LG Bielefeld, Urteil vom 10.01.2006 - 1 O 50/05
Fundstelle
openJur 2015, 22088
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 22 U 28/06
Tenor

1) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu Händen eines von dem Kläger zu beauftragenden Notars 101.015,93 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.07.2004 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abgabe folgender notarieller Erklärung des Klägers und seiner Ehefrau, I. M., vor dem beauftragten Notar:

,,Wir sind eingetragene Eigentümer des nachfolgend beschriebenen, im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts D. von D., Blatt xxx eingetragenen Wohnungseigentums und der im Teileigentumsgrundbuch von D., Blatt yyy eingetragenen Garage, im Einzelnen bestehend aus

a) einem 41/10.000stel Miteigentumsanteil an dem Grundstück im Rechtssinn, Gemarkung D., Flur xx, Flurstücke xxx, xxy, xyy und yyy, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung im Gebäude S. Straße zz, im 1.

Obergeschoss Nr. yy des Aufteilungsplanes sowie

b) einem 9/10.000stel Miteigentumsanteil an dem Grundstück im Rechtssinn, Gemarkung D., Flur xx, Flurstücke xxx, xxy, xyy und yyy, verbunden mit dem Sondereigentum an der Garage Nr. zzz des Aufteilungsplanes.

Wir verpflichten uns hiermit, das vorbezeichnete Wohnungseigentumsrecht auf die L. & Co. KG, vertreten durch ihren Geschäftsführer zu übertragen, frei von der in Abteilung III des Wohnungsgrundbuchs eingetragenen Grundschuld der A. Bausparkasse AG in Höhe von 185.000,00 DM.

Wir erteilen hierzu der L. & Co. KG die unwiderrufliche Vollmacht, in unserem Namen unter Befreiung von den Beschränkungen des§ 181 BGB, die Auflassung zu erklären.

Wir erteilen unser Einverständnis mit einer Weisung der L. & Co. KG an den unterzeichnenden Notar, den eingehenden Zahlungsbetrag zur Ablösung der in Abteilung III des Wohnungsgrundbuchs eingetragenen Grundschuld der A. Bausparkasse AG zu verwenden.

Wir bewilligen die Eintragung der L. & Co. KG als Eigentümerin unter der aufschiebenden Bedingung, dass Zahlungseingang in Höhe des durch die Klage geforderten Betrages nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seitdem 15.07.2004 auf dem Konto des unterzeichnenden Notars erfolgt und ein etwaig überschießenden Betrag an uns auszukehren ist."

2) Es wird festgestellt, dass die Beklagten auch zum Ausgleich des weiteren Vermögensschadens verpflichtet sind, soweit die im Klageantrag zu 1) näher bezeichnete Wohnung betroffen ist und der Schaden mit dem Erwerb dieser Wohnung, ihren laufenden Unterhaltskosten und einer eventuell zu zahlenden Vorfälligkeitsentschädigung zusammenhängt.

3) Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits

4) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags zuzüglich 10 % vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger ist gestattet, die Sicherheit in Form einer Bankbürgschaft zu erbringen7

Tatbestand

Der Kläger und die Drittwiderbeklagte stammen aus Siebenbürgen. Sie waren zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses 56 und 51 Jahre alt. Die Eheleute M. lebten seit ca. 1990 in der Bundesrepublik Deutschland.

Der Kläger verlangt teilweise aus eigenem, teilweise aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau, die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über eine gebrauchte Eigentumswohnung und Schadensersatz.

Die Beklagte kauft gebrauchte Wohnanlagen auf, nimmt an ihnen Renovierungsmaßnahmen vor und verkauft sie nach Aufteilung in Wohnungseigentum weiter. Sie wirbt damit, dass die von ihr gekauften Immobilien der Altersvorsorge, der Eigentums- und Vermögensbildung sowie der Steuerersparnis dienten.

Der Kläger und die Drittwiderbeklagte erwarben am 02. Oktober 1997 durch notarielle Urkunde des Notars Dr. T. in H. (UR-Nr.: xxx/1997) von der Beklagten zu 1) für 197.570,00 DM die Eigentumswohnung Nr. yy im Wohngebäude D., S. Straße zz.

Durch Vertrag vom gleichen Tage traten sie der Mieteinnahmegemeinschaft (Mietpool) bei. Der Erwerb der Wohnung war im Wesentlichen durch den Handelsvertreter V. auf Seiten der Beklagten an den Kläger und seine Ehefrau vermittelt worden.

Der Zeuge V. besorgte für den Kläger und seine Ehefrau auch die Finanzierung der Wohnung. Durch Vertrag vom 07.10./11.10.1997 gewährte die A. Bausparkasse ein Vorausdarlehen in Höhe von 185.000,00 DM. Gleichzeitig wurden zwei nacheinander anzusparende Bausparverträge über 93.000,00 DM und 92.000,00 DM abgeschlossen. Dabei wurde eine feste monatliche Sparrate von 279,00 DM bzw. 276,00 DM für die Ansparung von Bausparverträgen vereinbart.

Herr V. soll dem Kläger und der Drittwiderbeklagten eine monatliche Belastung von lediglich 196,00 DM versprochen haben.

Tatsächlich unterzeichneten der Kläger und seine Ehefrau zwei Besuchsaufträge, am 30.09. und 02.10.1997, aus denen sich eine monatliche Belastung von 548,00 DM ergibt.

Die Hausverwaltung und die Mietvermittlung wurden von der L. Grundstücksverwaltungs- GmbH in Harsewinkel übernommen.

Der Kläger fühlte sich schlecht beraten und getäuscht. Beginnend ab dem Jahre 1997 sollen die Belastungen aus dem Grundstückserwerb ständig gewachsen sein.

1) Unter Darlegung von Einzelheiten behaupten sie, der Kaufpreis sei sittenwidrig überhöht.

2) Sie behaupten weiter, der Mietpool sei durch steigende Belastungen und sinken der Einnahmen gekennzeichnet. Die Beklagte zu 1) habe ein renovierungsbedürftiges Gebäude verkauft und dem bestehenden Renovierungsstau verschwiegen. Überdies seien ihr von vornherein Einbußen bei den Mieterlösen ebenso bekannt gewesen, wie eine schlechte Mieterstruktur.

3) Die Art und Weise sowie der Umfang der Finanzierung seien fehlerhaft. Insofern seien der Kläger und seine Ehefrau nicht hinreichend aufgeklärt worden. Die Finanzierung selbst sei ungeeignet. Sie enthalte eine untertarifliche Ansparung im Bereich der Bausparverträge. Die Kosten des Vorausdarlehens seien gegenüber anderen Finanzierungsformen übersetzt. Das führe zu einer übermäßigen Belastung durch Zinsen. Überdies sei der Wohnungserwerb grundsätzlich ungeeignet für die Zwecke der Kläger. Die Finanzierung sei nach über 30 Jahren beendet. Voraussichtlich würde der Kläger die endgültige Bezahlung der Wohnung nicht erleben. Da das Ende seines Erwerbslebens absehbar sei, komme es dann nicht mehr zu einer Steuerersparnis. Die Drittwiderbeklagte sei zum Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Vertrages arbeitslos geworden. Grundsätzlich sei der Erwerb der streitgegenständlichen Wohnung zum Zwecke der Altersvorsorge ungeeignet. Es war aber gerade das Ziel des Klägers und seiner Ehefrau gewesen, für das Alter vorzusorgen.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erhebt Drittwiderklage mit dem Antrag, festzustellen,

dass der Drittwiderbeklagten keine Ansprüche, insbesondere keine Schadensersatzansprüche, gegen die Beklagten zu 1) und 2) zustehen im Zusammenhang mit dem notariellen Kaufvertragsangebot vom 02.10.1997 des Notars Dr. Rainer T., (UR-Nr.: xxx/1997) und im Zusammenhang mit den Verhandlungen der Repräsentanten der Beklagten zu 1), die diesem Angebot vorausgegangen sind.

Die Drittwiderbeklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten stellen die erhobenen Vorwürfe in Abrede.

Sie behaupten, der Kaufpreis sei nicht sittenwidrig überhöht sondern marktgerecht gewesen. Sie verweisen auf ein für denselben Komplex eingeholtes Gutachten des Sachverständigen L. L., der einen ähnlichen Quadratmeterpreis ausweise wie die streitgegenständliche Wohnung.

Die Beklagten verwahren sich gegen den Vorwurf, sie hätten eine renovierungsbedürftige Immobilie verkauft. Sie behaupten, es sei nicht richtig, dass die Kläger beständig Nachschüsse zum Mietpool und zur lnstandhaltungsrücklage hätten zahlen müssen. Die lnstandhaltungsrücklage habe zwischen 2000 und 2002 nicht subventioniert werden müssen. Soweit Mieten gesunken oder ausgefallen seien, sei dies nicht voraussehbar gewesen. Bei ungestörtem Mietzufluss hätte der Mietpool beständig Überschüsse erbracht.

Im Ergebnis habe die Gesamtnachzahlung in sieben Jahren 2.275,48 DM ausgemacht. Bei einem prognostizierten monatlichen Gesamtaufwand von 548,00 DM mache dieses einen zusätzlichen Betrag von 15,80 DM monatlich aus. Dieser zusätzliche Betrag bewege sich in einer normalen tolerierbaren Schwankungsbreite.

4) Die Beklagten behaupten, der Handelsvertreter V. habe die Finanzierung im Einzelnen erläutert. Diese sei von den Klägern wegen ihres fortgeschrittenen Alters so gewollt gewesen. Im Übrigen hätten die Kläger beabsichtigt, Sonderzahlungen zu leisten.

Der Einzelrichter hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Handelsvertreters V. als Zeugen. Wegen seiner Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24.11.2005 verwiesen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger kann von den Beklagten Rückgängigmachung des Kaufvertrags und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht verlangen. Der Handelsvertreter der Beklagten V. hat nur in unzureichender Weise - § 278 BGB - seine Beratungspflichten gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau erfüllt (PVV entsprechend den §§ 276, 325 BGB a.F.).

Dagegen bleibt die Drittwiderklage erfolglos.

1) Die Kläger können allerdings nicht mit dem Vorwurf durchdringen, der Kaufpreis sei sittenwidrig überhöht. Die Beklagte hat hierzu zurecht ausgeführt:

,,Der Sachverständige L. nennt auf Blatt 15 seines Gutachtens Vergleichswerte in einer Bandbreite von 1.900,00 bis 2.700,00 DM pro Quadratmeter. Er kommt schließlich ohne Garage zu einem Verkaufswert der 62,81 Quadratmeter großen und von ihm beurteilten Wohnung von 142.000,00 DM. Das sind 2.263,00 DM pro Quadratmeter. Der Kläger und seine Ehefrau haben für 2.290,00 DM pro Quadratmeter gekauft. Um eine Vergleichbarkeit herzustellen sind die von der Beklagten zu 1) übernommenen Nebenkostendes Kauf, also Steuern, Notarkosten, Grundbuchkosten und Provisionen mit 12 % in Abzug zu bringen. Es ergibt sich dann ein bereinigter Kaufpreis von 2.015,00 DM pro Quadratmeter".

Es mag zwar sein, dass keine absolute Vergleichbarkeit der Wohnungen, die der Sachverständige L. begutachtet hat mit der streitgegenständlichen Wohnung gegeben ist. Andererseits sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Unterschiede dergestalt zu verzeichnen, dass hier eine sittenwidrige Überhöhung des Kaufpreises zu verzeichnen ist. Der Kläger kann sich nicht darauf zurückziehen, der Verkehrswert sei ausschließlich nach dem Ertragswertverfahren zu berechnen. Dabei kann offenbleiben, ob seine Berechnung überhaupt richtig ist. So erscheint der Faktor 13, den er bei seiner Berechnung anwendet, durchaus zweifelhaft. Entscheidend ist, dass eine derartige "gespaltene" Berechnung des Verkehrswertes nicht vertretbar ist, weil sie zu nachhaltig unbilligen Ergebnissen führt. So könnte einerseits - wie hier der Kläger - der vermietende Eigentümer Sittenwidrigkeit des Kaufpreises geltend machen. Andererseits müsste sich der selbst nutzende Eigentümer der gleichen Wohnung am Vertrage festhalten lassen. Das kann nicht richtig sein. Die Frage kann aber letztlich offen bleiben. Der Einholung eines erneuten Gutachtens bedurfte es nicht. Die Klage hatte aus anderen Gründen Erfolg.

2) Allerdings kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, der Zeuge V. habe bewusst eine voraussehbare Renovierungsbedürftigkeit der Wohnung verschwiegen und zudem nicht über voraussehbare Einbußen beim Mietpool und drohende Nachschusspflichten aufgeklärt. Hierzu haben die Beklagten überzeugend vortragen lassen (Blatt 172 der Akten):

Die Gegenseite kommt selbst auf Blatt 9 unten zu Nachzahlungen von 2.275,48 DM in sieben Jahren bei lnstandhaltungsrücklage und Mietpool. Das bedeutet Nachzahlungen von 15,80 DM monatlich. Der prognostizierte monatliche Eigenaufwand betrug ausweislich der Besuchsaufträge bei den Klägern 548,00 DM. Der tatsächliche Eigenaufwand ist also in sieben Jahren im Durchschnitt etwa 2,8 % höher gewesen.

Die Steigerung der prognostizierten Belastungen um ca. 2,8 %, die seitens des Klägers nicht substantiiert bestritten wird, rechtfertigt nicht den Vorwurf des Beratungsverschuldens. Sie ist hinnehmbar.

Überdies können die Beklagten auch nicht für die vorhandenen Mietausfälle haftbar gemacht werden. Der Umstand, dass im beschränktem Maße Mietausfälle vorhanden waren, rechtfertigt nicht die Vermutung, dass die Beklagte in gleicher Weise für die Zukunft mit derartigen Fällen Mietausfällen - gegebenenfalls im wachsenden Maße - rechnen musste. Es sind gesagt, dass die betriebswirtschaftlichen Überlegungen, die die Kläger hierzu anstellen lassen, für das vorliegende Objekt gelten. Überdies musste sich der Kläger darüber klar sein, dass der aus dem Mietpool fließende Schutz vor Totalausfall einer Mieteinnahme leerstandbedingt zu einer Erlöseinbuße im Mietpool führen könnte. Es gibt überdies keine Anhaltspunkte dafür, dass im Gegensatz zum Vortrag der Kläger, die Beklagten eine Mieteinnahme garantiert haben.

3) Allerdings haben die Beklagten in zurechenbarer Weise durch den Handelsvertreter V. bei der erforderlichen Finanzierungsberatung Fehler gemacht. Auch wenn für die Beratungspflichten der Beklagten, die lediglich den Ankauf einer Eigentumswohnung bewerben ließen, gerade nicht die strengen Maßstäbe gelten, die von Anlageberatern verlangt werden müssen, so muss die Ankaufsberatung durch die Beklagten vollständig und richtig sein. Sie muss sich am Beratungsbedarf der Kunden orientieren. Dabei ist entscheidend, ob die drei wesentlichen Ziele, die bei dem Verkauf ihrer Wohnungen von dem Beklagten immer wieder betont werden (Altersvorsorge, Vermögensbildung, Steuerersparnis) auch erreichbar sind.

Gerade das ist hier nicht der Fall.

Das Ziel der Altersvorsorge war ersichtlich von vornherein nicht zu erreichen. Die Finanzierung der Wohnung erstreckte sich mindestens über ca. 30 Jahre. Zu diesem Zeitpunkt wäre der Kläger 85 Jahre, die Drittwiderbeklagte 81 Jahre alt. Erst in diesem Alter wären sie in den ungeschmälerten Genus der Vermietungserlöse der Wohnung gekommen.

Die Beklagten können sich nicht damit verteidigen, die Kläger hätten dieses gewusst. Die Finanzierungsdauer beim Immobilienerwerb sei allgemein bekannt. Der Kläger und die Drittwiderbeklagte haben glaubhaft versichert, dass das in ihrem Fall nicht zutrifft. Das hat ihre persönliche Anhörung ergeben. Das Argument, dass die Finanzierungsdauer allgemein bekannt ist, mag für Bürger, die in der Bundesrepublik Deutschland aufgewachsen sind, gelten. Die Kläger haben jedoch einen ganz anderen Lebensweg. Die ihre Persönlichkeit prägende Zeit haben sie in einer damals totalitären Gesellschaft in Rumänien erfahren. Sie bedürfen insoweit besonderen Schutzes. Eine Zeit von sieben Jahren, die sie in der Bundesrepublik Deutschland waren, reicht angesichts der Komplexität der hier vorliegenden Probleme nicht aus, um auf dem Gebiet des Immobilienerwerbs und seiner Finanzierung ausreichende Kenntnisse zu erlangen. Die Beklagten können sich insofern nicht damit verteidigen, dass sie nicht erkennen konnten, dass hier ein besonders hoher Beratungsbedarf vorlag. Die Aussprache des Klägers und der Drittwiderbeklagten ist durch einen harten Akzent gekennzeichnet. Der erkennende Richter hat bereits nach dem ersten Satz erkannt, dass der Kläger und die Drittwiderbeklagte nicht aus Nordrhein Westfalen sind. Dieses hätte auch der Handelsvertreter V. erkennen können und müssen. Auch insoweit lag eine Nachfrage und daraus folgender erhöhter Beratungsbedarf nahe. Bei einer Nachfrage hätte der Handelsvertreter V. erfahren, dass der Kläger und die Drittwiderbeklagte aus Rumänien kommen. Es liegt auf der Hand, dass diese dann aus ihrer Arbeit in Rumänien nur mit einer geringen Rente rechnen können. Insofern hat die Altersvorsorge für die Eheleute M. eine überragende Bedeutung. Das gilt um so mehr, als die Ehefrau M., wie sie dem Zeugen V. selbst gesagt hat, zum Zeitpunkt der Beurkundung des Kaufvertrags arbeitslos geworden ist.

Aus den Umständen folgt, dass die Eheleute M. auf zusätzliche Einkünfte in Rentneralter angewiesen waren und zusätzliche Belastungen nicht tragen konnten. Der Kläger hat überzeugend darlegen lassen, dass gegen Ende seines Erwerbslebens der erste Bausparvertrag noch nicht einmal zuteilungsreif angespart seien würde. Nach Zuteilung dieses Bausparvertrags bei eingetretener Rente hätte er sich ohne vermögenswirksame Leistung einer Belastung durch die Tilgung des ersten Bauspardarlehens (559,55 DM), durch die Ansparung des zweiten Bausparvertrags (276,00 DM) und durch die Zinslast des noch nicht abgelösten Teils des Vorausdarlehens (ca. 600,00 DM) gegenüber gesehen. Dem stünde lediglich der Mieterlös gegenüber. Die Altersvorsorge durch Wohnungserwerb hätte sich damit in eine unvertretbare Belastung aufgrund des Wohnungserwerbs verkehrt.

Nach Eintritt in das Rentenalter wird das Ziel einer die möglicherweise von vorn herein zu hoch prognostizierte Steuerersparnis verfehlt.

Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, die Eheleute M. hätten die Wohnung weiterverkaufen können. Sie selbst haben im Besuchsauftrag (Recherchebericht) darauf hinweisen lassen, dass bei Verkauf in den nächsten Jahren mit einem Verlust zu rechnen sei. Überdies lassen die Beklagten immer wieder betonen, dass der Weiterverkauf gerade nicht das Ziel des Eigentumserwerbs sei. Schließlich war beim Weiterverkauf "unter dem Strich" angesichts der hohen Belastungen durch die Finanzierung mit einem Gewinn nicht zu rechnen.

Schließlich können sich die Beklagten auch nicht damit verteidigen, die Eheleute M. hätten die Finanzierung durch andere Mittel bewerkstelligen werden. Die Andeutung, die der Zeuge V. bei seiner Vernehmung in diese Richtung gemacht hat, hatte weder Hand noch Fuß. Der Zeuge konnte sich - verständlicher weise - an Einzelheiten der Verkaufsgespräche nicht erinnern. Es erscheint befremdlich, wenn er meint, sich in diesem Punkte erinnern zu können. Insofern ist plausibel, wenn der Kläger und die Drittwiderbeklagte vortragen lassen, keine nennenswerten Finanzierungsmittel gehabt zu haben, um durch Sondertilgungen die Belastung frühzeitigen zu reduzieren.

4) Die Beklagten waren daher zur Rückabwicklung des vorliegenden Kaufvertrags zu verurteilen. In gleicher Weise hatte der Feststellungsantrag Erfolg, da der Schaden aus dem Wohnungserwerbendgültig noch nicht zu berechnen ist.

5) Die zulässige Widerklage hatte keinen Erfolg.

6) Die Zinsentscheidung folgt aus§ 291 ZPO.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO nach einem Streitwert von 121.015,93 EUR.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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