BGH, Beschluss vom 29.08.2006 - 4 StR 231/06
Fundstelle
openJur 2011, 10772
  • Rkr:
Tenor

1. Das Verfahren wird gemäß §154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte Rajwinder S. im Fall II. 6 der Urteilsgründe verurteilt worden ist. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten.

2. Auf die Revision des Angeklagten wirda) das Urteil des Landgerichts Rostock vom 16. Dezember 2005, soweit es ihn betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass er des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in zwei Fällen, des Einschleusens von Ausländern in vier Fällen, des versuchten Einschleusens von Ausländern in zwei Fällen, der Beihilfe zur unerlaubten Einreise und zum unerlaubten Aufenthalt eines Ausländers und der Urkundenfälschung in Tateinheit mit Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen schuldig ist, b) die Höhe eines Tagessatzes der gegen den Angeklagten im Fall II. 1 der Urteilsgründe verhängten Geldstrafe auf einen Euro festgesetzt.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

4. Der Beschwerdeführer hat die übrigen Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freisprechung im Übrigen - wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in drei Fällen, wegen Einschleusens von Ausländern in sechs Fällen, wegen versuchten Einschleusens von Ausländern und wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Verschaffen von falschen amtlichen Ausweisen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Außerdem hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 48.000 Euro angeordnet.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat nur in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, soweit der Angeklagte im Fall II. 6 der Urteilsgründe (= Fall 7 der Anklage) wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern verurteilt worden ist.

2. Soweit das Landgericht den Angeklagten im Fall II. 1 der Urteilsgründe (= Fall 2 der Anklage) des Einschleusens von Ausländern gemäß § 92 a Abs. 1 Nr. 2 1. Alt. AuslG schuldig gesprochen hat, tragen die Feststellungen den Schuldspruch nicht. Der Angeklagte hat nämlich nicht zum wiederholten Male (vgl. hierzu BGH NJW 1999, 2829), sondern erstmals einem Ausländer zu einer der in § 92 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 6 AuslG bezeichneten Handlung Hilfe geleistet. Sein Verhalten stellt sich deshalb nur als Beihilfe zur unerlaubten Einreise und zum unerlaubten Aufenthalt eines Ausländers dar.

Im Fall II. 8 der Urteilsgründe (= Fall 4 der Anklage) hat sich der Angeklagte nicht, wie vom Landgericht angenommen, des vollendeten, sondern nur des versuchten Einschleusens von Ausländern strafbar gemacht. Nach den hierzu getroffenen Feststellungen händigte der Angeklagte einem sich gesetzwidrig in Dänemark aufhaltenden indischen Ehepaar gegen Entgelt für Dritte ausgestellte Pässe aus, damit dieses illegal nach Spanien einreisen und sich dort aufhalten konnte. Um der Ehefrau unberechtigt eine für diese kostenlose ärztliche Behandlung zu ermöglichen, übergab er ihr zudem eine hierfür besorgte Krankenversicherungskarte. Die Ausreise scheiterte, weil das Ehepaar bei der Passkontrolle auf dem Flughafen in Kopenhagen festgenommen wurde. Da nicht belegt ist, dass die Krankenbehandlung in Dänemark erfolgen sollte, erschöpft sich die Unterstützung des Angeklagten in der Förderung der gescheiterten Einreise nach Spanien (vgl. hierzu BGH StV 1999, 382).

3. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen; denn der Angeklagte hätte sich im Hinblick auf die geänderten Schuldsprüche in den Fällen II. 1 und 8 der Urteilsgründe nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.

4. Die vom Landgericht festgesetzten Einzelstrafen und die Gesamtstrafe können bestehen bleiben.

Hinsichtlich der für den Fall II. 1 der Urteilsgründe verhängten Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen ist auszuschließen, dass das Landgericht bei einer Verurteilung wegen Beihilfe zur unerlaubten Einreise und zum unerlaubten Aufenthalt eines Ausländers auf eine noch geringere Strafe erkannt hätte. Die Strafkammer hat allerdings die Festsetzung der Tagessatzhöhe unterlassen. Dieser bedarf es aber auch dann, wenn - wie hier - aus der Einzelgeldstrafe und Einzelfreiheitsstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden ist (vgl. BGHSt 30, 93, 96; BGHR StGB § 54 Abs. 3 Tagessatzhöhe 1). Der Senat setzt die Tagessatzhöhe - entsprechend der Anregung des Generalbundesanwalts - auf den Mindestsatz von einem Euro (§ 40 Abs. 2 Satz 3 StGB) fest.

Auch für die im Fall II. 8 der Urteilsgründe festgesetzte Einzelstrafe (ein Jahr Freiheitsstrafe) bleibt die Änderung des Schuldspruchs ohne Auswirkung; denn für den ähnlich gelagerten, wegen versuchten Einschleusens von Ausländern abgeurteilten Fall II. 10 der Urteilsgründe hat das Landgericht eine Einzelstrafe in derselben Höhe verhängt.

Die teilweise Einstellung des Verfahrens führt zwar zum Wegfall einer Einzelstrafe von einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe; angesichts des Gewichts der verbleibenden zehn Taten sowie der Höhe der dafür festgesetzten Einzelstrafen schließt der Senat jedoch aus, dass sich der Wegfall der Einzelstrafe im Fall II. 6 der Urteilsgründe auf den Ausspruch über die - maßvolle - Gesamtstrafe ausgewirkt hat.

5. Im Hinblick auf den nur geringen Teilerfolg der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten (verbleibenden) Kosten des Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

VRiBGH Dr. Tepperwien und Maatz Kuckein Ri'inBGH Solin-Stojanovi sind infolge urlaubsbedingter Orts- abwesenheit verhindert zu unter- schreiben. Maatz Sost-Scheible