BGH, Beschluss vom 30.11.2005 - IV ZR 214/04
Fundstelle
openJur 2011, 11856
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Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 26. August 2004 zugelassen, soweit der Anspruch auf Zahlung von Versicherungsleistungen für die Schadensposition 676 (Sauna und Zubehör) abgewiesen worden ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, soweit es ohne Erfolg geblieben ist. Insoweit beträgt der Wert des Beschwerdegegenstandes für die Gerichtskosten 25.635,27 € und für die außergerichtlichen Kosten 38.118,97 € mit der Maßgabe, dass diese im Verhältnis zur Beklagten nur in Höhe von 67% anzusetzen sind.

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer bei ihr gehaltenen Hausratversicherung auf Entschädigung in Anspruch, nachdem der ihr und ihrem Ehemann gehörende Hausrat bei einem Brand ihres Wohnhauses vollständig zerstört wurde. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen 1992 (VHB 92) zugrunde. Vorgerichtlich zahlte die Beklagte eine Entschädigung in Höhe von 76.793,16 €.

Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung weiterer 74.037,95 € nebst Zinsen abgewiesen, da die Klägerin eine Versicherung des Hausrats zum Neuwert nicht nachgewiesen habe. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht weitere 35.919,98 € zugesprochen, das weitergehende Rechtsmittel jedoch zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Mit der beabsichtigten Revision will die Klägerin das Klagebegehren im Umfang der Abweisung durch das Berufungsgericht weiterverfolgen.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist zulässig (§ 544 ZPO). Die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO ist überschritten. Dem steht nicht entgegen, dass sich der von der Klägerin mit der beabsichtigten Revision weiterverfolgte Anspruch auf Entschädigungsleistung aus Einzelpositionen entsprechend den durch den Brand vernichteten Hausratgegenständen zusammensetzt, die jede für sich genommen die Wertgrenze von 20.000 € nicht übersteigen.

1. a) Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO ist nicht die Beschwer aus dem Berufungsurteil, sondern der Wert des Beschwerdegegenstandes aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren maßgebend. Dabei ist die Wertberechnung nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 3 ff. ZPO vorzunehmen (BGH, Beschlüsse vom 29. September 2004 - IV ZR 145/03 - NJW 2005, 224 unter II 1; vom 25. November 2003 - VI ZR 418/02 - NJW-RR 2004, 638 unter II und vom 27. Juni 2002 - V ZR 148/02 - NJW 2002, 2720 unter II 2). Die Nichtzulassungsbeschwerde ist demnach zulässig, wenn das Begehren wenigstens in Höhe von 20.000,01 € weiter verfolgt wird (Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl. § 544 Rdn. 6). Umgekehrt ist das Rechtsmittel unzulässig, wenn das Berufungsurteil den Beschwerdeführer zwar mit mehr als 20.000 € beschwert, dieser sein Rechtsschutzbegehren mit der Revision aber nur zu einem geringeren, unter der Wertgrenze bleibenden Teil weiter verfolgen will (Musielak/Ball, aaO). Dabei wirkt die Wertgrenze als Zugangsbeschränkung allein für die Nichtzulassungsbeschwerde. Wird diese bei einer Beschwer von mehr als 20.000 € unbeschränkt eingelegt, ist eine Teilzulassung der Revision ebenso zulässig wie - nach Zulassung - eine Beschränkung, auch wenn die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO insoweit nicht erreicht wird (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2002 aaO unter II 3 c; Musielak/Ball, aaO; Piekenbrock/Schulze, JZ 2002, 911, 912). Aus dem Wortlaut von § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO ergibt sich, dass der Wert "der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer" dabei durch den vom Rechtsmittelführer beabsichtigten Revisionsantrag festgelegt wird (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2002 aaO unter II 2; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO 27. Aufl. § 26 EGZPO Rdn. 12 f.). Maßgeblich ist das ursprünglich geltend gemachte Klagebegehren, also der prozessuale Anspruch, soweit er mit der beabsichtigten Revision noch weiter verfolgt werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 1990 - IX ZR 73/90 - NJW-RR 1991, 1279 unter 2 b für das Rechtsmittel der Berufung). Dieser den Streitgegenstand bildende Anspruch wird vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung nicht nur durch den Klageantrag bestimmt, sondern auch durch den Klagegrund, also den tatsächlichen Lebensvorgang, aus dem die begehrte Rechtsfolge hergeleitet wird (BGH, Urteil vom 22. November 1990 aaO; vgl. auch BGHZ 7, 268, 271).

b) Der von der Klägerin in diesem Rechtsstreit geltend gemachte Entschädigungsanspruch ist ein einheitlicher prozessualer Anspruch. In beiden Tatsacheninstanzen hat sie die Zahlung einer Geldsumme begehrt, deren rechtliche Grundlage der dem Grunde nach einheitliche, nicht teilbare vertragliche Entschädigungsanspruch aus einem Versicherungsfall in der Hausratversicherung ist. Die Beklagte hat danach bedingungsgemäß für den bei der Klägerin eingetretenen Versicherungsfall Ersatz zu leisten. Für den Wert der Beschwer ist demnach auf den Gesamtbetrag abzustellen, mit dem das Klagebegehren gerichtlich geltend gemacht worden ist und nun noch mit der Revision weiter verfolgt werden soll. Dieser beträgt hier 38.118,97 €. Auf die mögliche Selbständigkeit der Einzelpositionen, die sich aus ihrer hinreichenden Individualisierbarkeit infolge ziffernmäßiger Bestimmtheit ergeben mag (zur daraus folgenden Teilurteilsfähigkeit vgl. BGH, Urteile vom 10. Januar 1989 - VI ZR 43/88 - NJW-RR 1989, 1149 unter II 2 und vom 21. Februar 1992 - V ZR 253/90 - NJW 1992, 1769 unter II 3), und darauf, dass diese Positionen, soweit Zulassungsgründe hinreichend dargelegt werden, jede für sich genommen die Wertgrenze von 20.000 € nicht übersteigt, kommt es nur für eine Teilzulassung der Revision, nicht aber für den Wert des Beschwerdegegenstandes an.

2. Dem stehen die bisherigen Entscheidungen des Senats nicht entgegen (Beschlüsse vom 29. September 2004 aaO und vom 23. Oktober 2002 - IV ZR 154/02 - VersR 2002, 1578 unter 1). In der Unfallversicherung, die Gegenstand des Senatsbeschlusses vom 23. Oktober 2002 ist, handelt es sich bei den Ansprüchen auf Krankenhaustagegeld, Genesungsgeld und Invaliditätsentschädigung um jeweils selbständige Leistungen, die gesondert zu vereinbaren sind und dem Grunde nach auch von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängen. Gegenstand des Beschlusses vom 29. September 2004 sind Ansprüche aus der Rechtsschutzversicherung. Dabei erreichen die auf Deckungsschutz gerichteten Klageanträge zu 3 bis 5 - selbst wenn es sich insoweit um die Verfolgung eines einheitlichen, selbständigen Anspruchs gehandelt haben sollte - nicht die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO. Der auf Schadensersatz gerichtete Klageantrag zu 7 betrifft einen weiteren, selbständigen Anspruch.

Diese Entscheidungen betreffen somit Fälle, in denen hinsichtlich mehrerer geltend gemachter selbständiger Ansprüche (objektive Klagehäufung, § 260 ZPO) zwar Zulassungsgründe dargelegt werden, aber erst die Addition der jeweiligen Beschwerdegegenstände aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu einer Überschreitung der Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO führen würde. Eine solche Wertaddition bei selbständigen Ansprüchen müsste zu einem Unterlaufen der Wertgrenze führen, die vom Gesetzgeber gerade mit dem Ziel der Begrenzung des Anfalls von Rechtsmitteln für eine Übergangszeit geschaffen wurde (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2002 aaO unter II 2 b). Sie scheidet deshalb aus.

Soweit der Senat bei der Bestimmung der Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO bisher auch auf den rechtlichen Gesichtspunkt der Teilurteilsfähigkeit abgestellt hat, war das - wie vorstehend dargelegt - nicht entscheidend.

III. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang auch Erfolg. Im Übrigen war sie zurückzuweisen, weil sie nicht aufzeigt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherungeiner einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§§ 544 Abs. 2 Satz 3, 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 2. Halbs. ZPO abgesehen.

Seiffert Dr. Schlichting Wendt Felsch Dr. Franke Vorinstanzen:

LG Mannheim, Entscheidung vom 12.12.2002 - 3 O 229/02 -

OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 26.08.2004 - 12 U 11/03 -