FG Köln, Urteil vom 26.10.2007 - 5 K 1322/05
Fundstelle
openJur 2015, 21761
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger.

Tatbestand

Das Verfahren ist im II. Rechtszug. Streitig ist, ob Aufwendungen des Klägers für Fahrten zur Betreuung und Versorgung seines Vaters als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen sind.

Der Kläger ist das einzige Kind seines 1917 geborenen - mittlerweile verstorbenen - Vaters, der seit dem Tod der Mutter des Klägers im April 1997 allein in einer 120 km von dessen Wohnort entfernt gelegenen Wohnung lebte. Der Vater des Klägers war seit Jahren körperbehindert. Der Grad seiner Behinderung betrug ab September 1988 100 %; außerdem waren seit diesem Zeitpunkt die Merkzeichen "G" und "RF" in seinem Schwerbehindertenausweis eingetragen.

Sein Hausarzt A hatte ihm durch ärztliches Attest vom 09.03.1999, auf dessen weiteren Inhalt Bezug genommen wird, unter anderem bescheinigt, dass er an psychischer Instabilität und depressiver Verstimmung leide, sehr negativ zu seiner gesamten Lebensführung und Umwelt eingestellt sowie nicht zugänglich sei. Da er außerdem unkontrolliert überproportionale Psychopharmaka einnehme, sei - was die Medikamenteneinnahme und die Lebensführung betreffe - fast rund um die Uhr eine Betreuung notwendig. Nach einer von dem behandelnden Lungenfacharzt B ausgestellten weiteren Bescheinigung vom März 2000 litt der Vater des Klägers außerdem an einer äußerst schweren Lungenerkrankung mit respiratorischer Insuffizienz (Lungenemphysem).

Aus einem fachärztlichen Gutachten vom 05.06.2000, das der Internist und Sozialmediziner C zur Frage der Pflegebedürftigkeit des Vaters des Klägers in einem bei dem Sozialgericht D geführten Verfahren nach einer Untersuchung des Vaters vom 15.05.2000 erstellt hat, ergeben sich im Wesentlichen folgende "gesundheitlichen Defizite":

1. degenerativ bedingte Funktionsstörung des Achsenskeletts mit der Folge eines deutlich gestörten Gangbilds sowie erhöhter Sturzgefährdung und der Notwendigkeit zusätzlichen Abstützens an einem Gehstock,

2. schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit im Bereich beider Schultergelenke mit der Folge, dass ein adäquates Erreichen der Intimregion zwecks Reinigungsmaßnahmen nach dem Stuhlgang nicht durchführbar sei,

3. deutliche Einschränkung der motorischen Geschicklichkeit für die Ausführung feinmotorischer Verrichtungen wie etwa das Öffnen und Schließen von Reißverschlüssen oder Hemdknopfleisten infolge eines beidhändigen Ruhe- und Aktionstremors,

4. schwere chronische obstruktive Atemwegserkrankung mit Angina - Pectoris - Symptomatik,

5. Magenausgangsstenose nach Magenoperation 1986, weswegen unter zusätzlicher Berücksichtigung der psychischen Konstellation die Präsenz einer Person, die ihn zur regelmäßigen Nahrungsaufnahme motiviert, essentiell sei,

6. Schaufensterkrankheit,

7. inkomplette Harninkontinenz,

8. depressives Syndrom mit somatoformer Ausprägung, Angststörung und latenter Suizidalität mit der Folge, dass der Vater des Klägers sich aus Furcht vor Stürzen im Wohnbereich auf allen Vieren fortbewege und regelmäßiger Motivation zur Körperpflege und Nahrungszufuhr bedürfe.

Der Vater des Klägers hatte gegenüber dem Gutachter angegeben, dass sein Sohn - der Kläger - ein- bis zweimal wöchentlich komme, um ihn pflegerisch zu versorgen.

Aufgrund des vorab festgestellten Gesundheitszustands gelangte der Gutachter zu dem Ergebnis, dass der Vater des Klägers bei Vornahme der alltäglichen Verrichtungen, wie z. B. bei der Körperpflege, der Essenszubereitung und Nahrungsaufnahme, beim An- und Auskleiden, beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung sowie im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung pflegerischer Hilfe bedürfe und dass der Hilfebedarf mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits im Januar 1999 vorgelegen habe. - Wegen der weiteren Einzelheiten des fachärztlichen Befunds wird auf den Inhalt des Sachverständigengutachtens des Herrn C Bezug genommen.

In seinen Einkommensteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 1998 und 1999 machte der Kläger - wie bereits im Vorjahr - Aufwendungen in Höhe von 6.988,80 DM (1998) bzw. 6.739,20 DM (1999) für 56 bzw. 54 Fahrten ( á 240 km x 0,52 DM ) zur Betreuung seines Vaters als außergewöhnliche Belastungen geltend. Hierzu gab er die Daten der einzelnen Besuchstermine (ohne "normale Verwandtenbesuche") an und erklärte, dass die Betreuung seines Vaters in Form ein- bis zweimaliger Besuche pro Woche zum Wäschewechseln, zur Medikamentenversorgung und zur Hilfe bei der Körperpflege sowie zur Erledigung sonstiger Besorgungen erfolgt sei.

Mit Bescheiden vom 11.12.2000 setzte der Beklagte Einkommensteuer in Höhe von 17.942,00 DM für 1998 und 11.188,00 DM für 1999 gegen den Kläger fest. Dabei erkannte er die Aufwendungen des Klägers für die Besuchsfahrten zu seinem Vater nicht als außergewöhnliche Belastungen an, da diese Fahrten nicht zur Betreuung einer "pflegebedürftigen Person" geeignet seien.

Mit seiner hiergegen gerichteten Klage unter dem Aktenzeichen 9 K 5506/01 vor dem Finanzgericht (FG) Köln trug der Kläger vor:

Er habe als einziges Kind und zentrale Kontaktperson seinen über 80 Jahre alten, seit dem Tod der Mutter allein lebenden Vater, der seit 1988 zu 100 % schwerbehindert gewesen sei, pflegerisch betreut. Sonstige Verwandte oder Betreuungspersonen seien am Wohnort des Vaters bzw. in der näheren Umgebung nicht vorhanden gewesen. Sein Vater habe den Umzug in ein Alten- oder Pflegeheim abgelehnt. Er, der Kläger, habe seinen Vater zu den genannten Terminen aufgesucht, um ihm beim An- und Auskleiden, Einkaufen, Verlassen der Wohnung, Besorgen und Einnehmen der Medikamente und bei sonstigen Erledigungen behilflich zu sein. Daneben habe er auch ein- bis zweimal, zum Teil in Begleitung seines Sohnes, "normale", d.h. der reinen Kontaktpflege dienende Verwandtenbesuche bei seinem Vater durchgeführt. Während der übrigen Zeit habe sich sein Vater so gut es ging selbst behelfen müssen. In dringlichen Einzelfällen habe er, der Kläger, zuweilen eine Nachbarin oder einen entfernten Verwandten um Unterstützung gebeten.

Entgegen der Auffassung des Beklagten setze die Anerkennung der geltend gemachten Betreuungskosten als außergewöhnliche Belastung nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 22.10.1996 (BStBl. II 1997, 558 ff) nicht voraus, dass im Schwerbehindertenausweis der betreuten Person das Merkzeichen "H" eingetragen sei oder Pflegegeld nach der Pflegestufe III gezahlt werde. Erforderlich und genügend sei vielmehr, dass die in Rede stehenden Kosten durch akute Krankheit oder Schwerbehinderung verursacht worden seien. Dies sei vorliegend der Fall. Wie sich aus der eingereichten Kopie des Schwerbehindertenausweises ergebe, sei sein Vater seit über zwanzig Jahren, seit 1988 sogar mit einem Grad von 100 %, schwerbehindert. Dass er darüber hinaus an verschiedenen Krankheiten, insbesondere der Lunge, des Magens und des Bewegungsapparates leide, ergebe sich aus den vorgelegten Bescheinigungen der Ärzte A und B. Im übrigen verweist der Kläger auf eine persönliche Erklärung seines Vaters, aus dem März 2001. Darin hat der Vater des Klägers seine gesundheitlichen Beschwerden beschrieben und bestätigt, dass er nicht in ein Alten- oder Pflegeheim ziehen wolle und dass sein Sohn, der Kläger, in der Regel einmal wöchentlich komme, um ihn zu betreuen und bei den Dingen (Körperpflege, Medikamenten- und Essensversorgung, etc.) zu unterstützen, die er alleine nicht oder nicht regelmäßig verrichten könne.

Demgegenüber vertrat der Beklagte die Auffassung, bei den streitigen Aufwendungen handele es sich nicht um mit Krankheitskosten vergleichbare, als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigende Pflegekosten. Die geltend gemachten Fahrtkosten seien weder außergewöhnlich noch zwangsläufig. Der Vater des Klägers sei zwar auf Hilfe angewiesen, dies aber nicht wegen akuter, befristeter Krankheit oder Schwerbehinderung, sondern aufgrund altersbedingter Gebrechen, wozu bei betagten Personen auch körperlicher Verschleiß und dessen Folgeerkrankungen gehörten. Hilfeleistungen gegenüber alten Verwandten, insbesondere gegenüber den Eltern, seien indes nicht außergewöhnlich, sondern typisch. Außergewöhnlich wären sie nur, wenn sie durch akute Krankheit oder Schwerbehinderung verursacht würden. Die geltend gemachten Aufwendungen seien auch nicht aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen zwangsläufig entstanden, da der Vater des Klägers über ausreichend finanzielle Mittel verfüge, um fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen, und der Kläger keine gesellschaftliche Ausgrenzung erfahren hätte, wenn er die Hilfestellung gegenüber seinem Vater nicht erbracht und Besorgungen z.B. dessen Nachbarin überlassen hätte.

Auch der BFH erkenne Aufwendungen der hier streitigen Art nicht als außergewöhnliche Belastung an, weil sie in nahezu jeder Familie anfielen; dies gelte selbst dann, wenn die Kosten wegen altersbedingt gesteigerter Hilfsbedürftigkeit der Eltern hoch seien. Die Aufwendungen für Fahrten zu nahen Angehörigen, die lediglich der allgemeinen Kontaktpflege dienten, wozu auch die Erledigung von Besorgungen gehören könnten, seien deshalb nicht außergewöhnlich. Sie würden vielmehr typisierend durch allgemeine Freibeträge und etwaige andere steuerliche Ermäßigungen abgegolten. Deshalb seien nach dem BFH-Beschluss vom 29.03.2001 III B 146/00, BFH/NV 2001,1247, altersbedingte Aufwendungen nach dem Wortsinn des § 33 EStG keine außergewöhnlichen Belastungen, sondern lediglich solche Kosten, die durch Krankheit oder Pflegebedürftigkeit verursacht würden.

Der Vater des Klägers sei zwar zweifelsohne wegen seines Alters und seines schlechten Allgemeinzustands gebrechlich, jedoch nachweislich weder akut krank noch bettlägerig gewesen. Die Fahrten des Klägers hätten eindeutig und ausschließlich zur Gewährleistung bzw. Unterstützung der Versorgung seines Vaters in der von ihm gewählten Lebensform, nicht aber der Heilung seines Leidens gedient. Dem Vater des Klägers sei offenbar in erster Linie an dem familiären Kontakt und nicht an der pflegerischen Betreuung gelegen gewesen, da er fremde Hilfe abgelehnt habe. Im übrigen sei er an den Tagen, an denen der Kläger ihn nicht besucht habe, auch allein oder mit Hilfe anderer Personen zurecht gekommen.

Soweit der Kläger das ärztliche Gutachten des Herrn C zur Begründung heranziehe, sei darauf hinzuweisen, dass dieses auf dem Krankheitszustand des Vaters im Jahr 2000 beruhe. Die sachverständigen Feststellungen ließen keine Rückschlüsse auf die Verhältnisse in den Streitjahren zu. Allerdings sei dem Gutachten zu entnehmen, dass der Kläger in erster Linie die Aufgaben eines Sohnes und nicht die eines Krankenpflegers übernommen habe, indem er seinem Vater bei der Bewältigung seiner Einsamkeit und depressiven Lebenseinstellung geholfen habe.

Mit Urteil vom 16.01.2002 gab der 9. Senat des FG Köln der unter Aktenzeichen 9 K 5506/01 geführten Klage statt. - Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.

Auf die Revision des Beklagten hat der BFH mit Urteil vom 02.12.2004 III R 27/02, BFH/NV 2005, 1248, das Urteil des FG Köln 16.01.2002 9 K 5506/01 aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Zur Begründung führte der BFH im Wesentlichen Folgendes aus:

Das Urteil des FG entspreche nicht den Grundsätzen zur Anerkennung von Aufwendungen für Besuche zwischen nahen Angehörigen als außergewöhnliche Belastung. Die Entscheidung des FG beruhe darauf, der Vater des Klägers sei erkrankt gewesen und der Kläger sei, da sein Vater fremde Hilfe und die Unterbringung in einem Heim abgelehnt habe, aus sittlichen Gründen gezwungen gewesen, seinen Vater regelmäßig zu besuchen, um ihn wegen seiner Erkrankung zu betreuen und zu versorgen. Hinsichtlich des gesundheitlichen und pflegebedürftigen Zustands, in dem sich der Vater des Klägers befand, folge das FG dem Gutachten C vom Juni 2000 über seine Untersuchung vom Mai 2000, das in seiner Beurteilung unter anderem zwei Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) vom Dezember 1997 (von E) und vom Januar 1999 (von F) einbeziehe, die sich nicht in den Akten befänden. Die Gutachten E und F verneinten jedoch das Vorliegen der Pflegestufe I. C komme abschließend zu dem Ergebnis, der Vater des Klägers bedürfe für die Verrichtungen der Körperpflege, Ernährung, Mobilität sowie der hauswirtschaftlichen Versorgung Hilfe durch eine Hilfsperson im Umfang von im Tagesdurchschnitt 2 Std. und 17 Min. Dieser Hilfebedarf habe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits im Januar 1999 vorgelegen. Da das Gutachten C zum Zustand des Vaters des Klägers im Streitjahr 1998 keine Aussage enthalte, sei das Urteil des FG insoweit fehlerhaft, als es aufgrund dieses Gutachtens die Pflegebedürftigkeit des Vaters des Klägers und die Erforderlichkeit der Besuchsfahrten des Klägers im Jahre 1998 angenommen habe. Dem FG sei nicht darin zuzustimmen, dass das Gutachten auch für das Jahr 1998 herangezogen werden könne, da es sich um Gesundheitsbeeinträchtigungen gehandelt habe, deren Verlauf keine kurzfristigen Veränderungen habe erwarten lassen. Denn gerade im Bereich der Pflegebedürftigkeit könnten sich die Gebrechen bei einer auch nur geringeren Verschlimmerung dahingehend auswirken, dass eine Pflegebedürftigkeit eintrete.

Für das Streitjahr 1999 hingen sei die Würdigung des FG aufgrund des Gutachtens, der Vater des Klägers sei krank und pflegebedürftig gewesen, als mögliche Folgerung nicht zu beanstanden. Nicht gefolgt werden könne dem FG darin, die Zwangsläufigkeit der Fahrtaufwendungen des Klägers ergebe sich schon daraus, dass sein Vater fremde Unterstützung und die Unterbringung in einem Heim abgelehnt habe. Wie der Senat in dem Urteil in BStBl II 1997, 558 ausgeführt habe, könne wegen des unter Umständen sehr persönlichen Charakters der Pflegeleistung selbst bei einem nahen Verwandtschaftsverhältnis nicht ohne weiteres vom Bestehen einer entsprechenden sittlichen Pflicht ausgegangen werden und es nicht missbilligenswert erscheinen, wenn Kinder die von ihren Eltern selbst nicht mehr bewältigten Verrichtungen Dritten, z. B. sozialen Diensten, übertrügen. Anders könne es nur dann sein, wenn es wegen nicht hinnehmbarer Folgen unzumutbar wäre, sich über die Weigerung der pflegebedürftigen Person, fremde Hilfe anzunehmen, hinwegzusetzen. Das FG habe dazu keine Feststellungen getroffen. Im Übrigen ergebe sich aus dem Gutachten C, dass dem Vater des Klägers zumindest im Haushalt Dritte Hilfe leisteten und dass er bei akuten gesundheitlichen Problemen vom Hausarzt aufgesucht worden sei. Zudem sei der Vortrag des Klägers insoweit nicht ganz frei von Widersprüchen, als er einerseits auf den hohen täglich erforderlichen Pflegeaufwand hinweise und andererseits angebe, er sei regelmäßig nur ein- bis zweimal wöchentlich zu seinem Vater gefahren, wobei nur eine Fahrt wöchentlich den Zweck gehabt habe, den Vater pflegerisch zu versorgen, während es sich bei anderen Fahrten um übliche Besuchsfahrten unter Verwandten gehandelt habe.

Das FG habe ferner nicht berücksichtigt, dass Aufwendungen dann nicht zwangsläufig erwachsen seien, wenn sie durch die zumutbare Inanspruchnahme anderweitiger Ersatzmöglichkeiten hätten abgewendet werden können oder wenn dem Steuerpflichtigen für seine Aufwendungen eine Gegenleistung zugeflossen sei (BFH-Beschluss vom 15.11.1999 III B 76/99, BFH/NV 2000, 697, m.w.N.; BFH-Urteil vom 06.02.1997 III R 72/96, BStBl II 1997, 607). Möglicherweise hätte der Kläger von seinem Vater Ersatz für seine Fahrtaufwendungen erlangen können. Dies sei naheliegend, da es sich - nach der Darstellung des Klägers - um Fahrten gehandelt habe, die der Kläger ausschließlich im Interesse seines Vaters, der fremde Hilfe ablehnte, durchgeführt habe. Bei entsprechenden Einkommens- oder Vermögensverhältnissen des Vaters wäre es dem Kläger zuzumuten gewesen, zumindest zu versuchen, sich die Fahrtkosten vom Vater erstatten zu lassen, die der Vater seinerseits möglicherweise hätte steuerlich geltend machen können.

Schließlich habe das FG nicht berücksichtigt, dass die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für Fahrten mit dem eigenen Kfz zur Betreuung eines kranken oder pflegebedürftigen Angehörigen grundsätzlich nur in Höhe der für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel entstehenden Kosten als außergewöhnliche Belastung abziehbar seien. Das FG habe keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger die Fahrten auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln hätte durchführen können und ob die Fahrtaufwendungen dann geringer als unter Ansatz des Kilometerpauschsatzes von 0,52 DM gewesen wären.

Im II. Rechtszug beim nunmehr zuständigen 5. Senat des FG Köln hält der Kläger daran fest, dass die geltend gemachten Aufwendungen in vollem Umfang als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig seien. Unter Bezugnahme auf seinen bisherigen Vortrag trägt er wie folgt ergänzend vor:

Das FG sei zutreffender Weise vom Vorliegen der Voraussetzung schon im Jahre 1998 ausgegangen. Die sich aus dem Schwerbehindertenausweis und den vorliegenden Unterlagen ergebenden Erkrankungen seien ihrer Natur nach erheblich gewesen und hätten bereits seit längerem bestanden. Daraus habe ein permanenter Hilfebedarf resultiert. Diese Hilfeleistungen seien bis zu ihrem Tod im Frühjahr 1997 zunächst von seiner Mutter erbracht worden. Mit dem Wegfall dieser Hilfeleistungen sei eine nicht zu schließende Lücke entstanden, wie sich auch aus dem Attest des Hausarztes A ergebe. Dieses Attest, auf das der BFH auch Bezug nehme, stamme vom März 1999 und beziehe sich auf Beobachtungen und Einschätzungen aus dem zurückliegenden Zeitraum. A verweise darin auf laufende hausärztliche Behandlungen. Daher sei von einem akuten Hilfebedarf auch schon für 1998 auszugehen. Dass der Gutachter des ärztlichen Dienstes lediglich Hilfebedarf für das Jahr 1999 zuerkannt habe, stehe dem nicht entgegen. Denn der Gutachter habe nicht darüber entscheiden müssen, ob generell Bedarf vorgelegen habe, sondern darüber, ob die im Pflegeversicherungsgesetz dezidiert aufgestellten Voraussetzungen vorlägen. Demzufolge verweise der medizinische Dienst auch bei jeder Begutachtung darauf, dass er an die in §§ 14 ff. Pflegeversicherungsgesetz aufgestellten formalisierten Voraussetzungen gebunden sei. Im Übrigen sei eine Pflegebedürftigkeit in diesem Sinne damals schon dann verneint worden, wenn bestimmte Handlungen rein körperlich hätten vorgenommen werden können, unabhängig davon, ob dies auch wirklich geschehe und der Betroffene mental dazu in der Lage gewesen sei. Im Ergebnis sei sogar davon auszugehen, dass wegen seiner Hilfeleistung im Haushalt die Schlussfolgerung gezogen worden sei, die strengen Voraussetzungen der Pflegestufe I lägen noch nicht vor.

Auf eine Pflegebedürftigkeit im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes komme es ohnehin nicht an. Denn der BFH habe in seiner bisherigen Rechtsprechung und auch in der Revisionsentscheidung nicht ausgeführt, dass eine Erkrankung und ein daraus resultierender Hilfebedarf nur dann gegeben sei, wenn die Voraussetzungen einer Pflegestufe nach dem Pflegeversicherungsgesetz vorlägen.

Im Übrigen ergebe sich auch aus der Bestätigung des G vom 14.11.2005, dem Attest des A vom März 1999 sowie den Gutachten von E vom 05.12.1997 und F vom 07.11.1998, dass der Vater bereits im Jahre 1998 erkrankt gewesen sei und deshalb bereits in diesem Jahr Hilfe- und Betreuungsbedarf bestanden habe.

Deshalb seien auch schon vor 1999 Arztbesuche erfolgt. Einzelheiten seien jedoch nach dem Tode des Vaters nur schwer zu ermitteln, da die hinterlassenen Unterlagen lückenhaft seien. Langjähriger Hausarzt des Vaters sei zunächst G gewesen. Aufgrund der räumlichen Entfernung zur Wohnung sei dann später ein Wechsel zu A erfolgt. Bereits im November 1997 sei der Vater für mehrere Wochen im evangelischen Krankenhaus in D stationär behandelt worden. Danach habe u.a. auch eine Behandlung bei dem Neurologen H stattgefunden. Darüber hinaus seien Behandlungen beim Lungenfacharzt B sowie den Orthopäden I/J erfolgt. Auf deren Stellungnahme im Pflegeversicherungsverfahren und ein Attest des behandelnden HNO Arztes K werde verwiesen. Zudem verweist der Kläger auf eine Aufstellung über Zuzahlungen für Medikamente, die nur noch für das Jahr 1999 vorhanden sei. Angesichts des Krankheitsbildes und sämtlicher schon vorgetragener Tatsachen bestehe somit kein Raum für die Annahme, dass mit den Behandlungen und der Verordnung von Medikamenten plötzlich erst im Januar 1999 begonnen worden sei. Im Zweifel könne auch die AOK D um Bestätigung gebeten werden, dass sich der Vater in Behandlungen befunden habe.

Im Jahre 1998 sei aufgrund einer Verordnung des damaligen Hausarztes G zeitweise ein Pflegedienst eingesetzt worden, jedoch ausschließlich zur Vitalkontrolle (Blutdruckmessung) sowie zur Medikamentenkontrolle. Der Aufenthalt der Pfleger habe sich auf jeweils wenige Minuten beschränkt. Der Pflegedienst habe darüber hinaus im Rahmen einer ABM-Maßnahme einen Zivildienstleistenden für unterstützende Gespräche im Hinblick auf die isolierte Situation und die fortschreitende depressive Stimmungslage des Vaters angeboten. Weitere pflegerische Leistungen seien weder vorgesehen noch möglich gewesen und wären von seinem Vater auch nicht akzeptiert worden. Nach Auslaufen der genannten Maßnahme habe er, der Kläger, dem Vater gegenüber mehrfach darauf gedrungen, weiterhin einen Pflegedienst einzusetzen, um hierdurch auch zu seiner Entlastung beizutragen. Der Vater habe dies jedoch abgelehnt, weil er keine Fremden in der Wohnung hätte haben wollen. An den Tagen, an denen er den Vater nicht besucht habe, sei dieser irgendwie zurecht gekommen. Die Berichte des ärztlichen Dienstes belegten jedenfalls eindeutig, dass sein Vater ernsthaft erkrankt gewesen sei, alleine in seiner Wohnung gelebt habe und er, der Kläger, dem Vater in wesentlicher Hinsicht Hilfe geleistet habe.

Er sei als einziges Kind der nächste Verwandte gewesen. Zu dem in der Nähe des Vaters wohnenden Bruder des Vaters nebst Ehefrau habe so gut wie kein Kontakt bestanden. Zudem seien diese selbst im fraglichen Zeitraum fast 90 Jahre alt gewesen. Nähere Kontakte zu sonstigen Personen hätten kaum bestanden, da sich der Vater insbesondere mit dem Fortschreiten der Erkrankung mehr und mehr zurückgezogen habe, sodass nur einige wenige Personen losen Kontakt gehalten hätten. Der Vater sei, wenn überhaupt, in gewissem Umfang nur von ihm, dem Kläger, in seiner Lebensführung zu beeinflussen gewesen und auch bereit gewesen, Hilfeleistungen in Anspruch zu nehmen. Demzufolge seien auch die Kontakte zu Ärzten und anderen Personen - gegebenenfalls auch telefonisch - weitgehend über ihn, den Kläger, gelaufen. Er, der Kläger, habe diesbezüglich auch nicht widersprüchlich vorgetragen. Selbstverständlich seien auch vor dem Tod der Mutter Verwandtenbesuche erfolgt, allerdings nicht in der Häufigkeit und insbesondere zu einem anderen Zweck. Daneben seien zuvor aber auch nur Telefonate erfolgt, was indes nicht mehr ausreiche, wenn Telefonate nicht beantwortet würden oder körperliche Anwesenheit erforderlich sei. Es seien daher nur die Fahrten steuerlich geltend gemacht worden, die außerhalb des Rahmens üblicher Verwandtenbesuche erfolgt seien. Diesbezüglich sei zu berücksichtigen, dass die Einzelstrecke 120 km betrage, er selbst berufstätig sei und zu der fraglichen Zeit mit eigener Familie in L gewohnt habe. Abgesehen von seinem Wunsch, dem Vater jedenfalls im Rahmen des Möglichen zu helfen, habe eine sittliche Verpflichtung auch deshalb bestanden, weil natürlich auch in der Nachbarschaft des Vaters, in der er, der Kläger, gut bekannt gewesen sei, die an ihn gerichtete Erwartung bestanden habe, im Rahmen des Möglichen zu helfen. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Hilfeleistungen zwar anstrengend und belastend, aber nicht schlechthin unmöglich gewesen seien.

Eine anderweitige Erstattung seiner Aufwendungen sei nicht zu erhalten gewesen. Es sei ihm auch nicht zumutbar gewesen, darum zu bitten. Von seinem Vater seien die Fahrtkosten schon deshalb nicht bezahlt worden, weil er subjektiv die Notwendigkeit des Hilfsbedarfs nicht vollständig erfasst habe. Der Vater, der eine Rente von 2.200,00 DM monatlich bezogen habe, habe sich im Rahmen zahlreicher Gespräche dahingehend geäußert, nicht um die Hilfe gebeten zu haben, weshalb er auch die Kosten hierfür nicht übernehmen werde. Lieber habe er auf Hilfe verzichten wollen, da er irgendwie über die Runden kommen werde. Es sei somit abwegig, von ihm, dem Kläger, die Einleitung rechtlicher Schritte zum Erhalt von Fahrtkosten zu verlangen, sodass im Ergebnis vergeblich versucht worden sei, eine Kostenerstattung zu erlangen.

Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei wegen des erheblich höheren Zeitaufwands und der fehlenden Flexibilität bei gleichzeitig nur geringer Kostenersparnis weder realistisch noch zumutbar gewesen. Hiervon gehe inzwischen auch der Beklagte aus. Die Durchführung der Fahrten sei vom Beklagten bis zum Abschluss des Revisionsverfahrens auch nicht in Zweifel gezogen worden.

Entgegen der Auffassung des Beklagten spielten etwaige finanzielle Leistungen der Pflegekasse keine Rolle. Das Pflegegeld diene nach dem Pflegeversicherungsgesetz dazu, die Pflegebereitschaft aufrechtzuerhalten. Demzufolge werde es weder steuerrechtlich noch sozialrechtlich als Einkommen gewertet und könne auch nicht mit einem etwaigen Fahrtkostenersatzanspruch gegengerechnet werden, da die Aufwendungen für die Anfahrt die Pflegeperson erst in die Lage versetzten, die Pflegeleistung zu erbringen.

Unabhängig davon sei in den Streitjahren 1998 und 1999 überhaupt kein Pflegegeld an ihn, den Kläger, gezahlt worden. Unterlagen seien nicht mehr vorhanden. Im Falle des Bestreitens werde jedoch eine entsprechende Mitteilung der zuständigen Pflegekasse, Bl. 121 der FG-Akte, darüber angeboten, an wen das Pflegegeld gezahlt worden sei. Eine Vollmacht für das Konto des Vaters habe er im Übrigen, wie bereits ausgeführt, nicht gehabt.

Die Gesamtwürdigung aller Umstände führe somit vorliegend zur Anerkennung der geltend gemachten Kosten als außergewöhnliche Belastungen. Da weder andere Verwandte oder sonstige Personen für kontinuierliche Hilfeleistung in Betracht gekommen seien, lägen besondere Umstände vor, die nicht nur eine subjektive Verpflichtung begründeten, sondern aufgrund derer auch eine gesellschaftliche Verpflichtung und Erwartung dahin gehend bestanden habe, dass der einzig verbliebene engste Verwandte die erforderliche Hilfe im Rahmen des Möglichen leiste.

Der Kläger beantragt,

die Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999, jeweils vom 11.12.2000 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 23.08.2001 dergestalt zu ändern, dass Fahrtkosten in Höhe von 6.988,80 DM für 1998 und in Höhe von 6.739,20 DM für 1999 als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt ergänzend zum bisherigen Vortrag wie folgt vor:

Die Voraussetzungen für die Abziehbarkeit von Aufwendungen für Fahrten zu einem Pflegebedürftigen, die sich aus dem Revisionsurteil des BFH vom 02.12.2004 ergeben, lägen nicht vor. Der BFH mache die Anerkennung des steuermindernden Abzuges von Aufwendungen für Besuchsfahrten zu erkrankten nahen Angehörigen von einer umfassenden Würdigung des Einzelfalles abhängig. Dabei seien an den Nachweis der Zwangsläufigkeit strenge Anforderungen zu stellen, um eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Steuervorteilen auszuschließen. Unter Berücksichtigung dieses Urteils werde von ihm, dem Beklagten, nicht bestritten, dass der Vater des Klägers erkrankt gewesen sei, allein in seiner Wohnung gelebt habe und der Kläger Hilfe geleistet habe. Nach seiner Ansicht seien solche Aufwendungen jedoch nur dann abzugsfähig, wenn eine bestimmte schwere Erkrankung bzw. ein bestimmter Grad an Pflegebedürftigkeit vorliege. Nicht jeglicher Pflegebedarf eines erkrankten Angehörigen führe dazu, dass die Aufwendungen für entsprechende Hilfeleistungen als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden könnten. Eine sittliche Verpflichtung im Sinne des § 33 Abs. 2 EStG erkenne der BFH in langjähriger, ständiger Rechtsprechung nämlich nur unter engen Voraussetzungen an. Danach reiche es weder aus, dass sich der Steuerpflichtige subjektiv verpflichtet fühle, noch dass die Unterstützung eines Dritten aus sittlichen Gründen verständlich sei. Voraussetzung sei vielmehr, dass der Steuerpflichtige keine Möglichkeit gehabt habe, sich den Aufwendungen zu entziehen. Eine sittliche Verpflichtung bei der Übernahme der Pflege der eigenen Eltern sei daher nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur dann anzunehmen, wenn nach dem Urteil der Mehrzahl billig und gerecht denkender Mitbürger ein Steuerpflichtiger sich zu einem solchen Verhalten verpflichtet sehen könne. Sittlich zu billigende oder besonders anerkennenswerte Gründe alleine reichten deshalb nicht aus. Das sittliche Gebot müsse vielmehr ähnlich einem Rechtszwang von außen her als eine Forderung oder zumindest eine Erwartung der Gesellschaft in der Weise in Erscheinung treten, dass die Unterlassung Nachteile im sittlich moralischen Bereich oder auf gesellschaftlicher Ebene zur Folge haben könne. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers (vgl. Schriftsatz vom 24.07.2005, Seite 2 unten) handele es sich im Streitfall lediglich um eine subjektive Verpflichtung gegenüber seinem Vater.

Aus den vorliegenden Unterlagen gehe weiterhin nicht bzw. nicht mit hinreichender Sicherheit hervor, dass bereits im Jahre 1998 ein Pflegebedarf des Vaters des Klägers bestanden habe. Demnach habe der Kläger für das Jahr 1998 schon dem Grunde nach die Zwangsläufigkeit der Besuchsfahrten nicht nachgewiesen. Auch die nunmehr vorgelegten Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung und der Ärzte E und F, kämen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass beim Vater des Klägers im Jahre 1998 aus medizinischer Sicht keine Pflegebedürftigkeit gemäß SGB XI vorgelegen habe. Der Nachweis der Pflegebedürftigkeit sei nach den Anweisungen in den Einkommensteuerrichtlinien (R 188 Abs. 1 EStR 1998) zu führen. Danach sei nur pflegebedürftig, wer die Voraussetzungen des § 14 SGB XI erfülle. Der Pflegebedürftige müsse in eine der drei Pflegestufen I, II oder III eingestuft sein, und der Nachweis sei durch eine Bescheinigung des Versicherers oder nach § 65 Abs. 2 Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV) durch einen Schwerbehindertenausweis mit Merkzeichen H zu führen.

Die Widersprüchlichkeit in der Argumentation des Klägers liege darin, dass er einerseits auf den hohen täglich erforderlichen Pflegeaufwand hinweise, andererseits aber angebe, regelmäßig nur ein- bis zweimal wöchentlich zu seinem Vater gefahren zu sein, wobei nur eine Fahrt wöchentlich den Zweck gehabt habe, den Vater pflegerisch zu versorgen. Dass der Kläger sich im Übrigen auf die telefonische Motivation des Vaters beschränkt habe, spreche dafür, dass es sich bei den vom Kläger persönlich erbrachten Pflege- und Betreuungsleistungen um solche gehandelt habe, die bei älteren Menschen in jeder Familie anfielen und den Charakter des Außergewöhnlichen nicht dadurch erlangten, dass sie im Falle des Klägers wegen der altersbedingten Hilfsbedürftigkeit des Vaters und dessen entferntem Wohnort besonders hoch gewesen seien.

Soweit der Kläger vortrage, sein Vater habe Fahrtkosten schon deshalb nicht bezahlt, weil er subjektiv den Hilfebedarf nicht vollständig erfasst habe, widerspreche dies den Angaben der dem Gericht vorliegenden Bescheinigung des Vaters vom März 2001. Daraus gehe nämlich hervor, dass dem Vater sehr wohl bewusst gewesen sei, dass er auf die regelmäßige Hilfe des Klägers angewiesen gewesen sei. Zudem habe der Kläger weder Nachweise über die Vermögenssituation des Vaters erbracht, noch darüber, dass er vergeblich versucht habe, eine Kostenerstattung vom Vater zu erlangen.

Im Übrigen gehe er davon aus, dass dem Vater des Klägers ab Januar 1999 Pflegegeld bewilligt worden sei. Von den berücksichtigungsfähigen Aufwendungen seien jedoch solche Zuwendungen und Ersatzleistungen aufwandsmindernd abzuziehen, die im Ausgleich für die pflegebedingten Belastungen geleistet würden. Hierzu gehöre auch ein der Pflegeperson zugewendetes Pflegegeld, das üblicherweise zur Bestreitung der durch die Pflegebedürftigkeit anfallenden Aufwendungen bestimmt sei. Dabei sei es unerheblich, dass die Zuwendungen und Ersatzleistungen erst in einem späteren Veranlagungszeitraum geleistet würden. Auch in diesem Fall sei eine Anrechnung vorzunehmen, da das Abflussprinzip des § 11 EStG insoweit durch das in § 33 EStG geltende Belastungsprinzip überlagert werde.

Nach der vorgelegten Bahnauskunft sei nunmehr davon auszugehen, dass die in Rede stehenden Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zumutbar durchzuführen gewesen wären. Es sei jedoch weiterhin zu prüfen, ob die angegebenen Fahrten tatsächlich durchgeführt worden seien. Im Übrigen betrage die Fahrstrecke nach eigenen Ermittlungen mit einem Routenplaner 216 km und nicht 240 km.

Gründe

I.

Die Klage ist nicht begründet. Der Beklagte hat die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für Fahrten zu seinem Vater zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), wird gemäß § 33 Abs. 1 EStG die Einkommensteuer - unter weiteren Voraussetzungen - ermäßigt. Zwangsläufig sind die Aufwendungen, wenn sich der Steuerpflichtige ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen, § 33 Abs. 2 EStG.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 29.09.1989 III R 129/86, BStBl II 1990, 418 und vom 02.12.2004 III R 27/02, BFH/NV 2005, 1248) ist eine Belastung nur dann außergewöhnlich, wenn die Aufwendungen nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die typischen Aufwendungen der Lebensführung sind aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ungeachtet ihrer Höhe im Einzelfall ausgeschlossen.

Die Aufwendungen für Besuche zwischen nahen Angehörigen sind deshalb regelmäßig ebenso wenig als außergewöhnlich, sondern typisierend als durch allgemeine Freibeträge und etwaige andere steuerliche Ermäßigungen abgegolten anzusehen wie Aufwendungen für sonstige Formen der Kontaktpflege etwa durch Telefongespräche (BFH-Urteil vom 22.10.1996 III R 265/94, BStBl II 1997, 558). Das gilt auch, wenn der besuchte Angehörige erkrankt oder pflegebedürftig ist und Fahrten in kürzeren zeitlichen Abständen oder über größere Entfernungen durchgeführt werden. Denn es ist üblich und jedenfalls nicht im vorgenannten Sinn außergewöhnlich, wenn ein erkrankter oder pflegebedürftiger Angehöriger häufiger und auch über größere Entfernungen besucht wird als ein gesunder (BFH-Urteil vom 02.12.2004 in BFH/NV 2005, 1248).

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz, dass Aufwendungen für Besuche zwischen Angehörigen nach § 33 EStG nicht berücksichtigt werden können, auch wenn sie im Einzelfall außergewöhnlich hoch sind, lässt die Rechtsprechung des BFH nur zu, wenn Besuchsfahrten ausschließlich zum Zwecke der Heilung oder Linderung einer Krankheit oder eines Leidens getätigt werden oder den Zweck verfolgen, die Krankheit oder ein Leiden erträglicher zu machen, so dass die Kosten zu den unmittelbaren Krankheitskosten rechnen (vgl. BFH-Urteile vom 02.03.1984 VI R 158/80, BStBl II 1984, 484, vom 24.05.1991 III R 28/89, BFH/NV 1992, 96 und vom 02.12.2004 in BFH/NV 2005, 1248). Dazu bedarf es des Nachweises, dass die konkrete Behandlung - denn darum handelt es sich bei derartigen Krankenbesuchen - medizinisch indiziert war. Es kommt deshalb auf das ärztliche Urteil des behandelnden Arztes an, ob die Besuche der Angehörigen therapeutisch notwendig waren (vgl. BFH-Urteil vom 02.03.1984 in BStBl II 1984, 484).

Ferner können die Aufwendungen für Besuchsfahrten dann eine außergewöhnliche Belastung darstellen, wenn ein Steuerpflichtiger sie auf sich nimmt, um einen nahen Angehörigen, der im eigenen Haushalt lebt, mit Rücksicht auf dessen - nachgewiesene - Erkrankung betreuen und versorgen zu können, jedoch nur, soweit die Aufwendungen jene für Besuchsfahrten überschreiten, die der Steuerpflichtige auch ohne die Erkrankung üblicherweise ausgeführt hätte (BFH-Urteile vom 06.04.1990 III R 60/88, BStBl II 1990, 958, vom 22.10.1996 III R 265/94, BStBl II 1997, 558 und vom 02.12.2004 in BFH/NV 2005, 1248). Dabei ist zwar nicht erforderlich, dass der besuchte Angehörige hilflos ist und dass der Steuerpflichtige folglich, statt außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend zu machen, einen Pflegepauschbetrag nach § 33 Abs. 6 EStG beanspruchen könnte. Die Fahrten dürfen jedoch nicht lediglich der allgemeinen Pflege verwandtschaftlicher Beziehungen dienen, wobei zur verwandtschaftlichen Kontaktpflege in diesem Sinne beispielsweise auch die Erledigung von Besorgungen - wie Einkäufe und Schriftverkehr - für einen alten oder kranken Verwandten gehören kann.

Benutzt der Steuerpflichtige für die Fahrten ein eigenes Fahrzeug, sind die Aufwendungen für die Besuchsfahrten grundsätzlich nur in Höhe der Fahrtkosten für öffentliche Verkehrsmittel zu berücksichtigen, es sei denn, deren Benutzung wäre wegen ungünstiger Verkehrsverbindungen unzumutbar (BFH-Urteile vom 06.04.1990 III R 60/98, BStBl II 1990, 958 und vom 02.12.2004 in BFH/NV 2005, 1248)

Darüber hinaus setzt die Gewährung eines Abzugsbetrages nach § 33 EStG voraus, dass sich der Steuerpflichtige aufgrund einer tatsächlichen Zwangslage oder einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht den Aufwendungen nicht entziehen konnte. Eine - bei der Übernahme der Pflege der eigenen Eltern einzig näher in Betracht kommende - sittliche Verpflichtung, ist nur dann anzunehmen, wenn nach dem Urteil der Mehrzahl billig und gerecht denkender Mitbürger ein Steuerpflichtiger sich zu einem solchen Verhalten verpflichtet sehen kann. Sittlich zu billigende oder besonders anerkennenswerte Gründe allein reichen deshalb nicht aus. Das sittliche Gebot muss vielmehr ähnlich einem Rechtszwang von außen her als eine Forderung oder zumindest eine Erwartung der Gesellschaft in der Weise in Erscheinung treten, dass die Unterlassung Nachteile im sittlichmoralischen Bereich oder auf gesellschaftlicher Ebene zur Folge haben kann (vgl. BFH-Urteil vom 02.12.2004 in BFH/NV 2005, 1248). Die tatsächlichen finanziellen Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen durch die Erbringung von Pflegeleistungen für einen nahen Angehörigen entstehen und nach § 33 EStG steuermindernd geltend gemacht werden, sind daher nur dann als aufgrund einer sittlichen Pflicht zwangsläufig anzuerkennen, wenn der Steuerpflichtige einem unausweichlichen Gebot zur Erbringung solcher Pflegeleistungen gegenübersteht. Ob dies der Fall ist, kann nur nach den näheren Umständen des Einzelfalls entschieden werden. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass angesichts des unter Umständen sehr persönlichen Charakters der für die Pflege erforderlichen Leistungen selbst bei einem nahen Verwandtschaftsverhältnis nicht ohne weiteres vom Bestehen einer solchen sittlichen Pflicht ausgegangen werden kann (BFH-Urteile vom 22.10.1996 in BStBl II 1997, 558 und vom 02.12.2004 in BFH/NV 2005, 1248).

Bei Anwendung der vorgenannten Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass das Vorliegen der Voraussetzungen einer außergewöhnlichen Belastung nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen wurde.

1. Streitjahr 1998

a. Für 1998 fehlt es schon deshalb an der Abzugsfähigkeit der streitigen Aufwendungen, weil der, insoweit die Feststellungslast tragende, Kläger nicht nachgewiesen hat, dass sein Vater bereits in diesem Jahr pflegebedürftig war, was erste Voraussetzung für die Berücksichtigung von Aufwendungen für Besuchsfahrten als Pflegeleistung und damit als außergewöhnliche Belastung gewesen wäre.

Das vorgelegte Gutachten des C sagt nichts über die Pflegebedürftigkeit des Vaters des Klägers im Jahr 1998 aus. Insoweit sieht sich der Senat bei seiner Beurteilung durch den zurückverweisenden Beschluss des BFH vom 02.12.2004 gebunden.

Aber auch die weiteren vorgelegten Unterlagen lassen nicht den Schluss zu, dass der Vater des Klägers im Jahre 1998 pflegebedürftig war. Sowohl das Gutachten von E vom 29.12.1997 als auch das von F vom 22.01.1999 kommen vielmehr zu dem Ergebnis, dass eine Pflegebedürftigkeit in größerem Umfang gerade nicht gegeben war. Aus dem Attest des K, das nicht im Streitjahr 1998, sondern erst im Folgejahr, am 13.08.1999, ausgestellt wurde, ergibt sich lediglich, dass der Vater des Klägers unter erheblichem Hörverlust litt. Zwar bestätigt B in einem Schreiben vom 19.10.1999 an das Sozialgericht, dass der Vater des Klägers pflegebedürftig gewesen sei. Dieses Schreiben sagt jedoch ebenfalls nichts über die Pflegebedürftigkeit des Vaters im Streitjahr 1998 aus.

Anhand der dem Gericht vorliegenden Unterlagen kann somit nicht festgestellt werden, dass bereits im Streitjahr 1998 ein Pflegebedarf beim Vater des Klägers bestand. Dementsprechend sah auch der Gutachter C in seinem Gutachten vom 05.06.2000 die Grundlage für die Einstufung in eine Pflegestufe nicht schon ab 1998, sondern erst ab Januar 1999 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als gegeben an.

b. Darüber hinaus hat der Kläger für das Streitjahr 1998 nicht durch ärztliches Attest nachgewiesen, ob und in welcher Weise die Besuche des Klägers zur Heilung oder Linderung der Erkrankung des Vaters entscheidend beitragen konnten bzw. warum Pflegeleistungen in Form von Besuchen des Klägers erforderlich gewesen sein sollten.

Aus dem Attest des Hausarztes G, das erst nachträglich, am 14.11.2005, erstellt wurde, geht lediglich hervor, dass sich die Krankheitssituation des Vaters des Klägers in den Jahren 1997/1998 zugespitzt hatte und dass deshalb regelmäßige Besuche des Klägers erforderlich gewesen sein sollten. Die medizinische Notwendigkeit der Besuche wird jedoch weder festgestellt noch erläutert.

Aus dem Attest des A vom 09.03.1999 ergibt sich schon nicht eindeutig, auf welchen Zeitraum es sich bezieht. Darüber hinaus wird dort nur bescheinigt, dass der Vater des Klägers bezüglich der Medikamenteneinnahme und der Lebensführung eine Betreuung fast rund um die Uhr benötige. Dass bzw. warum gerade Besuche des Klägers erforderlich sein sollten, um den Zustand des kranken bzw. pflegebedürftigen Vaters zu verbessern, ergibt sich hieraus nicht. Allein das möglicherweise den ärztlichen Bescheinigungen zugrunde liegende Anliegen, der Vereinsamung eines alten Menschen dadurch entgegen zu wirken, dass er häufiger besucht wird, erfüllt nicht das Merkmal der Außergewöhnlichkeit (BFH-Urteil vom 24.05.1991 in BFH/NV 1992, 96).

2. Streitjahr 1999

a. Hinsichtlich des Jahres 1999 ist zwar, dem zurückverweisenden Beschluss des BFH vom 02.12.2004 folgend, davon auszugehen, dass der Vater des Klägers pflegebedürftig war. Auch für dieses Streitjahr hat jedoch der Kläger nicht durch ärztliches Attest nachgewiesen, ob bzw. welche Auswirkung seine Besuche beim Vater haben sollten, das heißt, ob und inwieweit sie auf dessen gesundheitlichen Zustand Einfluss haben würden. Insoweit kann auf die Ausführungen unter Ziffer 1 b verwiesen werden.

b. Zudem sind die vom Kläger anlässlich seiner Besuche beim Vater erbrachten Hilfeleistungen wie die Erledigung von Einkäufen, die Begleitung bei Verlassen der Wohnung, Besorgung von und Beaufsichtigung der Einnahme von Medikamenten, Essensversorgung, Körperpflege des Vaters sowie Hilfe beim An- und Auskleiden, Maßnahmen, die ihrer Art nach in einer Vielzahl von Familien anfallen, ohne dass sie, auch unter Berücksichtigung der altersbedingten Hilfsbedürftigkeit des Vaters und dessen entfernt gelegenem Wohnort, den Charakter des Außergewöhnlichen erlangen (vgl. BFH-Urteil vom 22.10.1996 in BStBl II 1997, 558). Sie sind vielmehr Hilfsleistungen, die, jedenfalls im Verhältnis Vater/Sohn, dem durchaus Üblichen und Erwartbaren entsprechen, wovon offenbar auch der Vater ausgegangen war, der dem Kläger einen, die Außergewöhnlichkeit der Besuche des Klägers indizierenden, Aufwendungsersatz versagt hatte. Dies gilt im Übrigen nicht nur für die Besuche im Jahre 1999, sondern auch für die im Jahre 1998, die bereits aus den unter 1. dargestellten Gründen keine Steuerminderung rechtfertigen.

c. Darüber hinaus sind die vom Kläger für das Jahr 1999 geltend gemachten Aufwendungen auch nicht zwangsläufig entstanden. Eine verbindliche Forderung oder Erwartung der Gesellschaft, insbesondere seitens der Nachbarschaft des Vaters, der sich der Kläger nicht hätte entziehen können, ist nicht zu erkennen. Nach Auffassung des Senats wäre es nicht sittlich missbilligenswert gewesen, wenn der weiter entfernt wohnende berufstätige Kläger die von seinem Vater angeblich selbst nicht mehr zu bewältigenden Verrichtungen Dritten, z.B. sozialen Diensten, übertragen und sich selbst auf die Pflege eines intensiven familiären - steuerlich unbeachtlichen - Kontaktes, dessen gerade alte Menschen bedürfen, und auf die vom Vater bei seiner Lebensführung benötigte Unterstützung in wirtschaftlichen und sonstigen Angelegenheiten des Alltags beschränkt hätte.

Unerheblich ist insoweit, dass der - nach Aktenlage in seiner Willensfähigkeit nicht eingeschränkte - Vater des Klägers keinen fremden Pflegedienst in Anspruch nehmen wollte. Vom Kläger hätte jedenfalls niemand verlangen können, für den offenbar nicht hilflosen, fremde Hilfe weitgehend ablehnenden und außerhalb der Besuche des Klägers auch ohne dessen Hilfe zurecht kommenden Vater persönliche Pflegeleistungen zu übernehmen, sodass die Aufwendungen des Klägers in 1999 - wie im Übrigen auch die aus unter 1. dargelegten Gründen nicht berücksichtigungsfähigen Aufwendungen für 1998 - nicht zwangsläufig waren.

Da die steuerliche Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen gemäß § 33 EStG in beiden Streitjahren bereits aus den zuvor dargestellten Gründen scheitert, bedurfte es zu den weiteren Streitpunkten (Ersatzmöglichkeiten, Angemessenheit der Aufwendungen) keiner Ausführungen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.