OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.07.2014 - 6 U 41/13
Fundstelle
openJur 2015, 12394
  • Rkr:

Der Patentlizenzgeber haftet grundsätzlich für die technische Ausführbarkeit des Lizenzpatents. Die Haftung kann jedoch vertraglich wirksam ausgeschlossen werden; etwas anderes gilt, wenn der Lizenzgeber die fehlende technische Ausführbarkeit gekannt und diesen Umstand arglistig verschwiegen hat (im Streitfall verneint).

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 9.1.2013 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 23.800,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über einen Lizenzzahlungsanspruch.

Der Geschäftsführer der Klägerin ist Inhaber des europäischen Patents EP …, das einen bürstenlosen Elektromotor betrifft. Die Klägerin räumte der Beklagten mit Lizenzvertrag vom 23.12.2009 das ausschließliche Recht ein, unter Benutzung des lizenzierten Gegenstandes Generatoren für kleine stationäre Blockheizkraftwerke mit der Leistungsklassen bis 40 kW elektrischer Abgabeleistung herzustellen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Lizenzvertrag, Anlage K1, Bezug genommen. Die Beklagte zahlte nicht die Lizenzgebühren für die Monate September und Oktober 2010 in Höhe von jeweils 10.000 € zuzüglich Mehrwertsteuer.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Beklagte durch Versäumnisurteil vom 12.09.2012 antragsgemäß zur Zahlung von 23.800 € verurteilt. Mit Urteil vom 09.01.2013 hat das Landgericht das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Außerdem hat es die auf Zahlung von 5.000 € gerichtete Widerklage der Beklagten abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Parteien wiederholen und vertiefen im Berufungsrechtszug ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Die Klägerin hat nach § 12 des Vertrages Anspruch auf eine monatliche Lizenzgebühr i.H.v. € 10.000,00 netto (€ 11.900 brutto). Für die geltend gemachten Monate 9/2010 und 10/2011 ergibt sich der vom Landgericht zugesprochene Gesamtbetrag von € 23.800.

a) Bedenken gegen die Aktivlegitimation bestehen nicht und werden in der Berufungsinstanz auch nicht mehr erhoben. Insoweit kann auf die zutreffende Begründung des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen werden.

b) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, die Klägerin habe ihre in § 4 vorgesehenen Mitwirkungspflichten verletzt. Nach § 4 des Vertrages ist der Lizenzgeber verpflichtet, dem Lizenznehmer technische Hilfestellung zu leisten, soweit dies für die Herstellung des lizenzierten Gegenstands erforderlich ist. Es ist schon nicht ersichtlich, welches Gegenrecht die Beklagte aus der angeblichen Pflichtverletzung ableiten will. Jedenfalls hat die Beklagte in keiner Weise konkretisiert, welche Hilfestellung die Klägerin versäumt hat. Die Beklagte trägt selbst vor, dass der Geschäftsführer der Klägerin, Herr A, bis zum 13.7.2010, dem Tag der Vorführung des im Auftrag der Beklagten entwickelten Prototyps, jede Frage beantwortet hat und bei jedem Treffen dabei sein wollte. Exemplarisch kann auf die Email vom 30.3.2010 verwiesen werden, in der Herr A detaillierte technische Berechnungen lieferte. Nach dem 13.7.2010 hat er nach der Behauptung der Beklagten diese Tätigkeit komplett eingestellt. Die Beklagte teilt nicht mit, welche konkreten Unterstützungsmaßnahmen noch erforderlich gewesen wären. Der Vortrag, eine Anfrage von Herrn B von der Fa. C AG zum Sachstand sei unbeantwortet geblieben, genügt nicht.

2. Der Beklagten steht kein Leistungsverweigerungsrecht wegen Mängeln des lizenzierten Gegenstands zu. Es kann dahingestellt bleiben, ob auf den streitgegenständlichen Lizenzvertrag über die ausschließliche Nutzung eines Patents kaufrechtliche oder mietvertragsrechtliche Gewährleistungsregeln oder nur das allgemeine Leistungsstörungsrecht anwendbar sind.

a) Nach § 2 des Lizenzvertrages schuldete die Klägerin die Einräumung eines ausschließlichen Nutzungsrechts an dem lizenzierten Gegenstand zum Einsatz als Generator in kleinen stationären Blockheizkraftwerken der Leistungsklasse bis 40 kW elektrischer Abgabeleistung. „Lizenzierter Gegenstand“ ist nach § 1 des Vertrages der beschriebene, also dem in der Präambel erwähnten Patent EP … entsprechende, bürstenlose Generator. Der Lizenzgeber hat grundsätzlich für die technische Ausführbarkeit und für die Brauchbarkeit des lizenzierten Schutzrechts zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck einzustehen. Einer speziellen Zusicherung bedarf es insoweit nicht (BGH GRUR 1979, 768 - Mineralwolle). Fehlt es daran, muss der Lizenznehmer grundsätzlich keine Lizenzgebühr zahlen (§§ 581, 536 BGB analog).

b) Die Beklagte macht im Streitfall nicht geltend, dass es an der grundsätzlichen Ausführbarkeit der technischen Lehre fehlt. Sie hält die Erfindung lediglich für die Zwecke der C AG für ungeeignet. Auf die fehlende Brauchbarkeit der Erfindung für den vertraglich vorausgesetzten Zweck, also für den Einsatz in kleinen Blockheizkraftwerken, kann sich die Beklagte jedoch nicht mit Erfolg berufen. Nach § 18 des Vertrages hat die Klägerin die Gewährleistung für die wirtschaftliche Verwertbarkeit und die Gebrauchsfähigkeit des lizenzierten Gegenstands ausdrücklich ausgeschlossen. Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es nicht darauf an, dass der Vertragstext von der Klägerin „vorgegeben“ wurde. Die Beklagte behauptet nicht, dass es sich um AGB, also um eine für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Klausel handelt. Im Übrigen würde die Klausel einer Inhaltskontrolle auch standhalten. Ein Ausschluss der Gewährleistung für die Ausführbarkeit und technische Brauchbarkeit der Erfindung ist üblich und wirksam (vgl. OLG Karlsruhe GRUR-RR 2009, 121, Rn. 30 - juris).

c) Auf den Haftungsausschluss könnte sich die Klägerin nur dann nicht berufen, wenn sie die Brauchbarkeit für den vom Vertrag vorausgesetzten Zweck ausdrücklich zugesichert hätte. Der schriftliche Vertrag enthält eine solche Zusicherung nicht. Auf angebliche mündliche Zusicherungen, die der Geschäftsführer der Klägerin im Vorfeld des Vertragsschlusses gegeben haben soll, kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg berufen.

aa) Hintergrund des Lizenzvertrages war, dass die Beklagte eine Zusammenarbeit mit der Fa. C AG, O1 anstrebte. Diese benötigte für ein Projekt „…“ in Gestalt stationärer Blockheizkraftwerke Generatoren. Ein geeigneter Generator sollte eine Leistung von 20 kW und ein Gewicht von 30-35 kg haben. Außerdem musste er einfach und kostengünstig zu produzieren sein. Die Beklagte behauptet, Herr A habe anlässlich eines Messebesuchs auf der IAA am 17.9.2009 sowie in Gesprächen am 22.10. und 27.11.2009 bei der Fa. C in O1 in Kenntnis dieser Anforderungen seine Generatoren-Konstruktion mit einer Leistung von 40 kW elektrischer Abgabeleistung beschrieben, die in stationären Blockheizkraftwerken zum Einsatz kommen könne. Er habe von sich aus die Inbetriebnahme eines Prototyps für das Frühjahr 2010 avisiert.

bb) Es bedarf keiner Aufklärung, ob diese Behauptungen zutreffen. Denn die Parteien haben in § 23 des Vertrages ausdrücklich erklärt, dass mündliche Nebenabreden nicht bestehen. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass die Parteien die Schriftformklausel bei oder nach Vertragsschluss mündlich aufgehoben haben. Bei den behaupteten Erklärungen des Herrn A handelte es sich also nicht um rechtsgeschäftliche Erklärungen, die Bestandteil des Lizenzvertrages geworden sind, sondern um Anpreisungen der Einsatzmöglichkeiten und Leistungsfähigkeit seiner Konstruktion. Das Anforderungsprofil der Generatoren für die Fa. C war außerdem nur pauschal und holzschnittartig umrissen. Lediglich zwei Leistungsparameter (Ausgangsleistung und Gewicht) waren nach dem Vortrag der Beklagten vorgegeben. Es ist nicht ersichtlich, wieso die ebenso pauschale Anpreisung des Herrn A, diese Parameter seien mit dem erfindungsgemäßen Motor grundsätzlich erreichbar, nicht der Wahrheit entsprochen haben soll. Gesicherte Aussagen konnten insoweit ohnehin nicht getroffen werden, weil - wie die Beklagten wussten - ein Prototyp noch nicht existierte, sondern nur „avisiert“ war. Es obliegt allein der Beklagten, vor Abschluss eines Lizenzvertrages auszuloten, ob die Technologie für den beabsichtigten Einsatzzweck tatsächlich geeignet ist. Sie hat mit der Klägerin keinen Entwicklungsvertrag geschlossen. Die technische Umsetzung lag in den Händen der Beklagten. Der geschäftliche Misserfolg eines Lizenzvertrages fällt in die Risikosphäre des Lizenznehmers (vgl. Benkard/Ullmann, § 15 Rn. 108, 124).

cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der angeblich avisierten Inbetriebnahme eines Prototyps durch Herrn A. Es war der Beklagten unbenommen, den Lizenzvertrag erst dann abzuschließen, wenn sie sich anhand eines Prototyps von der Leistungsfähigkeit der Konstruktion überzeugt hat. Stattdessen hat sich die Beklagte in § 11 des Vertrages verpflichtet, selbst einen Prototypen zu bauen und zu erproben. Sie hat damit das Risiko der technischen Umsetzbarkeit für den beabsichtigten Einsatzzweck übernommen.

3. Das Eingreifen des Haftungsausschluss ist auch nicht nach § 536d BGB analog bzw. nach § 9 des Vertrages ausgeschlossen. Der Gewährleistungsausschluss erstreckt sich gemäß § 9 nicht auf wissentlich verschwiegene Tatsachen. Die Klägerin hat keine Mängel arglistig verschwiegen.

a) Die Beklagte behauptet, dem Geschäftsführer der Klägerin, Herrn A, sei von Anfang an bekannt gewesen, dass die Leistungsparameter für den von der Fa. C zu bauenden Generator mit seiner patentgemäßen Konstruktion nicht erreichbar waren. Sie verweist auf das Zeugnis zweier Ingenieure der Maschinenbaufirma X GmbH (Bl. 39, 94 d.A.). Diese hätten den Auftrag der Beklagten zur Herstellung eines Prototyps mit der Begründung abgelehnt, das Prinzip von Herrn A könne nicht funktionieren und ein Generator von der Größenordnung von 30-40 kg könne die Leistung nicht bringen. Die Firma sei bereits in den Jahren 2004 und 2005 mit der Herstellung patentgemäßer Motoren betraut gewesen. Ferner behauptet die Beklagte unter Zeugenbeweisantritt, auch die Fa. D GmbH sei an der Herstellung eines Prototyps gescheitert, weil die Technologie nicht funktioniere (Bl. 95 d.A.).

b) Die Beklagte hat schon nicht hinreichend konkret vorgetragen, woran die technische Realisierbarkeit scheitert. Sie hat auf zu geringe Leistung und „thermische Schwierigkeiten“ wegen Überhitzung hingewiesen. Dies ist nicht ausreichend. Der Zeuge E, der von der Beklagten schließlich mit dem Bau des Prototyps betraut wurde, teilte mit Email vom 23.9.2010 mit, Versuche hätten eine Leistung von bis zu 24,4 kW ergeben (Anlage K11). Dies wäre ausreichend, denn die Fa. C verlangte nur 20 kW. Im Hinblick auf die angeblich drohende Überhitzung bei längerem Betrieb ist nicht ersichtlich, warum z.B. kein Kühlsystem integriert werden konnte. Hierzu fehlt es an Vortrag.

c) Jedenfalls sind keinerlei Umstände für eine Kenntnis des Geschäftsführers der Klägerin von den Schwierigkeiten ersichtlich. Die Klägerin hat den seinerzeitigen Prüfbericht der Fa. X vom 1.7.2005 vorgelegt (Anlage K6). Daraus ergibt sich, dass die Versuchsmotoren grundsätzlich funktionstüchtig waren. Ohne Bedeutung ist, dass die Bemessungsleistung nur bei 4,5 kW lag. Die Beklagte weist selbst darauf hin, dass nur eine wesentlich kleinere Ausführung des Motors geprüft wurde als die für den Generator der Fa. C benötigte Ausführung. Eine Kenntnis der allgemein zu geringen Leistungsfähigkeit kann daraus nicht abgeleitet werden. Außerdem hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, dass der Prüfbericht (Anlage K6) auch der Beklagten zur Verfügung gestellt worden ist (Bl. 54 d.A.). Die Klägerin kann daher dessen Inhalt nicht verheimlicht haben.

4. Der Beklagten steht gegen den Lizenzzahlungsanspruch auch kein aufrechenbarer Gegenanspruch wegen der Abholung des Prototyps durch Herrn A zu. Insoweit kann auf die zutreffenden Gründe des Urteils des Landgerichts Bezug genommen werden. Die Berufung erinnert dagegen nichts.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

6. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht erfüllt.