OLG Nürnberg, Beschluss vom 15.05.2015 - 11 WF 511/15
Fundstelle
openJur 2015, 12292
  • Rkr:

Aufwandsentschädigungen des Arbeitgebers können ohne nähere Darlegung in Höhe der steuerfreien Pauschalen als mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben bei der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe vom Einkommen abgezogen werden. Die häusliche Ersparnis ist bei diesen Pauschalen bereits berücksichtigt.

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Cham vom 26.02.2015 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 08.04.2015, hinsichtlich der zu zahlenden Raten und des Ratenbeginns abgeändert.

Aus dem Einkommen des Antragsgegners sind nunmehr auf die voraussichtlichen Kosten der Verfahrensführung Monatsraten von 68,00, zahlbar am Ersten des Monats, erstmals am 01. 06. 2015, an die Landesjustizkasse Bamberg zu zahlen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

2. Die Beschwerdegebühr wird um die Hälfte ermäßigt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Festsetzung von Monatsraten bei der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für ein Scheidungsverfahren.

Das Familiengericht hat im Teilabhilfe-Beschluss ausgehend von einem einzusetzenden Einkommen von 199,79 Euro Monatsraten von 99,-- Euro festgesetzt.

Vom monatlichen Nettoeinkommen von insgesamt 2.225,67 Euro wurden folgende monatliche Belastungen abgezogen:

Riester-Bausparvertrag55,50 EuroFahrgeld36,-- EuroArbeitgeberanteil vermögenswirksame Leistungen   8,58 EuroPflegeversicherung6,83 EuroKrankenversicherung45,06 EuroWinterbauumlage22,48 EuroMiete (an den Arbeitgeber zu zahlen)39,-- EuroWohnkosten269,-- EuroUnterhalt225,-- Euro und 50,-- EuroMonatsbelastung aus Krediten605,43 EuroUnter Berücksichtigung des Einkommens- und Erwerbstätigenfreibetrags ergab sich damit das genannte verbleibende einzusetzende Einkommen.

Mit seiner Beschwerde rügt der Antragsgegner, über die Teilabhilfe hinaus, das Gericht habe die Beiträge für die Lebensversicherung und für einen weiteren Bausparvertrag nicht abgezogen und diese als Vermögensansammlung bezeichnet. Die Beträge würden dem Aufbau einer Altersversorgung dienen. Auf den weiteren Bausparvertrag werden monatlich 40,00 € vermögensbildend angelegt. Desweiteren habe das Gericht beim Einkommen Auslöse und Fahrgeld in voller Höhe mitgerechnet. Auch sei die Winterbauumlage und die zusätzliche Miete am Arbeitsplatz nicht in Abzug gebracht worden.

II.

Die gemäß § 113 Abs. 2 S. 2 FamFG, §§ 127 Abs. 2 bis 4, § 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts ist nur teilweise begründet.

Die Beschwerde ist unbegründet, soweit die fehlende Einbeziehung der Winterbauumlage und der zusätzlichen Miete am Arbeitsplatz sowie die fehlende Berücksichtigung der Monatszahlungen an die Lebensversicherung und die Bausparkasse gerügt werden.

Die zusätzliche Miete am Arbeitsplatz und die Winterbauumlage hat das Familiengericht bereits, wie oben dargestellt, abgezogen.

Zutreffend ist die Entscheidung des Familiengerichts auch, soweit die monatlichen Beiträge für die Lebensversicherung und den weiteren Bausparvertrag nicht einbezogen wurden.

Angesichts der Einzahlungen in den Riester-Bausparvertrag ist eine weitere Altersvorsorge des gesetzlich versicherten Antragsgegners nicht mehr angemessen (vgl. § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII), weshalb die Berücksichtigung der Beiträge zur Lebensversicherung zu unterbleiben hat (ebenso Gottschalk, in Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 7. Aufl., Rn. 256; Groß, BerH/PKH/VKH, 12. Aufl., § 115 ZPO Rn. 37).

Vermögenswirksame Leistungen, wie der weitere Bausparvertrag, dienen in erster Linie der Vermögensbildung. Zutreffend hat das Amtsgericht die Arbeitgeberleistungen in Abzug gebracht (gegen eine Berücksichtigung als Einkommensbestandteil auch Gottschalk a.a.O. Rn. 244; OLG Bamberg JurBüro 1987, 1414), die an sich gebotene Beschränkung auf eine Nettoquote (vgl. im Unterhaltsrecht: Dose, in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, § 1 Rn. 74) kann angesichts des geringen Betrages unterbleiben. Soweit der Antragsgegner seine Einzahlungen auf diesen Betrag beschränkt, hat er auch nicht mit Steuernachteilen zu rechnen. Der mögliche Prämienverlust ist hinzunehmen, weil die sozialhilfeähnlichen Mittel der Verfahrenskostenhilfe nicht dazu dienen, die Vermögensbildung beeinträchtigungsfrei fortzuführen (vgl. OLG Braunschweig FamRZ 2006, 135). Die Einzahlungen stellen deshalb keine besondere Belastung dar (ebenso OLG Stuttgart FamRZ 2005, 1183 mit weiteren Nachweisen; a. A. BayVGH, Beschluss vom 16.07.2010, Az. 16b DS 10.1120 - zitiert nach juris; OLG Koblenz FamRZ 2009, 533; Groß, a.a.O. Rn. 66).

Entgegen der Annahme des Familiengerichts kann allerdings die dem Antragsgegner gewährte Auslöse nicht in vollem Umfang Berücksichtigung finden, weil den Einnahmen die mit ihrer Erzielung verbundenen Belastungen gegenzurechnen sind. Dem oben genannten Nettobetrag von 2.206,61 Euro liegen u. a. folgende (Brutto-)Entgeltbestandteile zugrunde:

Steuerfreie Aufwendung „EWT“                   63,-- EuroAuslöse pauschal versteuert37,-- Eurosteuerpflichtige Auslöse176,-- EuroDie Behandlung solcher Aufwandsentschädigungen im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe ist umstritten. Während etwa das Oberlandesgericht Karlsruhe (FamRZ 2004, 645, diesem folgend: Fischer, in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., § 115 ZPO Rn. 3) ähnlich wie im Unterhaltsrecht pauschaliert ein Drittel des monatlichen Durchschnittsbetrages als Einkommen im Sinne des § 115 Abs. 1 ZPO anrechnet, weil insoweit eine Ersparnis häuslicher Kosten angenommen werden könne, geht das LAG Schleswig-Holstein (Beschluss vom 15.11.2012, Az.: 5 Ta 189/12) davon aus, dass in den Abrechnungen ausgewiesene variable und steuerfreie Verpflegungszuschüsse nicht zum anrechnungsfähigen Einkommens zählen würden. Der Grund für die Steuerfreiheit solcher Zuschüsse liege nämlich darin, dass es sich um zusätzlichen arbeitsbedingten Aufwand handle, der deshalb nach den steuerrechtlichen Vorschriften gerade nicht als steuerpflichtiges Einkommen zähle. Gemäß § 9 Abs. 4a EStG sind Mehraufwendungen des Arbeitnehmers für die Verpflegung nur in Höhe von Verpflegungspauschalen ansetzbar. Diese Pauschale beträgt 24,-- Euro für jeden Kalendertag, an dem der Arbeitnehmer 24 Stunden von seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte abwesend ist, jeweils 12,-- Euro für den An- und Abreisetag sowie 12,-- Euro für einen Kalendertag, an dem der Arbeitnehmer ohne Übernachtung und außerhalb seiner Wohnung mehr als 8 Stunden abwesend ist. Mit der Pauschale wird „typisierend der Mehraufwand festgelegt, der über das hinausgeht, was ein Arbeitnehmer für seine Verpflegung ohnehin während eines normalen Arbeitstages an der ersten Tätigkeitsstätte aufwendet; die jedem Steuerpflichtigen täglich entstehenden Aufwendungen für Verpflegung stellen Kosten der privaten Lebensführung dar, die steuerlich unberücksichtigt bleiben“ (Einzelbegründung in BT-Drs. 17/10774 S. 15; vgl. Thürmer, in Blümich, EStG, 126. Aufl., § 9 EStG Rn. 592).

16Gemäß § 115 ZPO sind die in § 82 Abs. 2 SGB XII bezeichneten Beträge, zu denen insbesondere die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben zählen (§ 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII), abziehbar. Zu den letzteren zählen auch Verpflegungsmehraufwendungen. Nach Überzeugung des Beschwerdegerichts sind solche Verpflegungsmehraufwendungen deshalb, jedenfalls wenn sie konkret nachgewiesen werden, abziehbar (vgl. hierzu auch Zöller/Geimer, ZPO, 30. Auflage, § 115 ZPO Rn. 12; Gottschalk in Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 7. Aufl., Rn. 219). Ein solcher konkreter Nachweis ist im vorliegenden Verfahren aber nicht erfolgt. Gleichwohl geht auch das Beschwerdegericht davon aus, dass bei auswärtiger Tätigkeit Verpflegungsmehraufwendungen in gewissem Umfang entstehen, die entsprechend den steuerrechtlichen Pauschalen geschätzt werden können. Anders als im Unterhaltsrecht (vgl. hierzu Nr. 1.4 der Süddeutschen Leitlinien, zwischen steuerfreien und steuerpflichtigen Auslösen auch im Unterhaltsrecht differenzierend: Dose, a.a.O., § 1 Rn. 82), in dem von allen Aufwandspauschalen in der Regel 1/3 als häusliche Ersparnis angesetzt wird (diesem Ansatz folgend: OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, 645), können bei der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe aber nicht alle Aufwandspauschalen generell teilweise unberücksichtigt bleiben. So spricht etwa das Steuerrecht bei der pauschalversteuerten Auslöse in § 40 Abs. 2 Nr. 4 EStG (die der Antragsteller ebenfalls erhält) von „Vergütungen für Verpflegungsmehraufwendungen“, es handelt sich deshalb um weiteres vollständig zu berücksichtigendes Arbeitsentgelt, von dem mangels eines Nachweises kein Teil unberücksichtigt bleiben kann. Abziehbar ist deshalb im vorliegenden Verfahren vom Arbeitsentgelt nur die steuerfreie Pauschale von 63,-- Euro, bei der die häusliche Ersparnis bereits eingerechnet ist (vgl. oben sowie LAG Schleswig-Holstein a.a.O.) und von der deshalb kein Abschlag veranlasst ist.

Das einzusetzende Einkommen reduziert sich deshalb um 63,-- Euro, wodurch sich die Ratenzahlung um 31,-- Euro auf nunmehr noch 68,-- Euro vermindert.

III.

Eine Kostenentscheidung ist gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst. Im Hinblick auf den teilweisen Erfolg der Beschwerde hat das Gericht die Gebühr gemäß Nr. 1912 des Kostenverzeichnisses zum FamGKG auf die Hälfte ermäßigt.

Der Senat lässt gemäß § 574 Abs. 1 und 2 ZPO die Rechtsbeschwerde zu, da dies angesichts der von dieser Entscheidung abweichenden Rechtsprechung der genannten Obergerichte zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Die Rechtssache hat auch grundsätzliche Bedeutung, weil von einer Vielzahl gleichartiger Fälle auszugehen ist.