AG Werl, Urteil vom 11.03.2004 - 4 C 236/03
Fundstelle
openJur 2015, 21723
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 5 S 54/04
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, gegenüber den Klägern als Gesamtgläubigerin der Anbringung einer Parabolantenne zum Empfang des türkischen Fernsehsenders TRT, Kanal 7, Show-TV, TGRT, FoKKIDS, ATV 2, Kanal D, an der nach Süden gerichteten Außenwand des Hauses S1, ... O1, auf Höhe des zweiten Obergeschosses östlich von dem dort gelegenen Wohnzimmerfenster in einem Abstand von 50 cm in gerader Linie zu der dort verlaufenden Fensterbank mit einer Ausrichtung der Parabolantenne von 16 ° ausgehend von Süden in Richtung Osten zuzustimmen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 1.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger sind türkischer Abstammung und haben inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt. Sie sind Mieter einer der Beklagten gehörenden Wohnung und begehrten von der Beklagten die mit dem jetzigen Klageantrag verlangte Zustimmung mit der Begründung, daß sie in ihrer Wohnung das türkische Fernsehprogramm nicht empfangen können.

Die Kläger beantragen,

Die Beklagte wird verurteilt, gegenüber den Klägern als Gesamtgläubigerin der Anbringung einer Parabolantenne zum Empfang des türkischen Fernsehsenders TRT, Kanal 7, Show-TV, TGRT, FoKKIDS, ATV 2, Kanal D, an der nach Süden gerichteten Außenwand des Hauses S2, ... O1, auf Höhe des zweiten Obergeschosses östlich von

dem dort gelegenen Wohnzimmerfenster in einem Abstand von 50 cm in gerader Linie zu der dort verlaufenden Fensterbank mit einer Ausrichtung der Parabolantenne von 16 ° ausgehend von Süden in Richtung Osten zuzustimmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 06.05.2003 hatte sie in Aussicht gestellt, daß in wenigen Wochen in der Wohnung der Kläger das türkische Fernsehprogramm über den Kabelanschluß zu empfangen sein werde.

Im Übrigen ist sie der Auffassung, die Kläger seien wie jeder andere deutsche Staatsbürger auch zu behandeln und hätten deshalb keinen Anspruch darauf, das türkische Fernsehprogramm empfangen zu können.

Dem halten die Kläger entgegen, trotz ihrer formalen deutschen Staatsangehörigkeit seien sie weiter dem türkischen Kulturkreis zuzurechnen. Hierüber machen sie im Schriftsatz vom 06.01.2004 nähere Ausführungen, die von der Beklagten nicht bestritten sind, und auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Im Übrigen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 1994 - 1 BvR 1687/92 - dürfte allgemein unbestritten sein, daß zwar in der Regel der Vermieter bei Vorhandensein eines Kabelanschlusses die Zustimmung zur Errichtung einer Parabolantenne verweigern darf, daß aber bei Vorliegen besonderer Umstände der Vermieter verpflichtet ist, diese Zustimmung zu erteilen, insbesondere dann, wenn es sich um einen ausländischen Mieter handelt, der ohne eine derartige Parabolantenne Sendungen aus seinem Heimatland und in seiner Heimatsprache nicht empfangen kann.

Dabei führt das Gericht in dieser Entscheidung ausdrücklich aus, daß allein der Inländerstatus eines Mieters nicht unbedingt zur Verneinung des Anspruchs auf Erteilung der Zustimmung führt. Vielmehr sind sämtliche Umstände zu berücksichtigen, welche im vorliegenden Prozess im Schriftsatz der Kläger vom 06.01.2004 überzeugend vorgetragen sind.

Dazu gehört, daß die Kläger der deutschen Sprache nur sehr eingeschränkt mächtig sind, regelmäßigen Kontakt mit ihren Angehörigen in der Türkei haben, an Veranstaltungen des türkischen Kulturvereins und an türkischen Glaubensfesten teilnehmen desgleichen an derartigen Veranstaltungen in O1, ihre Speisen auf türkische Art zubereiten, türkische Musik spielen, türkische Bücher lesen und vieles mehr. Durch all diese besonderen Lebensgewohnheiten gehören die Kläger in so starkem Maße dem türkischen Kulturkreis an, daß ihre formale deutsche Staatsangehörigkeit dahinter zurücktritt. Das berechtigte Interesse der Kläger auch Empfang ausländischer Rundfunkprogramme trägt damit Verfassungsrang des Artikel 5 Grundgesetz.

Demgegenüber hat die Beklagte keine Umstände vorgetragen, aus denen sich herleiten ließe, daß die berechtigten Interessen der Beklagten in nennenswerter Weise beeinträchtigt würden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 91, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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