LG Essen, Urteil vom 09.12.2003 - 18 O 27/03
Fundstelle
openJur 2015, 21560
  • Rkr:
Tenor

Unter Klageabweisung im übrigen wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin

1.

42.692,96 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 59,20 € brutto seit dem 01.08., 01.09., 01.10., 01.11., 01.12.2001, 01.01., 01.02., 01.03., 01.04., 01.05., 01.06., 01.07.2002, aus jeweils 3.226,77 € brutto seit dem 01.08., 01.09., 01.10., 01.11., 01.12.2002, 01.01., 01.02., 01.03., 01.04., 01.05., 01.06., 01.07.2003, aus 3.260,32 € seit dem 01.08.2003 zu zahlen,

2.

beginnend ab August 2003 bis zum letzten Kalendertag jeden Monats und zwar bis zum Monat des Todes der Klägerin jeweils 3.260,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. des Folgemonats zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt, jedoch trägt die Klägerin die durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Bielefeld verursachten Mehrkosten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt eine betriebliche Witwenrente nach ihrem im Januar 2001 verstorbenen Ehemann. Dieser war bis zu seinem Ausscheiden wegen Erreichens der Altersgrenze Vorstandsmitglied der L, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Gemäß § 11 Abs. 1 des Anstellungsvertrages stand dem Ehemann der Klägerin nach Vollendung des 65. Lebensjahres ein Ruhegehalt in Höhe von 50 % des zuletzt bezogenen Jahresgehalts zu, das in monatlichen Raten nachträglich zahlbar war. Das zuletzt vor dem Ableben des Ehemannes der Klägerin an ihn gezahlte Ruhegehalt betrug 5.165,58 €. In § 17 des Anstellungsvertrages vom 29.03.1977 ist der Ehefrau des Vorstandes I eine Witwenrente in Höhe von 60 % des zuletzt gezahlten Ruhegehalts zugesichert. Im Nachtragsvertrag vom 18.06.1986 war vereinbart, dass sich die Versorgungsbezüge jeweils um den Prozentsatz erhöhen, um den sich die Altersrenten aus der gesetzlichen Angestelltenversicherung nach dem jeweiligen Rentenanpassungsgesetz erhöhen. Die Beklagte zahlte bis einschließlich Juni 2002 an die Klägerin 60 % der letzten Bruttoaltersrente des Vorstandes I, nämlich 2.099,35 €. Ab Juli 2002 stellte sie die Zahlungen ein.

Die Klägerin verlangt

für den Zeitraum Juli 2001 bis Juni 2002 im Hinblick

auf die Erhöhung der Renten aus der gesetzlichen

Angestelltenversicherung um 1,91 % monatlich weitere

59,20 €, insgesamt mithin 710,37 €.

Ab Juli 2002 ist eine Erhöhung der gesetzlichen Rente in

der Angestelltenversicherung um 2,16 % eingetreten. Die

Klägerin verlangt für den Zeitraum Juli 2002 bis Juni 2003

mithin 12 x 3.226,77 €, insgesamt 38.721,27 €.

Im Juli 2003 ist eine weitere Erhöhung der gesetzlichen

Rente aus der Angestelltenversicherung in Höhe von

1,04 % eingetreten. Die Klägerin verlangt deshalb für den

Monat Juli 2003 weitere 3.260,32 €.

Damit ergibt sich die bezifferte Klageforderung von 42.691,97 €.

Da die Klägerin befürchtet, dass die Beklagte ohne gerichtliche Entscheidung auch in Zukunft die Versorgungsrente nicht zahlte, begehrt sie die Verurteilung zu monatlich nachschüssig fälligen Zukunftsraten ab August 2003 in Höhe von brutto 3.260,32 €.

Für die Ermittlung der Rechtsverhältnisse der Beklagten (Gewerbeauskünfte und Handelsregisterauszug) hat die Klägerin 38,00 € verauslagt.

Sie beantragt,

die Beklagte zu verurteilen

1.

an die Klägerin 42.692,96 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 59,20 € brutto seit dem 01.08., 01.09., 01.10., 01.11., 01.12.2001, 01.01., 01.02., 01.03., 01.04., 01.05., 01.06. und 01.07.2002, aus jeweils 3.226,77 € brutto seit dem 01.08., 01.09., 01.10., 01.11., 01.12.2002, 01.01., 01.02., 01.03., 01.04., 01.05., 01.06., 01.07.2003, aus 3.260,32 € seit dem 01.08.2003 sowie 38,00 € zu zahlen,

2.

beginnend ab August 2003 bis zum letzten Kalendertag eines jeden Monats, und zwar bis zum Monat des Todes der Klägerin jeweils 3.260,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz und zwar ab dem 01.01. des darauffolgenden Monats zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meinte, die Klägerin müsse sich erhebliches anderes Einkommen anrechnen lassen. Ferner behauptet sie, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse ließen die Rentenzahlung nicht zu. Sie führe mit anderen Gläubigern Vergleichsgespräche über eine Vergleichsquote von 15 %. Ein Insolvenzantrag von dritter Seite sei Anfang 2002 zwar zurückgewiesen worden. In der Hauptversammlung von November 2002 habe jedoch die Verwaltung den Aktionären einen Verlust in Höhe von mehr als die Hälfte des Grundkapitals anzeigen müssen. Wegen der Übernahme der Pensionsverpflichtungen, die sich auf knapp 907.000,00 € beliefen, verhandele sie zur Zeit mit dem Pensionssicherungsverein in L1. Die Verhandlungen seien noch nicht abgeschlossen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und der dazu überreichten Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Zuständigkeit der allgemeinen Zivilgerichte ist gegeben. Die Klageforderung wird aus einem Dienstverhältnis hergeleitet, das kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Arbeitsgerichtsgesetz ist. Der verstorbene Ehemann der Klägerin war als Vorstand der Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht deren Arbeitsnehmer (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsgerichtsgesetz).

Die Klage ist im Wesentlichen begründet. § 14 des Anstellungsvertrages vom 29.03.1977 sichert der Beklagten den Bezug einer lebenslangen Witwenrente in Höhe von 60 % des Ruhegehalts, das der verstorbene Ehemann der Klägerin zur Zeit seines Ablebens bezogen hat. Gemäß § 15 des Nachtragsvertrages vom 18.06.1986 erhöhen sich diese Versorgungsbezüge nach Maßgabe der Erhöhungen in der gesetzlichen Angestelltenversicherung. Unstreitig hat der Ehemann der Klägerin bis zu seinem Ableben eine monatliche Betriebsrente von 5.165,58 € brutto bezogen. Davon standen der Klägerin 60 %, mithin 3.099,35 € zu. Dieser Betrag hat sich entsprechend den Erhöhungen im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung ab 01.07.2001 um 1,91 %, ab 01.07.2002 um weitere 2,16 % und ab 01.07.2003 um 1,04 % erhöht. Da die Beklagte lediglich bis einschließlich Juni des Jahres 2002 monatlich brutto 3.099,35 € gezahlt hat, schuldet sie für den Zeitraum Juli 2001 bis Juni 2002 die von der Klägerin zutreffend errechneten Erhöhungsbeträge von

710,37 €,

für den Zeitraum Juli 2002 bis Juni 2003 den um weitere

2,16 % auf monatlich 3.226,77 € erhöhten Betrag von

insgesamt 38.721,27 €

und ab Juli 2003 den um weitere 1,04 % erhöhten

Monatsbetrag von 3.260,33 €

insgesamt 42.691,97 €.

Den zuletzt genannten Betrag schuldet die Beklagte weiterhin als Leibrente ab August 2003. Da zu erwarten ist, dass die Beklagte ohne gerichtliche Entscheidung Zahlungen nicht leistet, ist die auf zukünftige Leistung gerichtete Klage zulässig. Sie ist auch der Höhe nach begründet, da § 15 des Nachtragsvertrages vom 18.06.1986 lediglich eine Erhöhung, nicht aber eine Verringerung der Rentenansprüche nach Maßgabe der Veränderungen in der gesetzlichen Angestelltenversicherung vorsieht.

Die Einwendungen der Beklagten greifen nicht durch. Die Klägerin muss sich andere Einkünfte nicht anrechnen lassen, da dies vertraglich nicht vereinbart ist. Im Gegensatz zur gesetzlichen Rentenversicherung ist für die vertragliche Betriebsrente die Anrechnung anderer Einkünfte auch nicht gesetzlich vorgeschrieben (vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 10. Aufl., München 2002, § 81, Rdn. 303).

Die Beklagte hat die Versorgungszusage auch nicht wirksam widerrufen. Für den Zeitraum bis zur Widerrufserklärung vom 31.01.2003 kann dieser ohnehin keine Wirksamkeit entfalten. Im Übrigen kommt ein Widerruf nur in Betracht, wenn ein Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vorliegt (vgl. Schaub, a.a.O. Rdn. 335). Nach den von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dazu entwickelten Grundsätzen liegen die Voraussetzungen einer Einstellung oder Kürzung der Hinterbliebenenrente nach diesem Rechtsinstitut nur dann vor, wenn andernfalls der Bestand des Unternehmens gefährdet und die Einstellung der Ruhegehaltszahlung ein sachgerechter Sanierungsbeitrag ist (vgl. BAG AP 154 zu § 242 BGB; BAG BB 89/1902). Diese Umstände macht die Beklagte geltend. Hinzu kommen muss jedoch weiter, dass gleichartige Opfer nicht nur den Ruheständlern und Hinterbliebenen, sondern auch anderen Personen, z.B. Vorständen, leitenden Angestellten und Gesellschaftern zugemutet werden (vgl. BAG AP 154, 167, 175 zu § 222 BGB; DB 86/2029). Dass die Beklagte auch den hier genannten anderen Personenkreisen ähnliche Opfer wie ihren Ruheständlern und Hinterbliebenen zumutet, behauptet sie nicht.

Auch weitere erhebliche Einwendungen hat die Beklagte nicht geltend gemacht.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 BGB.

Soweit die Klägerin Ermittlungskosten in Höhe von 38,00 € geltend macht, ist die Klage unzulässig, da es sich um Prozesskosten handelt, die im Kostenfestsetzungsverfahren einfacher geltend gemacht werden können.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 281 Abs. 3, 709 ZPO.

Zitate0
Referenzen0
Schlagworte