ArbG Dortmund, Urteil vom 22.02.2011 - 5 Ca 3925/10
Fundstelle
openJur 2015, 21758
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Der Streitwert wird auf 270.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob und in welcher Höhe eine Sozialplanabfindung an den Kläger zu zahlen ist.

Die Beklagte beschäftigt in ihrem Unternehmen etwa 100 Arbeitnehmer in den Betrieben C, T, V, T1, F, I, V1 und E. Der 1947 geborene Kläger ist seit dem 16.05.1969 bei der Beklagten - zuletzt als Systemingenieur - in der Niederlassung E1 als Außenstelle des Betriebes E beschäftigt.

In 2010 traf die Beklagte zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit die unternehmerische Entscheidung, zukünftig nur noch drei Standorte zu betreiben und sämtliche Arbeitsplätze nach C, T und V zu verlagern (Projekt "U"). Der Betrieb E mit der Außenstelle E1 wurde im Zuge dieses Projekts mittlerweise geschlossen, und der Arbeitsplatz des Klägers wurde aufgrund der unternehmerischen Entscheidung vom 17.06.2010 zum 12.08.2010 nach G/T verlagert.

In allen Betrieben der Beklagten existiert ein Betriebsrat und es besteht ein Gesamtbetriebsrat. Zwischen der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat wurde anlässlich des geplanten "U-Projekts" unter dem 16.06.2010 ein Sozialplan abgeschlossen, der u.a. folgende Regelungen enthält:

"1. Geltungsbereich

1.1 Dieser Sozialplan gilt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Beschäftigte) der ESNG-Betriebe T1, F, I, E und V1, die in Folge der betriebsändernden Maßnahmen im Zuge des Projekts U von einer Verlagerung ihres Arbeitsplatzes an einen anderen Arbeitsort betroffen sind und das Versetzungsschreiben erhalten haben.

...

2. Leistungen aufgrund der Arbeitsplatzverlagerungen

Für Beschäftigte, die in Folge der Betriebsänderung

- an einem anderen Arbeitsort weiterbeschäftigt werden

- die infolge der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung an einem anderen Arbeitsort ausscheiden

werden folgende Leistungen vereinbart, wobei es sich bei allen in dieser Vereinbarung in EURO ausgewiesenen Beträgen um Bruttobeträge handelt:

...

2.1...

2.2...

2.3 Neuer Arbeitsort

Beschäftigte, die einen Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb annehmen, erhalten folgende Leistungen:

...

2.4 Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis

Es werden keine Abfindungen gezahlt, wenn ein Beschäftigter in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis weiterbeschäftigt werden kann und die Weiterbeschäftigung ablehnt. Die Zumutbarkeit bestimmt sich gemäß der Anlage 1 dieses Sozialplans und in Anlehnung an § 112 Abs. 5 Ziff.2 BetrVG.

Sollte die Weiterbeschäftigung an dem neuen Arbeitsort nicht zumutbar sein und der Beschäftigte sich für ein Ausscheiden aus der ESNG entscheiden, erhält er eine einmalige Abfindung gemäß den nachfolgenden Regelungen.

Beschäftigte, die zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 58.Lebensjahr vollendet haben, fallen ausschließlich unter die Regelung der Ziffer 2.5.

1. Berechnung der Abfindung

...

2.5 Regelungen für Beschäftigte, die bei Ausscheiden das 58.Lebensjahr vollendet haben:

2.5.1 Diese Regelungen gelten für alle Beschäftigten, die zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses das Mindestalter von 58 Jahren erreicht haben, bis zum frühestmöglichen Eintritt in die gesetzliche Rente.

2.5.2 Das Unternehmen gewährt dem ausscheidenden Beschäftigten 85% des um die gesetzlichen Abzüge, die gewöhnlich anfallen, verminderten Bruttomonatsentgelts (pauschaliertes Nettoentgelt gem. gesetzlicher Mindestnettoentgelttabelle) unter Anrechnung des Arbeitslosengeldes auf die Dauer seines vorzeitigen Ausscheidens in einer Brutto-Abfindungssumme. Bei der steuerlichen Betrachtung dieser Brutto-Abfindungssumme sind zwei Gesichtspunkte ausschlaggebend zu berücksichtigen:

(1) Jegliche Einkünfte aus anderen Quellen als dem Arbeitsverhältnis bleiben unberücksichtigt.

(2) Die Auszahlung soll so vorgenommen werden, dass sich die Fünftelungsregelung vorteilhaft auswirkt, wie zum Beispiel bei einem Ausscheiden zum 31.12. eines Kalenderjahres.

...

2.5.2.4 Die Summe, die sich nach Abzug des voraussichtlichen Arbeitslosengeldes errechnet, erhöht sich um einen pauschalen Zuschlag in Höhe von 15%. Hieraus ergibt sich die dann auszuzahlende Bruttoabfindungssumme.

2.5.3 Für die Milderung oder den Ausgleich etwaiger Nachteile, die im Einzelfall durch das vorzeitige Ausscheiden eintreten können, sind weitere Verhandlungen zwischen dem Beschäftigten und der Personalabteilung möglich. Es ist den betroffenen Beschäftigten unbenommen, zu diesen Verhandlungen ein Betriebsratsmitglied hinzuzuziehen.

...

7. Salvatorische Klausel

Sollten einzelne Bestimmungen dieses Sozialplans unwirksam sein oder werden oder im Widerspruch zu tariflichen oder gesetzlichen Regelungen stehen, so bleiben die übrigen Regelungen bestehen. Die unwirksame oder in Widerspruch stehende Regelung ist durch eine Regelung zu ersetzen, die dem von den Parteien mit der ersetzten Regelung Gewollten möglichst nahe kommt. Gleiches gilt für eine eventuelle Regelungslücke.

..."

Die Anlage 1 zum Sozialplan vom 16.06.2010 (Bl. 40 d.A.) enthält u.a. folgende Regelung:

"Nicht zumutbar ist ein Arbeitsplatzwechsel, wenn

a) der Beschäftigte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplans das 58. Lebensjahr vollendet hat,

b) ...

..."

Wegen des weiteren Inhalts des Sozialplanes wird auf Bl. 32 ff. d.A. verwiesen.

Mit Schreiben vom 30.08.2010 (Bl. 4 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.03.2011. Mit Schreiben vom 07.10.2010 (Bl. 31 d.A.) sprach die Beklagte dem Kläger gegenüber eine Änderungskündigung aus zum 31.05.2011, verbunden mit dem Angebot, den Kläger zu ansonsten unveränderten Bedingungen zukünftig in G/T einzusetzen. Dieses Angebot lehnte der Kläger ab.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Regelung in Ziffer 2.5 des Sozialplanes unwirksam sei, da sie die Interessen älterer Arbeitnehmer unverhältnismäßig stark vernachlässige. Zwar ermögliche § 10 S. 3 Nr. 6 AGG eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung in einem Sozialplan. Diese Regelung diene aber nur der Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 S. 1 der Richtlinie 2000/78/EG und gebe den Parteien einen Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum, dessen Ausübung gerichtlich überprüfbar sei. Vorliegend sei die Regelung in Ziffer 2.5 des Sozialplanes unverhältnismäßig, da trotz Bereitstellung eines erheblichen Sozialplanvolumens die Interessen der über 58-jährigen Arbeitnehmer fast nicht und die Interessen derjenigen Arbeitnehmer, die die Möglichkeit eines vorzeitigen Rentenbezugs hätten, überhaupt nicht berücksichtigt würden.

Die Betriebsparteien hätten unberücksichtigt gelassen, dass bei einem Ausscheiden zum frühestmöglichen Rentenbeginn die Altersrente drastisch gemindert werde. Dadurch seien die wirtschaftlichen Nachteile für diese Arbeitnehmer nicht weniger gravierend als für junge Arbeitnehmer, die noch die Möglichkeit hätten, eine Anschlussbeschäftigung zu finden. Ferner würden Arbeitnehmer in die vorzeitige Rente gedrängt, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, nach einer kurzen zu überbrückenden Phase nochmals eine Anschlussbeschäftigung zu finden und bis zum regulären Rentenbeginn weiter erwerbstätig zu sein. Es verstoße zudem gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und sei unverhältnismäßig, dass ein 57-jähriger Arbeitnehmer eine erhebliche Sozialplanabfindung erhalte, während ein nur geringfügig älterer Arbeitnehmer unter die Regelung in Ziffer 2.5 falle und deshalb eine wesentlich geringere oder - wie der Kläger - keine Abfindung bekomme. Dies widerspreche der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 12.10.2010, Az. C 499/08), nach der eine Regelung unwirksam sei, die die Arbeitnehmer von einer Abfindungsregelung ausschließe, die die Möglichkeit eines vorzeitigen Rentenbezugs hätten.

Da die Regelung unter Ziffer 2.5 unwirksam sei, stehe dem Kläger eine Abfindung nach Ziffer 2.4 des Sozialplans zu.

Mit seiner am 02.09.2010 bei Gericht eingegangenen Klage begehrte der Kläger zunächst die Feststellung der Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen sowie hilfsweise die Zahlung einer Abfindung i.H.v. 269.263,98 € bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2011 bzw. i.H.v. 271.376,23 € bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.05.2011. Durch Teilvergleich vom 25.01.2011 einigten sich die Parteien auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.04.2011.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, zum 30.04.2011 an den Kläger 270.319,10 € brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Sozialplanregelung wirksam sei und dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nicht zustehe. Sie trägt dazu vor: Der Sozialplan sei sowohl mit dem AGG, als auch mit höherrangigem Europarecht vereinbar. Insbesondere stehe der Wirksamkeit der Regelung nicht entgegen, dass Beschäftigte nach Vollendung des 58. Lebensjahres Leistungen nur bis zum frühestmöglichen Rentenbeginn erhielten. Sozialpläne hätten eine zukunftsgerichtete Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die vorgesehenen Leistungen stellten kein zusätzliches Entgelt für in der Vergangenheit erbrachte Dienste dar, sondern sollten zukünftige Nachteile ausgleichen, die den Arbeitnehmern durch die geplante Betriebsänderung entstehen können. Den Betriebsparteien stünde ein Gestaltungsspielraum hinsichtlich des Ausgleichs oder der Abmilderung der danach prognostizierten Nachteile und damit des Abfindungsbetrages zu. Es sei unbedenklich, wenn die Betriebsparteien im Rahmen dieses Gestaltungsspielraums ggf. eintretende Rentenkürzungen hinnähmen zugunsten der bestmöglichen Absicherung jüngerer Arbeitnehmer und deshalb für die über 58- jährigen Arbeitnehmer nur einen Aufstockungsbetrag bis zum frühestmöglichen Rentenbeginn festlegten.

Ein Verstoß gegen das AGG und europarechtliche Vorgaben scheide ferner aus, da § 10 S. 3 Nr. 6 AGG eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulasse, wenn sie objektiv angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sei. Ausschlaggebend sei, ob die Betriebsparteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die vom Alter abhängigen Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden seien. Zulässig sei danach, Mitarbeiter von den Leistungen des Sozialplanes auszuschließen, die wirtschaftlich abgesichert seien, da sie - ggf. nach dem Bezug von Arbeitslosengeld - rentenberechtigt seien. Das gelte erst recht, wenn Arbeitnehmer -wie der Kläger- unmittelbar rentenberechtigt seien.

Zudem sei vorliegend zu berücksichtigen, dass dem Kläger - wie auch allen anderen Arbeitnehmern - angeboten worden sei, weiterhin für die Beklagte tätig zu werden; diese Möglichkeit habe der Kläger jedoch abgelehnt. Damit sei der vorliegend zu beurteilende Sozialplan nicht vergleichbar mit den Fällen, die der von der Klägerseite angeführten EUGH-Rechtsprechung zugrunde lagen. Vorliegend seien die Arbeitnehmer nicht aus dem Berufsleben hinausgedrängt worden, sondern hätten die Möglichkeit gehabt, an einem anderen Standort zu ansonsten unveränderten Bedingungen weiterzuarbeiten.

Im Übrigen könne die Unwirksamkeit der Regelung unter Ziffer 2.5 des Sozialplans allenfalls dazu führen, dass der gesamte Sozialplan nichtig sei, so dass auch keine Zahlungsansprüche aus dem Sozialplan hergeleitet werden könnten. Entgegen der Auffassung des Klägers könne eine Teilnichtigkeit des Sozialplanes nicht dazu führen, dass die freiwillig vereinbarte Sozialplanquote ohne jede altersmäßige Begrenzung zur Anwendung komme, denn das würde zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass der Kläger eine Abfindung erhalte, die erheblich über dem Betrag liege, den er an Einkommen in seiner bis zum Renteneintritt noch verbleibenden Tätigkeitszeit hätte erzielen können.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf die begehrte Sozialplanabfindung nicht zu. Ein Anspruch auf die begehrte Zahlung ergibt sich weder aus dem Sozialplan, noch aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz oder dem Verbot der Altersdiskriminierung.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der begehrten Sozialplanabfindung aus Ziffer 2.4 des Sozialplanes vom 16.06.2010. Diese Vorschrift findet unmittelbar auf den Kläger keine Anwendung.

Unstreitig erfüllt der Kläger die Wortlautvoraussetzungen der Ziffer 2.4 des Sozialplanes nicht. Zum Zeitpunkt des Ausscheidens ist der Kläger älter als 58 Jahre alt. Mithin entfällt ein unmittelbarer Anspruch des Klägers nach der unter Ziffer 2.4 festgelegten Berechnungsformel.

II.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus analoger Anwendung der Ziffer 2.4 des Sozialplanes. Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob - wie der Kläger meint - die Ziffer 2.4 für den Fall analog zur Anwendung kommen würde, dass Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters unter Ziffer 2.5 des Sozialplanes fallen, sich diese Regelung aber wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz oder gegen das Verbot der Altersdiskriminierung gemäß § 7 Abs. 2 AGG i.V.m. § 3 Abs. 1 AGG als rechtsunwirksam erweist. Denn entgegen er Auffassung des Klägers ist die Regelung unter Ziffer 2.5 des Sozialplanes vom 16.06.2010 nicht rechtsunwirksam.

Sozialpläne unterliegen, wie andere Betriebsvereinbarungen, der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Sie sind daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht vereinbar sind (BAG 11. November 2008 - 1 AZR 475/07 - Rn. 18). Hierbei sind insbesondere der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz und die im AGG sowie in § 75 Abs. 1 BetrVG normierten Diskriminierungsverbote zu beachten. Dabei ist es nicht Aufgabe der Gerichte, bessere Lösungen als die Betriebsparteien zu finden, sondern nur, rechtswidrige Gestaltungen zu unterbinden. Dieser Rechtskontrolle hält die Regelung in Ziffer 2.5 des Sozialplans stand. Sie verstößt weder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, noch gegen ein Diskriminierungsverbot.

1. Die vorliegende Gruppenbildung ist mit dem in § 75 BetrVG in der Fassung vom 18.08.2006 enthaltenen betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar. Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts haben die Betriebsparteien bei der Ausgestaltung von Sozialplänen erhebliche Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume. Diese schließen Typisierungen und Pauschalierungen ein (11. November 2008 - 1 AZR 475/07 - Rn. 20 ff. mwN, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 196 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 30). Maßgeblicher Sachgrund für eine Gruppenbildung ist regelmäßig vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (vgl. BAG, Urteil vom 11. November 2008 - 1 AZR 475/07 -Rn. 24). Daher müssen sich Gruppenbildungen in Sozialplänen an deren Funktion orientieren.

Dieser besteht in der zukunftsbezogenen Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Sozialpläne haben nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen stellen kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar, sondern sollen die künftigen Nachteile ausgleichen, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehen können (BAG, Urteile vom 11. November 2008 - 1 AZR 475/07 - Rn. 19 mwN, juris; vom 20.01.2009 - 1 AZR 740/07 - Rn. 13, juris). Dieser Normzweck macht es den Betriebspartnern zum Ziel, den betroffenen Arbeitnehmern mit einem begrenzten Sozialplanvolumen eine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe zu gewähren. Bei Verwirklichung dieser gesetzlichen Zielvorgabe sind die Betriebspartner nicht gehalten, alle denkbaren Nachteile zu entschädigen. Angesichts der Begrenztheit der zur Verfügung stehenden Mittel werden sie dies oft auch nicht können. Deshalb ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Betriebspartner diejenigen Arbeitnehmer von Leistungen des Sozialplans ausnehmen dürfen, die zum Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses die Voraussetzungen für ein vorgezogenes Altersruhegeld erfüllen (BAG, Urteile vom 26.05.2009, 1 AZR 212/08, Rn. 26; BAG, vom 11.11.2008 - 1 AZR 475/07 - Rn. 28 mwN; vom 26.07.1988 - 1 AZR 156/87- NZA 1989, 25 ff; LAG E, Urteil vom 22.08.2008 - 10 Sa 573/08 - juris). Allerdings haben sie bei Schaffung zweckentsprechender Regelungen die betroffenen Arbeitnehmer nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit zu behandeln und insbesondere darauf zu achten, dass unter anderem jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihres Alters unterbleibt. Daraus folgt aber nicht, dass schlechterdings jede unterschiedliche Behandlung von älteren und jüngeren Arbeitnehmern unzulässig wäre. Eine unterschiedliche Behandlung nach Altersstufen ist vielmehr erlaubt, soweit für die Differenzierung zwischen den einzelnen Stufen sachliche Gründe vorliegen. Eine solch sachlich gerechtfertigte Differenzierung kann darin bestehen, dass Arbeitnehmer von Sozialplanleistungen ausgeschlossen werden, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines (vorgezogenen) Altersruhegeldes erfüllen oder nach einem relativ kurzen, durch den Bezug von Arbeitslosengeld überbrückbaren Zeitraum gesetzliche Altersrente beziehen können (BAG, Urteile vom 26.05.2009, 1 AZR 212/08, Rn. 26; vom 20.01.2009 - 1 AZR 740/07 - Rn. 25; vom 31.07.1996 - 10 AZR 45/96 = AP Nr. 103 zu § 112 BetrVG 1972 unter II 2 a der Gründe; LAG E, Urteil vom 22.08.2008 - 10 Sa 573/08 - juris).

b) Die bei der Ausgestaltung von Sozialplänen den Betriebsparteien zustehende Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume, die auch Typisierungen und Pauschalierungen zulassen, rechtfertigen auch pauschale Stichtagsregelungen. Die mit diesen häufig verbundenen Härten müssen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Interesse der Rechtssicherheit hingenommen werden, wenn sich die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert und somit sachlich vertretbar ist und das auch auf die zwischen den Gruppen gezogenen Grenzen zutrifft (BAG, Urteile vom 26.05.2009 - 1 AZR 212/08 - Rn. 17; vom 20.01.2009 - 1 AZR 740/07 - Rn. 13, juris; 11. November 2008 - 1 AZR 475/07 - Rn. 29 mwN; zu einer Grenze von 58 Lebensjahren Urteil vom 30.09.2008 - 1 AZR 684/07 - Rn. 39) .

c) Gemessen an diesen Grundsätzen verstößt die in Ziffer 2.4 und 2.5 des Sozialplans vorgenommene Gruppenbildung nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

(1) Die Gruppenbildung erfolgt hier danach, ob die Arbeitnehmer bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr bereits vollendet haben. Ist dies nicht der Fall, erhalten sie nach Ziffer 2.4 des Sozialplans eine Abfindung nach der Formel Lebensalter x Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatsgehalt : 55. Haben sie das 58. Lebensjahr vollendet, erhalten sie gemäß Ziffer 2.5.1 und 2.5.2 als Abfindung 85 % der Summe der bei Fortbestehen des Anstellungsverhältnisses bis zum frühestmöglichen Eintritt in die gesetzliche Rente, d.h. in der Regel bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres, zu zahlenden Nettomonatsentgelte abzüglich des von der Bundesagentur für Arbeit zu zahlenden Arbeitslosengelds. Die danach zu ermittelnde Summe wird pauschal um 15% erhöht gemäß Ziffer 2.5.2.4; ferner besteht die Möglichkeit gemäß Ziffer 2.5.3, im Einzelfall zur Milderung oder zum Ausgleich weiterer Nachteile weitere Verhandlungen über die Abfindungshöhe zu führen.

(2) Diese Gruppenbildung ist sachlich gerechtfertigt. Sie orientiert sich erkennbar an den wirtschaftlichen Nachteilen, welche die Arbeitnehmer durch den Verlust ihres Arbeitsplatzes zu besorgen haben. Ihr liegt die nicht zu beanstandende Einschätzung zugrunde, dass Arbeitnehmer in rentennahem Alter regelmäßig deutlich geringere wirtschaftliche Nachteile als jüngere Arbeitnehmer zu erwarten haben. Bei der typisierenden Beurteilung, rentenberechtigte und rentennahe Arbeitnehmer seien im Regelfall wirtschaftlich stärker abgesichert als rentenferne Arbeitnehmer, handelt es sich um eine den Betriebsparteien und der Einigungsstelle im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums zustehende tatsächliche Einschätzung (vgl. BAG 11. November 2008 - 1 AZR 475/07 - Rn. 21). Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Sozialplanes, wirtschaftliche Nachteile zu mildern und die wirtschaftliche Absicherung aller Arbeitnehmer zu gewährleisten, ist die unterschiedliche Behandlung unter Ziffer 2.4 sowie 2.5 sachlich gerechtfertigt, denn die Betriebsparteien haben mit der differenzierenden Regelung den voraussichtlich geringeren wirtschaftlichen Nachteilen rentennaher, von der Betriebsänderung betroffener Arbeitnehmer angemessen Rechnung getragen.

Die Kammer hat dabei nicht unberücksichtigt gelassen, dass -da die Regeln für die über 58-jährigen Arbeitnehmer nur bis zum frühestmöglichen Renteneintritt, mithin gemäß § 237 SGB VI in der Regel bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres gelten -die über 63-jährigen Arbeitnehmer wie der Kläger angesichts ihres Anspruchs auf vorgezogenes Altersruhegeld von der Abfindungszahlung ganz ausgeschlossen sind. Das ist nach Auffassung der Kammer jedoch unschädlich, da dieser Arbeitnehmerkreis bis zum Eintritt in die Regelaltersrente über 24 Monate einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I hat oder aber die vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen kann und damit wirtschaftlich abgesichert ist. Dass das - ebenso wie die Abfindung für die über 58-jährigen Arbeitnehmer gemäß Ziffer 2.5 des Sozialplans - möglicherweise nicht ausreicht, um sämtliche bis zum Lebensende zu besorgenden Einkommensverluste insbesondere auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Rentenminderung vollständig auszugleichen, ist nicht zu beanstanden, denn die Betriebsparteien waren zu einem vollständigen Ausgleich aller möglichen Nachteile nicht verpflichtet. Es genügt grundsätzlich eine substantielle Milderung der wirtschaftlichen Nachteile durch den Sozialplan (BAG 24. August 2004 - 1 ABR 23/03 - zu B III 2 c bb der Gründe, BAGE 111, 335; 20. Januar 2009 - 1 AZR 740/07 - Rn. 26, DB 2009, 1023 = NZA 2009, 495). Eine solche ist mit der in Ziffer 2.5 des Sozialplans enthaltenen Regelung gewährleistet.

(3) Auch der mit der Vollendung des 58. Lebensjahres verbundene Stichtag ist sachgerecht. Er mag zwar im Einzelfall dazu führen, dass ein unmittelbar vor der Vollendung des 58. Lebensjahrs stehender Arbeitnehmer eine erheblich höhere Abfindung erhält als derjenige, der dieses gerade vollendet hat. Es handelt sich dabei aber um eine der "Härten", die mit Stichtagsregelungen regelmäßig verbunden und im Interesse der Rechtssicherheit hinzunehmen sind (BAG, Urteil vom 20.01.1009 -1 AZR 740/09 - Rn. 17, juris). Dabei ist vorliegend auch zu berücksichtigen, dass nach der Berechnungsformel des Sozialplanes ein über 57-jähriger Arbeitnehmer nicht zwingend weniger erhält als ein Arbeitnehmer kurz vor Vollendung des 58. Lebensjahres. Legt man beispielsweise die Sozialdaten des Klägers, also eine Betriebszugehörigkeit von 42 Jahren bei einem Einkommen von 5.500,- Euro und einem unterstellten Lebensalter von 57 Jahren zugrunde, so ergäbe sich ein Abfindungsbetrag von ca. 243.000,- Euro. Ein über 58-jähriger Arbeitnehmer mit den gleichen Sozialdaten erhielte für 36 Monate 85% von 5.500,- Euro monatlich, mithin 168.300 Euro, sowie für weitere 24 Monate die Differenz zum Arbeitslosengeld von 18%, mithin 23.760,- Euro. Damit ergibt sich ein Betrag von ca. 192.000 Euro. Zzgl. des pauschalen Zuschlages von 15%, der im Sozialplan unter Ziffer 2.5.2.4 vorgesehen ist, ergäbe sich für diesen Arbeitnehmer - neben dem Arbeitslosengeld - eine Abfindung von ca. 220.800,-. Berücksichtigt man, dass daneben noch ein Arbeitslosengeld gezahlt wird, so erhält der über 58-jährige Arbeitnehmer insgesamt einen höheren Betrag als der noch 57- jährige Arbeitnehmer. Eine Benachteiligung der über 58-Jährigen ist entgegen der Auffassung des Klägers mit den unterschiedlichen Regelungen in Ziffer 2.4 und 2.5 nicht zwingend verbunden.

(4) Auch der mit der unterschiedlichen Berechnungsformel einmal nach Ziffer 2.4, das andere Mal nach Ziffer 2.5 des Sozialplans verbundene "Systemwechsel" verstößt nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Als Sachgrund für die unterschiedlichen Berechnungsformeln ist ersichtlich, dass sich bei den rentennahen Jahrgängen die zu besorgenden wirtschaftlichen Nachteile typischerweise konkreter einschätzen lassen als bei den rentenfernen. Da das Ziel des Sozialplanes ist, die wirtschaftlichen Nachteile zu mildern, steigt die Abfindungshöhe bis zum 58. Lebensjahr an, nimmt danach nach der anderen Berechnungsformel ab, je näher der Arbeitnehmer dem Rentenalter ist. Die Einschätzung der Betriebsparteien, dass sich die wirtschaftlichen Nachteile so am besten ausgleichen lassen, ist nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden.

2. Die unterschiedlichen Regelungen in Ziffer 2.4 und 2.5 des Sozialplanes sind auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 AGG unwirksam.

a) Die unterschiedlichen Regelungen in Ziffer 2.4 und 2.5 des Sozialplans sind mit einer unmittelbar an das Lebensalter anknüpfenden Ungleichbehandlung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1, § 1 AGG verbunden. Die unter 58- jährigen und die über 58- jährigen Arbeitnehmer befinden sich in einer "vergleichbaren Situation" iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG; beide sind vom Verlust ihres Arbeitsplatzes betroffen und unterscheiden sich nur hinsichtlich ihres Lebensalters.

b) Die Altersgruppendifferenzierung in Ziffer 2.4 und 2.5 des Sozialplans ist jedoch durch § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG gedeckt. Die Vorschrift ist auch insoweit gemeinschaftsrechtskonform, als sie den Ausschluss von Sozialplanleistungen ermöglicht, wenn Arbeitnehmer, gegebenenfalls nach dem Bezug von Arbeitslosengeld, die vorzeitige gesetzliche Altersrente in Anspruch nehmen können.

(1) Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Regelung des § 10 S. 3 Nr. 6 AGG gemeinschaftskonform sei und im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG stehe (vgl. zu der ausführlichen Begründung BAG, Urteil vom 26.05.2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 33 ff und Rn. 49 ff.). Die Differenzierung zwischen "rentenfernen" und "rentennahen" Jahrgängen sei iSv. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG objektiv und angemessen und im Rahmen des deutschen Rechts durch ein legitimes sozialpolitisches Ziel gerechtfertigt. Auch das Mittel zur Erreichung dieses Ziels sei angemessen und erforderlich. Der deutsche Gesetzgeber verfolge auch mit dieser Regelung das im Allgemeininteresse liegende sozialpolitische Ziel, den Betriebsparteien zu ermöglichen, Sozialplanleistungen an den wirtschaftlichen Nachteilen zu orientieren, die den Arbeitnehmern drohen, die durch eine Betriebsänderung ihren Arbeitsplatz verlieren. Diese Nachteile seien bei Arbeitnehmern, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach dem Bezug von Arbeitslosengeld, gesetzliche Altersrente in Anspruch nehmen können, geringer als bei den von längerer Arbeitslosigkeit bedrohten "rentenfernen" Arbeitnehmern (BAG, Urteil vom 26.05.2009 - 1 AZR 198/08 -Rn. 49 ff.; s. auch BAG 30. September 2008 - 1 AZR 684/07 - Rn. 38 mwN, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 197; 20. Januar 2009 - 1 AZR 740/07 - Rn. 17, 25 mwN, NZA 2009, 495). Es sei ein legitimes Ziel, diesem Umstand durch differenzierte Sozialplanleistungen Rechnung tragen zu können. Dazu sei es angemessen und erforderlich, den Betriebsparteien entsprechende Sozialplangestaltungen zu ermöglichen. Durch die Reduzierung der Sozialplanabfindungen bei rentennahem Ausscheiden sei es möglich, im Interesse der Verteilungsgerechtigkeit das weitere Anwachsen der Abfindungen trotz abnehmender Schutzbedürftigkeit zu korrigieren.

(2) Die in Ziffer 2.4 und 2.5 des Sozialplans vorgenommene Gruppenbildung hält sich im Rahmen der durch § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG eröffneten Möglichkeit. Nach dieser Regelung ist der vollständige Ausschluss von Sozialplanleistungen zulässig, wenn Arbeitnehmer wirtschaftlich abgesichert sind, da sie -ggf. nach dem Bezug von Arbeitslosengeld - rentenberechtigt sind (die Zulässigkeit dieser Differenzierung wird als nicht unproblematisch angesehen, vgl. ErfKomm § 10 AGG, Rn. 11; für die Zulässigkeit Bauer, NZA 2001, 2672, 2673). Das trifft auf den Kläger zu, der gemäß § 237 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB VI iVm. der Anlage 19 aufgrund seines Geburtsdatums schon mit 61 die vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen kann und der deshalb nach der Regelungen unter Ziffer 2.5 des Sozialplanes von einer Abfindungszahlung ausgeschlossen ist. Andere Arbeitnehmer, die bei Austritt in 2011 das 58. Lebensjahr vollendet haben, müssen hingegen möglicherweise nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I möglicherweise eine zeitliche Lücke überbrücken, bis sie iSv. § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG rentenberechtigt sind.

Dennoch ist die Regelung in Ziffer 2.5 des Sozialplanes nach Auffassung der Kammer nicht wegen Verstoßes gegen die Altersdiskriminierung unwirksam, denn auch die gerade erst 58-jährigen Arbeitnehmer sind in einem solchen Maße abgesichert, dass eine Benachteiligung nicht erkennbar ist. Gemäß Ziffer 2.5.2 des Sozialplanes erhalten die Arbeitnehmer bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sie Arbeitslosengeld I in Anspruch nehmen können, 85% ihres zuletzt bezogenen Nettoentgelts zzgl. eines Zuschlages i.H.v. 15% gemäß Ziffer 2.5.2.4. Damit erhalten sie ihr volles Nettoentgelt weiter, ob wohl sie nicht mehr beschäftigt sind. Eine Benachteiligung ist insoweit nicht erkennbar. Diejenigen Arbeitnehmer, die zunächst Arbeitslosengeld beziehen, erhalten eine Aufstockung auf 85% des Nettoentgelts zzgl. eines 15%-igen Zuschlages. Damit erreichen sie zwar nicht mehr 100% ihres Nettoentgelts, aber dennoch eine substantielle Abfindung, obwohl ein Ausschluss von dem Sozialplan gemäß § 10 S. 3 Nr. 6 AGG zulässig gewesen wäre. Lediglich diejenigen Arbeitnehmer, die - wie der Kläger - bereits die vorzeitige Altersrente in Anspruch nehmen können, sind von einer Abfindungszahlung ausgeschlossen. Sie haben zwar Einbußen zu verzeichnen, die sich insbesondere aufgrund der Rentenabschläge ergeben. Dennoch ist ein Ausschluss dieser Arbeitnehmer von Sozialplanleistungen nach § 10 S. 3 Nr. 6 AGG zulässig, denn -wie bereits oben dargelegt- sind die Betriebspartner nicht gehalten, alle denkbaren Nachteile zu entschädigen. Vielmehr ist das Ziel von Sozialplänen, die wirtschaftliche Absicherung zu gewährleisten. Diese ist gewährleistet, wenn vorzeitige Altersrente in Anspruch genommen werden kann, auch wenn Abschläge hingenommen werden müssen.

Bei der Beurteilung der Regelungen in den Ziffern 2.4 und 2.5 des Sozialplanes sind ferner folgende Aspekte zu berücksichtigten: Erstens sieht der Sozialplan gemäß Ziffer 2.5.3 weitere Verhandlungen zwischen der Beklagten und dem Arbeitnehmer vor, um ggf. die nicht nach den Ziffern 2.4 und 2.5 entschädigten Nachteile ausgleichen zu können. Diese Möglichkeit hat die Beklagte auch dem Kläger angeboten, der dazu aber nicht bereit war, sondern die Abfindung in voller Höhe gemäß Ziffer 2.4 des Sozialplanes für sich beansprucht.

Ferner wurde der Sozialplan für Arbeitnehmer abgeschlossen, die nicht zwingend von einem Verlust des Arbeitsplatzes betroffen waren. Vielmehr hätten alle Arbeitnehmer zu ansonsten unveränderten Bedingungen an einem anderen Standort unter weitgehender Entschädigung der damit verbundenen Nachteile gemäß Ziffer 2.3 des Sozialplanes weiterbeschäftigt werden können; die Sozialplanregelungen gelten für die Arbeitnehmer, die aus persönlichen Gründen nicht an einen anderen Standort wechseln wollten und deshalb ausscheiden. Es hätte jeder Arbeitnehmer - auch der Kläger - die Möglichkeit gehabt, weiter zu arbeiten, um finanzielle Nachteile wie z.B. Renteneinbußen zu vermeiden. Angesichts dieser Situation lag es nach Auffassung der Kammer im Ermessen der Betriebsparteien, nicht alle Nachteile vollständig auszugleichen.

Der Sozialplan hält sich nach alledem an die Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts, wonach die Betriebsparteien bei der Aufstellung eines Sozialplans einen weiten Spielraum für die Bestimmung des angemessenen Ausgleichs der mit der Betriebsänderung verbundenen Nachteile haben und grundsätzlich frei darüber entscheiden können, ob, in welchem Umfang und in welcher Weise sie die wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen oder mildern wollen und von einem Nachteilsausgleich auch gänzlich absehen können. Dabei konnten die Betriebsparteien vorliegend durchaus berücksichtigen, dass auch für die rentennahen Arbeitnehmer die Möglichkeit bestand, bis zur Altersrente weiter für die Beklagte - nur an einem anderen Standort und unter großzügiger Abgeltung möglicher finanzieller Nachteile gemäß Ziffer 2.3 des Sozialplanes - tätig zu sein. Die Arbeitnehmer wurden nicht aus dem Arbeitsmarkt "hinausgedrängt" und nicht gezwungen ist, Altersrente in Anspruch zu nehmen.

(3) Auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH vom 12.10.2010 (Andersen) kommt die Kammer zu keinem anderen Ergebnis. Der EuGH hatte über eine gesetzliche Regelung zu befinden, die den Arbeitnehmern per Gesetz eine Abfindung zuerkennt bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, und die diejenigen Arbeitnehmer von der Abfindung ausschließt, die die Möglichkeit zum Bezug einer (vom Arbeitgeber finanzierten) Altersrente haben. Der EuGH hat entschieden, dass diese Regelung die Interessen derjenigen Arbeitnehmer unangemessen beeinträchtige, die aufgrund ihres Alters zwar eine vorgezogene gesetzliche Altersrente in Anspruch nehmen können, dennoch aber weiter berufstätig bleiben möchten.

Der EuGH führt aus, dass die zu beurteilende Regelung nach Angabe des vorlegenden Gerichts das Ziel verfolge, älteren Arbeitnehmern mit einer längeren Betriebszugehörigkeit den Übergang in eine neue Beschäftigung zu erleichtern. Die Beschränkung auf die Arbeitnehmer, die bei der Entlassung keine Rente beanspruchen können, beruhe auf der Prämisse, dass sich diese Personen im Allgemeinen dafür entscheiden würden, aus dem Arbeitsleben auszuscheiden. Die Regelung sei zur Erreichung des Ziels nicht ungeeignet. Die Regelung sei auch zumindest insoweit erforderlich, als sie diejenigen Arbeitnehmer von einer Abfindung ausschließe, die nach ihrer Entlassung die Regelaltersrente in Anspruch nehmen. Bei der Frage der Erforderlichkeit sei das oben beschriebene Interesse der Arbeitnehmer in Einklang zu bringen mit dem Interesse des Arbeitgebers, nicht denjenigen Arbeitnehmern eine Abfindung zu zahlen, denen sie außerdem ab dem Zeitpunkt ihrer Entlassung eine Altersrente zahlen müssen. Die zu beurteilende gesetzliche Regelung gehe aber über das Erforderliche hinaus, indem sie auch die Arbeitnehmer von der Abfindung ausnehme, die die Möglichkeit des vorzeitigen Rentenbezugs tatsächlich nicht in Anspruch nehmen, da hier die Gefahr einer "doppelten Inanspruchnahme" des Arbeitgebers nicht bestehe.

Anders ist nach Auffassung der Kammer der vorliegende Fall zu beurteilen:

Der EuGH hat entgegen der Auffassung des Klägers nicht festgestellt, dass alle Regelungen unwirksam sind, die rentenberechtigte Arbeitnehmer von Abfindungszahlungen ausschließen. Der EuGH hat sich vielmehr darauf gestützt, dass die zu beurteilende gesetzliche Regelung für alle Arbeitnehmer mit Erreichen eines bestimmten Alters gelte, ohne die Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen. Dabei gehe die Regelung in den Fällen über das Erforderliche hinaus, in denen der angenommene Konflikt zwischen den Interessen des Arbeitgebers und denen der Arbeitnehmer tatsächlich nicht bestehe.

Anders ist es bei der Regelung des § 10 S. 3 Nr. 6 AGG, der es den Betriebsparteien lediglich ermöglicht, Arbeitnehmer aufgrund ihrer wirtschaftlichen Absicherung von Sozialplanleistungen auszuschließen. Ob sie das tatsächlich tun, liegt im Ermessen der Betriebsparteien. Bei dieser Entscheidung werden die Betriebsparteien die wechselseitigen Interessen abwägen und berücksichtigen, dass regelmäßig nur ein begrenztes Sozialplanvolumen zur Verfügung steht und mit der Gewährung einer Abfindung an die älteren Arbeitnehmer immer die jüngeren Arbeitnehmer beeinträchtigt werden. Die Betriebsparteien können den Besonderheiten des Einzelfalles entsprechend Regelungen festlegen, die die wirtschaftliche Absicherung aller Arbeitnehmer angemessen berücksichtigen. Ob sich die Sozialplanregelungen im Rahmen des den Betriebsparteien zustehenden Ermessens bewegen, ist dann durch die Gerichte zu prüfen. Da § 10 S.3 Nr. 6 AGG einen so weiten Ermessensspielraum beinhaltet, dessen fehlerfreie Ausübung einer Prüfung durch die Gerichte unterliegt, bestehen auch unter Berücksichtigung der zitierten Rechtsprechung des EuGH keine Bedenken weder gegen die gesetzliche Regelung des § 10 S.3 Nr. 6 AGG noch gegen die hier konkret zu beurteilende Soziualplanregelung.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 ZPO. Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen.