VG Berlin, Urteil vom 18.06.2015 - 2 K 176.14
Fundstelle
openJur 2015, 11817
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Deutschen Bundestages vom 6. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2014 verpflichtet, dem Kläger Auskunft zu erteilen

- über die Anzahl der Hausausweise, die aufgrund der Zeichnung und Befürwortung eines Parlamentarischen Geschäftsführers einer Bundestagsfraktion seit Beginn der 18. Wahlperiode bis zum 17. April 2014 ausgegeben wurden

- sowie über die Namen der Verbände, an deren Vertreter aufgrund der Zeichnung und der Befürwortung eines Parlamentarischen Geschäftsführers einer Bundestagsfraktion seit Beginn der 18. Wahlperiode bis zum 17. April 2014 ein oder mehrere Hausausweise ausgegeben wurden.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt vom Deutschen Bundestag Auskunft über die Anzahl der an Verbandsvertreter ausgestellten Hausausweise sowie die Namen der Verbände.

Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein, der nach seiner Satzung u.a. den Zweck verfolgt, das demokratische Staatswesen zu fördern. Er ist zudem Träger der Internetplattform a...

Mit E-Mail vom 17. April 2014 beantragte der Kläger beim Deutschen Bundestag gestützt auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) die Übersendung folgender Informationen:

1. Die Anzahl der Hausausweise, die die Bundestagsverwaltung auf Grundlage der Geschäftsordnung Anlage 2 Absatz 3 in dieser Wahlperiode an Interessenvertreter ausgegeben hat (bitte als Anzahl angeben).

2. Eine Auflistung der Verbände, an deren Vertreter auf Grundlage der Geschäftsordnung Anlage 2 Absatz 3 von der Bundestagsverwaltung seit Beginn der Wahlperiode ein oder mehrere Hausausweise ausgegeben wurden (bitte Namen der Verbände angeben).

3. Die Anzahl der Hausausweise, die aufgrund der Zeichnung und Befürwortung eines Parlamentarischen Geschäftsführers einer Bundestagsfraktion seit Beginn dieser Wahlperiode von der Bundestagsverwaltung ausgegeben wurden (bitte Anzahl angeben).

4. Eine Auflistung der Verbände, an deren Vertreter von der Bundestagsverwaltung aufgrund der Befürwortung eines Parlamentarischen Geschäftsführers einer Bundestagsfraktion seit Beginn der Wahlperiode ein oder mehrere Hausausweise ausgegeben wurden (bitte Namen der Verbände angeben).

Mit Bescheid vom 6. Juni 2014 teilte der Deutsche Bundestag dem Kläger zu Punkt 1 des Antrags mit, dass seit Beginn der 18. Wahlperiode 1.040 Hausausweise an insgesamt 136 (gemeint 487) Verbände gemäß Anlage 2 Absatz 3 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ausgegeben worden seien; zu Punkt 2 des Antrags übersandte er eine Liste mit 487 namentlich genannten Verbänden. Eine Auskunft zu den Punkten 3 und 4 des Antrages lehnte der Deutsche Bundestag ab mit der Begründung, das Informationsfreiheitsgesetz sei nicht anwendbar. Die Entscheidung des Parlamentarischen Geschäftsführers einer Bundestagsfraktion sei dem Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten zuzuordnen. Die Auskunft betreffe zudem mandatsbezogene Informationen, so dass jedenfalls der Ausschlussgrund des § 5 Abs. 2 IFG einer Auskunftserteilung entgegenstehe; die Parlamentarischen Geschäftsführer hätten einer Bekanntgabe nicht zugestimmt.

Gegen die Ablehnung erhob der Kläger Widerspruch, den der Deutsche Bundestag mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2014 zurückwies.

Mit der am 28. November 2014 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Auskunftsbegehren weiter. Er macht geltend, dass es sich bei der Entscheidung des Präsidenten des Deutschen Bundestages als Hausrechtsinhaber um Verwaltungstätigkeit handele. Die Gegenzeichnung des Parlamentarischen Geschäftsführers sei nur eine Voraussetzung für die Erteilung des Hausausweises. Ebenso wenig wie bei den öffentlich registrierten Verbänden bestehe bei den von einem Parlamentarischen Geschäftsführer gezeichneten Anträgen ein Anspruch auf Ausstellung eines Hausausweises. Es handele sich um eine eigene Ermessensentscheidung der Bundestagsverwaltung. Die Gegenzeichnung stelle lediglich eine Entscheidungshilfe für den Präsidenten des Deutschen Bundestages dar. Der Parlamentarische Geschäftsführer sei die sachnähere Stelle für die Beurteilung eines berechtigten Interesses des Antragstellers. Auf § 5 Abs. 2 IFG könne sich die Beklagte nicht berufen, da nicht der Zugang zu der vom Parlamentarischen Geschäftsführer gezeichneten Unterlage im Streit stehe, sondern lediglich die Anzahl der ausgegebenen Hausausweise und die Namen der Verbände. Rückschlüsse auf personenbezogene Daten seien nicht möglich. Der Name des jeweils zuständigen zeichnungsberechtigten Parlamentarischen Geschäftsführers sei ihm nicht bekannt. Soweit die Fraktionen „Bündnis 90/Die Grünen“ und „Die Linke“ auf seine Anfragen geantwortet hätten, wisse er nicht, ob die Angaben vollständig seien. Eine entsprechende Nachfrage bei der Fraktion „Bündnis 90/Die Grünen“ sei jedenfalls nicht vollständig beantwortet worden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Deutschen Bundestages vom 6. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2014 zu verpflichten, ihm Auskunft zu erteilen über

- die Anzahl der Hausausweise, die aufgrund der Zeichnung und Befürwortung eines Parlamentarischen Geschäftsführers einer Bundestagsfraktion seit Beginn der 18. Wahlperiode bis zum 17. April 2014 ausgegeben wurden

- sowie über die Namen der Verbände, an deren Vertreter aufgrund der Zeichnung und der Befürwortung eines Parlamentarischen Geschäftsführers einer Bundestagsfraktion seit Beginn der 18. Wahlperiode bis zum 17. April 2014 ein oder mehrere Hausausweise ausgegeben wurden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen aus, die Ausstellung der Hausausweise stelle zwar grundsätzlich Verwaltungstätigkeit dar, dies gelte aber nicht für die Erteilung von Hausausweisen, die aufgrund der Zeichnung und Befürwortung eines Parlamentarischen Geschäftsführers ausgegeben worden seien. Die Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktionen seien Abgeordnete des Deutschen Bundestages und übten ihr Recht ausschließlich im parlamentarischen Interesse aus. Es gehe um die Freiheit ihres Abgeordnetenmandats und den Grundsatz der Parlamentsautonomie. Die Bekanntgabe der Informationen ermögliche Rückschlüsse auf die Person des konkreten Parlamentarischen Geschäftsführers. Schon die Namen der Verbände ließen sich den jeweiligen Fraktionen und damit auch dem zeichnungsberechtigten Parlamentarischen Geschäftsführer zuordnen. Die Fraktionen „Bündnis 90/Die Grünen“ und „Die Linke“ hätten gegenüber dem Kläger bereits Angaben zu den Verbänden gemacht, für die sie gezeichnet hätten. So könne durch bloße Subtraktion ermittelt werden, welcher Parlamentarische Geschäftsführer der beiden anderen Fraktionen welchen Antrag gezeichnet habe. Schließlich sei zu befürchten, dass eine weitere Bundestagsfraktion sich entschließe, freiwillig Angaben gegenüber dem Kläger zu machen mit der Folge, dass dann auf jeden Fall offen zu Tage liege, für welchen Verband der jeweilige Parlamentarische Geschäftsführer gezeichnet habe. Zudem seien Rückschlüsse auf Namen einzelner Abgeordneter mit Spezialgebieten und auf Namen von Vertretern der Verbände möglich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen; diese Akten haben vorgelegen und ihr Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Deutschen Bundestages vom 6. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2014 ist im angefochtenen Umfang rechtswidrig und verletzt den Kläger daher in seinen Rechten; der Kläger hat Anspruch auf Auskunft über die Anzahl der an Verbandsvertreter ausgegebenen Hausausweise und die Namen der Verbände (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Hiernach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen.

1. Der Kläger ist als juristische Person des Privatrechts in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins „jeder“ im Sinne des Gesetzes und damit anspruchsberechtigt. Er erstrebt den Zugang zu amtlichen Informationen. Denn bei der Anzahl der ausgestellten Hausausweise sowie den Namen der Verbände handelt es sich um amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnungen (vgl. § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG).

Der Deutsche Bundestag ist in Bezug auf die begehrten Informationen auskunftspflichtige Behörde. Der Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG liegt kein organisationsrechtlicher, sondern ein funktionaler Behördenbegriff zugrunde (BVerwG, Urteile vom 27. November 2014 – BVerwG 7 C 19.12 und BVerwG 7 C 20.12 – juris Rn. 17, vom 15. November 2012 – BVerwG 7 C 1.12 – juris Rn. 22 und vom 3. November 2011 – BVerwG 7 C 3.11 – juris Rn. 11 ff.). Eine Behörde ist demnach jede Stelle im Sinne einer eigenständigen Organisationseinheit, die öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt, was sich wiederum nach materiellen Kriterien bestimmt (BVerwG, Urteil vom 15. November 2012, a.a.O. Rn. 22). Bei der Abgrenzung zwischen Verwaltungstätigkeit und parlamentarischer Tätigkeit des Deutschen Bundestages zeigt die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/4493, S. 7), dass der Gesetzgeber nur den „spezifischen Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten (insbesondere Gesetzgebung, Kontrolle der Bundesregierung, Wahlprüfung, Wahrung der Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder - z. B. in Immunitätsangelegenheiten, bei Petitionen und bei Eingaben an den Wehrbeauftragten -, parlamentarische Kontakte zu in- und ausländischen sowie supranationalen Stellen)“ vom Informationszugang ausnehmen wollte.

Nach diesen Kriterien nimmt der Präsident des Deutschen Bundestages bei der Entscheidung über die Ausstellung eines Hausausweises für Interessenvertreter eine Verwaltungsaufgabe im materiellen Sinne wahr. Denn er übt nach Art. 40 Abs. 2 GG in Verbindung mit § 7 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages und Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses (im Folgenden: GO-BT) das Hausrecht und die Polizeigewalt in allen der Verwaltung des Bundestages unterstehenden Gebäuden, Gebäudeteilen und Grundstücken zur Aufrechterhaltung und Wahrung des Hausfriedens als Grundlage für die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages aus. Dies bestreitet auch die Beklagte nicht, soweit es um die Ausstellung von Hausausweisen für solche Interessenvertreter geht, deren Verbände in einer vom Präsidenten des Deutschen Bundestages geführten öffentlichen Liste eingetragen sind (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Anlage 2 Abs. 1 bis 3 GO-BT i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 der Hausordnung des Deutschen Bundestages).

Diese Verwaltungstätigkeit wird entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht dadurch zu einer – vom funktionalen Behördenbegriff ausgenommenen - spezifischen parlamentarischen Angelegenheit, dass der Parlamentarische Geschäftsführer einer Fraktion den Antrag eines Interessenvertreters eines nicht in die öffentliche Liste eingetragenen Verbandes zeichnet und damit befürwortet. Denn auch in diesem Fall verbleibt die Entscheidung über die Ausstellung eines Hausausweises beim Präsidenten des Deutschen Bundestages als Hausrechtsinhaber. Dies ergibt sich aus § 7 Abs. 2 Satz 2 GO-BT i.V.m. § 2 Abs. 4 der Hausordnung des Deutschen Bundestages. Danach können andere Personen (als die in Absatz 1 bis 3 Genannten) für einen nicht nur gelegentlich erforderlichen Zutritt aus berechtigtem Anlass einen Bundestagsausweis mit einer Gültigkeitsdauer grundsätzlich bis maximal zum Ende des laufenden Kalenderjahres im Rahmen der geltenden Vorschriften erhalten. In Ergänzung hierzu hat der Ältestenrat des Deutschen Bundestages mit Beschluss vom 30. Juni 2011 in Abschnitt II Nr. 2 Abs. 5 Satz 5 der Zugangs- und Verhaltensregeln für den Bereich der Bundestagsliegenschaften geregelt, dass der Präsident des Deutschen Bundestages für Interessenvertreter von Verbänden, die nicht in der im Bundesanzeiger veröffentlichten Liste über die Registrierung von Verbänden und deren Vertretern registriert sind, einen Hausausweis ausstellen kann, wenn sie mit einem durch einen Parlamentarischen Geschäftsführer gezeichneten Antrag nachweisen können, dass sie die Gebäude des Deutschen Bundestages nicht zuletzt im Interesse des Parlaments häufig aufsuchen müssen. In rechtlicher Hinsicht soll die Zeichnung durch den Parlamentarischen Geschäftsführer einer Bundestagsfraktion damit lediglich den Nachweis erbringen, dass der Interessenvertreter die Gebäude des Deutschen Bundestages häufig aufsuchen muss, mithin ein „berechtigter Anlass“ für einen „nicht nur gelegentlich erforderlichen Zutritt“ im Sinne des § 2 Abs. 4 der Hausordnung vorliegt.

Soweit die Beklagte geltend macht, die Entscheidung des Parlamentarischen Geschäftsführers erfolge in Wahrnehmung seiner parlamentarischen Tätigkeit und er übe dieses Recht ausschließlich im parlamentarischen Interesse aus, es gehe hier um die Freiheit des Abgeordnetenmandats und die Parlamentsautonomie, ist dies für die rechtliche Einordnung der Ausstellung von Hausausweisen als öffentlich-rechtlicher Verwaltungsaufgabe unerheblich. Denn die Entscheidung des Parlamentarischen Geschäftsführers ist nicht Gegenstand des Auskunftsbegehrens.

2. Dem Informationsanspruch steht der Ausschlussgrund des Schutzes personenbezogener Daten nach § 5 Abs. 1 IFG nicht entgegen.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG darf der Zugang zu personenbezogenen Daten nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs überwiegt oder der Dritte eingewilligt hat. Personenbezogene Daten sind nach der hier maßgeblichen Begriffsbestimmung des § 3 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Kläger begehrt keine Informationen über natürliche Personen; er möchte nur Auskunft über die Anzahl der ausgestellten Hausausweise und über die Namen der Verbände. Rückschlüsse auf das Verhalten von natürlichen Personen sind nach dem Erkenntnisstand in der mündlichen Verhandlung nicht zu erwarten.

a) Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die Anzahl der ausgestellten Hausausweise (für den Zeitraum vom Beginn der 18. Wahlperiode bis zum 17. April 2014) nicht auf das Verhalten eines konkreten Parlamentarischen Geschäftsführers einer bestimmten Bundestagsfraktion bezogen werden.

Einer bestimmbaren Person kann eine Angabe zugeordnet werden, wenn der Personenbezug zwar nicht aus dem konkreten Datensatz ersichtlich, dieser aber mithilfe ansonsten bekannter Angaben und damit von sogenanntem Zusatzwissen hergestellt werden kann. Unter welchen Voraussetzungen hiervon auszugehen ist, ergibt sich aus der Vorschrift des § 3 Abs. 6 BDSG, die den zum Personenbezug komplementären Begriff der Anonymisierung umschreibt. Danach ist Anonymisieren das Verändern personenbezogener Daten derart, dass die Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse nicht mehr oder mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person zugeordnet werden können. Der Personenbezug entfällt bei einer Veränderung der Daten vor Herausgabe durch Beseitigung der Identifikationsmerkmale demnach nur, wenn eine spätere Deanonymisierung nur mit unverhältnismäßigem Aufwand vorgenommen werden kann. Ob eine solche Deanonymisierung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, erfordert eine Risikoanalyse im Einzelfall (BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 – BVerwG 7 C 20.12 – juris Rn. 40 mit weiteren Nachweisen).

Gemessen hieran ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass bei Bekanntgabe der Anzahl der ausgestellten Hausausweise eine individualisierte Zuordnung zu der Zeichnung eines Antrags eines Interessenvertreters durch einen konkreten Parlamentarischen Geschäftsführer möglich ist. Im 18. Deutschen Bundestag gibt es vier Fraktionen mit jeweils einem Parlamentarischen Geschäftsführer, der zur Zeichnung der Anträge auf Ausstellung eines Hausausweises von Interessenvertretern berechtigt ist (vgl. Abschnitt II Nr. 2 Abs. 5 Satz 6 der Zugangs- und Verhaltensregeln für den Bereich der Bundestagsliegenschaften in der Fassung des Beschlusses des Ältestenrates vom 30. Juni 2011). Vor diesem Hintergrund vermag die Kammer nicht zu erkennen, wie die Bekanntgabe der Summe aller erteilten Hausausweise nach dem o.g. Verfahren eine Zuordnung zu einem konkreten Parlamentarischen Geschäftsführer ermöglichen soll, zumal in der Presse bereits entsprechende Zahlen für die Jahre 2013 und 2014 veröffentlichet wurden, ohne dass eine Zuordnung stattgefunden hätte. Der Einwand der Beklagten, dass der Kläger im Hinblick auf die von den Fraktionen „Bündnis 90/Die Grünen“ und „Die Linke“ gemachten Angaben zu von ihnen gezeichneten Anträgen von Verbänden über Zusatzwissen verfüge, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn die Fraktionen „Bündnis 90/Die Grünen“ und „Die Linke“ haben keine Angaben über die Anzahl der von ihnen gezeichneten Anträge, sondern nur Angaben zu den entsprechenden Verbänden gemacht. Da für einen Verband aber durchaus mehrere Interessenvertreter Hausausweise erhalten können (vgl. Abschnitt II Nr. 2 Abs. 5 Satz 8 der Zugangs- und Verhaltensregeln für den Bereich der Bundestagsliegenschaften in der Fassung des Beschlusses des Ältestenrates vom 30. Juni 2011), lässt sich der hier in Streit stehenden Information über die Gesamtzahl der ausgestellten Hausausweise nicht entnehmen, wie viele Ausweise die zeichnungsberechtigten Parlamentarischen Geschäftsführer der einzelnen Fraktionen tatsächlich gezeichnet haben.

Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte in diesem Zusammenhang auf § 9 Abs. 3 IFG mit der Begründung, die Zahl der ausgestellten Hausausweise sei bereits in den Medien veröffentlicht worden. Nach § 9 Abs. 3 IFG kann der Antrag abgelehnt werden, wenn der Antragsteller bereits über die begehrten Informationen verfügt oder sich diese in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann. Abgesehen davon, dass es sich hier um eine Ermessensvorschrift handelt und die Beklagte kein Ermessen ausgeübt hat, deckt sich die vom Kläger begehrte Information für den Zeitraum 22. September 2013 bis 17. April 2014 bereits in zeitlicher Hinsicht nicht mit den in den Tageszeitungen veröffentlichten Angaben, die die Jahre 2013 und 2014 betreffen.

b) Auch hinsichtlich der vom Kläger begehrten Namen der Verbände ist nicht erkennbar, dass die Bekanntgabe dieser Informationen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Ausgangspunkt für die Aufdeckung des Verhaltens einzelner Parlamentarischer Geschäftsführer oder einzelner Abgeordneter in der Fraktion sein könnte oder Rückschlüsse auf Namen einzelner Vertreter bestimmter Verbände ermöglicht.

Der Vortrag der Beklagten, dass der Kläger von den Namen der einzelnen Verbände leicht auf die jeweilige Fraktion und damit auf den entsprechenden zeichnungsberechtigten Parlamentarischen Geschäftsführer, ja sogar auf den einzelnen Abgeordneten einer Fraktion rückschließen könnte, ist nicht hinreichend substantiiert (vgl. zu den Anforderungen der Darlegung: Urteil der Kammer vom 1. Juni 2012 – VG 2 K 177.11 – juris Rn. 31). Der Vortrag der Beklagten beschränkt sich darauf, abstrakt den Tätigkeitsbereich eines Verbandes einer bestimmten Bundestagsfraktion zuzuordnen. Die Kammer verkennt nicht, dass dies im Einzelfall denkbar sein könnte. Es ist aber Sache der Beklagten, eine solche Zuordnung im Einzelfall für den betroffenen Verband und die entsprechende Fraktion darzulegen. Der pauschale Vortrag, dass eine Zuordnung für den Kläger leicht möglich ist, reicht nicht aus. Hinzu kommt, dass nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand auch der Rückbezug zu dem zeichnungsberechtigten Parlamentarischen Geschäftsführer der betreffenden Fraktion nicht möglich ist, da die Namen der zeichnungsberechtigten Parlamentarischen Geschäftsführer (bislang) nicht öffentlich bekannt sind und von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung auch nicht offengelegt wurden.

Gleichermaßen zu pauschal ist der Hinweis der Beklagten in diesem Kontext, dass es Verbände mit bestimmten Tätigkeitsbereichen gebe und daher eine Verbindung zu bestimmten Abgeordneten mit entsprechenden Tätigkeitsfeldern (z. B. im Bereich der Gesundheitspolitik) hergestellt werden könnte. Denn solche Abgeordnete gibt es nicht nur in einer, sondern in der Regel in allen Fraktionen, was eine Zuordnung zu einem bestimmten Abgeordneten ausschließt.

Bezogen auf die Parlamentarischen Geschäftsführer befürchtet die Beklagte des Weiteren, dass deren Zeichnungsverhalten bekannt würde, weil die Fraktionen von „Bündnis 90/Die Grünen“ und „Die Linke“ die von ihnen befürworteten Verbände offengelegt hätten und damit jedenfalls die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen der „SPD“ und „CDU/CSU“ im Wege des Subtraktionsverfahrens ohne Weiteres Rückschlüsse auf das Zeichnungsverhalten des Parlamentarischen Geschäftsführers der jeweils anderen Fraktion ziehen könnten. Es ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass die Fraktionen der „SPD“ und „CDU/CSU“ jeweils wechselseitig – sozusagen im Wege der Subtraktion – eine eindeutige Zuordnung der Verbände zu dem Parlamentarischen Geschäftsführer der jeweils anderen Fraktion vornehmen können. Denn es steht nicht fest und wurde von der Beklagten auch nicht bestätigt, dass die gegenüber dem Kläger gemachten Angaben der Fraktionen „Bündnis 90/Die Grünen“ und „Die Linke“ vollständig sind; hinzu kommt, dass sich diese Angaben in zeitlicher Hinsicht nicht mit dem hier in Streit stehenden Zeitraum decken. Etwas anderes gilt auch nicht für die von der Beklagten geäußerte Sorge, dass eine weitere Bundestagsfraktion sich entschließen könnte, freiwillig Angaben gegenüber dem Kläger zu machen mit der Folge, dass dann offen zu Tage liege, für welchen Verband der jeweilige Parlamentarische Geschäftsführer gezeichnet habe. Denn hierbei handelt es sich um eine hypothetische Annahme, die im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht näher belegt wurde.

Inwieweit schließlich aus der Bekanntgabe der Namen der Verbände Rückschlüsse auf einen konkreten Verbandsvertreter, für den ein Hausausweis ausgestellt wurde, möglich sein sollen, lässt sich dem Vorbringen der Beklagten nicht entnehmen. Sie hat nicht im Einzelnen dargelegt, für welche Verbände aus welchem Grund eine Zuordnung zu einer konkreten natürlichen Person möglich sein soll. Insbesondere ist der Hinweis, dass es „Ein-Mann-GmbHs“ gebe, nicht weiterführend. Angesichts der in der Presse veröffentlichten hohen Zahl ausgestellter Hausausweise ist es unwahrscheinlich, dass aus dem Namen eines Verbandes auf eine einzelne natürliche Person rückgeschlossen werden kann. Denn für einen Verband können bis zu fünf Vertreter einen Hausausweis erhalten (vgl. Abschnitt II Nr. 2 Abs. 5 Satz 8 der Zugangs- und Verhaltensregeln für den Bereich der Bundestagsliegenschaften in der Fassung des Beschlusses des Ältestenrates vom 30. Juni 2011).

Fehlt es damit an der Offenlegung personenbezogener Daten, kommt es auf die von den Beteiligten aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang mit § 5 Abs. 2 IFG nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.

Die Berufung ist zur grundsätzlichen Klärung der Frage zuzulassen, ob der Deutsche Bundestag bei der Ausstellung von Hausausweisen, die von einem Parlamentarischen Geschäftsführer einer Bundestagsfraktion gezeichnet werden, öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben im Sinne des § 1 Abs. 1 IFG wahrnimmt (vgl. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

BESCHLUSS

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf

5.000,00 Euro

festgesetzt.