BGH, Beschluss vom 20.10.2005 - I ZB 3/05
Fundstelle
openJur 2011, 13009
  • Rkr:
Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des Landgerichts Neubrandenburg, 4. Zivilkammer, vom 13. April 2004 aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Waren (Müritz) vom 22. Januar 2004 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Schuldnerin.

Gründe

I. Die Parteien schlossen am 4. Juli 1994 einen notariell beurkundeten Erschließungsvertrag, in dem der Schuldnerin als Erschließungsträgerin die Erschließung des in dem Vertrag bezeichneten Wohnbaugebietes übertragen wurde. Die Gläubigerin, eine Gemeinde, verpflichtete sich, die in dem Erschließungsgebiet liegenden Grundstücksflächen der Schuldnerin mit gesonderten notariellen Verträgen zu Eigentum zu übertragen. In Erfüllung des notariellen Verträgen zu Eigentum zu übertragen. In Erfüllung des Erschließungsvertrags verkaufte die Gläubigerin der Schuldnerin mit notariellen Verträgen vom 24. Dezember 1994, vom 19. Juli 1995 und vom 13. Juni 1996 in dem Erschließungsgebiet gelegene Grundstücke. Die Schuldnerin unterwarf sich wegen ihrer Verpflichtung zur Zahlung der Kaufpreise der sofortigen Zwangsvollstreckung aus den notariellen Urkunden.

In der Folgezeit entstand zwischen den Parteien Streit über die Fälligkeit der Zahlungsansprüche der Gläubigerin aus den notariellen Kaufverträgen. Als diese die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ankündigte, erhob die Schuldnerin beim Landgericht Vollstreckungsgegenklage. Das Landgericht sah den Erschließungsvertrag vom 4. Juli 1994 und die nachfolgend geschlossenen Grundstückskaufverträge als rechtliche Einheit und die Sache daher als öffentlichrechtliche Streitigkeit an. Es erklärte den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht. Vor dem Verwaltungsgericht schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem sich die Schuldnerin verpflichtete, ihre Klage nicht weiterzuverfolgen; die Gläubigerin verpflichtete sich, bis zum 30. April 2002 keine Vollstreckungsmaßnahmen aus den streitgegenständlichen Urkunden durchzuführen. Nach dem 30. April 2002 betrieb die Gläubigerin erneut die Zwangsvollstreckung. Nach erfolgloser Mobiliarvollstreckung bestimmte die Gerichtsvollzieherin Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auf den 24. November 2003. Die im Termin nicht erschienene Schuldnerin erhob am 1. Dezember 2003 Widerspruch gegen die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung mit der Begründung, das Verwaltungsgericht habe das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

3 Das Amtsgericht hat den Widerspruch verworfen. Dagegen hat die Schuldnerin sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie unter anderem geltend gemacht hat, dass für das Vollstreckungsverfahren die Zivilgerichtsbarkeit nicht zuständig sei. Die Vollstreckung sei ferner deshalb rechtswidrig, weil die Parteien sich zwischenzeitlich verglichen hätten.

4 Das Landgericht hat den Beschluss des Amtsgerichts auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin aufgehoben und festgestellt, dass der gesetzliche Vertreter der Schuldnerin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Rahmen der Zivilprozessordnung nicht verpflichtet sei.

5 Mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Gläubigerin die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts.

6 II. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückweisung der sofortigen Beschwerde der Schuldnerin.

7 1. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde der Schuldnerin für begründet erachtet, weil die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit für die Zwangsvollstreckung nicht gegeben sei. Den Gegenstand der Zwangsvollstreckung bildeten die Grundstückskaufverträge. Diese Verträge und der Erschließungsvertrag vom 4. Juli 1994, der öffentlichrechtlicher Natur sei, stellten eine untrennbare Einheit dar und könnten somit nicht isoliert voneinander betrachtet oder rechtlich beurteilt werden. Danach sei für Vollstreckungsmaßnahmen aus den streitgegenständlichen Kaufverträgen das Amtsgericht nicht zuständig.

2. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts kommt es für die Zulässigkeit des Rechtswegs für die Zwangsvollstreckung und damit für die Frage, ob die Schuldnerin nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet ist, nicht darauf an, ob die Ansprüche, derentwegen aus den streitgegenständlichen Titeln vollstreckt werden soll, öffentlichrechtlicher Natur sind. Ob nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung zu vollstrecken ist, bestimmt sich nicht nach dem zugrunde liegenden Anspruch, sondern nach dem zu vollstreckenden Titel. Vollstreckungstitel, die nach Maßgabe der Zivilprozessordnung erlassen oder errichtet sind, werden auch nach ihr vollstreckt, unabhängig davon, ob der Anspruch selbst öffentlichrechtlich oder privatrechtlich ist (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., Vor § 704 Rdn. 2; MünchKomm.ZPO/Lüke, 2. Aufl., Einl. Rdn. 375; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 11. Aufl., § 4 I 1, S. 31). Im vorliegenden Fall soll aus vollstreckbaren Urkunden gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO vollstreckt werden, also aus nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung errichteten Titeln. Die Vollstreckung bestimmt sich auch dann nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung, wenn sich der Schuldner in einem öffentlichrechtlichen Vertrag in Bezug auf öffentlichrechtliche Verpflichtungen der sofortigen Zwangsvollstreckung in der Form des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unterworfen hat (vgl. BVerwGE 96, 326, 334; BayVGH BayVBl 1975, 651; Baumanns, Die Zwangsvollstreckung aus öffentlichrechtlichen Verträgen, Diss. Münster 1979, S. 67). Die materiellrechtliche Einordnung des Anspruchs lässt den zivilprozessualen Charakter des Titels nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO unberührt, da die Unterwerfungserklärung eine ausschließlich auf das Zustandekommen des Vollstreckungstitels gerichtete einseitige prozessuale Willenserklärung ist, die allein prozessrechtlichen Grundsätzen unterliegt (vgl. BGHZ 108, 372, 375 m.w.N.).

III. Danach ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Der Senat kann gemäß § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO in der Sache selbst entscheiden, weil die weiteren von der Schuldnerin gegen ihre Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erhobenen Einwendungen unbeachtlich sind. Denn die Schuldnerin ist im Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht erschienen. Außerhalb des Termins kann nur das Fehlen der von Amts wegen zu prüfenden Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung oder des Offenbarungsverfahrens gerügt werden (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 900 Rdn. 6, 22; Stein/Jonas/Münzberg aaO § 900 Rdn. 3 ff.). Die weiteren von der Schuldnerin im Beschwerdeverfahren erhobenen Einwendungen gegen ihre Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erschöpfen sich in der Behauptung, es sei ein Vollstreckungsverzicht vereinbart worden. Vollstreckungsbeschränkende Vereinbarungen sind aber nur zu beachten, wenn sie mit dem im Termin zu erhebenden Widerspruch gemäß § 900 Abs. 4 Satz 1 ZPO geltend gemacht werden (vgl. Stein/Jonas/Münzberg aaO § 900 Rdn. 10, § 807 Rdn. 3; Musielak/Becker, ZPO, 4. Aufl., § 807 Rdn. 19; Zöller/Stöber aaO § 900 Rdn. 25). Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist daher zurückzuweisen.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ullmann Bornkamm Büscher Schaffert Bergmann Vorinstanzen: AG Waren (Müritz), Entscheidung vom 22.01.2004 -7 M 86/04 -LG Neubrandenburg, Entscheidung vom 13.04.2004 -4 T 54/04