OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 15.06.2015 - 6 UF 105/15
Fundstelle
openJur 2015, 10892
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag des Antragsgegners auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lampertheim vom 17.04.2015 (1 F 628/14 UE) wird zurückgewiesen.

Gründe

Das Amtsgericht hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 17.04.2015 zur Zahlung monatlichen Trennungsunterhalts in Höhe von zunächst 483,- EUR ab 01.04.2015 sowie sich erhöhenden Beträgen bis zu monatlich 565,- EUR ab Dezember 2015 und zur Zahlung rückständigen Trennungsunterhalts in Höhe von insgesamt 4.505,50 EUR nebst Zinsen an die neben ihrem Studium noch etwas zuverdienende Antragstellerin verpflichtet. Zugleich hat das Amtsgericht gem. § 116 Abs. 3 FamFG auch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Auf den Inhalt des Beschlusses, den der Antragsgegner inzwischen mit der Beschwerde angefochten hat, wird Bezug genommen. Erst nach Verkündung der Entscheidung hat der Antragsgegner mit Einlegung der Beschwerde die Einstellung der Zwangsvollstreckung gem. § 120 Abs. 2 FamFG beantragt. Er hat als Nachteil im Sinne dieser Vorschrift auf Darlehensraten verwiesen, die er bei einer Verpflichtung zum Unterhalt nicht mehr bedienen könne. Das Amtsgericht hat den Antrag zuständigkeitshalber zusammen mit dem Rechtsmittel gegen die Hauptsache an das Oberlandesgericht abgegeben.

Der Antrag ist jedenfalls nicht begründet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der angefochtenen Entscheidung im Rechtsbeschwerdeverfahren "nicht in Betracht", wenn in der Vorinstanz kein Antrag auf Vollstreckungsschutz gestellt worden ist; dies gilt auch seit Einführung des FamFG unter fortwährender Heranziehung des Rechtsgedankens aus dem nicht mehr direkt anwendbaren § 712 ZPO weiter (BGH FamRZ 2013, 1299 mwN). Der 3. Senat für Familiensachen des OLG Frankfurt (FamRZ 2012, 576) hat nicht zuletzt anhand der Entstehungsgeschichte der Neuregelung des Vollstreckungsschutzes in § 120 Abs. 2 FamFG grundlegend ausgeführt, dass der vom BGH ursprünglich für die Revisionsinstanz entwickelte Grundsatz ebenso für das Beschwerdeverfahren in Bezug auf eine gemäß § 116 Abs. 3 FamFG sofort wirksame und damit vollstreckbare Entscheidung aus der ersten Instanz anzuwenden ist, es sei denn, die Gründe, auf die der Einstellungsantrag gestützt wird, lagen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht noch nicht vor oder konnten aus anderen Gründen nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht werden (ebenso OLG Hamm FamRZ 2011, 1678). Letztere Einschränkung gegenüber der zitierten Rechtsprechung des BGH beachtet - insoweit entgegen der Annahme des Beschwerdeführers - auch der Senat, d. h. der Unterschied zwischen Tatsacheninstanz und Rechtsbeschwerdeinstanz, dass neuere Entwicklungen vorgetragen werden können, wird berücksichtigt (vgl. auch OLG Frankfurt am Main, 6 UF 205/14 = BeckRS 2014 22620; dazu differenzierende Besprechung Spieker NzFam 2015, 241). Insoweit läuft § 120 Abs. 2 Satz 3 FamFG mit dem Verweis auf §§ 707, 719 ZPO auch nicht etwa leer bzw. ist nicht generell ausgeschlossen. Im Übrigen bleibt der Senat weiterhin bei der Argumentation, dass nämlich in besonderem Maße bei titulierten Unterhaltsansprüchen die Berücksichtigung der Gläubigerinteressen von Bedeutung ist, da die Vollstreckungsmöglichkeiten aus Titeln, welche regelmäßig den Lebensunterhalt des Gläubigers sicherstellen, mit der Regelung des FamFG gestärkt werden sollten, wie aus § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG deutlich wird (OLG Frankfurt aaO). Folgte man der Gegenauffassung (OLG Düsseldorf FamRZ 2014, 870; OLG Brandenburg FamRZ 2014, 866 mit insoweit zust. Anm. Griesche NzFam2014, 559; OLG Bremen FamRZ 2011, 322) würde die Grundentscheidung über das Zurücktreten der Vorrangigkeit des Vollstreckungsinteresses des Gläubigers regelmäßig an den Anfang der neu mit der Sache befassten nächsten Instanz verlagert, obwohl nach der gesetzgeberischen Intention über den Vollstreckungsschutz, sei es nach § 712 ZPO oder § 120 Abs. 2 S. 2 FamFG, grundsätzlich in der Instanz entschieden werden soll, die allgemein über die Vollstreckbarkeit zu befinden hat und sich insoweit auch bereits mit der Sach- und Rechtslage ausführlich befassen konnte (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2012, 576, das im weiteren auch überzeugend begründet, weshalb die Prüfung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltschuldners in der Hauptsache, die sowieso erstinstanzlich danach gesondert zu prüfenden Voraussetzungen des § 116 Abs. 3 FamFG und schließlich die nur auf Antrag und Glaubhaftmachung eines nicht zu ersetzenden Nachteils für den Gläubiger zu prüfenden Voraussetzungen für Vollstreckungsschutz keineswegs gleichzusetzen sind und deswegen eine rein schematische Zurückweisung solcher Anträge des Schuldners nicht zu erwarten wäre).

Da es sowohl im Beschwerdeverfahren als auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz bei der einstweiligen Einstellung der Vollstreckung aus der Entscheidung der Vorinstanz im Wesentlichen nur um die gleich gelagerte antragsabhängige Prüfung eines glaubhaft zu machenden nicht zu ersetzenden Nachteils für den Gläubiger gemäß § 120 Abs. 2 FamFG geht, überzeugt die Gegenauffassung (aaO) auch mit ihrer Differenzierung zwischen Tatsachen- und Rechtsbeschwerdeinstanz insoweit nicht. Vielmehr kommt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wegen der Gleichheit der Interessenlage der Beteiligten eine über das Rechtsbeschwerde- bzw. Revisionsverfahren hinausgehende allgemeine Bedeutung zu, die auch die zweite Instanz betrifft (OLG Frankfurt aaO unter Bezugnahme auf OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.09.2003, 4 U 154/03). Die Gegenauffassung (aaO) kann sich auch nicht auf eine vermeintliche Differenzierung in den Gründen der Entscheidung des BGH (aaO) stützen, der nämlich nur auf die (unstreitig bestehende) Möglichkeit eines beim OLG zu stellenden Vollstreckungsschutzantrags gegenüber der dort anstehenden eigenen Entscheidung abstellt und nicht etwa auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung gegenüber der erstinstanzlichen Entscheidung (siehe zu dieser notwendigen Unterscheidung auch: BGH, Beschluss v. 2.7.2014, XII ZR 65/14 = NJW-RR 2014, 969; Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 11. Auflage 2015, § 120 Rn. 6). Soweit der Beschwerdeführer speziell in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass die erstinstanzliche Entscheidung nach seiner Auffassung in verschiedenen Punkten falsch sei bzw. seinen Vortrag nicht ausreichend beachte, ist die Lage jedenfalls auch im Rechtsbeschwerdeverfahren beim BGH nicht anders, wenn dort die Entscheidung eines OLG mit solchen Gründen angegriffen wird.

Vorliegend hat der Antragsgegner als einen eventuell maßgeblichen Nachteil zunächst lediglich darauf hingewiesen, dass er die Ratenzahlungen gegenüber anderen Gläubigern nicht länger bedienen könne, wenn er den Unterhalt zahlen müsste. Damit hat sich allerdings die angefochtene Entscheidung bereits ausführlich auseinandergesetzt, was an den unterschiedlichen Monatsbeträgen je nach Beginn und Ende der anerkannten Darlehensraten abzulesen ist. Dass geltend gemachte Zurückbehaltungsrechte gegenüber dem Unterhalt nicht anerkannt worden sind und die Unterhaltszahlungen an die Mutter des Antragsgegners wegen Nachrangs nicht berücksichtigt worden sind, wäre selbst nach der Gegenauffassung, die dem § 120 Abs. 2 FamFG einen größeren Anwendungsbereich zuweist, für eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht ausreichend.

Es bleibt somit allein der neu vorgetragene - und gegebenenfalls auch im hier vertretenen eingeschränkten Anwendungsbereich von § 120 Abs. 2 FamFG zu beachtende - Gesichtspunkt einer erheblich niedrigeren Leistungsfähigkeit des Antragsgegners wegen zwischenzeitlicher Lohnabsenkung zu prüfen. Insoweit ist allerdings festzustellen, dass sich dieser Vortrag mit der vorgelegten neuen Lohnbescheinigung gerade nicht belegen lässt. Aus dieser Bescheinigung ergibt sich sogar eine - wenn auch nur geringfügige - Erhöhung der Grundvergütung des Antragsgegners. Zwar hat der Antragsgegner in den ersten fünf Monaten des Jahres 2015 tatsächlich mit monatlichen Auszahlungsbeträgen von durchschnittlich 2.069,52 EUR etwas weniger bekommen als die in der angefochtenen Entscheidung als Jahresdurchschnitt zugrunde gelegten monatlichen Auszahlungen von 2.214,25 EUR. Das liegt allerdings allein daran, dass die jährliche Sonderzahlung, die in den Monatsdurchschnitt einfließen muss und im November 2014 brutto 3.035,77 EUR betrug, in der Maibescheinigung 2015 noch nicht enthalten ist. Eine erhebliche Lohnabsenkung 2015 gegenüber dem vom Amtsgericht errechneten Betrag ist deshalb nicht glaubhaft gemacht und von daher ist auch kein aus diesem Gesichtspunkt neuer nicht zu ersetzender Nachteil bei vorläufiger Beibehaltung der Unterhaltsbeträge dargetan. Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der erstinstanzlichen Entscheidung wegen etwaiger neuer glaubhaft gemachter Tatsachen kommt deshalb nicht in Betracht. Da letzterer Gesichtspunkt allerdings zu prüfen war, ist der Antrag nicht als unzulässig zu verwerfen (insoweit entgegen OLG Frankfurt FamRZ 2012, 576), sondern als unbegründet zurückzuweisen (BGH aaO; OLG Frankfurt am Main, 6 UF 205/14 = BeckRS 2014, 22620).

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde, wie vom Beschwerdeführer angeregt, ist im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich (§ 70 Abs. 4 FamFG; Keidel/Weber, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 120 Rn. 18b).