LG Hanau, Urteil vom 23.01.2015 - 9 O 751/14
Fundstelle
openJur 2015, 12395
  • Rkr:

Zur Pflicht von Tiefbauunternehmen bei Bohrungen im Bereich von Versorgungsleitungen.

Zur eigenen Sorgfaltspflicht eines weisungsabhängigen Subunternehmers.

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt,

1.) an die Klägerin 3.052,36 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 15.08.2014 zu zahlen.

2.) zur Freistellung der Klägerin von der Forderung der Stadt ... für die Reparatur des Kanalanschlusses am Grundstück ... gemäß Bescheid der Stadt ... vom 15.05.2014 an die Stadt ... 13.299,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 15.08.2014 zu zahlen.

3.) zur Freistellung der Klägerin von vorgerichtlichen anwaltlichen Rechtsverfolgungskosten an die Rechtsanwälte ..., zu deren Gesamthand 1.789,76 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 15.08.2014 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden, soweit diese nicht in den Ziffern 1. bis 3. des Tenors enthalten sind, zu ersetzen, die der Klägerin durch die in der Zeit vom 16.10.2013 bis 21.10.2013 von der Beklagten herbeigeführte Beschädigung des Kanal-Hausanschlusses des Hauses ... in ... entstanden sind oder noch entstehen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz.

Im Rahmen eines Kabelnetzausbaus verlegte die Beklagte als Subunternehmerin der Nebenintervenientin in der ... in ... Leerrohre im Spülbohrverfahren. Die Arbeiten erfolgten in der Zeit vom 16.10.2013 bis zum 21.10.2013.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe bei der Bohrung den Hausanschlusskanal an dem in ihrem Eigentum stehenden Haus ... beschädigt, so dass es zum Rückstau von fäkalienhaltigem Abwasser im Keller des Hauses gekommen sei. Sie begehrt nun Ersatz des ihr entstandenen Schadens, den sie wie folgt bezeichnet:

- Kosten für Spülungen und Kamerabefahrungen des Kanals gemäß den Rechnungen der Firma ... vom 21.02.2014 über 199,33 €, vom 29.01.2014 über 713,41 € und vom 28.02.2014 über 602,14 € (Bl.91 ff. des Anlagenkonvoluts zur Klageschrift).

Diesbezüglich legt die Klägerin ein Schreiben der Firma ... vom 14.04.2014 vor, nach dem in den Rechnungen versehentlich eine falsche Hausnummer angegeben worden ist (Bl.123 des Anlagenkonvoluts zur Klageschrift).

- Sachverständigenkosten gemäß Rechnung vom 21.03.2014 in Höhe von 736,81 € (Bl.52 des Anlagenkonvoluts zur Klageschrift).

- Vorauszahlung über die Reparaturkosten an die Stadt ... gemäß Bescheid vom 15.05.2014 in Höhe von 1.000,- € (Bl.25 des Anlagenkonvoluts zur Klageschrift).

- restliche Reparaturkosten gemäß Bescheid der Stadt ... vom 15.05.2014 (Bl.25 des Anlagenkonvoluts zur Klageschrift)

- vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.789,76 €

- noch zu erwartende Kosten gemäß dem vorgerichtlich von der Haftpflichtversicherung der Beklagten eingeholten Sachverständigengutachten (Bl.1 ff. des Anlagenkonvoluts zur Klageschrift) sowie für eine baubiologische Untersuchung.

Die Klägerin beantragt,

1.) die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.251,69 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5% über Basiszins zu zahlen.

2.) die Beklagte zu verurteilen, zur Freistellung der Klägerin von der Forderung der Stadt ... für die Reparatur des Kanalanschlusses am Grundstück ... gemäß Bescheid der Stadt ... vom 15.05.2014 an die Stadt ... 13.299,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 15.08.2014 zu zahlen.

3.) die Beklagte zu verurteilen, zur Freistellung der Klägerin von vorgerichtlichen anwaltlichen Rechtsverfolgungskosten an die Rechtsanwälte ..., zu deren Gesamthand 1.789,76 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 15.08.2014 zu zahlen.

4.) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden, soweit diese nicht in den Ziffern 1. bis 3. des Tenors enthalten sind, zu ersetzen, die der Klägerin durch die in der Zeit vom 16.10.2013 bis 21.10.2013 von der Beklagten herbeigeführte Beschädigung des Kanal-Hausanschlusses des Hauses ... in ... entstanden sind oder noch entstehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat zunächst behauptet, es sei unklar, ob die Beschädigung des Anschlusskanals aufgrund ihrer Bohrungen entstanden ist oder ob diese Folge der Verlegung der Trinkwasserleitung im schadensrelevanten Bereich ist, die einige Zeit zuvor stattgefunden hat.

Sofern der Anschlusskanal durch die streitgegenständlich Bohrung entstanden ist, falle dies nicht in ihren Verantwortungsbereich, da sie ausschließlich nach den Vorgaben der Nebenintervenientin gebohrt habe.

Hinsichtlich der Rechnungen der Firma ... sei davon auszugehen, dass diese nicht das streitgegenständliche Haus betreffen, da in der Rechnung die Hausnummer ... angegeben ist. Die mit der Rechnung der Firma ... vom 21.02.2014 geltend gemachten Leistungen seien nicht notwendig gewesen, da zu diesem Zeitpunkt der Schaden bereit bekannt gewesen sei und mit der Schadensbehebung begonnen worden sei. Des Weiteren seien die von der Firma ... in Ansatz gebrachten Preise weder sachgerecht noch angemessen.

Die dem Gebührenbescheid der Stadt ... vom 16.05.2014 zugrunde liegende Rechnung der Firma ... beinhalte unverhältnismäßige Aufwendungen; die abgerechneten Leistungen seien nicht zutreffend.

Die von dem Sachverständigen in dem vorgelegten Gutachten als notwendig aufgeführte Austrocknung der Fußböden und Wände sei angesichts des Alters und der Bauweise des Kellers nicht notwendig.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung gemäß dem Beweisbeschluss vom 10.12.2014 (Bl.121 d.A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10.12.2014 (Bl.119 ff. d.A.) Bezug genommen.

Nach erfolgter Beweisaufnahme stellte die Beklagte die Verursachung der Kanalbeschädigung durch die von ihr vorgenommene Bohrung mit Schriftsatz vom 13.01.2015 unstreitig.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zum überwiegenden Teil begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz der ihr infolge der Beschädigung des Hausanschlusskanals entstandenen Schäden aus unerlaubter Handlung, § 823 Abs.1 BGB.

Bei Durchführung der Spülbohrung beschädigte die Beklagte den Anschlusskanal zu dem im Eigentum der Klägerin stehenden Haus ... in ..., wodurch es zu einem Rückstau fäkalienhaltigen Wassers in den Kellerräumen des Hauses kam. Dies ist nach der Beweisaufnahme zwischen den Parteien unstreitig.

Dabei handelte die Beklagte fahrlässig, § 276 BGB. Indem sie die Bohrungen vornahm ohne sich über den genauen Verlauf etwa verlegter Versorgungsleitungen zu informieren, verstieß sie gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt. Wegen der unverhältnismäßig großen Folgen, die durch die Beschädigung solcher Leitungen entstehen können, ist ein Tiefbauunternehmen, das in öffentlichen Straßen und Wegen Bohrungen und Grabungen vornimmt, verpflichtet, sich besonders sorgfältig und gewissenhaft über die Lage von Versorgungsleitungen zu vergewissern. An die Erkundigungs- und Sicherungspflichten sind hohe Anforderungen zu stellen. Der Tiefbauunternehmer muss sich den erforderlichen Grad von Gewissheit über den Verlauf solcher Leitungen verschaffen und zwar dort, wo die entsprechenden Unterlagen vorhanden sind, d.h. regelmäßig bei den zuständigen Versorgungsunternehmen (vgl. BGH, Urteil vom 09.07.1985, VI ZR 118/84 und Urteil vom 20.12.2005, VI ZR 33/05 m.w.N.). Diese Sorgfaltspflicht erfüllte die Beklagte nicht. Dabei kann es dahin stehen, ob die Nebenintervenientin der Beklagten den Verlauf der Bohrungen tatsächlich vorgegeben hat, wie dies von der Beklagten behauptet wird. Selbst wenn dies der Fall gewesen ist, hätte die Beklagte in Anbetracht der mit der Verletzung von Versorgungsleitungen verbundenen erheblichen Gefahren den Vorgaben nicht ohne eigene Prüfung nachkommen dürfen. Sie hätte zumindest sicherstellen müssen, dass sich die Nebenintervenientin bei den zuständigen Versorgungsunternehmen über den Verlauf der Leitungen informiert hat und diese bei Vorgabe des Bohrungsverlaufs hinreichend berücksichtigt hat, indem sie sich die entsprechenden Pläne zeigen ließ.

Die Beklagte ist deshalb zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der der Klägerin durch die Beschädigung des Hausanschlusskanals entstanden ist und noch entstehen wird.

Der Schaden besteht zum einen in den Leistungen der Firma ... gemäß den Rechnungen vom 29.01.2017 und vom 28.02.2014 in Höhe von insgesamt 1.315,55 €. Diese Rechnungen betreffen das streitgegenständliche Anwesen ... in ... Davon geht das Gericht entsprechend dem Vortrag der Klägerin aus. Soweit die Beklagte behauptet, die Leistungen seien nicht für das streitgegenständliche Anwesen erbracht worden, ist ihr Vortrag nicht hinreichend substantiiert und damit unbeachtlich. Nachdem die Klägerin die schriftliche Bestätigung der Firma ... vom 14.04.2014 vorgelegt hat, hätte die Beklagte nähere Tatsachen vortragen müssen, aus denen auf einen Bezug der Rechnungen für ein anderes Anwesen hätte geschlossen werden können. Das pauschale Bestreiten genügt dieser Darlegungslast nicht.

Die von der Firma ... in Ansatz gebrachten Preise sind sachgerecht und angemessen. Davon geht das Gericht entsprechend dem Vortrag der Klägerin aus. Das Bestreiten der Beklagten ist nicht hinreichend substantiiert und damit unbeachtlich. Nachdem die Klägerin detaillierte Rechnungen der Firma ... vorgelegt hat, hätte die Beklagte näher darlegen müssen, welche Preise ihrer Ansicht nach für die konkreten Positionen sachgerecht und angemessen sein sollen.

Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Rechnung der Firma ... vom 21.02.2014 in Höhe von 199,33 €. Die darin berechneten

Leistungen waren zur Schadensermittlung und –beseitigung nicht notwendig. Davon geht das Gericht entsprechend dem Vortrag der Beklagten aus, denn die Klägerin bietet für die Notwendigkeit der Leistungen keinen Beweis an. Der mangelnde Beweis geht zu ihren Lasten, denn sie trägt die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches aus unerlaubter Handlung. Insoweit war die Klage deshalb abzuweisen.

Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf Ersatz der Sachverständigenkosten in Höhe von 736,81 € und der Vorauszahlung über die Reparaturkosten gemäß dem Bescheid der Stadt ... vom 15.05.2014 in Höhe von 1.000,- € sowie auf Freistellung von der Restforderung der Stadt ... gemäß Bescheid vom 15.05.2014 in Höhe von 13.299,89 €. Soweit die Beklagte die Richtigkeit der dem Gebührenbescheid zugrunde liegenden Rechnung der Firma ... bestreitet, ist ihr Vortrag nicht hinreichend substantiiert und damit unbeachtlich. Nachdem die Klägerin die detaillierten Rechnungen der Firma ... vorgelegt hat, hätte die Beklagte näher Vortragen müssen, welche Aufwendungen und Leistungen ihrer Ansicht nach im Einzelnen verhältnismäßig gewesen wären. Das pauschale Bestreiten der Beklagten genügt dieser Darlegungslast nicht.

Darüber hinaus war festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin auch zum Ersatz der derzeit noch nicht bezifferbaren weiteren Schäden verpflichtet ist. Die Klägerin hat unter Vorlage von Sachverständigengutachten im Einzelnen vorgetragen, welche weiteren Schadensbeseitigungsmaßnahmen noch erforderlich sind. Soweit die Beklagte hinsichtlich der Position der vollständigen Trocknung sämtlicher Fußböden und Wände die Notwendigkeit bestreitet, ist dies im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht zu entscheiden, da unstreitig noch weitere Schadensbeseitigungsmaßnahmen, wie etwa die Reinigung des Gebäudes oder ein Erdaustausch im zugangsnahen Bereich des unteren Gewölbekellers, notwendig sind, die derzeit noch nicht konkret bezifferbar sind.

Der Zinsanspruch der Klägerin und ihr Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen anwaltlichen Rechtsverfolgungskosten begründen sich aus dem Verzug der Beklagten, §§ 280 Abs.2, 286, 288 BGB. In Anbetracht des überdurchschnittlichen Umfangs der außergerichtlichen Geltendmachung ist der von dem Prozessbevollmächtigen der Klägerin geltend gemachte Ansatz einer 2,0-fachen Gebühr angemessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs.2 Ziffer 1, 101 Abs.1 ZPO, da die Zuvielforderung der Klägerin verhältnismäßig geringfügig war und keine höheren Kosten veranlasst hat. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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