SG Osnabrück, Urteil vom 25.03.2015 - S 24 AS 1022/12
Fundstelle
openJur 2015, 11924
  • Rkr:
Tenor

1. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 19. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Oktober 2012

a. verpflichtet, die Bescheide vom 28. März 2011 betreffend Januar, Februar und März 2011, die Bescheide vom 9. Juni 2011 betreffend April bis September 2011 sowie die Bescheide vom 21. September 2011 und 20. Oktober 2011 abzuändern und

b. verurteilt, an den Kläger für die Monate Januar 2011 bis Oktober 2011 weitere 56,28 Euro zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Wege des Zugunstenverfahrens höhere Leistungen für Bedarfe für Heizung sowie einen Mehrbedarf wegen Schwerbehinderung und Besitz eines Schwerbehindertenausweises mit Merkzeichen „G“ für den Zeitraum Januar 2011 bis Oktober 2011.

Der Kläger ist am J. geboren. Er ist schwerbehindert und in seinem Schwerbehindertenausweis ist das Merkzeichen „G“ eingetragen. Seit Juli 2010 ist bei ihm die Pflegestufe I anerkannt. Für die Zeit ab August 2010 bewilligte der zuständige Rentenversicherungsträger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ohne Befristung (Vergleich vom 18. Oktober 2011). Der Kläger ist mit K., verheiratet. Sie haben drei Kinder: L., M. und N.. Der Kläger und seine Ehefrau wohnten im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum und davor zur Miete in dem Wohnhaus „O.). Die Söhne wohnten zunächst auch dort und zogen zum 1. Oktober 2011 aus. Es waren nach dem Mietvertrag eine monatliche Grundmiete in Höhe von 580 Euro, 20 Euro Wassergeld sowie eine Heizkostenpauschale von 160 Euro zu zahlen. Seit Dezember 2010 erfolgte jedoch aufgrund von geltend gemachten Mängeln nur eine Zahlung von insgesamt 470 Euro pro Monat. Die Unstimmigkeiten mit dem Vermieter waren der für den Beklagten handelnden P. (im Folgenden einheitlich: der Beklagte) bekannt. Wann genau dem Beklagten die Höhe der Mietminderung mitgeteilt wurde, ist unklar, jedenfalls hatte er seit Februar 2011 Kenntnis davon.

Der Kläger erhielt Kindergeld in Höhe von insgesamt 558 Euro pro Monat (184 Euro + 184 Euro + 190 Euro). Außerdem erzielte die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum Einkünfte in Höhe von 88 Euro aus einer geringfügigen Beschäftigung.

Q. erzielte folgende Einkünfte:

Von Oktober 2010 bis zum 29. Juli 2010 erhielt er eine Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von 259 Euro pro Monat, welches im Folgemonat gezahlt wird (Bescheid der Bundesagentur vom 27. Oktober 2010). Von April bis Juli erhielt er einen Aushilfslohn in Höhe von 99 Euro pro Monat. Von Juni 2011 bis August 2011 erhielt er eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 395 Euro einschließlich Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 81,48 Euro sowie im September 2011 in Höhe von 400 Euro einschließlich Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 83,50 Euro.

R. erzielte folgende Einkünfte:

Im Juli 2011 erhielt er für eine Aushilfstätigkeit 95 Euro. Im September 2011 erhielt er einen Lohn von 418 Euro einschließlich 86,22 Euro an Sozialversicherungsbeiträgen.

Der Sohn S. absolvierte eine betriebliche Ausbildung und erhielt ein Entgelt von 325 Euro pro Monat (brutto für netto). Außerdem erhielt er Wohngeld. Mit Bescheid vom 20. Dezember 2010 bewilligte ihm die Wohngeldstelle Wohngeld in Höhe von 95 Euro pro Monat. Zur Tilgung einer Überzahlung von 113 Euro behielt er jedoch Zahlungen ab Januar 2011 ein. Ob er weitere Einnahmen hatte, ist ungeklärt.

Der Beklagte bewilligte im Zeitraum Januar 2011 bis Dezember 2011 Leistungen zuletzt mit den genannten Bescheiden wie folgt (wegen der Einzelheiten der Einkommensanrechnung und Bedarfsverteilung wird auf die Bescheide, Bl. 650 ff, 654 ff, 658 ff, 763 ff, 766 ff., 846 ff., 882 ff. verwiesen):

Januar 2011: Auf die Regelbedarfe rechnete er Einkommen in Höhe von 6,39, 6,38, 3,64, 0 und 3,15 Euro an. Unterkunfts- und Heizkostenbedarfe berücksichtigte er jeweils in Höhe von 120,45 Euro.

Im Februar 2011 verteilte er ein Einkommen von 156 Euro zu 50,92, 50,92, 29,01, 0, 25,15 Euro.

Im März 2011 verteilte er Einkommen in Höhe von 156 Euro zu 50,92, 50,92, 28,36, 28,06.

Von April 2011 bis September 2011 verteilte er Einkommen wie folgt: 49,69 (2 x) und 28,31 (2 x) – Kindergeld abzüglich Versicherungspauschale von 30 Euro.

28. März 2011Januar 2011GesamtKlägerEhefrauT.S.R.1.354,21442,06442,06251,080218,2928. März 2011Februar 2011GesamtKlägerEhefrauT.S.R.1.217,77397,53397,52226,43-196,2928. März 2011März 2011GesamtKlägerEhefrauT.S.R.1.249,10398,66398,65227,08-224,719. Juni 2011April 2011GKlägerEhefrauT.S.R.1.251,77398,76398,76227,13-227,139. Juni 2011Mai 2011Wie April        Juni 2011Wie April        Juli 2011Wie April        August 2011Wie April        September 2011Wie April21. September 2011, 20. Oktober 2011Oktober 2011 – Dezember 2011GesamtKlägerEhefrau1.258,21629,11629,10--Den Bewilligungen gemeinsam ist, dass der Beklagte trotz Mietminderung von einem Gesamtbedarf für Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von 465 Euro zzgl. 137,21 Euro ausgegangen ist. Das Kindergeld wurde gleichmäßig durch drei geteilt und nicht in der Verteilung 184, 184, 190 zugeteilt.

Im Januar 2012 beantragte der Kläger die Überprüfung der Bewilligungsentscheidungen für den Zeitraum Oktober 2010 bis Dezember 2011.Im Juni teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass aufgrund des neuen Heizspiegels ein höherer Anspruch auf Heizkosten zustünde. Allerdings würde dieser verrechnet mit den zu viel gezahlten Kosten der Unterkunft. Darauf teilte der Kläger mit Schreiben vom 9. Juli 2012 mit, dass dem Beklagten die Mietminderung bekannt gewesen sei und der Fehler des Beklagten nicht dazu führen könne, dass nunmehr Leistungen nicht gezahlt würden. Mit Bescheid vom 19. Juli 2012 lehnte der Beklagte demgemäß den Überprüfungsantrag ab. Hiergegen legte der Kläger im August 2012 Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 9. August begründete er diesen wie folgt:

•Er verwies zunächst auf das Schreiben vom 9. Juli 2012.•Weiterhin sei der Sohn S. unrechtmäßig in die Bedarfsgemeinschaft einbezogen worden.•Das Tabellenwohngeld sei unerlaubt bei der Bedarfsgemeinschaft angerechnet worden.•Kindergeld von S. sei unrechtmäßigerweise bei der Bedarfsgemeinschaft angerechnet worden, obwohl dieser das Kindergeld erhalten habe.•Wohnunterkunftskosten seien fehlerhaft berechnet und einbehalten worden.•Der Mehrbedarf für Schwerbehinderung sei nicht berücksichtigt worden.•Bei der Wohnungsgröße sei die Schwerbehinderung zu berücksichtigen. Es habe keine Anrechnung mit der Rentenerstattung stattgefunden.•Versicherungspauschalen seien nicht bzw. fehlerhaft angerechnet.•Die Ansprüche seien nicht verzinst worden.Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 2012 wies der Beklagte den Widerspruch teilweise als unzulässig und im Übrigen als unbegründet zurück. Der Kläger erhielt danach höhere Leistungen wegen des Mehrbedarfs, welche jedoch mit den zu viel gezahlten Leistungen für Kosten der Unterkunft Heizung verrechnet worden waren. Insgesamt erhielt daher nur einen Gesamtbetrag in Höhe von 289,95 Euro.

Im April/Mai 2012 hatten die Beteiligten im Verfahren 22 AS 24/12 einen Vergleich dahingehend geschlossen, dass dem Kläger ein Mehrbedarf für Schwerbehinderung bei Besitz eines Ausweises mit Merkzeichen „G“ gewährt werden soll, und zwar unter anderem für das Jahr 2011.

Der Kläger hat am 27. November 2012 Klage erhoben.

Er trägt vor, dass aufgrund des gerichtlichen Vergleichs eine Verrechnung nicht habe erfolgen dürfen. Weiterhin habe der Beklagte die zu hohen Unterkunfts- und Heizkosten in Kenntnis der Minderung ausgezahlt. Die Beiträge für die KfZ-Versicherung seien zu berücksichtigen. Sie laufe zwar auf den Namen der Ehefrau. Dies sei unerheblich, weil das Fahrzeug vor allem dem Kläger diene. Das Kindergeld an S. sei weitergeleitet worden. Außerdem bestehe eine Hundehalterversicherung.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Stadt Haren vom 19. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 31. Oktober 2012 aufzuheben und

a. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis 31. Oktober 2011 einen Heizkostenbetrag in Höhe von 52,34 Euro zu zahlen.,

b. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger den Mehrbedarf wegen Schwerbehinderung in Höhe von 31 Euro für den Monat Dezember 2010, in Höhe von monatlich 26,45 Euro für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 30. September 2011 und in Höhe von 56 Euro für den Monat Oktober 2011 auszuzahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren. Weiterhin wird Bezug genommen auf die Schriftsätze vom 8. Dezember 2014, 7. Januar 2015 und 9. Februar 2015.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis in eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Die Kammer hat die Verwaltungsakte des Beklagten beigezogen sowie die Prozessakte zum Verfahren 22 AS 24/12.

Gründe

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG entscheiden, weil die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.

Die Kammer war nicht an einer Entscheidung gehindert, weil im Juli 2014 eine Beratung ohne mündliche Verhandlung erfolgte und eine Entscheidung formuliert wurde. Denn diese Entscheidung stellt einen bloßen Entwurf dar, weil er den Beteiligten nicht bekannt gegeben wurde (Keller, in: Meyer-Ladwig, SGG, 11. Auflage, § 132, Rn. 1a und § 133 Rn. 21).

Die Klage hat teilweise Erfolg. Sie ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Die Klage ist teilweise begründet. Der angegriffene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist teilweise rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat einen Anspruch auf teilweise Abänderung der Bewilligungsentscheidungen für den Zeitraum Januar bis Oktober 2011 und auf Zahlung höherer Leistungen für Regel- und Mehrbedarfe (§§ 20, 23 SGB II). Der Anspruch auf Abänderung der Bescheide folgt aus § 44 SGB X. In der streitigen Zeit ist im Einzelfall das Recht unrichtig angewandt worden und deswegen sind Sozialleistungen zu unrecht nicht gewährt worden. Prüfungsmaßstab sind nach der Rechtsprechung des BSG die Rügen, welche der Kläger bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides formuliert hat (BSG, Urteil vom 13. Februar 2014, Az.: B 4 AS 22/13 R, juris, 12 ff.).

Im Ergebnis hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung weiterer 30,07 Euro für Regel- und Mehrbedarfe für Januar bis September zzgl. weiterer 26,21 Euro für Oktober (unter Berücksichtigung der bereits für jeden Monat gezahlten 29,95 Euro), für die restlichen Monate ergeben sich Überzahlungen:

Monat Regel- und MehrbedarfeNachgezahltRestanspruchJan 11-6,22 29,55 -35,77Feb 1138,31 29,55 8,76   Mrz 1135,3   29,55 5,75   Apr 1137,33 29,55 7,78   Mai 1137,33 29,55 7,78   Jun 11-0,56 29,55 -30,11Jul 113,08   29,55 -26,47Aug 1125,93 29,55 -3,62 Sep 1111,75 29,55 -17,8 Dass sich bei einer Gesamtsaldierung ein weiterer Anspruch nicht ergeben würde, ist unerheblich. Nach der Rechtsprechung des BSG besteht ein Saldierungsverbot für Ansprüche aus verschiedenen Leistungsmonaten (Gericht: BSG 11b. Senat, Urteil vom 05.09.2007, Az.: B 11b AS 15/06 R, juris, Rn. 42).

Weiterhin ist unerheblich, dass Leistungen für Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 27,42 Euro pro Monat überzahlt wurden. Die Leistungen für Regel- und Mehrbedarfe einerseits und Bedarfe für Unterkunft und Heizung andererseits dürfen ebenfalls nicht saldiert werden. Für die Bewilligung beider Leistungsarten liegt jeweils ein eigener Verwaltungsakt vor (Luik, in: Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 22 SGB II, Rn. 31). Dies folgt daraus, dass auch ab Januar 2011 nach der Rechtsprechung des BSG beide Leistungsarten von einander unabhängige Streitgegenstände darstellen (BSG, Urteil vom 4. Juni 2014, Az.: B 14 AS 42/13 R, juris, Rn. 9). Eine Saldierung würde voraussetzen, dass für die Leistungen für Unterkunft und Heizung ein Erstattungsanspruch besteht, was wiederum die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung voraussetzt.

Bewilligt wurden folgende Leistungen:

Monat RS    KdU     G       Jan 11321,61120,45442,06Feb 11277,08120,45397,53Mrz 11278,21120,45398,66Apr 11278,31120,45398,76Mai 11278,31120,45398,76Jun 11278,31120,45398,76Jul 11278,31120,45398,76Aug 11278,31120,45398,76Sep 11278,31120,45398,76Okt 11328     301,11629,11Der Anspruch des Klägers auf Regel- und Mehrbedarfe (RS), Bedarfe für Unterkunft und Heizung (KdU) stellt sich wie folgt dar:

Monat RS    KdU     GesamtJan 11315,3993,03 408,42Feb 11315,3993,03 408,42Mrz 11313,5193,03 406,54Apr 11315,6493,03 408,67Mai 11315,6493,03 408,67Jun 11277,7593,03 370,78Jul 11281,3993,03 374,42Aug 11304,2493,03 397,27Sep 11290,0693,03 383,09Okt 11328     301,11629,11Zu den einzelnen Leistungsmonaten:

Jan 11Bis     Feb 2011                                NameU.V.Q.S.R.GesamtGeborenW.X.Y.Z.AA.        Alter4746221917        Regelbedarf3283282912912871525Mehrbedarf55,76                                55,76KdU/HK93,0393,0393,0393,0393,03465,17Kindergeld                -184-184-190-558Einkommen                -30-384,030-414,03Bedarf476,79421,03170,03-184190,031073,88Einkommen-30001840154Verteilung68,3760,3824,38027,25180,38Anspruch408,42360,65145,650162,781077,5Die Regelbedarfe folgen aus §§ 20, 23 SGB II.

Der Kläger hat, dies ist unstreitig, einen Anspruch auf höhere Leistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs bei Schwerbehinderung und Merkzeichen „G“ (§ 23 Nr. 4 SGB II). Daraus ergibt sich pro Monat ein um 55,76 Euro (328 ... 0,17) höherer Bedarfsanteil des Klägers. Der Mehrbedarf war nicht auf ganze Euro zu runden. Die Befugnis zur Rundung ergibt sich nicht aus § 77 Abs. 5 SGB II. Diese Vorschrift gilt nur für Mehrbedarfe nach § 21 SGB II, nicht für Bedarfe nach § 23 SGB II. Der höhere Bedarfsanteil schlägt sich nicht eins zu eins in einem höheren Anspruch nieder, weil durch den höheren Bedarfsanteil auch mehr Einkommen (bedarfsübersteigendes Einkommen der Kinder) auf diesen Bedarf angerechnet wird.

Die Unterkunfts- und Heizkosten (KdU/HK) folgen aus § 22 Abs. 1 SGB II. Danach sind die tatsächlichen Unterkunfts- und Heizkosten zu übernehmen, soweit sie angemessen sind. Zu berücksichtigen war die Miete von 470 Euro (Bruttokalt) sowie die Heizkosten von 160 Euro. Letztere waren jedoch teilweise unangemessen hoch. Die Angemessenheit bestimmt sich wie folgt: Zugrunde zulegen ist die für fünf Personen angemessene Wohnfläche von 95 qm nach den niedersächsischen Wohnraumförderbestimmungen. Allgemeine Zuschläge für Schwerbehinderung sind dabei nicht statthaft (Luik, in: Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 22 SGB II, Rn. 79). Der pro Quadratmeter angemessene Preis ist anhand des Bundesheizkostenspiegels zu bestimmen. Für Heizöl bestimmt sich ein Jahreswert von 19,60 Euro pro Quadratmeter und 155,17 Euro pro Monat. Ein Anspruch auf weitere Leistungen für Bedarfe für Unterkunft und Heizung bestand nicht. Zwar waren höhere Heizkosten entstanden als bei der ursprünglichen Bewilligung berücksichtigt. Da Leistungen für Bedarfe für Unterkunft und Heizung einen einheitlichen Streitgegenstand darstellen, ist hier eine „Saldierung“ statthaft.

Das Kindergeld wurde vom Beklagten jedoch falsch verteilt, nämlich zu je 186 Euro statt zu 184, 184 und 190 Euro. Dies ist mit dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II nicht vereinbar. Dazu hat das BSG ausgeführt (BSG, Beschluss vom 2. Dezember 2014, Az.: B 14 AS 241/14 B, juris, Rn. 6:

„Weiterhin als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet der Beklagte die Frage, "wie die Anrechnung des Kindergeldes zu erfolgen hat", wenn in Bedarfsgemeinschaften Kindergeld in unterschiedlicher Höhe gezahlt wird. Dazu hätte zunächst zur Klärungsbedürftigkeit ausgehend vom Gesetzeswortlaut dargetan werden müssen, inwieweit grundsicherungsrechtlich ernstlich in Frage stehen kann, dass das Kindergeld in jeweiliger Höhe dem Kind als Einkommen zugerechnet wird, für das es gezahlt wird; wenn nach § 11 Abs 1 Satz 4 iVm § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II als Einkommen "dem jeweiligen Kind zuzurechnen" ist ua "das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird", dann liegt es jedenfalls nicht unmittelbar nahe, das Kindergeld - wie der Beklagte geltend macht - grundsicherungsrechtlich einem "familiären Zweck" entsprechend der gesamten Bedarfsgemeinschaft zuzuordnen (ebenso im Ergebnis BSG Urteil vom 14.3.2012 - B 14 AS 17/11 R - BSGE 110, 204 = SozR 4-4200 § 9 Nr 10 RdNr 15 mit RdNr 5, 15).“

Gegen eine Durchschnittsbetrachtung spricht auch, dass diese zu Friktionen führen würde, wenn es zu einer Abzweigung oder Weiterleitung von Kindergeldbeträgen kommt. Denn abgezweigt und weitergeleitet kann nur der jeweils auf das Kind entfallende Anteil.

Die Berücksichtigung des für S. gezahlten Kindergeldes, abzüglich Versicherungspauschale war im Ergebnis nicht zu beanstanden. In der obigen Tabelle erfolgt dies, indem ein bedarfsdeckendes Einkommen angenommen wird. Die Anrechnung des Kindergeldes folgt aus § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II. Danach ist Kindergeld als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Auf das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft kommt es in diesem Falle gerade nicht an. Aus § 7 Abs. 3 Nr. 4 und § 9 Abs. 2 SGB II sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des BSG folgt, dass Einkommen der Kinder – einschließlich Kindergeld – vorab bei ihnen anzurechnen ist und dass sie nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft gehören, wenn ihr individueller Bedarf gedeckt ist. Soweit das Kindergeld wegen anderen Einkommens nicht zur Bedarfsdeckung benötigt wird, folgt im Umkehrschluss, dass Kindergeld Einkommen des Kindergeldberechtigten bleibt. Auf die Frage, ob S. zur Bedarfsgemeinschaft gehören wollte oder ob er auf Leistungen verzichtet hat, kommt es mithin nicht an. Wenn er auf Leistungen verzichtet hat, obwohl er eigentlich einen Anspruch hätte, kann dies allein nicht die horizontal-vertikale Einkommensverteilung beeinflussen.

Maßgeblich ist allein objektiv, ob und inwieweit Kindergeld zur Deckung seines Bedarfs erforderlich war. Die objektive Beweislast für die Unaufklärbarkeit der Tatsache trägt der Kläger. Der Kläger ließ erklären, dass S. keine Kontoauszüge vorlegen werde. Angesichts dessen ist davon auszugehen, dass Kindergeld zur Bedarfsdeckung nicht erforderlich war. Auf die faktische Weiterleitung von Kindergeld kommt es dann nicht mehr an. Nach dem Zuflussprinzip war das Kindergeld im Monat des Zuflusses beim Kläger als Einkommen zu berücksichtigen. Wie er es danach verwendet hat, ist – anders als bei einmaligen Einnahmen – unerheblich. Dass es bei der Vorlage der Kontoauszüge um die Ermittlung des Kindergeldüberhangs ging, war der Klägerseite auch klar (siehe Schriftsatz des Beklagten vom 8. Dezember 2014).

Die KfZ-Versicherung war bei der Versicherungsnehmerin zu berücksichtigen. Es kam allein auf die zivilrechtliche Zuordnung an. Die Hundehalterhaftpflichtversicherung war nicht anzuerkennen, da der Bezug zur Sicherung des Existenzminimums nicht erkennbar ist.

Mrz 11                                                Name   U.V.Q.S.R.GesamtGeborenW.X.Y.Z.AA.        Alter 4746221917,6666667        Regelbedarf328328291291288,331526,33Mehrbedarf55,76                                55,76KdU/HK93,0393,0393,0393,0393,03465,17Kindergeld                -184-184-190-558Einkommen-K                -30-384,03-30-444,03Bedarf476,79421,03170,03-184161,361045,21Einkommen-30001840154Verteilung70,2562,0325,05023,77181,1Anspruch406,54359144,980137,591048,11Im März war der 18. Geburtstag von R. zu berücksichtigen. In diesem Monat ist ein Mischregelsatz zu bilden für 20/30 ...287 und 10/30 ... 291 Euro. Außerdem ist ab März die Versicherungspauschale zu berücksichtigen.

Apr 11Bis      Mai 11                                Name   U.V.Q.S.R.GesamtGeborenW.X.Y.Z.AA.        Alter 4746221918        Regelbedarf3283282912912911529Mehrbedarf55,76                                55,76KdU/HK93,0393,0393,0393,0393,03465,17Kindergeld                -184-184-190-558Einkommen-K                0-384,03-30-414,03Bedarf476,79421,03200,03-184164,031077,88Einkommen-30001840154Verteilung68,1260,1528,58023,44180,29Anspruch408,67360,88171,450140,591081,59Von April bis Mai war für Q. die Versicherungspauschale nicht mehr zu berücksichtigen. Denn er hatte Einnahmen aus einer geringfügigen Beschäftigung in Höhe von 99 Euro pro Monat. Die Versicherungspauschale nach § 6 Abs. 1 Alg II-VO für private Versicherungen nach § 11b Abs. 1 Nr. 3 SGB II ist nach § 11b Abs. 2 SGB II nicht anzusetzen, wenn auf Einkommen der Grundfreibetrag angerechnet wird. Bis zu einem Einkommen von 400 Euro bleibt es immer beim Grundfreibetrag. Bei einem höheren Bruttoeinkommen können auch weitere Absetzungen berücksichtigt werden.

 Jun 11                                                Name   U.V.Q.S.R.GesamtGeborenW.X.Y.Z.AA.        Alter 4747221918        Regelbedarf3283282912912911529Mehrbedarf55,76                                55,76KdU/HK93,0393,0393,0393,0393,03465,17Kindergeld                -184-184-190-558Einkommen-K                -233,72-384,03-30-647,75Bedarf476,79421,03-33,69-184164,03844,16Einkommen-30033,691840187,69Verteilung106,0193,610036,47236,09Anspruch370,78327,4200127,56825,76Im Juni und im Juli war bei Q. zusätzlich die Ausbildungsvergütung zu berücksichtigen. Das Einkommen stellte sich wie folgt dar:

Monat BruttoBrutto 2Ges. AbzügeNetto GF    EF    A       Jun 1199    395     81,48 412,52100     78,8   233,72Jul 1199    395     81,48 412,52100     78,8   233,72Vom Bruttoeinkommen von 99 + 395 Euro waren die gesetzlichen Abzüge auf die Ausbildungsvergütung abzuziehen, sowie der Grundfreibetrag (GF) nach § 11b Abs. 2 SGB II und der Freibetrag auf Erwerbstätigkeit (EF) nach § 11b Abs. 1 Nr. 6 i. V. m. § 11b Abs. 3 SGB II in Höhe von 20 % des Bruttoeinkommens zwischen 100 und 1.000 Euro, so dass ein anrechenbares Einkommen (A) von 233,72 Euro verblieb.

Jul 11                                                Name   U.V.Q.S.R.GesamtGeborenW.X.Y.Z.AA.         Alter 4747221918        Regelbedarf3283282912912911529Mehrbedarf55,76                                55,76KdU/HK93,0393,0393,0393,0393,03465,17Kindergeld                -184-184-190-558Einkommen-K                -233,72-384,030-617,75Bedarf476,79421,03-33,69-184194,03874,16Einkommen-30033,691840187,69Verteilung102,3790,40041,66234,43Anspruch374,42330,6300152,37857,42Im Juli fiel bei R. die Versicherungspauschale weg, weil dieser für eine Aushilfstätigkeit 95 Euro erhielt und die Versicherungspauschale nach § 11b Abs. 2 SGB II nicht mehr angerechnet werden kann.

Aug 11                                                Name   U.V.Q.S.R.GesamtGeborenW.X.Y.Z.AA.       Alter 474722,11918       Regelbedarf3283282912912911529Mehrbedarf55,76                               55,76KdU/HK93,0393,0393,0393,0393,03465,17Kindergeld                -184-184-190-558Einkommen-K               -154,52-384,03-30-568,55Bedarf476,79421,0345,51-184164,03923,36Einkommen-30001840154Verteilung79,5270,227,59027,36184,69Anspruch397,27350,8137,920136,67922,67Im August entfällt bei Q. und bei R. jeweils die geringfügige Beschäftigung.

Sep 11                                                Name   U.V.Q.S.R.GesamtGeborenW.X.Y.Z.AA.        Alter 4747231918       Regelbedarf3283282912912911529Mehrbedarf55,76                                55,76KdU/HK93,0393,0393,0393,0393,03465,17Kindergeld                -184-184-190-558Einkommen-K                -156,05-384,03-168,18-708,26Bedarf476,79421,0343,98-18425,85783,65Einkommen-30001840154Verteilung93,782,748,6405,08190,16Anspruch383,09338,2935,34020,77777,49Im September erhält R. erstmals die Ausbildungsvergütung von brutto 418 Euro abzüglich gesetzlicher Abzüge von 86,22 Euro (§ 11b Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 SGB II), Grundfreibetrag (§ 11b Abs. 2 SGB II) und Erwerbstätigenfreibetrag (§ 11b Abs. 3 SGB II).

Zu den im vorbereitenden schriftlichen Verfahren Berechnungen ergeben sich folgende Unterschiede:

Die Kammer ist dem Beklagten dahingehend gefolgt, dass Kindergeld für S. angerechnet werden muss. Dies ergibt pro Monat einen Betrag von ca. 60 bis 70 Euro, um welchen der Anspruch des Klägers sich verringert. Wäre die Kammer dem Kläger diesbezüglich gefolgt, hätte sich ein Anspruch wie folgt ergeben (ohne Oktober):

MonatRS    NachgezahltRestanspruchJan 1162,15 29,55 32,6   Feb 1195,97 29,55 66,42 Mrz 1194,58 29,55 65,03 Apr 1187,39 29,55 57,84 Mai 1187,39 29,55 57,84 Jun 1166,1   29,55 36,55 Jul 1167,3   29,55 37,75 Aug 1184,68 29,55 55,13 Sep 1181,43 29,55 51,88         726,99265,95461,04Im Juni und Juli wurden ca. 33 Euro bedarfsübersteigendes Einkommen von Q. nicht berücksichtigt.

Außerdem wurden auf den berechtigten Hinweis des Beklagten die Freibeträge auf geringfügige Beschäftigungen nicht höher als das geringfügige Einkommen angesetzt. Daraus ergibt sich mit dem Betrag von ca. 2 x 33 Euro und dem oben aus Vereinfachungsgründen nicht berücksichtigten Oktober die Differenz zu den Berechnungen im vorherigen Verfahren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.