BGH, Beschluss vom 07.03.2006 - 4 StR 25/06
Fundstelle
openJur 2011, 12507
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 6. Oktober 2005 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchtem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision.

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Die Verurteilung wegen versuchten Mordes hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Nach den Feststellungen wollte sich der Angeklagte nicht damit abfinden, dass sich seine Ehefrau einem anderen Mann zugewandt hatte und sich von ihm trennen wollte. Um in das neue Leben seiner Ehefrau einzugreifen und sie für ihr undankbares Verhalten zu sanktionieren, entschloss er sich, deren Fahrzeug in einen fahruntüchtigen Zustand zu versetzen. Er drehte, für die Nebenklägerin nicht erkennbar, eine Kreuzschlitzschraube in die Lauffläche des linken Vorderreifens ihres Pkw's und durchtrennte den zur linken Vorderradbremse führenden Bremsschlauch fast vollständig, so dass die Bremsflüssigkeit auslief. Die Bremswirkung der Bremsanlage wurde hierdurch um etwa die Hälfte herabgesetzt. Als seine Ehefrau mit ihrem Fahrzeug losfuhr, bemerkte sie zwar schon nach wenigen Metern Fahrt auf ebener Strecke, ein "klackerndes" Geräusch. Gleichwohl fuhr sie im zweiten Gang weiter und bog in eine Straße mit erheblichem Gefälle ein. Als sie auf der Gefällstrecke die Fußbremse ihres Fahrzeugs betätigte, trat keine Bremswirkung ein. Sie zog daraufhin instinktiv die Handbremse und brachte das Fahrzeug zum Stehen.

2. Die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes, auf der die tateinheitliche Verurteilung wegen versuchten Heimtückemordes beruht, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Das Landgericht hat das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes aus der objektiven Gefährlichkeit des Vorgehens des Angeklagten gefolgert. Er habe gewusst, dass seine Manipulation zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bremswirkung führen und seine Ehefrau mit dem beschädigten Fahrzeug die Gefällstrecke, in die mehrere Vorfahrtsstraßen einmünden, befahren würde. Mit der sich hieraus ergebenden Gefahr eines folgenschweren, möglicherweise tödlichen Unfallhergangs habe er sich abgefunden.

Das Landgericht geht zwar zutreffend davon aus, dass das Vorgehen des Angeklagten in hohem Maße gefährlich war und die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls in Folge eines Bremsversagens nahe lag. Ein Rechtssatz des Inhalts, dass ein Täter, der wie der Angeklagte vorgeht, deshalb zugleich grundsätzlich auch mit tödlichen Folgen für die betroffenen Verkehrsteilnehmer rechnet und diese billigt, besteht gleichwohl nicht. Diese Frage kann nicht allgemein, sondern nur nach den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles beurteilt werden. Dem wird das angefochtene Urteil nicht in jeder Hinsicht gerecht. Das Landgericht hat in seine Wertung insbesondere nicht alle nahe liegenden objektiven und subjektiven Umstände einbezogen, die die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes in Frage stellen könnten (vgl. BGH DAR 1999, 464 m.w.N.).

Es hätte zur Beurteilung der Frage, ob objektiv eine Lebensgefahr für die Nebenklägerin oder andere Verkehrsteilnehmer durch das Vorgehen des Angeklagten entstanden war, Feststellungen dazu treffen müssen, mit welchen Kollisionsgeschwindigkeiten bei einem Unfall in Folge eines Bremsversagens zu rechnen war. Nach den getroffenen Feststellungen liegt nämlich nahe, dass die bis zur Einmündung in eine Bundesstraße etwa 500 m lange, in einem Wohngebiet gelegene Gefällstrecke in Anbetracht mehrerer zuvor von rechts einmündenden Vorfahrtsstraßen nur mit verhaltenem Tempo in einem niedrigen Gang befahren werden konnte. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass im Falle eines Unfalls auf der Gefällstrecke nur mit geringen Aufprallgeschwindigkeiten zu rechnen war und deshalb tödliche Unfallfolgen für die betroffenen Verkehrsteilnehmer eher unwahrscheinlich waren. Dass der Angeklagte damit rechnete, seine Ehefrau werde die Fußbremse erstmals kurz vor der Einmündung in die zeitweise stark befahrene Bundesstraße betätigen, ergeben die Urteilsgründe nicht. Darüber hinaus hat sich das Landgericht nur unzureichend damit auseinandergesetzt, ob der Angeklagte mit unfallvermeidenden Reaktionen der Nebenklägerin rechnen konnte und gerechnet hat. Soweit es insoweit darauf abgestellt hat, die im Falle eines Versagens der Fußbremse nahe liegende Betätigung der Handbremse - wie tatsächlich geschehen - sei eine für den Angeklagten nicht vorhersehbare Reaktion der Nebenklägerin gewesen, stellt dies lediglich eine Vermutung zu Lasten des Angeklagten dar, die nicht mit Tatsachen belegt ist. Schließlich kommt hinzu, dass das Landgericht aus subjektiven Gründen das Vorliegen der Voraussetzungen des Verbrechenstatbestandes des § 315 b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 a) StGB verneint hat. Die dieser Wertung zu Grunde liegenden Erwägungen hätten dargelegt und auch bei der Prüfung des Tötungsvorsatzes erörtert werden müssen. Die Feststellung, der Angeklagte habe nicht in der Absicht gehandelt, einen Unglücksfall herbeizuführen, ist nämlich nicht ohne weiteres vereinbar mit der Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe gerade durch die Herbeiführung eines Verkehrsunfalls versucht, seine Ehefrau oder andere Verkehrsteilnehmer bedingt vorsätzlich zu töten.

3. Der nur den Schuldspruch wegen versuchten Mordes betreffende Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils insgesamt, auch soweit der Angeklagte - rechtsfehlerfrei - des tateinheitlich verwirklichten versuchten gefährli-

chen Eingriffs in den Straßenverkehr für schuldig befunden worden ist (BGHR StPO § 353 Aufhebung 1).

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