlieger und Benutzer der Kanalisation zu.

Damit die Haftung des Schuldners nicht unkalkulierbar ausgedehnt wird und die Grenzen zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung nicht in unzuträglicher Weise verwischt werden (BGH aaO), sind an die Einbeziehung des Dritten in den Vertrag hohe Anforderungen zu stellen (Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 328 Rn. 16). Voraussetzung ist, dass der Gläubiger ein besonderes Interesse am Schutz des Dritten hat, insbesondere weil er für dessen Schutz verantwortlich ist (Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 328 Rn. 17a; BGH aaO).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor (vgl. auch BGH Urt. v. 12.7.1977 - VI ZR 136/76, NJW 1977, 2208, wonach ein durch die Beschädigung eines Stromkabels infolge Tiefbauarbeiten betroffener Gewerbebetrieb nicht in den Schutz des Bauvertrages über die Ausführung der Tiefbauarbeiten einbezogen ist). Da die Gemeinde dem Grundstückseigentümer selbst für Rückstauschäden nicht haftet, ist auch kein Grund ersichtlich, die Grundstückseigentümer in den Schutzbereich des Bauvertrages einzubeziehen. Der Kläger verweist zwar mit Recht darauf, dass aufgrund des Anschluss- und Benutzungszwangs die Stadt bzw. die Stadtwerke S2 verpflichtet ist, ein funktionsfähiges Kanalnetz zu unterhalten. Die oben genannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Ausschluss der Haftung für Rückstauschäden gilt aber ausdrücklich auch für dieses Benutzungsverhältnis (BGH Beschl. v. 30.7.1998 - III ZR 263/96, VersR 1999, 230 Rn. 9). Auch der Umstand, dass eine unbestimmte Zahl von Anliegern in den Vertrag einbezogen wäre, spricht gegen die Anwendung der Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Demgegenüber kommt den im Leistungsverzeichnis vereinbarten Sorgfaltsanforderungen des Unternehmers in Bezug auf die Ableitung des Mischwassers keine entscheidende Bedeutung zu. Diese Anforderungen liegen im eigenen Interesse der Stadtwerke S2 als Auftraggeberin und Betreiberin des Kanalnetzes.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat lässt die Revision zu. Hinsichtlich des Ausschlusses der Haftung für Rückstauschäden ist die Revision im Hinblick auf die abweichende Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken (OLG Saarbrücken Urt. v. 21.6.2005 - 4 U 197/04, OLGR 2006, 708) zuzulassen. Soweit der Senat die Passivlegitimation der Beklagten verneint, gibt es - soweit ersichtlich - noch keine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, ob für Schäden im Zuge von Kanalsanierungsarbeiten durch von der zuständigen Behörde beauftragte private Bauunternehmungen diese oder alleine der öffentliche Auftraggeber nach § 839 BGB haftet.