OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 26.05.2015 - 6 W 39/15
Fundstelle
openJur 2015, 10894
  • Rkr:

1. Die durch die Beauftragung eines Anwalts am "Drittort" entstandenen Reisekosten sind nicht allein deshalb erstattungsfähig, weil es sich um den Vertrauensanwalt der Partei handelt; dies gilt auch, wenn die Beauftragung auf die Abmahnung hin vor Klageerhebung erfolgt.

2. Reisekosten, die dadurch entstanden sind, dass ein Verbraucherschutzverband einen nicht am Gerichtsort ansässigen Anwalt beauftragt hat, sind grundsätzlich nicht erstattungsfähig.

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird teilweise dahin abgeändert, dass die Beklagte dem Kläger lediglich 745,08 € nebst Zinsen in der festgesetzten Höhe zu erstatten hat.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen; die Gebühr nach Ziffer 1812 KV-GVG wird auf 30,- € ermäßigt. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Beschwerdewert: 466,52 €

Gründe

Über die Beschwerde war gemäß § 568 ZPO durch den Einzelrichter zu entscheiden, da die in Satz 2 dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.

1.

Die Beschwerde ist unbegründet, soweit sich die Beklagte dagegen wendet, dass die Rechtspflegerin im Rahmen der vorzunehmenden Kostenausgleichung die dem Beklagtenvertreter entstandenen Reisekosten lediglich in Höhe der (fiktiven) Kosten für eine Reise vom Sitz der Beklagten in O1 bis zum Gerichtsort in Frankfurt a. M. als erstattungsfähig angesehen hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. MDR 2012, 191 - Rechtsanwalt an einem dritten Ort, juris-Tz. 9) und des erkennenden Senats (vgl. Beschl. v. 20.3.2012 - 6 W 45/11) sind die einem am „dritten Ort“ ansässigen Rechtsanwalt entstandenen Reisekosten selbst dann regelmäßig nur in dieser Höhe erstattungsfähig, wenn es sich bei diesem Anwalt um den „Vertrauensanwalt“ der Partei handelt. Unerheblich ist, ob sich am Unternehmenssitz der Beklagten in O1 ein auf das Wettbewerbsrecht spezialisierter Rechtsanwalt befindet. Sollte dies nicht der Fall sein, hätte die Beklagte einen solchen Anwalt jedenfalls am Gerichtsort selbst in Frankfurt a. M. finden können. Die unter diesen Umständen erforderliche Anreise der Beklagten zu ihrem Anwalt nach Frankfurt a. M. hätte jedenfalls keine höhere Kosten verursacht als die - dann entfallenden - fiktiven Anreisekosten eines Anwalts von O1 nach Frankfurt a. M..

Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 28.6.2006 (IV ZB 44/05; NJW 2006, 3008). Die Entscheidung betraf einen Sachverhalt, in dem eine bundesweit tätige Versicherung dem später beauftragten Anwalt bereits die Leistungsakten aller streitig werdender Leistungsablehnungen zur selbstständigen Bearbeitung überlassen und damit die Funktion der andernfalls einzurichtenden bzw. personell zu verstärkenden Rechtsabteilung auf den Anwalt ausgelagert hatte. Damit ist die vorliegende Sachverhaltsgestaltung nicht ansatzweise vergleichbar.

Auch das Argument der Beklagten, sie habe bei Erhalt der Abmahnung noch nicht wissen können, ob es überhaupt zu einem Rechtsstreit kommen werde, überzeugt nicht. Denn da mit der Abmahnung die Erhebung einer Klage angedroht worden war, war es aus der Sicht des Abgemahnten in jedem Fall sachgerecht, einen Anwalt an seinem Sitz zu beauftragen. Dies gilt insbesondere, nachdem der abmahnende Verbraucherschutzverband die Klage ohnehin am Sitz der Beklagten erheben musste (§ 14 I 1, II UWG).

2.

Mit Erfolg wendet sich die Beklagte allerdings hilfsweise gegen die von der Rechtspflegerin bejahte Erstattungsfähigkeit der Reisekosten für den - am Sitz des Klägers domizilierenden - Klägervertreter.

Diese Kosten sind nicht erstattungsfähig, weil dem Kläger zuzumuten gewesen wäre, einen Anwalt am Gerichtsort zu mandatieren. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. GRUR 2009, 191 - Auswärtiger Rechtsanwalt VII, juris-Tz. 9), der sich der Senat ungeachtet der Ausführungen im Schriftsatz des Klägers vom 5.5.2015 anschließt, muss ein Verbraucherschutzverein in der Lage sein, in typischen und durchschnittlich schwierigen Fällen einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts schriftlich und fernmündlich zu instruieren. Anhaltspunkte dafür, dass im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Beauftragung des Klägervertreters ausnahmsweise eine persönliche Kontaktaufnahme unverzichtbar erschien, hat der Kläger nicht dargetan.

Die dem Klägervertreter entstandenen Reisekosten von insgesamt 345,91 € waren daher zu einem Anteil von 2/3 (230,66 €) von dem im Rahmen der Kostenausgleichung festgesetzten Erstattungsbetrag von 975,74 € in Abzug zu bringen; dies ergibt den nunmehr festgesetzten Betrag von 745,08 €.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf Ziffer 1812 KV-GVG, § 92 I ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) sind nicht erfüllt.