BGH, Urteil vom 11.01.2007 - I ZR 96/04
Fundstelle
openJur 2011, 8403
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision der Beklagten zu 2 wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - vom 24. Juni 2004 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten zu 2 erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 12. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Freiburg vom 8. Oktober 2003 zurückgewiesen.

Von den Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Klägerin des landgerichtlichen Verfahrens haben die Klägerin 34 % und der Beklagte zu 1 66 % zu tragen.

Von den Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Klägerin des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 98 % und der Beklagte zu 1 2 % zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 des landgerichtlichen und des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 des landgerichtlichen und des Berufungsverfahrens verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Berufungsgerichts.

Die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerde- und des Revisionsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin und die Beklagte zu 2 sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen; sie vermitteln Versicherungsverträge.

Der Beklagte zu 1 war seit 1994 als Außendienstmitarbeiter für Vermögensberatung in der Rechtsstellung eines Handelsvertreters für die Klägerin tätig. Er kündigte das Vertragsverhältnis mit Schreiben vom 14. August 2002. Die Klägerin teilte ihm hierauf mit, dass das Vertragsverhältnis nach Maßgabe der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist mit Ablauf des 31. März 2004 ende. Da sie erfahren haben wollte, dass der Beklagte zu 1 eine Tätigkeit für die Beklagte zu 2 aufgenommen habe, forderte sie ihn zudem wegen dieser Konkurrenztätigkeit zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Der Beklagte zu 1 wies mit Schreiben seines anwaltlichen Bevollmächtigten vom 20. Januar 2003 den Vorwurf einer unerlaubten Konkurrenztätigkeit zurück und kündigte das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund fristlos.

Nach Ansicht der Klägerin hat ihr Vertragsverhältnis mit dem Beklagten zu 1 nicht vor Ablauf des 31. März 2004 geendet. Der Beklagte zu 1 sei durch die Aufnahme der Tätigkeit für die Beklagte zu 2 vertragsbrüchig geworden. Er habe damit auch wettbewerbswidrig gehandelt. Die Beklagte zu 2 handele, indem sie den Beklagten zu 1 beschäftige, gleichfalls wettbewerbswidrig.

Die Klägerin hat dementsprechend gegen den Beklagten zu 1 Klage auf Feststellung der Beendigung des Vertragsverhältnisses zum 31. März 2004 erhoben und die Beklagten auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen.

Die Vorinstanzen haben der Klage gegen den Beklagten zu 1 teilweise stattgegeben. Es ist rechtskräftig festgestellt worden, dass das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1 durch die fristlose Kündigung des Beklagten zu 1 vom 21. Januar 2003 nicht beendet worden ist. Außerdem ist der Beklagte zu 1 unter anderem verurteilt worden (Tenor des angefochtenen Urteils unter I 1.), es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel vor Ablauf des 31. März 2004 zu unterlassen, a) eine Vermittlungs- oder Verkaufstätigkeit auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen für andere als die Klägerin, etwa für die Beklagte zu 2, auszuüben;

b) Kunden, die auf Vermittlung der Klägerin Verträge im Finanzdienstleistungsbereich, etwa Versicherungsverträge und Kapitalanlageverträge, abgeschlossen haben, zur Aufgabe oder Einschränkung solcher Verträge zu veranlassen.

Der in der ersten Instanz erfolglosen Klage gegen die Beklagte zu 2 hat das Berufungsgericht auf die Berufung der Klägerin unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise stattgegeben. Es hat, soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung, die Beklagte zu 2 antragsgemäß verurteilt, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, Außendienstmitarbeiter der Klägerin zu beschäftigen, von denen die Beklagte zu 2 weiß oder wissen muss, dass diesen Mitarbeitern aufgrund der vertraglichen Bindung zur Klägerin eine Vermittlungstätigkeit für andere als die Klägerin nicht gestattet ist, und festgestellt, dass die Beklagte zu 2 verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden ist oder noch entstehen wird, dass die Beklagte zu 2 den Beklagten zu 1 in der in Ziffer I 1 des Urteilstenors beschriebenen Weise beschäftigt hat.

Der Senat hat die Beschwerde der Klägerin, mit der diese die Zulassung der Revision im Umfange der Abweisung ihrer Klage gegen den Beklagten zu 1 und die Beklagte zu 2 begehrt hat, zurückgewiesen. Die Revision der Beklagten zu 2 hat der Senat zugelassen, soweit zu deren Nachteil erkannt worden ist. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte zu 2 ihren auf Abweisung der Klage gerichteten Antrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2 auf Unterlassung und auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gemäß § 1 UWG a.F. bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Beklagte zu 2 habe sich in wettbewerbswidriger Weise an dem Vertragsbruch des Beklagten zu 1 gegenüber der Klägerin beteiligt. Das Ausnutzen fremden Vertragsbruchs sei wettbewerbswidrig, wenn es unter zumindest mit bedingtem Vorsatz begangener Missachtung von Ausschließlichkeitsbindungen eines Dritten erfolge. Dies sei hier der Fall.

Aus dem von der Beklagten zu 2 herausgegebenen "F. Ma- gazin 2/2002" ergebe sich zweifelsfrei, dass der Beklagte zu 1 seit spätestens Mitte des Jahres 2002 als Außendienstmitarbeiter für die Beklagte zu 2 tätig gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt habe er sich aber in ungekündigter Stellung bei der Klägerin befunden und dem vertraglich ausdrücklich vereinbarten sowie aus § 86 Abs. 1 HGB folgenden Verbot einer Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen unterlegen. Die Beklagte zu 2 habe entweder positiv von dem ungekündigten Vertragsverhältnis des Beklagten zu 1 zur Klägerin und damit von dessen Konkurrenzverbot gewusst oder zumindest mit diesem gerechnet. Sie müsse sich daher die Indienstnahme des Beklagten zu 1 als gemäß § 1 UWG (a.F.) wettbewerbswidriges Ausnutzen fremden Vertragsbruchs anrechnen lassen. Begründet sei daher auch der auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 2 gerichtete Klageantrag, soweit er sich auf den der Klägerin durch das wettbewerbswidrige Ausspannen des Beklagten zu 1 entstandenen Schaden beziehe.

II. Die Revision der Beklagten zu 2 hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, soweit zum Nachteil der Beklagten zu 2 erkannt worden ist, und insoweit zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

1. Nach Erlass des Berufungsurteils ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 in Kraft getreten. Der auf Wiederholungsgefahr gestützte, in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch besteht nur, wenn das beanstandete Wettbewerbsverhalten der Beklagten zu 2 zur Zeit der Begehung wettbewerbswidrig war und ein Anspruch auf der Grundlage der nunmehr geltenden Rechtslage noch gegeben ist. Die Frage, ob der Klägerin ein Schadensersatzanspruch zusteht, richtet sich nach dem zur Zeit der beanstandeten Handlung geltenden Recht (vgl. BGH, Urt. v. 7.4.2005 - I ZR 140/02, GRUR 2005, 603, 604 = WRP 2005, 874 - Kündigungshilfe, m.w.N.). Die Voraussetzungen, unter denen die Beschäftigung von noch vertraglich an einen Wettbewerber gebundenen Mitarbeitern als gezielte Behinderung des Wettbewerbers als unlauter anzusehen ist, haben sich durch das Inkrafttreten des neuen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb nicht geändert. Im Folgenden braucht daher zwischen altem (§ 1 UWG a.F.) und neuem Recht (§§ 3, 4 Nr. 10 UWG) nicht unterschieden zu werden.

2. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Unterlassung der Beschäftigung abgeworbener Außendienstmitarbeiter nach § 8 Abs. 1 i.V. mit §§ 3, 4 Nr. 10 UWG (§ 1 UWG a.F.) gegen die Beklagte zu 2 nicht zu. Ebenso wenig kann die Klägerin deswegen von der Beklagten zu 2 Schadensersatz gemäß § 9 Satz 1 UWG i.V. mit §§ 3, 4 Nr. 10 UWG (§ 1 UWG a.F.) verlangen.

a) Das Abwerben fremder Mitarbeiter ist als Teil des freien Wettbewerbs grundsätzlich erlaubt. Es ist nur dann wettbewerbswidrig, wenn unlautere Begleitumstände hinzukommen, insbesondere unlautere Mittel eingesetzt oder unlautere Zwecke verfolgt werden (zu § 1 UWG a.F.: BGHZ 158, 174, 178 f. - Direktansprache am Arbeitsplatz I, m.w.N.). Unlauter ist es, den Mitarbeiter eines Mitbewerbers zum Vertragsbruch zu verleiten, d.h. gezielt und bewusst auf dessen Vertragsbruch hinzuwirken (vgl. BGH, Urt. v. 17.3.1961 - I ZR 26/60, GRUR 1961, 482, 483 - Spritzgussmaschine; Urt. v. 24.2.1994 - I ZR 74/92, GRUR 1994, 447, 448 = WRP 1994, 511 - Sistierung von Aufträgen; Großkomm.UWG/Brandner/Bergmann, § 1 Rdn. A 225, A 244; Ohly in Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl., § 4 Rdn. 10/28 m.w.N.).

b) Das bloße Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs, ohne den vertraglich Gebundenen zu dem Vertragsbruch zu verleiten, ist dagegen grundsätzlich nicht unlauter, wenn nicht besondere die Unlauterkeit begründende Umstände hinzutreten (BGHZ 143, 232, 240 - Außenseiteranspruch II; BGH, Urt. v. 6.6.2002 - I ZR 79/00, GRUR 2002, 795, 798 = WRP 2002, 993 - Titelexklusivität). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die schuldrechtliche Bindung zwischen dem Wettbewerber und seinem Vertragspartner Dritten gegenüber im Allgemeinen keine rechtlichen Wirkungen zu entfalten vermag und dass die Annahme eines Wettbewerbsverstoßes schon bei Ausnutzen fremden Vertragsbruchs gewissermaßen zu einer Verdinglichung der schuldrechtlichen Verpflichtungen führen würde (BGHZ 143, 232, 240 - Außenseiteranspruch II; BGH GRUR 2002, 795, 798 - Titelexklusivität).

c) Diese Grundsätze gelten auch für das Ausnutzen des Vertragsbruchs eines bei einem Mitbewerber beschäftigten Mitarbeiters (vgl. BGH, Urt. v. 30.1.1976 - I ZR 108/74, GRUR 1976, 372, 374 = WRP 1976, 237 - Möbelentwürfe; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 4 UWG Rdn. 10.109; Ohly in Piper/Ohly aaO § 4 Rdn. 10/29; Omsels in Harte/ Henning, UWG, § 4 Nr. 10 Rdn. 29; Seichter in Ullmann, jurisPK-UWG, § 4 Nr. 10 Rdn. 87; Fezer/Götting, UWG, § 4-10 Rdn. 42). Jeder Mitarbeiter hat das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Recht der freien Wahl des Arbeitsplatzes (BVerfGE 97, 169, 175; BGHZ 158, 174, 182 - Direktansprache am Arbeitsplatz I). Dies schließt das Recht ein, selbst über das Ende seines Arbeitsverhältnisses und den Wechsel zu einem neuen Arbeitgeber zu entscheiden und dabei gegebenenfalls das Risiko einzugehen, durch das neue Arbeitsverhältnis den Vertrag mit dem alten Arbeitgeber zu verletzen. Verstößt ein Handelsvertreter gegen ein (vertragliches oder nachvertragliches) Wettbewerbsverbot, so ist er dem Unternehmer zwar zum Schadensersatz verpflichtet. Insbesondere hat er den Gewinn zu ersetzen, der dem Unternehmer dadurch entgangen ist, dass der Handelsvertreter vertragswidrig Geschäfte nicht für ihn, sondern für einen Konkurrenten vermittelt hat (vgl. BGH, Urt. v. 3.4.1996 - VIII ZR 3/95, ZIP 1996, 1006, 1008). Dagegen muss der vertragsbrüchige Handelsvertreter die Vergütung, die er von dem Konkurrenten für die für diesen unter Verstoß gegen das ihm auferlegte Wettbewerbsverbot vermittelten Geschäfte erhalten hat, nicht herausgeben (BGH, Urt. v. 23.1.1964 - VII ZR 133/62, NJW 1964, 817 f.; Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl., § 86 Rdn. 32; MünchKomm.HGB/von Hoyningen-Huene, 2. Aufl., § 86 Rdn. 44; Löwisch in Ebenroth/Boujong/ Joost, HGB, § 86 Rdn. 45, § 90a Rdn. 38 m.w.N.). Die Wirksamkeit des Vertragsverhältnisses zwischen dem Konkurrenten und dem (vertragsbrüchigen) Handelsvertreter wird demnach durch den von diesem begangenen Verstoß gegen das für ihn im Verhältnis zu seinem bisherigen Vertragspartner bestehende Wettbewerbsverbot nicht berührt. Der Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot entfaltet Wirkungen lediglich im Vertragsverhältnis zwischen dem Handelsvertreter und seinem Vertragspartner, nicht dagegen gegenüber dem Konkurrenten, für den der Handelsvertreter (vertragswidrig) tätig wird. Die Unternehmer sind ausreichend dadurch geschützt, dass sie ihre vertragsbrüchigen Vertragspartner auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch nehmen können (vgl. dazu Roth in Koller/Roth/Morck, HGB, 6. Aufl., § 86 Rdn. 12 m.w.N.).

d) Besondere Umstände, die die Unlauterkeit des Ausnutzens des Vertragsbruchs im Streitfall begründen könnten, sind nicht Gegenstand des Klageantrags und lassen sich auch dem Klägervortrag nicht entnehmen. Weder die Feststellungen des Berufungsgerichts noch der Klägervortrag bieten Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 2 auf den Vertragsbruch des Beklagten zu 1 hingewirkt oder ihn dazu veranlasst hat (vgl. BGH GRUR 1994, 447, 448 - Sistierung von Aufträgen). Eine mit dem Ausnutzen des fremden Vertragsbruchs durch die Beklagte zu 2 einhergehende Gefahr der Verwertung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen der Klägerin (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.1979 - I ZR 60/77, GRUR 1980, 296, 297 = WRP 1980, 325 - Konfektions-Stylist) ist nicht Gegenstand des Klageantrags.

e) Der Unterlassungsantrag der Klägerin stellt allein darauf ab, dass die Beklagte zu 2 Mitarbeiter der Klägerin beschäftigt, von denen sie weiß oder wissen muss, dass diesen aufgrund einer vertraglichen Bindung zur Klägerin eine Tätigkeit für Dritte nicht gestattet ist. Ihr Unterlassungsbegehren ist demnach darauf gerichtet, der Beklagten zu 2 ein bloßes Ausnutzen eines Vertragsbruchs von Mitarbeitern der Klägerin zu untersagen, wobei die Klägerin den die Unlauterkeit begründenden Umstand darin sieht, dass die Beklagte zu 2 Kenntnis von dem Vertragsbruch des Mitarbeiters hat oder haben muss. Die Revision macht mit Erfolg geltend, dass die Beschäftigung des Beklagten zu 1 durch die Beklagte zu 2 unter bedingt vorsätzlicher Missachtung der vertraglichen Bindung des Beklagten zu 1 an die Klägerin eine Unlauterkeit des Verhaltens der Beklagten zu 2 nicht zu begründen vermag. Die Unlauterkeit des Ausnutzens eines fremden Vertragsbruchs kann nicht allein aus der Kenntnis oder dem Kennenmüssen des ausgenutzten Vertragsbruchs hergeleitet werden (ebenso Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO § 4 UWG Rdn. 10.111; Ohly in Piper/Ohly aaO § 4 Rdn. 10/29; Omsels in Harte/Henning aaO § 4 Nr. 10 Rdn. 29).

aa) Das Berufungsgericht hat sich zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht auf ältere Entscheidungen des Senats berufen, in denen der Senat eine bedingt vorsätzliche Missachtung von Ausschließlichkeitsbindungen für die Begründung der Wettbewerbswidrigkeit hat ausreichen lassen (BGH, Urt. v. 4.5.1973 - I ZR 11/72, GRUR 1974, 97, 98 = WRP 1973, 410 - Spielautomaten II; BGH GRUR 1976, 372, 374 f. - Möbelentwürfe; vgl. auch BGH, Urt. v. 19.10.1966 - Ib ZR 156/64, GRUR 1967, 138, 141 = WRP 1967, 26 - Streckenwerbung). Diese Entscheidungen sind überholt. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats genügt, wie oben bereits ausgeführt, die Missachtung einer zwischen dem Wettbewerber und einem Dritten bestehenden Ausschließlichkeitsbindung nicht zur Begründung der Unlauterkeit des Ausnutzens eines fremden Vertragsbruchs (BGHZ 143, 232, 240 ff. - Außenseiteranspruch II; BGH GRUR 2002, 795, 798 - Titelexklusivität). Für den Bereich der selektiven Vertriebssysteme hat der Senat ausdrücklich entschieden, dass der Außenseiter, der systemgebundene Ware erwirbt, nicht unlauter handelt, obwohl er den Vertragsbruch eines gebundenen Händlers ausnutzt. Ersichtlich ist der Senat dabei davon ausgegangen, dass der Außenseiter in aller Regel Kenntnis von der Vertriebsbindung der Ware hat oder zumindest haben kann und er nicht schon wegen dieser Kenntnis oder Kenntnismöglichkeit grundsätzlich wettbewerbswidrig handelt (so ausdrücklich BGH, Urt. v. 16.3.2006 - I ZR 92/03, GRUR 2006, 879 Tz 12 = WRP 2006, 1027 - Flüssiggastank).

bb) Auch im vorliegenden Fall besteht das Wettbewerbsverbot des Beklagten zu 1 nur im Verhältnis zur Klägerin. Allein der Klägerin gegenüber ist der Beklagte zu 1 verpflichtet, eine Konkurrenztätigkeit zu unterlassen. Rechtliche Wirkungen gegenüber der Beklagten zu 2 als Wettbewerberin der Klägerin vermag die Verpflichtung des Beklagten zu 1 aus dem Vertragsverhältnis zur Klägerin nicht zu entfalten. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann der Umstand, dass die Beklagte zu 2 die vertragliche Bindung des Beklagten zu 1 und damit dessen Vertragsbruch gekannt hat oder hätte kennen müssen, die Unlauterkeit ihres Verhaltens nicht begründen.

Die Feststellung der Unlauterkeit erfordert eine funktionelle, d.h. am Schutzzweck des Wettbewerbsrechts (§ 1 UWG) ausgerichtete Betrachtung (vgl. Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO § 3 UWG Rdn. 41). Aufgabe des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ist es, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer, insbesondere der Verbraucher und Mitbewerber, zu regeln (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zu § 1 UWG, BT-Drucks. 15/1487, S. 15). Hat eine Handlung in diesem Sinne bei objektiver Betrachtung nachteilige Auswirkungen auf das Wettbewerbsgeschehen, die so erheblich sind, dass sie unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Gesetzes von den Marktteilnehmern nicht hingenommen werden müssen, dann ist für ihre Bewertung als unlauter der subjektive Kenntnisstand des Handelnden ohne Bedeutung (vgl. BGHZ 163, 265, 270 - Atemtest - zu § 4 Nr. 11 UWG; Ullmann, jurisPK-UWG § 3 Rdn. 27; Schünemann in Harte/Henning aaO § 3 Rdn. 222; Steinbeck, WRP 2005, 1351, 1354). Handelt es sich bei den nachteiligen Auswirkungen eines Wettbewerbsgeschehens dagegen nur um solche Beeinträchtigungen der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der betroffenen Marktteilnehmer, die sich bei objektiver Betrachtung im Rahmen des zulässigen Wettbewerbs halten und daher grundsätzlich hinzunehmen sind, besteht aufgrund des Schutzzwecks des Gesetzes (gleichfalls) keine Notwendigkeit, das Unlauterkeitsurteil daran zu knüpfen, ob der Handelnde die durch das (objektiv nicht unlautere) Wettbewerbsgeschehen bewirkten Beeinträchtigungen anderer Marktteilnehmer gekannt hat oder hätte kennen müssen oder vielleicht sogar in Kauf genommen hat. Eine (an sich) zulässige Beeinträchtigung wird nicht dadurch unlauter, dass sie in Kenntnis ihrer Wirkungen herbeigeführt wird.

cc) Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb veranlasst, weil nunmehr für die Annahme einer unlauteren Mitbewerberbehinderung in § 4 Nr. 10 UWG auf das Erfordernis einer "gezielten" Behinderung abgestellt wird. Durch das Tatbestandsmerkmal des gezielten Handelns soll lediglich klargestellt werden, dass eine Behinderung von Mitbewerbern als bloße Folge des Wettbewerbs nicht ausreicht, um den Tatbestand der unlauteren individuellen Mitbewerberbehinderung zu verwirklichen (Begründung des Regierungsentwurfs zu § 4 Nr. 10, BT-Drucks. 15/1487 S. 19). Damit ist nicht gesagt, dass der Tatbestand der individuellen Behinderung von subjektiven Erfordernissen, insbesondere einer auf die Behinderung gerichteten Absicht, abhängig sein soll (Köhler in Hefermehl/ Köhler/Bornkamm aaO § 4 UWG Rdn. 10.10; Seichter aaO § 4 Nr. 10 Rdn. 6; a.A. MünchKomm.UWG/Jänich § 4 Nr. 10 Rdn. 12; Omsels in Harte/Henning aaO § 4 Nr. 10 Rdn. 7). Mit der Regelung des § 4 Nr. 10 UWG sollen lediglich die in der Rechtsprechung herausgearbeiteten Formen des unlauteren Behinderungswettbewerbs erfasst werden (vgl. BT-Drucks. 15/1487, S. 19, 41). In der Rechtsprechung zu § 1 UWG a.F. ist ein wettbewerbswidriger Behinderungswettbewerb jedoch auch für den Fall angenommen worden, dass sich zwar nicht feststellen lässt, dass gezielt der Zweck verfolgt wird, den Mitbewerber an seiner Entfaltung zu hindern und ihn dadurch zu verdrängen, dieser aber seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann (vgl. BGHZ 148, 1, 5 - Mitwohnzentrale.de; BGH, Urt. v. 21.2.2002 - I ZR 281/99, GRUR 2002, 902, 905 = WRP 2002, 1050 - Vanity-Nummer). Dem Tatbestandsmerkmal der gezielten Absicht lässt sich andererseits auch nicht entnehmen, dass (allein) die subjektive Kenntnis der einen Mitbewerber behindernden Umstände die Unlauterkeit begründen kann, wenn sich die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten des Mitbewerbers objektiv im Rahmen dessen hält, was dem Wettbewerb als solchen eigen ist.

dd) Die Schwelle der als bloße Folge des Wettbewerbs hinzunehmenden Behinderung ist allerdings - auch beim Abwerben von Mitarbeitern - überschritten, wenn das betreffende Verhalten bei objektiver Würdigung der Umstände in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist (vgl. BGH, Urt. v. 20.1.2005 - I ZR 29/02, GRUR 2005, 581, 582 = WRP 2005, 881 - The Colour of Elegance, m.w.N.) oder wenn die Behinderung derart ist, dass der beeinträchtigte Mitbewerber seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann (BGHZ 148, 1, 5 - Mitwohnzentrale.de; BGH GRUR 2002, 902, 905 - Vanity-Nummer; Großkomm.UWG/Brandner/Bergmann, § 1 Rdn. A 3). Davon kann beim bloßen Ausnutzen des Vertragsbruchs eines abgeworbenen Mitarbeiters durch den Mitbewerber jedoch auch dann nicht ausgegangen werden, wenn der Mitbewerber den Vertragsbruch kennen musste oder sogar kannte. Nach der Lebenserfahrung beruht die Beschäftigung eines Mitarbeiters in erster Linie darauf, dass dessen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Förderung des eigenen Wettbewerbs nutzbar gemacht werden sollen. Der Umstand, dass der Mitarbeiter vertraglich noch anderweitig gebunden ist, rechtfertigt ohne das Hinzutreten weiterer Anhaltspunkte auch dann keine andere Beurteilung, wenn der neue Dienstherr von der vertraglichen Bindung und damit von dem Vertragsbruch des Mitarbeiters Kenntnis hat. Die bloße Kenntnis allein kann nicht dazu führen, dass schon aus diesem Grunde die mit der Abwerbung verbundene Behinderung ein solches Ausmaß erreicht, dass der beeinträchtigte Mitbewerber seine Leistung am Markt nicht mehr in angemessener Weise durch eigene Anstrengung zur Geltung bringen kann.

Die Unlauterkeit des Ausnutzens des fremden Vertragsbruchs ergibt sich ferner nicht daraus, dass schon die bloße Bereitschaft des Mitbewerbers, den vertragsbrüchigen Arbeitnehmer zu beschäftigen, diesen in seinem Entschluss, vertragsbrüchig zu werden, bestärken und darin eine gewisse Förderung des Vertragsbruchs liegen kann. Auch das genügt im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung nicht, um die Unlauterkeit des Verhaltens des neuen Dienstherrn zu begründen. Soweit im Schrifttum in diesem Zusammenhang auf die Regelung des § 125 Abs. 1 Satz 2 GewO a.F. hingewiesen worden ist, nach der ein Arbeitgeber, der einen Gesellen oder Gehilfen annahm, von dem er wusste, dass dieser noch einem anderen Arbeitgeber zur Arbeit verpflichtet war, dem früheren Arbeitgeber zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet war (vgl. Piper, GRUR 1990, 643, 647; v. Maltzahn, GRUR 1981, 788, 790), braucht der Frage, ob dem eine sich auch auf das wettbewerbsrechtliche Unlauterkeitsurteil auswirkende Wertung zugrunde lag, nicht (mehr) nachgegangen zu werden. Denn diese Regelung ist durch Art. 1 Nr. 20 des Dritten Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlichen Vorschriften vom 24. August 2002 (BGBl. I S. 3412) mit Wirkung zum 1. Januar 2003 zusammen mit anderen inhaltlich nicht mehr als zeitgemäß angesehenen Vorschriften ersatzlos entfallen (vgl. dazu Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks. 14/8796, S. 16, 26 zu Art. 1 Nr. 20).

III. Auf die Revision der Beklagten zu 2 ist daher das Berufungsurteil insoweit aufzuheben, als zu deren Nachteil entschieden worden ist. Die landgerichtliche Entscheidung mit der Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 2 ist wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Bornkamm Büscher Schaffert Bergmann Kirchhoff Vorinstanzen:

LG Freiburg, Entscheidung vom 08.10.2003 - 12 O 22/03 -

OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 24.06.2004 - 4 U 176/03 -