VG Kassel, Urteil vom 24.03.2015 - 1 K 1363/13.KS
Fundstelle
openJur 2015, 12340
  • Rkr:
Tenor

1. Der Bescheid vom 7. Februar 2013 in Gestalt des Bescheides vom 12. April 2013, dieser wiederum in Gestalt des Bescheides vom 24. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2013 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Beihilfe für die Array – CGH Analyse in Person des Klägers sowie seiner Ehefrau zu bewilligen.

3. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, falls nicht zuvor der Kläger Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist Beamter des Landes Hessen beim Finanzamt in G. Mit Bescheid vom 4. Oktober 2012 wurde dem Kläger bereits die Beihilfefähigkeit für eine sog. Array-CGH-Analyse für seinen am …2006 geborenen Sohn, K. A., anerkannt. Dieser leidet unter verschiedenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen bedingt durch Entwicklungsstörungen. Aufgrund der Durchführung der Array-CGH-Analyse wurde eine bislang in der Literatur nicht beschriebene Genmutation festgestellt, welche ursächlich für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Sohnes des Klägers sein können.

Mit Schreiben vom 27.01.2013 stellte der Kläger beim Regierungspräsidium A-Stadt einen Antrag auf Übernahme der Kosten für eine bei ihm selbst durchzuführende Array-CGH-Analyse.

Mit Bescheid vom 07. Februar 2013 hat die Festsetzungsstelle die Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für eine Array-CGH-Analyse abgelehnt, weil insoweit keine ausreichende Begründung des Antrags vorliegt.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 26. Februar 2013, eingegangen am 28. Februar 2013 Widerspruch ein. Zur Begründung wurde ein ärztliches Attest des Herrn Prof. Dr. med. B. C. vom 19. Februar 2013 beigefügt.

Mit Bescheid vom 14. April 2013 lehnte die Festsetzungsstelle die Beihilfefähigkeit der beantragten Analyse erneut ab, weil der ärztliche Dienst mitteilte, dass das vorgelegte Attest nicht ausreichend erscheint, um eine weitere CGH-Analyse zu rechtfertigen. Die Zielsetzung bzw. der therapeutische Benefiz des Kindes bleibt unklar.

Mit Schreiben vom 27.05.2013 wurde der ärztliche Dienst um nochmalige Prüfung gebeten und ein weiteres Attest vom 07.05.2013 nachgereicht. Insoweit teilte der ärztliche Dienst jedoch mit, dass eine ausreichende Begründung dennoch nicht erfolgt sei und auch eine telefonische Kontaktaufnahme mit dem Arzt erfolglos geblieben sei. Mit Schreiben vom 24. Juni 2013 hat die Festsetzungsstelle daher die Beihilfefähigkeit der beantragten Diagnostik erneut abgelehnt.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 22.07.2013 erneut Widerspruch ein. Der ärztliche Dienst teilte wiederum mit, dass es auch hier an einer Begründung, aus welcher sich der tatsächliche therapeutischen Nutzen der beantragten Analyse ergibt, fehle. Aufgrund dessen wurde der Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 26. September 2013 erneut zurück gewiesen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Aufwendungen für eine Array-CGH-Analyse beihilfefähig seien. Die beantragte Genuntersuchung sei für seine weitere Familienplanung erforderlich und zudem für die Diagnostik des Sohnes unerlässlich. Die positive Feststellung einer entsprechenden Genmutation bei ihm oder seiner Frau könne die Ursächlichkeit der Mutation für die bislang unklare Entwicklungsstörung des Sohnes ausschließen. Andernfalls müsse davon ausgegangen werden, dass die Mutation krankheitsverursachend sei. Im Hinblick auf die konkrete Behandlung des Sohnes sei es insoweit medizinisch notwendig, festzustellen, ob die gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf die festgestellte Genmutation zurückzuführen seien. Die Ermittlung eines solchen Kausalzusammenhanges könne nur durch eine weitere Untersuchung der Eltern mittels Array-CGH-Analyse festgestellt werden. Es sei entscheidend, ob die beim Sohn festgestellte Genmutation auch bei dem Kläger und seiner Frau vorliege und es sich insoweit um eine familienspezifische Veränderung handele.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 07. Februar 2013 in Gestalt des Bescheides vom 12. April 2013, diesen wiederum in Gestalt des Bescheides vom 24. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 26. September 2013 aufzuheben und festzustellen, dass die beantragen Aufwendungen für eine Array-CGH-Analyse beihilfefähig sind.

hilfsweise,

den Bescheid vom 07. Februar 2013 in Gestalt des Bescheides vom 12. April 2013, diesen wiederum in Gestalt des Bescheides vom 24. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 26. September 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, festzustellen, dass die beantragten Aufwendungen für eine Array-CGH-Analyse beihilfefähig sind.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass die Notwendigkeit der beantragten Beihilfe für die Aufwendungen der beantragten Analyse bislang nicht ausreichend begründet sei.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des behandelnden Arztes Prof. Dr. C. als sachverständigen Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweiserhebung wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll.

Zur Ergänzung des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird ferner auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten (1 Hefter) Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht entscheidet durch den Berichterstatter als Einzelrichter, weil die 1. Kammer ihm den Rechtsstreit durch Beschluss vom 22. Oktober 2014 übertragen hat.

Bei verständiger Würdigung des vom Kläger vorgebrachten Klagebegehrens, ist der Antrag des Klägers gemäß § 88 VwGO dahin gehend auszulegen, dass der Kläger die Gewährung der Aufwendung für die Array-CGH-Analyse begehrt. Statthaft ist insoweit die Anfechtungsklage in Kombination mit der Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO). Die vom Kläger wörtlich beantragte Feststellungsklage ist demgegenüber subsidiär.

Die damit zulässige Klage ist auch begründet. Die Ablehnung der Erstattung der vom Kläger beantragten Aufwendungen für die Array-CGH-Analyse ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, da ihm der geltend gemachte Anspruch zusteht, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Die Gewährung von Beihilfen richtet sich nach der Hessischen Beihilfeverordnung (HBeihVO). Als Beamter ist der Kläger nach §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 HBeihVO grundsätzlich anspruchsberechtigt im Sinne der Verordnung; seine Frau ist gem. § 3 I Nr. 1 HBeihVO berücksichtigungsfähig.

Gem. § 5 Abs. 1 HBeihVO sind jene Aufwendungen beihilfefähig, die dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind. Rechtsgrundlage für die Gewährung der hier konkret beantragten Aufwendungen für die Array-CGH-Analyse in Person des Klägers und seiner Frau ist § 6 HBeihVO. Dieser normiert die Notwendigkeit für Aufwendungen aus Anlass einer Krankheit. Aufwendungen nach Maßgabe des § 6 HBeihVO sind bei gegebener Notwendigkeit zu gewähren und stehen nicht im Ermessen der Behörde.

Die Voraussetzungen des §§ 5 und 6 HBeihVO sind erfüllt. Die Durchführung der Genanalyse erfolgt aus Anlass einer Krankheit, diese war auch notwendig und erforderlich.

Insoweit hat das Gericht Beweis erhoben durch Vernehmung des behandelnden Arztes Prof. Dr. C. als sachverständigen Zeugen. Dieser hat seine Beobachtungen betreffend die Notwendigkeit einer Array-CGH-Analyse bei dem Kläger und seiner Ehefrau dargestellt und dabei auch aufgrund eigener Sachkunde den Verlauf und den Nutzen einer solchen Analysemethode geschildert. An dem Wahrheitsgehalt der Aussagen des Zeugen bestehen ebenso wenig Zweifel wie an seiner Fachkunde, die es ihm ermöglicht hat, eine konkrete Nutzenanalyse im Fall des Klägers und seiner Ehefrau vorzunehmen.

Nach den Aussagen des Prof. Dr. C. ist die Frage der genetischen Kausalität der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Kindes von hoher Bedeutung für die weitere Diagnostik. Da es sich bei der Erkrankung des Kindes um eine bislang in der Literatur noch nicht beschriebene genetische Veränderung handelt und bei den Eltern keine Gesundheitsstörungen vorliegen, war, so der Zeuge weiter, die Array-Analyse erforderlich. Sie ist nach derzeitigem Stand der Medizin zur Ursachenklärung von Entwicklungsstörungen zunächst in beträchtlichem Maße erfolgreicher als herkömmliche Methoden. Soweit sich – wie hier – durch die Untersuchung des Kindes selbst keine Ursachenerklärung ergebe, sei eine Untersuchung der Eltern sowohl im Hinblick auf die Kausalität der Gesundheitsbeeinträchtigungen als auch hinsichtlich der Ermittlung etwaiger Behandlungsmethoden unerlässlich. Die Durchführung der Analyse allein beim Kind des Klägers sei nicht ausreichend, um eine ausreichende Behandlung des Sohnes sicher zu stellen. Denn nur bei positiver Feststellung eines entsprechenden Genbildes bei einem Elternteil könne zum einen die Kausalität der Genmutation für die Entwicklungsstörungen des Kindes ausgeschlossen werden und zum anderen weitere Ursachenforschung betrieben werden.

22Die Durchführung der Array-Analyse in Person des Klägers und seiner Frau ist damit für die Eröffnung weiterer Behandlungsmaßnahmen für das Kind erforderlich. Denn dadurch lassen sich möglicherweise sowohl ein genaues Krankheitsbild ableiten als auch bislang nicht erkannte Behandlungsmethoden ermitteln.

Überdies ergibt sich Notwendigkeit der Aufwendung auch aus der Notwendigkeit einer eigenen Familienplanung seitens des Klägers. Auch wenn der Kläger und seine Ehefrau aufgrund ihres Alters wahrscheinlich keine weiteren Kinder mehr bekommen werden, so ist doch für den Sohn K. eine genaue Diagnose erforderlich, um den weiteren Krankheitsverlauf festzustellen und damit mögliche Vorsorgeplanungen zu ermöglichen. Unabhängig von weiteren Kinderwünschen hat der Kläger also jedenfalls im Hinblick auf die finanzielle Vorsorge für den Sohn K. ein berechtigtes Interesse daran, die Ursache und mögliche Behandlungsmethoden seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu ermitteln.

Dem steht auch nicht entgegen, dass sich hier allein ein Krankheitsbild des Sohnes vorliegt und beim Kläger und dessen Frau insoweit keine äußerlichen Beschwerden auszumachen sind. Das Erfordernis der Krankheit setzt keine sichtbaren Symptome oder Beschwerden voraus. Insoweit genügt der begründete Verdacht, dass eben jene Genauffälligkeit auch beim Kläger und dessen Frau vorliegen kann. Dieser ergibt sich bereits aus der Möglichkeit des genetisch bedingten Ursprungs der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Sohnes.

Die Angemessenheit der Höhe der beantragten Aufwendung steht zwischen den Beteiligten nicht in Streit. Im Übrigen ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, welche auf eine Unangemessenheit der Aufwendungen schließen lassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert beträgt 1.365,00 €.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht §§ 1 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 3 GKG.

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