LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.07.2014 - L 9 KA 12/12
Fundstelle
openJur 2015, 22562
  • Rkr:

Die Abrechnung der GOP 03212 EBM-Ä 2008 im Zeitraum vom 01.01.2009 bis zum 30.09.2013 setzt in mindestens vier vor dem Abrechnungsquartal gelegenen Quartalen jeweils Arzt-Patienten-Kontakte voraus, wobei die Behandlung auch von verschiedenen Vertragsärzten ambulant durchgeführt worden oder aber stationär erfolgt sein kann.

Tenor

Die Berufung wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Magdeburg vom 26. September 2012 und Aufhebung ihres Bescheides vom 12. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2010 sowie ihrer Bescheide vom 7. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2013, vom 11. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2013 und vom 25. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2013 verpflichtet wird, das in den Quartalen I und II/2009 sowie I, II und III/2012 von den Vertragsärzten bei ihr für Versicherte der Klägerin angeforderte Honorar unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats auf die Erfüllung der Abrechnungsvoraussetzungen der GOP 03212 EBM-Ä 2008 zu überprüfen und die Klägerin über das Ergebnis neu zu bescheiden.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht zu erstatten sind.

Die Revision wird zugelassen.

Der Gegenstandswert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Streitig ist bezogen auf die Quartale I und II/2009 sowie I, II und III/2012 die Verpflichtung der Beklagten zu einer gezielten sachlich-rechnerischen Abrechnungsprüfung der Gebührenordnungsposition (GOP) 03212 (sog. Chroniker-Zuschlag) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) 2008.

Unter dem 8. Februar 2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der im Quartal I/2009 von den Vertragsärzten abgerechneten GOP 03212 EBM-Ä 2008 und erläuterte, die Prüfung der ihr nach § 295 SGB V übermittelten Einzelfallnachweise habe ergeben, dass 1.358 Ärzte in 10.068 Behandlungsfällen den Chroniker-Zuschlag abgerechnet hätten, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorgelegen hätten. Insgesamt mache dies ein Abrechnungsvolumen von 4.983.660 Punkten aus. Geprüft worden sei die Frage, ob eine chronische Erkrankung gemäß § 2 der Richtlinie der Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zur Umsetzung der Regelungen in § 62 SGB V für schwerwiegend chronisch Erkrankte (Chroniker-Richtlinie; auch abrufbar unter: https://www.g-ba.de/downloads/62-492-278/Chr-RL 2008-06-19.pdf) vorgelegen habe und diese wenigstens ein Jahr lang mindestens einmal pro Quartal ärztlich behandelt worden sei. Dem Antrag war auch eine Liste mit Versicherten der Klägerin beigefügt. Mit einem am 1. April 2010 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben stellte die Klägerin auch für das Quartal II/2009 einen entsprechenden Prüfantrag. In diesem Quartal hätten 1.380 Ärzte in 11.210 Fällen den Zuschlag mit einem Punktevolumen von 5.548.950 unzulässig abgerechnet. Bereits unter dem 5. März 2010 hatte die Klägerin bei der Beklagten für die besagten Quartale eine Überprüfung begehrt.

Mit Bescheid vom 12. Juli 2010 lehnte die Beklagte eine Überprüfung ab und führte zur Begründung aus: Die Regelung des § 2 Chroniker-Richtlinie sei für den Ansatz der GOP 03212 EBM-Ä 2008 so zu verstehen, dass sich die ärztliche Behandlung des Versicherten einmalig über vier Quartale habe erstrecken müssen. In der Folgezeit genüge für die Abrechnung des Zuschlags eine kontinuierliche Behandlung, die sich aber nicht mehr auf jedes Quartal beziehen müsse, solange die in § 2 Chroniker-Richtlinie genannten Voraussetzungen erfüllt seien. Aus den Anträgen der Klägerin ergebe sich nicht, dass die aufgeführten Ärzte diese Bedingungen nicht erfüllten.

Hiergegen erhob die Klägerin am 9. August 2010 Widerspruch und stellte dar, eine für die Abrechnung des Zuschlags erforderliche Dauerbehandlung im Sinne der Chroniker-Richtlinie liege entgegen der Ansicht der Beklagten nur vor, wenn der Versicherte mindestens ein Jahr und mindestens einmal pro Quartal behandelt worden sei. In den vorgelegten Fällen habe die Prüfung der patientenbezogenen Abrechnungsdaten des jeweils abrechnenden Arztes unter Berücksichtigung aller weiteren Haus- und Fachärzte des Abrechnungsquartals ergeben, dass eine notwendige Behandlung in den Vorquartalen nicht stattgefunden habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und teilte ergänzend zum Ausgangsbescheid mit: Das Bestehen einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung werde nicht nur durch eine kontinuierliche vertragsärztliche Behandlung nachgewiesen, sondern auch durch Leistungserbringer, die nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnähmen. Daher sei auch die Prüfung einer Dauerbehandlung schwierig. Überdies berechtige das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit nach den Pflegestufen 2 oder 3 sowie ein krankheitsbedingter Grad der Behinderung (GdB) von 60 bzw. eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 60 vH zur Abrechnung der GOP 03212 EBM-Ä 2008. Diese dürfe schon beim ersten in der Abrechnung dokumentierten Arzt-Patienten-Kontakt angesetzt werden, weil zuvor ein telefonischer Kontakt stattgefunden haben könne.

Am 3. Januar 2011 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Magdeburg Klage erhoben und ihr Anliegen unter Vorlage einer Liste der von ihr geprüften Vertragsärzte weiter verfolgt. Die Vertragsärzte seien wegen der bestrittenen Berechtigung verpflichtet, in der von der Beklagten durchzuführenden Prüfung nachzuweisen, dass die Abrechnungsvoraussetzungen des Zuschlags erfüllt gewesen seien. im Rahmen ihrer Prüfanträge habe sie nur Vorgänge einbezogen, bei denen in den drei Quartalen vor der Abrechnung weder bei dem abrechnenden noch bei einem anderen Vertragsarzt oder in einem Krankenhaus eine ärztliche Behandlung stattgefunden habe. Auch Fälle, in denen eine Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe 2 oder 3 bestanden habe, habe sie nicht berücksichtigt. Entgegen der Ansicht der Beklagten genüge es für die Abrechnung des Zuschlags nicht, dass der Patient sich neben den Voraussetzungen aus § 2 Abs. 2 Halbsatz 2 Buchst. a) bis c) Chroniker-Richtlinie nur einmal irgendwann einer sich über vier Quartale erstreckenden ärztlichen Behandlung unterzogen habe. Ein solches Verständnis widerspreche nicht nur dem Wortlaut der im inneren Zusammenhang mit der Ermächtigungsnorm des § 62 SGB V zu sehenden Regelung, welche eine gegenwärtige Dauerbehandlung voraussetze, sondern auch dem Sinn und Zweck des Zuschlags. Durch ihn solle der besondere Aufwand honoriert werden, der mit der aktuellen Behandlung von Patienten mit schwerwiegenden chronischen Erkrankungen verbunden sei. Chronische Erkrankungen, die keine ärztliche Behandlung mehr in jedem Quartal erforderten, rechtfertigten keine zusätzliche Vergütung. Schwerwiegend und damit zuschlagauslösend sei eine chronische Krankheit per definitionem nach der Richtlinie erst, wenn sie auch eine kontinuierliche ärztliche Behandlung erfordere. Deshalb dürften die Vertragsärzte den Zuschlag nur verlangen, wenn - wie dies auch in anderen Kassenärztlichen Vereinigungen (KÄVen) praktiziert werde - eine vertragsärztliche Behandlung in den drei Quartalen vor der Abrechnung nachgewiesen sei. Dies lasse sich auch aus der - von der Klägerin vorgelegten - Beschlussbegründung des GBA zur Chroniker-Richtlinie (auch abrufbar unter: https://www.g-ba.de/down-loads/40-268-5/2004-01-22-Chroniker-Begruendung.pdf) ableiten. Denn danach habe dieser bei der Neuregelung an die bisherige Regelung zum Nachweis des Erreichens der Belastungsgrenze für die Privilegierung schwerwiegend chronisch Erkrankter bei Zuzahlungen, die eine Bescheinigung des behandelnden Arztes nach Muster 55 erfordere, anknüpfen wollen. Unter B1 des Musters bestätige der Vertragsarzt das Vorliegen einer Dauerbehandlung, wenn der Versicherten mindestens ein Jahr lang vor Ausstellen der Bescheinigung jeweils wenigstens einmal im Quartal wegen derselben Krankheit in ärztlicher Behandlung "war". Dieser über den Richtlinientext hinausgehende Zusatz sei überflüssig, wenn er nicht den Zeitraum unmittelbar vor Ausstellen der Bescheinigung betreffe.

Die Vergangenheitsform "wurde" in § 2 Abs. 2 Halbsatz 1 Chroniker-Richtlinie habe logischerweise gewählt werden müssen, weil sich die Voraussetzung der Dauerbehandlung auf einen abgeschlossenen Zeitraum unmittelbar vor Beurteilung der Chronikereigenschaft beziehe. Keinesfalls sei hieraus zu folgern, dass eine Jahre zurückliegende kontinuierliche Behandlung für die Abrechnung der GOP genüge. Werde der Ansicht der Beklagten gefolgt, sei es denkbar, dass ein Arzt den Zuschlag abrechne, obgleich die chronische Erkrankung wie z.B. ein Bluthochdruck aufgrund einer Gewichtsreduktion gar nicht mehr vorliege. Aktuell werde im Bereich der Beklagten in 52 % der hausärztlichen Behandlungsfälle der Chroniker-Zuschlag abgerechnet, was auch unter Berücksichtigung einer zunehmenden Morbidität eine nicht erklärbare Diskrepanz zu dem von der Beigeladenen zu 2) in der von ihr angestellten Kalkulationsanalyse veranschlagten Wert von 38 % darstelle. Im Übrigen verhalte diese sich widersprüchlich, weil sie im Zusammenhang mit den gemeinsamen Beratungen im Bewertungsausschuss zur Plausibilisierung der Abrechnungshäufigkeit des Chroniker-Zuschlags die nunmehr als nicht haltbar abgelehnte Ansicht selbst akzeptiert habe.

Die Beklagte hat gemeint, die Abrechnung der GOP 03212 EBM-Ä 2008 setze voraus, dass der Patient irgendwann einmal in der Vergangenheit wenigstens ein Jahr lang mindestens einmal pro Quartal wegen einer Krankheit ärztlich behandelt worden sei, die deshalb als chronisch und wegen der weiteren Merkmale gemäß § 2 Abs. 2 Halbsatz 2 Buchst. a) bis c) Chroniker-Richtlinie als schwerwiegend einzustufen sei. Da die Dauerbehandlung vom GBA sehr konkret definiert worden sei, müsse es sich bei der kontinuierlichen medizinischen Versorgung im Sinne von § 2 Abs. 2 Buchst. c) Chroniker-Richtlinie um ein Aliud handeln, deren Inhalt der GBA weder in der Richtlinie noch seiner hierzu gegebenen Beschlussbegründung näher bestimmt habe. Sowohl die in der Regelung als auch die in dem Vordruck nach Muster 55 sprachlich formulierte Zeitform ("wurde" bzw. "war") lasse diesen Schluss zu. Die Richtlinie fordere nicht, dass auch in den Quartalen nach dem Jahreszeitraum eine kontinuierliche ärztliche Behandlung notwendig sei, um weiterhin vom Vorliegen einer schwerwiegenden chronischen Krankheit auszugehen. Nach § 2 Abs. 2 Buchst. c) Chroniker-Richtlinie gehörten auch nichtärztliche Therapien, welche die Feststellung einer Krankheit als schwerwiegend zuließen, zu der erforderlichen kontinuierlichen medizinischen Versorgung. Dies ermögliche aber, dass Versicherte in den von der Klägerin aufgelisteten Fällen in dem Zeitraum vor den aufgegriffenen Abrechnungsquartalen von einem anderen als dem abrechnenden Vertragsarzt der Richtlinie entsprechend behandelt oder z.B. kontinuierlich mit Arzneimitteln therapiert worden seien. Entsprechende Umstände seien bei der sachlich-rechnerischen Prüfung des angeforderten Honorars aus den Abrechnungsunterlagen nicht zu ersehen. Dies stehe letztlich der Durchführung einer sachlich-rechnerischen Berichtigung entgegen. Aus diesem Grund könne sie den Vertragsärzten nicht, wie es eine Berichtigung voraussetze, die Unrichtigkeit der eingereichten Abrechnungen nachweisen.

Die Beklagte hat eine Stellungnahme der Beigeladenen zu 2) vom 10. Juni 2011 vorgelegt, wonach die Abrechnung der streitigen GOP eine sich an den in der Vergangenheit liegenden Jahreszeitraum anschließende fortlaufende Behandlung in jedem Quartal nicht voraussetze. Sofern eine solche nicht medizinisch notwendig sei, könne sie auch nicht als wirtschaftlich angesehen und eingefordert werden. Werde von den Krankenkassen eine kontinuierliche Behandlung verlangt, müssten von ihnen auch entsprechende finanzielle Mittel bereitgestellt werden.

Mit Beschluss vom 3. April 2012 hat das SG die Beigeladenen am Verfahren beteiligt.

Der Beigeladene zu 1) hat die Auffassung der Klägerin geteilt. Der gegenteiligen Meinung könne aus medizinischer Sicht bereits deshalb nicht gefolgt werden, weil es keine Rechtfertigung dafür gäbe, den Zuschlag an eine möglicherweise Jahre zurückliegende Dauerbehandlung anzuknüpfen. Durch den in § 2 Abs. 2 Chroniker-Richtlinie verwandten Begriff der "Dauerbehandlung" sowie die weiteren dort unter a) bis c) genannten Bedingungen werde deutlich, dass nicht einmalig vier Behandlungsquartale, die irgendwann in der Vergangenheit lagen, zur Feststellung der schwerwiegenden chronischen Erkrankung führten. Bei einem anderen Verständnis könne der Zuschlag ansonsten selbst dann abgerechnet werden, wenn z.B. vor zehn Jahren ein Versicherter in vier aufeinanderfolgenden Quartalen wegen ein- und derselben Erkrankung behandelt worden sei und die nächsten neun Jahre überhaupt keinen Arzt mehr aufgesucht habe. Derartige Krankheitsverläufe stellten schwerlich eine schwerwiegend chronische Erkrankung dar. Typisches Merkmal einer chronischen Erkrankung sei die Dauerhaftigkeit bzw. Kontinuierlichkeit der Erkrankung auch über vier Quartale hinaus. Auch die Entstehungsgeschichte der GOP 03212 EBM-Ä 2008 spreche für die von der Klägerin vertretene Ansicht. Grund ihrer Einführung sei der mit dem GKV-WSG neugefasste § 87 Abs. 2b SGB V gewesen, nach dem im hausärztlichen Versorgungsbereich eine weitgehende Zusammenfassung von üblicherweise im Rahmen der hausärztlichen Versorgung eines Versicherten erbrachten Leistungen vorgesehen worden sei. Dabei seien nicht nur viele hausärztliche Einzelleistungen zu einer Versichertenpauschale zusammengefasst worden, sondern auch Behandlungsleistungen des Hausarztes, die die Versorgung chronisch Kranken abgebildet hätten (GOPen 03001, 03002, 03211), in die GOP 03212 EBM-Ä 2008 eingeflossen, um den erhöhten ärztlichen Aufwand abzubilden. Bei Versicherten, die nur irgendwann einmal in der Vergangenheit während einer einjährigen Episode aufgrund einer chronischen Erkrankung und nachfolgend jahrelang überhaupt nicht mehr behandelt worden seien, sei kein erhöhter Behandlungsaufwand zu begründen. Schließlich sei in aktuellen Berechnungen zur Evaluation des Chroniker-Zuschlags durch das Institut des Bewertungsausschusses ebenfalls davon ausgegangen worden, dass Abrechnungsvoraussetzung eine kontinuierliche Behandlung in mindestens drei aufeinanderfolgenden Quartalen vor dem Abrechnungsquartal sei. Nach den Daten des Jahres 2009 sei der Chroniker-Zuschlag in 47,71 % aller hausärztlichen Fälle abgerechnet worden, wohingegen nach Berechnungen des Instituts sich nur 84,18 % der Patienten in den jeweils drei zuvorliegenden Quartalen in vertragsärztlicher Behandlung befunden hätten. Dies entspreche einer korrekten Abrechnung von 40,16 % (47,71 % x 0,8418). Diese Größe liege relativ nah an der von der Beigeladenen zu 2) den Vertragsärzten auf Basis einer Kalkulation des Bewertungsausschusses bekannt gemachten Größe von 38 %. Der Beigeladene zu 1) hat hierzu die entsprechende Information der Beigeladenen zu 2) zu den Gerichtsakten gereicht.

Die Beigeladene zu 2) hat sich der Sicht der Beklagten angeschlossen. Die Abrechnung der GOP 03212 EBM-Ä 2008 setze nach deren Leistungslegende weder eine ärztliche Behandlung in den drei Quartalen vor der Abrechnung voraus noch, dass die für die Klassifizierung als schwerwiegend chronische Erkrankung notwendige Dauerbehandlung über mindestens ein Jahr unmittelbar vor dem Abrechnungsquartal stattgefunden habe. Sinn und Zweck des Zuschlags sei es, den erhöhten Behandlungsaufwand eines chronisch kranken Patienten abzubilden. Dieser werde nicht geringer, wenn keine kontinuierliche Behandlung in den Vorquartalen stattgefunden habe oder es in einem Quartal zu einer Behandlungsunterbrechung gekommen sei.

Mit Urteil vom 26. September 2012 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2010 aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß verpflichtet, das in den Quartalen I und II/2009 bei ihr von den Vertragsärzten angeforderte Honorar unter Beachtung seiner Rechtsauffassung gezielt auf die Erfüllung der Voraussetzungen für die Abrechnung der GOP 03212 EBM-Ä 2008 hin zu prüfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe zulässigerweise gemäß § 106a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V bei den von ihr aufgegriffenen Fällen die Plausibilität der für die Behandlung ihrer Versicherten abgerechneten Leistungen der GOP 03212 EBM-Ä 2008 geprüft, ausreichend konkrete Hinweise auf Abrechnungsauffälligkeiten festgestellt, die ihr nach § 106a Abs. 4 Satz 1 SGB V einen Anspruch auf die Durchführung einer anlassbezogenen, gezielten Prüfung durch die Beklagte vermittelten, und entsprechenden Anträge bei der Beklagten gestellt. Dabei sei eine Verletzung von Verfahrensfehlern weder ersichtlich noch von der Beklagten gerügt. Die Beklagte habe die Voraussetzungen für Abrechnung des streitigen Zuschlags zu weit ausgelegt, sodass es bei rechtmäßiger Anwendung der Vorschrift nicht ausgeschlossen sei, dass bei der sachlich-rechnerischen Prüfung der vertragsärztlichen Honorarabrechnungen Fehler aufgedeckt würden. In der Folge und beim Vorliegen der übrigen Voraussetzungen sei die Beklagte gemäß § 106a Abs. 1 und 2 SGB V in Verbindung mit § 34 Abs. 4 Bundesmantelvertrag Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä) berechtigt, die vertragsärztliche Abrechnung zu korrigieren (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. September 2008 - B 6 KA 51/07 R - SozR 4-2500 § 75 Nr. 10; Urteil vom 5. November 2008 - B 6 KA 1/08 R - SozR 4-2500 § 106a Nr. 4).

Eine GOP sei nach Nr. 2.1 der Allgemeinen Bestimmungen EBM-Ä 2008 nur berechnungsfähig, wenn der Leistungsinhalt vollständig erbracht worden sei. Vollständigkeit liege vor, wenn die obligaten Leistungsinhalte und die in den Präambeln, Leistungslegenden und Anmerkungen aufgeführten Dokumentationspflichten erfüllt seien. Nach der GOP 03212 EBM-Ä 2008 könnten Vertragsärzte neben den Versichertenpauschalen nach den GOPen 03110 bis 03112 EBM-Ä 2008 einmal im Behandlungsfall einen Zuschlag in Höhe von 495 Punkten für die Behandlung eines Versicherten mit einer oder mehreren schwerwiegenden chronischen Erkrankungen gemäß § 2 Abs. 2 Chroniker-Richtlinie abrechnen. Die Abrechnung setze grundsätzlich arzt- und versichertenbezogene Komponenten voraus. Das Vorliegen der arztbezogenen Komponenten, also die ärztliche Erbringung des Leistungsinhalts der GOPen 03110 bis 03112 EBM-Ä 2008 im Abrechnungsquartal sowie mindestens ein zweimaliger Arzt-Patienten-Kontakt als notwendige Voraussetzung zur Abrechnung des Zuschlags sei vorliegend nicht streitig. Die versichertenbezogene Komponente der GOP 03212 EBM-Ä liege entgegen der Ansicht der Beklagten nur vor, wenn dieselbe, der Abrechnung zugrundeliegende und behandlungsbedürftige Krankheit schwerwiegend im Sinne der Chroniker-Richtlinie sei und der Patient bereits in den vier dem Abrechnungsquartal vorangegangenen Quartalen wegen ihr ärztlich behandelt worden sei. Dies ergebe sich aus § 2 Abs. 2 Halbsatz 1 der Richtlinie, wonach eine Krankheit (schwerwiegend) chronisch sei, wenn sie wenigstens ein Jahr lang, mindestens einmal pro Quartal ärztlich behandelt worden sei (Dauerbehandlung). Nicht notwendig sei, dass derselbe abrechnende Vertragsarzt die Behandlung wegen der schweren Erkrankung in den Vorquartalen vorgenommen habe; es genüge eine ärztlich Behandlung, die z.B. auch im Krankenhaus stattgefunden haben könne. Nicht ausreichend sei indes eine nichtärztliche Therapie, wie sie für die Beurteilung der Schwere der Erkrankung nach Buchst. c) noch ausreiche.

Die zwingende zeitliche Kontinuität zwischen dem abgelaufenen Jahreszeitraum und der aktuellen Behandlung leite sich bereits aus dem Umstand ab, dass der Versicherte zum Zeitpunkt der abzurechnenden Behandlung kein schwerwiegend chronisch kranker Patient nach Sinn und Zweck des § 62 SGB V wäre, knüpfte der abzurechnende Behandlungsfall nicht an die Dauerbehandlung wegen der schwerwiegenden Erkrankung an. Es genüge daher nicht, dass der Patient irgendwann einmal wegen einer schwerwiegenden Erkrankung dauerbehandelt worden sei. Ebenso wenig genüge es, wenn diese nach medizinisch-ärztlicher Vorstellung auch ohne weitere Behandlung andauere. Denn die GOP verlange formal und ungeschmälert das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Chroniker-Richtlinie. Danach müsse der Patient wegen dieser schwerwiegenden Erkrankung in dauerhafter ärztlicher Behandlung sein, um ab dem fünften Behandlungsquartal als schwerwiegend chronisch Kranker im Sinne der Richtlinie zu gelten. Nur in diesem Fall könne - nach Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - nicht nur der Versicherte einen Anspruch auf die Vergünstigung nach § 62 SGB V geltend machen, sondern auch der behandelnde Vertragsarzt den Zuschlag abrechnen. Denn die Richtlinie sei allein im Lichte der Ermächtigungsnorm auszulegen, sodass es keinen Unterschied mache, ob sie krankenversicherungsrechtlich zur Bestimmung der Belastungsgrenze der Versicherten oder über eine Verweisungsvorschrift des EBM-Ä 2008 zur Festsetzung des vertragsärztlichen Honorars angewendet werde.

Anderes könne nur gelten, wenn zusätzliche (Verweisungs-)Regelungen ausdrücklich eine Modifizierung zuließen. Der Bewertungsausschuss habe in der GOP 03212 EBM-Ä 2008 jedoch keine Abweichung von § 2 Abs. 2 Chroniker-Richtlinie geregelt, sondern uneingeschränkt auf diese Vorschrift verwiesen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der GBA eine - notfalls pauschalierende - Definition zu bestimmen gehabt habe, die in erster Linie dem Anliegen der gesetzlichen Vorschrift habe Rechnung tragen sollen, eine finanzielle Überforderung der Versicherten durch Zuzahlungen aufgrund regelmäßiger Inanspruchnahme therapeutischer Maßnahmen zu vermeiden. Die Definition der schwerwiegenden chronischen Krankheit diene allein der Festlegung des Personenkreises der gesetzlich Krankenversicherten, der die Vergünstigung einer niedrigeren Belastungsgrenze bei dem im Laufe eines Kalenderjahres zu leistenden Zuzahlungen genieße (§ 62 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V). Hierbei werde bereits auf dieselbe Krankheit abgestellt, deren Behandlung im Laufe (mindestens) eines Kalenderjahres Zuzahlungen verursache, die eine Privilegierung rechtfertigten. Diese knüpfe wegen des Bezugs der finanziellen Begünstigung auf das (abgelaufene) Kalenderjahr sowohl an die aktuelle Behandlung als auch an eine zeitlich unmittelbar davor liegende Dauerbehandlung wegen derselben schwerwiegenden Krankheit an. Ohne Belang sei dagegen, ob der Versicherte in ferner zurückliegenden Quartalen bereits einmal schwerwiegend chronisch erkrankt gewesen sei. Eine im Laufe des Kalenderjahres eintretende schwerwiegende Krankheit könne daher erst im folgenden Kalenderjahr als chronisch beurteilt werden, wenn sie wenigstens ein Jahr lang andauere und wegen ihr ärztliche Behandlungen erforderlich seien. Dieser Systematik trage nicht zuletzt die Bescheinigung nach § 62 Abs. 1 Satz 7 und Abs. 3 SGB V (Muster 55) Rechnung, in der der Arzt die "Dauerbehandlung" im Sinne der Chroniker-Richtlinie nur bestätigen dürfe, wenn der Versicherte "mindestens ein Jahr lang vor Ausstellen der Bescheinigung jeweils wenigstens einmal im Quartal wegen derselben Krankheit ärztlich in Behandlung war."

Im Übrigen sei nicht zu beanstanden, dass der GBA in der Richtlinie eine (schwerwiegende) Krankheit erst dann als dauerhaft und chronisch definiert habe, wenn sie wenigstens ein Jahr behandelt worden sei. Mit dem Jahreszeitraum werde der gesetzlichen Bezugsgröße von einem Kalenderjahr Rechnung getragen, ohne dass dieses als terminlich fester Zeitraum die Bestimmung der Dauerhaftigkeit der Krankheit einenge. Dass es sich bei der Beurteilung der Dauerhaftigkeit der Erkrankung um dieselbe Krankheit handeln müsse, ergebe sich unmittelbar aus dem Gesetz. Ebenso wenig zu beanstanden sei, dass der Nachweis der Dauerhaftigkeit der Behandlung bereits durch die einmalige Inanspruchnahme eines Arztes in jedem der vier vorangegangenen Bezugsquartale genüge. Dass die GOP 03212 EBM-Ä 2008 mindestens zwei Arzt-Patienten-Kontakte voraussetze, sei insoweit deshalb unerheblich, weil dies die arztbezogene Komponente der Vergütungsvorschrift betreffe.

Für die Auffassung der Kammer spreche auch die Entstehungsgeschichte des § 62 SGB V. Seine redaktionelle Umgestaltung in Abs. 1 Satz 2 (vgl. Formulierung der Vorgängerregelung in der ab dem 1. Juli 1997 geltenden Fassung des Gesetzes vom 23. Juni 1997, BGBl. I, 1518: " ... beträgt sie (die Belastungsgrenze) nach Ablauf des ersten Jahres für die weitere Dauer dieser Behandlung 1 vH ...") in die Wendung " ..., die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind ...", habe die inhaltliche Aussage, dass vor und in dem zu beurteilenden Zeitraum eine Behandlung wegen der schwerwiegenden Erkrankung stattgefunden haben müsse, nicht verändert. Hierauf lasse auch die in Satz 6 des § 62 Abs. 1 SGB V getroffene Regelung schließen, wonach die "weitere Dauer der in Satz 2 genannten Behandlung" der Krankenkasse jeweils spätestens nach Ablauf eines Kalenderjahres nachzuweisen sei.

Unzutreffend sei die Ansicht der Beklagten, die in § 2 Abs. 2 Buchst. c) Chroniker-Richtlinie beschriebene kontinuierliche Behandlung ersetzte die ärztliche Dauerbehandlung nach Halbsatz 1 der Vorschrift. Die in Buchst. c) beschriebene Voraussetzung vermute lediglich anhand der notwendigen (nicht-)ärztlichen Therapie die qualitative Schwere der Erkrankung. Eine von der Dauerbehandlung (Halbsatz 1) losgelöste Betrachtung der kontinuierlichen medizinischen Versorgung (Halbsatz 2 Buchst. c) überzeuge nicht, zumal die Vorschrift in sich kausale Bezüge zwischen der die Schwere der Krankheit begründenden Umständen und der nur durch einen Arzt zu bewirkenden Dauerbehandlung der Erkrankung herstelle.

Für das gefundene Auslegungsergebnis spreche schließlich der Wortlaut der streitigen GOP. Der Bewertungsausschuss habe die Formulierung " ... für die Behandlung eines Versicherten mit einer oder mehrerer schwerwiegender chronischer Erkrankungen ..." gewählt. Nach Sinn und Zweck des Zuschlags könne die Wendung "mit" nur im Sinne von "wegen" verstanden werden. Der Zuschlag vergüte den Aufwand, der dem Vertragsarzt vom Normgeber zulässigerweise pauschalierend unterstellt werde, wenn er einen Patienten wegen der qualitativ als schwerwiegend eingestuften Erkrankungen nach § 2 Abs. 2 Halbsatz 2 Chroniker-Richtlinie behandle. Dass der Bewertungsausschuss nicht "wegen" formuliert habe, sei unschädlich und seinem redaktionellen Gestaltungsspielraum als Normgeber geschuldet. Eine andere Sichtweise dränge sich auch deshalb nicht auf, weil die Einstufung als schwerwiegend chronisch Kranker eben davon abhänge, dass die Behandlung des Patienten wegen der schwerwiegenden Krankheit mindestens einmal in den vorangegangenen vier Quartalen erforderlich geworden sei. Dies schließe aus, den Zuschlag sinnwidrig auch für die Behandlung leichter Erkrankungen abzurechnen. Das korrespondiere mit der Kontrollüberlegung, dass nach § 62 SGB V nur die schwer erkrankten Versicherten hinsichtlich der Zuzahlung begünstigt würden, nicht aber solche, bei denen z.B. ein GdB von 60 festgestellt worden sei, die aber aktuell nicht wegen der der Feststellung zugrunde liegenden Erkrankung, sondern einem leichteren Leiden in Behandlung seien. Selbst wenn die der Schwerbehinderung zugrunde liegende Erkrankung in der Vergangenheit in vier zusammenhängenden Quartalen ärztlicher Behandlung bedurft habe, gelte der Versicherte nicht als "Chroniker" und sei hinsichtlich der Zuzahlungsverpflichtung aufgrund der Therapie der leichteren Krankheit nicht privilegiert. In einem solchen Fall dürfe auch der behandelnde Vertragsarzt den Zuschlag nicht abrechnen. Nach dem Wortlaut der GOP 03212 EBM-Ä 2008 sei allerdings nicht der Fall ausgeschlossen, dass der den Zuschlag abrechnende Hausarzt den Chroniker zur Behandlung der dauerhaft schwerwiegenden Erkrankung in eine andere (fach-)ärztliche ambulante oder stationäre (Weiter-)Behandlung überweise. Denn dies sei seiner "Lotsenfunktion" geschuldet, die insbesondere bei der Betreuung akut chronisch schwerwiegend Erkrankter zum Tragen kommt.

Das Vorliegen der genannten Voraussetzungen der GOP 03212 EBM-Ä 2008 einschließlich der versichertenbezogenen Umstände habe der abrechnende Vertragsarzt auf Verlangen nachzuweisen, denn hieraus leite er seine Berechtigung ab, den Zuschlag zur Versichertenpauschale anzufordern. Entgegen der Ansicht der Beklagten könne sie dies auch überprüfen. Betreue der Arzt den Patienten kontinuierlich länger als ein Jahr und lägen die Voraussetzungen zur Schwere der chronischen Erkrankung vor, werde der Nachweis ab dem fünften Quartal ohne weiteres gelingen. Aber auch bei einem neuen Patienten müsse der Arzt für den Fall der Abrechnung des Chroniker-Zuschlags anhand der für die Anamnese aufgenommenen Daten und im Zweifel auf gezielte Nachfrage ermitteln, ob zum Beurteilungszeitpunkt (Abrechnungsquartal) eine schwerwiegende chronische Erkrankung im Sinne der Chroniker-Richtlinie vorliege. Dagegen setze die Abrechnung des Zuschlags nicht voraus, dass die Krankenkasse dem Versicherten eine Befreiungsbescheinigung nach § 62 Abs. 1 Satz 7 und Abs. 3 SGB V erteilt habe, weil deren Ausstellung von weiteren Voraussetzungen abhängen könne (z.B. therapiegerechtes Verhalten), die nicht Gegenstand der Leistungslegende der GOP 03212 EBM-Ä 2008 seien. Danach sei die Beklagte weder tatsächlich noch rechtlich gehindert, ggf. mit Hilfe der Krankenkassen die für die beantragte Prüfung notwendigen arzt- und versichertenbezogenen Feststellungen zu treffen und anschließend erforderlichenfalls das Honorar der betroffenen Vertragsärzte auch nachträglich unter Beachtung der Ausschlussfrist von vier Jahren seit Erteilung der maßgeblichen Honorarbescheide sachlich-rechnerisch zu berichtigen.

Gegen das ihr am 23. November 2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21. Dezember 2012 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und an ihrer Ansicht festgehalten. Ergänzend rügt sie, dass das SG mit seinem Ausspruch über die Prüfanträge der Klägerin hinausgegangen sei und sie generell verpflichtet habe, das gesamte von den Vertragsärzten angeforderte Honorar zu überprüfen. Soweit die Klägerin überdies vorgetragen habe, ihre Anträge bezögen sich nur auf Fälle, bei denen in den drei Quartalen vor der Abrechnung weder bei dem abrechnenden noch bei einem anderen Vertragsarzt oder in einem Krankenhaus eine ärztliche Behandlung stattgefunden und bei denen auch keine Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe 2 oder 3 bestanden habe, sei dies zu bezweifeln. Eine ohne Anerkennung einer Rechtspflicht bei fünf Vertragsärzten durchgeführte Auswertung habe nämlich ergeben, dass Patienten in einigen Fällen sogar in allen vier Quartalen bei demselben Vertragsarzt unter Angabe der chronischen Diagnose in Behandlung gewesen seien. Die Aussagen der Klägerin seien damit grundsätzlich infrage zu stellen. Im Übrigen habe die Klägerin bei ihren Anträgen auch die formalen Anforderungen des Prüfverfahrens gemäß § 12 Abs. 3 und 5 Gesamtvertrag EK in Verbindung mit dem Antragsblatt nach der Anlage zu Teil B § 1 der Vereinbarung zur Durchführung der Abrechnungsprüfung nach § 106a Abs. 5 SGB V (Prüfvereinbarung § 106a Abs. 5 SGB V) nicht eingehalten, wonach im Antrag der Antragsteller, das Abrechnungsquartal, der Leistungserbringer, die Vertragsarztnummer, der Prüfanlass, die beantragte Prüfung sowie die Beweismittel unter Benennung der Vorschriften, unter denen ein Verstoß vermutet werde, zu benennen seien und der Antrag mit Angabe des Ortes, Datum sowie Stempel und Unterschrift zu versehen sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 26. September 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen sowie

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 7. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2013, vom 11. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2013 und vom 25. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2013 zu verpflichten, ihre Anträge unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats auf die Erfüllung der Voraussetzungen für die Abrechnung der GOP 03212 EBM hin zu überprüfen und neu zu bescheiden.

Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Ausführungen das Urteil des SG, dessen Tenor dem Klageantrag entspreche. Mit ihren Prüfanträgen habe sie sich nicht auf bestimmte Ärzte oder Versicherte beschränkt. Vielmehr hätten die von ihr beigefügten Datensätze allein dazu gedient, die nach § 106a Abs. 4 Satz 1 SGB V erforderlichen hinreichenden Anhaltspunkte für eine Prüfung glaubhaft zu machen. Abgesehen davon sei die Beklagte nach § 106a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V auch unabhängig von einer Antragstellung von Amts wegen gesetzlich berechtigt und verpflichtet, die vertragsärztlichen Abrechnungen sachlich-rechnerisch zu überprüfen. Die Nichtverwendung des von der Beklagten bezeichneten Formblatts beinhalte auch keine Verletzung von Formvorschriften. Denn § 106a Abs. 5 SGB V ermächtige die Landesverbände lediglich zur Regelung des Inhalts sowie der Durchführung der Prüfung und nicht zur Vereinbarung von Verfahrensregeln. Zudem handele es sich insoweit um keine Vorschriften, die dem Schutz der Vertragsärzte oder der Beklagten dienten, sondern dem Interesse einer effektiven Verfahrensdurchführung, deren Nichtbeachtung kein Hindernis für die Verfahrensdurchführung bzw. für eine Sachentscheidung darstelle. Vor welchem Hintergrund die Beklagte die Durchführung des von ihr - der Klägerin - dargestellten Prüfalgorithmus bezweifle, sei nicht nachvollziehbar. Sie habe bei ihrer Prüfung nur solche Fälle einbezogen, in denen in den drei dem Abrechnungsquartal vorausgegangenen Quartalen jeweils nicht wenigstens eine ärztliche Behandlung erfolgt sei. Die Beschränkung auf lediglich drei Vorquartale sei erfolgt, um Grenzfälle auszublenden. Das Vorliegen der arztbezogenen Komponente, also die ärztliche Erbringung des Leistungsinhalts der GOPen 03110 bis 03112 EBM-Ä 2008 in den Abrechnungsquartalen sowie einen mindestens zweimaligen Arzt-Patienten-Kontakt bestreite sie nicht. Die versichertenbezogene Komponente sei aber entgegen der Ansicht der Beklagten nur erfüllt, wenn dieselbe, der Abrechnung zugrundeliegende und behandlungsbedürftige Krankheit schwerwiegend im Sinne der Chroniker-Richtlinie gewesen und der Patient bereits in den vier dem Abrechnungsquartal vorangegangenen Quartalen wegen ihr ärztlich behandelt worden sei. Soweit die von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegte Auswertung insgesamt acht Fälle beinhalte, in denen in den vier Vorquartalen eine Behandlung stattgefunden habe, könne sie dieses Ergebnis anhand der ihr seinerzeit übermittelten Daten nicht bestätigen.

Die Klägerin hat klageerweiternd am 6. März 2013 den Bescheid der Beklagten vom 7. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2013 vorgelegt, mit dem ihr auf das Quartal I/2012 bezogener Prüfantrag vom 11. Oktober 2012 bzw. Widerspruch vom 20. November 2012 zurückgewiesen worden ist. Erfasst hiervon sind 1.358 Ärzte mit 12.542 Behandlungsfällen und einem Punktevolumen von 6.208.290. Außerdem hat die Klägerin am 22. März 2013 den Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2013 übersandt, mit dem ihr auf das Quartal II/2012 bezogener Prüfantrag vom 14. Dezember 2012 bzw. Widerspruch vom 31. Januar 2013 zurückgewiesen worden ist. Betroffen hiervon sind 1.361 Ärzte mit 11.839 Behandlungsfällen und einem Punktevolumen von 5.860.305. Schließlich hat die Klägerin am 2. August 2013 ebenfalls ausdrücklich klageerweiternd den Bescheid der Beklagten vom 25. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2013 zur Gerichtsakte gereicht, mit dem ihr auf das Quartal III/2012 bezogener Prüfantrag vom 2. April 2013 bzw. Widerspruch vom 13. Mai 2013 zurückgewiesen worden ist. Hierin führte die Klägerin 1.336 Ärzte mit 10.843 Behandlungsfällen und 5.367.285 Punkten auf.

Die Beigeladenen sind bei ihren jeweiligen Standpunkten geblieben und haben keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.

Gründe

Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte sowie auch ansonsten zulässige Berufung war im Sinne des Ausspruchs zurückzuweisen und der (erweiterten) Klage stattzugeben.

Der Senat ist nach den §§ 10 Abs. 2 Satz 1, 31 Abs. 2, 40 Satz 2 SGG für die Entscheidung zuständig, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt. Dabei war in der sich aus den §§ 12 Abs. 3 Satz 1, 33 Abs. 1, 40 Satz 1 SGG ergebenden Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der Krankenkassen und der Vertragsärzte zu entscheiden. Denn vorliegend ist keine (innere) vertragsärztliche Honorarverteilungsstreitigkeit, sondern die Außenrechtsbeziehung der Klägerin zur Beklagten berührt (vgl. BSG, Urteil vom 28. April 2004 - B 6 KA 19/03 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 5; Urteil vom 13. Mai 1998 - B 6 KA 34/97 R - SozR 3-555 § 10 Nr. 1).

Eine (Massen-)Beiladung von Vertragsärzten gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und Abs. 2a SGG war nicht vorzunehmen, weil diese vom vorliegenden Verfahren (noch) nicht unmittelbar betroffen sind (vgl. BSG, Urteil vom 28. April 2004, a.a.O.).

Gegenstand des Verfahrens sind nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG auch die Bescheide der Beklagten vom 7. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2013, vom 11. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2013 und vom 25. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2013. Denn der hierauf erweiterte Antrag der Klägerin lässt den bisherigen Klagegrund unberührt. Unabhängig hiervon hat die Beklagte sich rügelos eingelassen und liegt jedenfalls auch Sachdienlichkeit im Sinne von § 99 Abs. 1 SGG vor, da insoweit ebenso die Prozessvoraussetzungen nach den §§ 78 Abs. 1 und Abs. 3, 83 bis 85 sowie 87 SGG erfüllt sind und die zwischen den Beteiligten auch in den Quartalen I, II und III/2012 unverändert streitig gebliebene Rechtsfrage der Auslegung der GOP 03212 EBM-Ä 2008 so endgültig in einem Verfahren geklärt werden kann.

Auch ansonsten ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig. Insbesondere ist die Klägerin klagebefugt, denn bei den von ihr angefochtenen Bescheiden handelt es sich um sie belastende Verwaltungsakte im Sinne von § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Zwar hat die Beklagte sachlich-rechnerische Richtigstellungen der Abrechnungen ihrer Mitglieder gemäß § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V von Amts wegen zu prüfen. Dies schließt jedoch nicht aus, dass auch die Klägerin entsprechende Prüfungen beantragt. Vielmehr wird ihr ein Recht auf anlassbezogene Prüfung vertragsärztlicher Abrechnungen durch § 106a Abs. 4 Satz 1 SGB V gerade eingeräumt. Führt die KÄV von Amts wegen eine Honorarberichtigung gegenüber ihrem Mitglied durch oder hält einen Berichtigungsantrag der Krankenkasse für gerechtfertigt, erlässt sie im Ergebnis einen Honorarberichtigungsbescheid und bedient sich damit der Form eines Verwaltungsaktes. Dieselbe Handlungsform steht ihr zur Verfügung, wenn sie den Berichtigungsantrag einer Krankenkasse ganz oder teilweise ablehnt, weil sie die dem Antrag zugrunde liegende Ansicht zur Anwendung des EBM-Ä nicht teilt. Dass die KÄV trotz des prinzipiellen Gleichordnungsverhältnisses zu den Krankenkassen bei der Durchführung sachlich-rechnerischer Abrechnungsberichtigungen einer antragstellenden Krankenkasse gegenüber durch Verwaltungsakt entscheidet, ist in der Rechtsprechung geklärt (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 6 KA 30/10 R - SozR 4-5555 § 21 Nr. 2).

Der Klägerin fehlt auch nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Zwar gilt für sachlich-rechnerische Richtigstellungen gegenüber Vertragsärzten eine vierjährige Ausschlussfrist, innerhalb derer die Richtigstellungsbescheide dem Vertragsarzt gegenüber bekannt gegeben sein müssen. Nach ihrem Ablauf ist eine Richtigstellung nur noch nach § 45 Abs. 2 Satz 3, Abs. 4 Satz 1 SGB X möglich. Ob hier im Ergebnis einer Prüfung gegenüber Vertragsärzten ggf. auch noch nach Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist rechtmäßige Honorarberichtigungsbescheide ergehen können, kann offen bleiben. Denn im Hinblick auf etwaige Haftungsansprüche aus § 106a Abs. 7 i.V.m. § 106 Abs. 4b SGB V hat die Klägerin für den Fall der Ablehnung einer Abrechnungskorrektur jedenfalls auch dann ein Rechtsschutzinteresse, wenn die Beklagte von einer Honorarrückforderung gegenüber betroffenen Vertragsärzten absehen sollte, weil nach ihrer Prüfung eine Durchsetzung des Anspruchs nicht möglich ist.

Die Klage ist im Sinne des Ausspruchs auch begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 12. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2010, vom 7. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2013, vom 11. Januar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2013 und vom 25. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2013 sind rechtswidrig und beschweren die Klägerin damit im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Sie hat Anspruch auf Durchführung der von ihr begehrten Überprüfung und damit in entsprechender Anwendung von § 131 Abs. 3 SGG auf Neubescheidung.

Dieser Anspruch ergibt sich aus § 106a Abs. 4 Satz 1 SGB V, wonach die Krankenkassen oder ihre Verbände, sofern dazu Veranlassung besteht, gezielte Prüfungen durch die KÄV nach § 106a Abs. 2 SGB V beantragen können. Gemäß § 106a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V, der durch Art. 1 Nr. 83 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003 (BGBl. I, 2190, 2217) mit Wirkung zum 1. Januar 2004 eingefügt worden ist, in Verbindung mit § 34 Abs. 4 Satz 2 EKV-Ä ist die Beklagte auch unabhängig von einer Antragstellung von Amts wegen berechtigt und verpflichtet, die vertragsärztlichen Abrechnungen sachlich-rechnerisch zu überprüfen und nötigenfalls richtig zu stellen (vgl. BSG, Urteil vom 10. Dezember 2008 - B 6 KA 37/07 R - SozR 4-2500 § 295 Nr. 2).

In den auf der Grundlage von § 106a Abs. 6 SGB V von den Beigeladenen mit Wirkung zum 1. Juli 2008 beschlossenen Richtlinien ist in § 19 bestimmt, dass das Verfahren der gegenseitigen Beantragungen gezielter Prüfungen nach § 106a Abs. 4 SGB V die Vertragspartner der Vereinbarungen nach § 106a Abs. 5 SGB V regeln. Nach § 34 Abs. 4 EKV-Ä in Verbindung mit § 12 Abs. 3 Satz 1 des Gesamtvertrages der Beklagten mit den Landesverbänden der Ersatzkassen kann die Ersatzkasse innerhalb von fünf Monaten nach Eingang der Abrechnungsunterlagen bei ihr bei der Beklagten Anträge auf sachlich-rechnerische Berichtigung stellen. Ergänzend hierzu bestimmt Teil B § 1 Satz 1 Prüfvereinbarung § 106a Abs. 5 SGB V eine Antragsfrist von sechs Monaten nach Zugang der vollständigen und korrekten Daten gemäß § 295 SGB V und sieht in der Anlage einen Antrag vor, nach dem der Antragsteller, das Abrechnungsquartal, der Leistungserbringer, die Vertragsarztnummer, der Prüfanlass, die beantragte Prüfung sowie die Beweismittel unter Benennung der Vorschriften, unter denen ein Verstoß vermutet werde, zu benennen sind und der Antrag mit Angabe von Ort und Datum sowie Stempel/Unterschrift zu versehen ist.

Diesen Anforderungen genügen die Anträge der Klägerin.

Dass die Anträge der Klägerin bei ihr nicht fristgerecht eingegangen seien, hat die Beklagte selbst nicht behauptet; entsprechendes drängt sich auch sonst nicht auf. Die Klägerin hat in ihren Anträgen auch die Art der Prüfung, den beanstandeten Zuschlag sowie die zu prüfende Fragestellung benannt, diese auch begründet und umfangreiche Unterlagen beigefügt. Dabei hat sie mit den von ihr aufgegriffenen Fällen auch konkrete Anhaltspunkte für eine anlassbezogene Durchführung der beantragten Überprüfung benannt. Hierin lässt sich schon deshalb keine Beschränkung auf die bezeichneten Vertragsärzte bzw. Versicherten der Klägerin sehen, weil die vorgelegten Daten als Beweismittel zur Stützung hinreichender Anhaltspunkte im Sinne von § 106a Abs. 4 Satz 1 SGB V ("sofern dazu Veranlassung besteht") erforderlich waren. Dass die Beklagte im Rahmen ihrer im Berufungsverfahren angestellten Stichprobenuntersuchung abweichend von der Klägerin in den vier vor dem Abrechnungsquartal liegenden Quartalen erfolgte Behandlungen festgestellt hat, entzieht den Anträgen der Klägerin nicht etwa die Grundlage. Denn die Beklagte könnte bei der von ihr begehrten Prüfung durchaus zum Ergebnis gelangen, dass nicht in allen Fällen des von Vertragsärzten nach der GOP 03212 EBM-Ä bei ihr für Versicherte der Klägerin angeforderten Honorars eine Korrektur zu erfolgen und dies auch nicht in den von den Prüfanträgen bezeichneten Versicherten- und Vertragsarztfällen zu geschehen hat. Das festzustellen ist gerade Sinn der Überprüfung, da allein die Prüfanträge der Klägerin keine ausreichende Grundlage etwaiger Honorarberichtigungen sind.

Den Anträgen der Klägerin steht auch nicht entgegen, dass sie nicht exakt das in der Anlage zur Prüfvereinbarung § 106a Abs. 5 bezeichneten Formblatts verwendet hat, zumal eine entsprechende Verpflichtung Teil B § 1 Satz 1 der Prüfvereinbarung § 106a Abs. 5 SGB V ohnehin nicht zu entnehmen ist. Denn § 106a Abs. 5 Satz 1 SGB V ermächtigt die Landesverbände lediglich zur Regelung des Inhalts sowie der Durchführung der Prüfung und nicht zur Vereinbarung von Verfahrensregeln (Engelhardt in: Hauck/Noftz, Stand März 2014, § 106a SGB V, Rn. 143), worauf die Klägerin zutreffend hingewiesen hat. Überdies dienen entsprechende Vorschriften nicht dem Schutz der Vertragsärzte oder der Beklagten, sondern dem Interesse einer effektiven Verfahrensdurchführung, deren Nichtbeachtung kein Verfahrens- oder Sachentscheidungshindernis darstellt (vgl. zur inhaltsgleichen Regelung des § 106 Abs. 3 Satz 1 SGB V, BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 - B 6 KA 16/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 31; Urteil vom 3. Februar 2010 - B 6 KA 37/08 R - SozR 4-2500 § 106 Nr. 26).

Schließlich steht dem Antragsrecht der Klägerin nicht entgegen, dass die betroffenen vertragsärztlichen Leistungen Teil der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung sind. Einschränkungen in dieser Hinsicht finden sich weder in § 106a Abs. 4 SGB V noch in der Prüfvereinbarung § 106a Abs. 5 SGB V.

In der Sache hat die Beklagte die von der Klägerin begehrte Überprüfung zu Unrecht abgelehnt. Ihre Ansicht zur Zulässigkeit einer Abrechnung der GOP 03212 EBM-Ä 2008 ohne einen Arzt-Patienten-Kontakt in den der Abrechnung vorangehenden vier Quartalen überzeugt nicht.

Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit vertragsärztlicher Abrechnungen zielt auf die Feststellung, ob die erbrachten Leistungen rechtmäßig abgerechnet worden sind, also mit den Vorgaben des EBM-Ä, den Honorarverteilungsvorschriften sowie weiteren Abrechnungsbestimmungen übereinstimmen. Bei Abrechnungsfehlern berichtigt die KÄV die Honorarabrechnung, was auch nachträglich erfolgen kann (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 6 KA 30/10 R, a.a.O.; Urteil vom 5. November 2008 - B 6 KA 1/08 R, a.a.O.).

Die Leistungslegende der GOP 03212 EBM-Ä 2008 in der bis 30. September 2013 geltenden Fassung lautet:

"03212 Zuschlag zu den Versichertenpauschalen nach den Nrn. 03110 bis 03112 für die Behandlung eines Versicherten mit einer oder mehreren schwerwiegenden chronischen Erkrankung(en) gemäß § 2 Abs. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Definition schwerwiegender chronischer Krankheiten im Sinne des § 62 SGB V, Obligater Leistungsinhalt - Mindestens 2 Arzt-Patienten-Kontakte, einmal im Behandlungsfall (kurativ-ambulant) 495 Punkte

Die Gebührenordnungsposition 03212 kann bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern bis zum vollendeten 2. Lebensjahr auch ohne die Voraussetzung einer wenigstens 1 Jahr langen Dauerbehandlung gemäß § 2 Abs. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Definition schwerwiegender chronischer Erkrankungen im Sinne des § 62 SGB V berechnet werden. Die Gebührenordnungsposition 03212 ist vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2009 in diabetologischen Schwerpunktpraxen auch neben den Gebührenordnungspositionen 03120 bis 03122 berechnungsfähig."

Der von der Leistungslegende in Bezug genommene § 2 Abs. 2 Chroniker-Richtlinie hat folgenden Wortlaut:

"Eine Krankheit ist schwerwiegend chronisch, wenn sie wenigstens ein Jahr lang, mindestens einmal pro Quartal ärztlich behandelt wurde (Dauerbehandlung) und eines der folgenden Merkmale vorhanden ist:

a) Es liegt eine Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe 2 oder 3 nach dem zweiten Kapitel SGB XI vor.

b) Es liegt ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 60 oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 60% vor, wobei der GdB oder die MdE nach den Maßstäben des § 30 Abs. 1 BVG oder des § 56 Abs. 2 SGB VII festgestellt und zumindest auch durch die Krankheit nach Satz 1 begründet sein muss.

c) Es ist eine kontinuierliche medizinische Versorgung (ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung, Arzneimitteltherapie, Behandlungspflege, Versorgung mit Heil-und Hilfsmitteln) erforderlich, ohne die nach ärztlicher Einschätzung eine lebensbedrohliche Verschlimmerung, eine Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die aufgrund der Krankheit nach Satz 1 verursachte Gesundheitsstörung zu erwarten ist."

Für die Anwendung und Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist in erster Linie deren Wortlaut maßgeblich. Dies beruht darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers (Bewertungsausschuss gemäß § 87 Abs. 1 SGB V) ist, Unklarheiten zu beseitigen. Daneben folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM-Ä als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw. Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Soweit indessen der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es seiner Klarstellung dient, ist Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht. Sie kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden (BSG, Urteil vom 18. August 2010 - B 6 KA 23/09 R - SozR 4-5531 Nr. 7120; Urteil vom 5. November 2008 - B 6 KA 1/08 R, a.a.O.; Urteil vom 28. April 2004 - B 6 KA 19/03 R, a.a.O.).

Die Anwendung dieser Maßstäbe führt dazu, dass die Abrechnung der GOP 03212 EBM-Ä 2008 jeweils Arzt-Patienten-Kontakte in den vier vor dem Abrechnungsquartal gelegenen Quartalen voraussetzt, wobei die Behandlung auch von verschiedenen Vertragsärzten ambulant durchgeführt worden oder aber stationär erfolgt sein kann. Angesichts des klaren Wortlauts der Leistungslegende der GOP 03212 EBM-Ä 2008 sah sich der Senat auch nicht gedrängt, vom Bewertungsausschuss weitere Unterlagen zur Entstehungsgeschichte der Regelung beizuziehen bzw. diesen beizuladen. Zur Begründung bezieht er sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit auf die Darlegungen des SG und weist lediglich ergänzend auf Folgendes hin:

Hinsichtlich des Begriffs der schwerwiegenden chronischen Erkrankung(en) verweist der Wortlaut der GOP 03212 EBM-Ä 2008 auf § 2 Abs. 2 Chroniker-Richtlinie und durch die Formulierung "im Sinne des § 62 SGB V" zugleich auf diese Norm selbst. Mithin ist für eine rechtmäßige Abrechnung des Zuschlags neben der Erfüllung der Voraussetzungen von § 2 Abs. 2 Chroniker-Richtlinie ebenso das Vorliegen der - insoweit relevanten - Tatbestandsmerkmale des § 62 SGB V erforderlich. In § 62 Abs. 1 Satz 2 SGB V heißt es: "Die Belastungsgrenze beträgt zwei vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt; für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, beträgt sie 1 vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt." Durch die Verwendung des Präsens ("in Dauerbehandlung sind") folgt das Erfordernis einer aktuell bestehenden Dauerbehandlung für die Ermäßigung der Belastungsgrenze bei schwerwiegend chronischer Erkrankung also unmittelbar aus dem Gesetz. Bei Versicherten, die nur irgendwann einmal in der Vergangenheit während einer einjährigen Episode aufgrund einer chronischen Erkrankung in Behandlung waren und nicht mindestens in den vier Quartalen vor dem Abrechnungsquartal behandelt worden sind, liegt keine Dauerbehandlung in diesem Sinne vor, sondern kann allenfalls (wieder) beginnen.

Bestätigt wird das aufgezeigte Verständnis mit Blick auf die Modifizierung der Abrechnungsvoraussetzungen bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr. Bei ihnen kann der Zuschlag nach der Leistungslegende der GOP 03212 EBM-Ä 2008 auch ohne die Voraussetzung einer wenigstens einjährigen Dauerbehandlung gemäß § 2 Abs. 2 Chroniker-Richtlinie abgerechnet werden. Für diesen Personenkreis, bei dem eine dem Abrechnungsquartal vorausgehende Dauerbehandlung von vier Quartalen altersbedingt überwiegend nicht möglich ist, hätte es keiner Ausnahme bedurft, wenn die Dauerbehandlung vor dem Abrechnungsquartal kein obligater Leistungsbestandteil wäre.

Nicht zuletzt stützt auch die seit dem Quartal IV/2013 gültige Folgeregelung des EBM-Ä (GOP 03220 und 03221), nach deren Präambel eine zuschlagbegründende kontinuierliche ärztliche Behandlung ausdrücklich nur vorliegt, wenn im Zeitraum der letzten vier Quartale wegen derselben gesicherten chronischen Erkrankung jeweils mindestens ein Arzt-Patienten-Kontakt pro Quartal in mindestens drei Quartalen (in derselben Praxis) stattgefunden hat, das gewonnene Auslegungsergebnis.

Nach alledem wird die Beklagte das in den Quartalen I und II/2009 sowie I, II und III/2012 von den Vertragsärzten bei ihr für Versicherte der Klägerin für die GOP 03212 EBM-Ä 2008 abgerechnete Honorar daraufhin zu überprüfen haben, ob in den jeweils vier vor diesen Abrechnungszeiträumen gelegenen Quartalen vertragsärztliche bzw. stationäre Behandlungen erfolgt sind und die Anträge der Klägerin entsprechend dem Prüfungsergebnis neu zu bescheiden haben. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Prüfung, insbesondere wenn Patienten in Vorquartalen den behandelnden Vertragsarzt gewechselt haben, auf (technische) Schwierigkeiten stoßen kann. Das ändert aber weder etwas an der grundsätzlichen Prüfverpflichtung der Beklagten noch ist insoweit ersichtlich, dass etwaige im Hinblick auf Versicherte der Klägerin auftretende Probleme nicht mittels eines - gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit den Vertragsärzten sowie der Klägerin zu erstellenden - geeigneten Prüfalgorithmus behebbar sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und folgt hinsichtlich der Beigeladenen aus den §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die vorgenommene Klarstellung des erstinstanzlichen Ausspruchs beinhaltet kein sachliches Obsiegen der Beklagten und rechtfertigt damit keine Kostenteilung. Es unterliegt nach dem Tatbestand sowie den Entscheidungsgründen des sozialgerichtlichen Urteils keinen Zweifeln, dass es (nur) um Versicherte der Klägerin geht.

Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, weil die Rechtssache angesichts der von der Klägerin aufgezeigten - über den Bereich der Beklagten hinausgehenden - Vielzahl der betroffenen Fälle grundsätzliche Bedeutung hat.

Die Entscheidung zum Gegenstandswert ergibt sich mangels genügender Anhaltspunkte für eine anderweitige Festsetzung aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. den §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 40 und 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz.