AG Kassel, Urteil vom 11.06.2015 - 435 C 985/14
Fundstelle
openJur 2015, 10866
  • Rkr:

Um die Sittenwidrigkeit des Honorars für eine Partnerschaftsvermittlung im Sinne des § 138 BGB feststellen zu können, bedarf es hinsichtlich desKriteriums des Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung der eingehenden Darlegung der Marktverhältnisse. Daran fehlt es, wenn bei einem Honorar von 833,33 Euro pro Vermittlungsvorschlag ledigleich auf zwei ältere Entscheidungen von Instanzgerichten einer anderen Region verwiesen wird, denen nicht unerheblich höhere Honorare zugrunde lagen.

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.800,00 € seit dem 18.09.2013 bis zum 08.07.2014 und aus 800,00 € seit dem 09.07.2014 bis zum 25.07.2014 sowie weitere 255,85 € zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 3/5 und die Beklagte 2/5 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Zwangsvollstreckung der jeweiligen Gegenpartei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Rückzahlung von Honorar für einen Partnerschaftsvermittlungsvertrag.

Am 22.03.2013 schlossen die Parteien in der Wohnung des Klägers nach einer am 18.03.2013 bereits erfolgten Beratung einen Vertrag, in dem sich die Beklagte verpflichtete, dem Kläger drei Partnervorschläge zu unterbreiten. Der Preis hierfür wurde von den Parteien auf 2.500,00 € inklusive Umsatzsteuer festgesetzt, die der Kläger sofort bezahlte. Er erhielt von der Mitarbeiterin … der Beklagten hierüber eine Quittung vom selben Tage, auf deren Rückseite eine Widerrufsbelehrung aufgedruckt ist. Wegen des Wortlautes wird auf den Inhalt von Bl. 78 d.A. Bezug genommen. Nachdem der erste Vorschlag seitens der Beklagten nicht die Zustimmung des Klägers fand, erklärte er mit E-Mail vom 22.04.2013, er „kündige den [...] Vertrag mit sofortiger Wirkung“. Auf diese Kündigung ließ sich die Beklagte zunächst nicht ein und bezahlte insbesondere die ursprünglich klägerseits geforderten 1.500,00 € nicht zurück. Mit Anwaltsschreiben vom 03.09.2013 ließ der Kläger den Widerruf des Vertrages erklären und begehrte mit Frist zum 17.09.2013 die volle Vertragssumme zurück.

Der Kläger meint, seine Erklärung vom 22.04.2013 sei als Widerruf im Rechtssinne zu verstehen. Die Widerrufsbelehrung auf der Quittung genüge formal und inhaltlich nicht den Anforderungen. Darüber hinaus sei der Vertrag vom 22.03.2013 sittenwidrig und wucherisch. Deswegen sei der volle Vertragspreis zurückzugewähren. Weiter begehrt er die Erstattung seiner vorgerichtlich angefangenen Rechtsanwaltskosten.

Nach Zustellung der Klage bezahlte die Beklagte dem Kläger am 08. und 25.07.2014 in zwei Teilbeträgen insgesamt 1.800,00 € zurück.

Der Kläger beantragt unter Erklärung der ursprünglich in Höhe von 2.500,00 € erhobenen Klage im Übrigen für in der Hauptsache erledigt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 700,00 € nebst Zinsen aus 2500,00 € in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.09.2013 sowie weitere 334,75 € zu bezahlen.

Die Beklagte schließt sich der Erledigungserklärung in Höhe von 800,00 € an und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie geht von einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung aus. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit habe der Kläger nicht vorgebracht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Mit am 14.08.2014 zugestellter Verfügung vom 11.08.2014 hat das Gericht die Beklagte darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der Teilerledigungserklärung des Klägers eine Entscheidung nach § 91a ZPO erfolge, wenn nicht binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung der Erledigungserklärung widersprochen werde. Die Beklagte hat hierauf nicht reagiert.

Gründe

Die Klage hat hinsichtlich der verbliebenen Hauptforderung keinen Erfolg.

Zwischen den Parteien ist kein Rückabwicklungsschuldverhältnis aufgrund eines Widerrufs gem. § 312 Abs. 1 Nr. 1 BGB (in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 22.03.2013 geltenden Fassung) entstanden. Denn es fehlt an einem rechtzeitigen Widerruf i.S.d. § 355 BGB a.F.. Die Kündigungserklärung des Klägers vom 22.04.2013 erscheint zwar einer Umdeutung als Widerruf zugänglich. Das Gericht braucht jedoch darüber keine abschließende Entscheidung zu treffen, weil diese Erklärung verspätet war.

Nach § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. beträgt die Widerrufsfrist 14 Tage, wenn spätestens bei Vertragsschluss eine den Anforderungen des § 360 Abs. 1 BGB a.F. entsprechende Widerrufsbelehrung dem Verbraucher mitgeteilt worden ist. Inhaltlich genügt die Widerrufsbelehrung den Anforderungen der Vorschrift jedenfalls dann, wenn sie textlich der Anlage 1 zum EGBGB entspricht, § 360 Abs. 3 BGB a.F.. Dies ist hier der Fall. Der Wortlaut der Anlage 1 zum EGBGB ist in der vorgelegten Widerrufsbelehrung wiedergegeben, sofern er zu dem hier geschlossenen Vertrag passt. Es fehlen lediglich diejenigen Textteile, die - wie unschwer zu erkennen ist - andere Vertragstypen betreffen, beispielsweise solche über Warenlieferungen. Die Erteilung der Widerrufsbelehrung auf der Rückseite der Empfangsquittung begegnet keinen formalen Bedenken. § 360 BGB a.F. enthält keine Vorschrift, die eine solche körperliche Kombination untersagt hätte.

Konsequenz der Aushändigung dieser Widerrufsbelehrung, welche unstreitig am 22.03.2013 vorgenommen wurde, ist der Beginn der Widerrufsfrist. Diese lief folglich am 05.04.2013 ab und war bei Absendung der Erklärung vom 22.04.2013 bereits gestrichen. Dies gilt erst recht für die Wiederholung des Widerrufs mit Anwaltsschreiben vom 03.09.2013.

Der Vertrag vom 22.03.2013 ist auch nicht sittenwidrig oder wucherisch i.S.d. § 138 BGB.

Sittenwidrigkeit liegt dann vor, wenn ein Vertrag gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Das Gesetz nennt bereits einige Fallgruppen, in denen Sittenwidrigkeit angenommen werden kann. Beispielsweise ist daran zu denken, dass ein Rechtsgeschäft dann sittenwidrig ist, wenn eine Zwangslage oder die Unerfahrenheit eines Vertragspartners ausgenutzt wird.

Hinreichende Anhaltspunkte hierfür hat der Kläger bereits nicht dargetan. Allein der Umstand, dass der Vertragsschluss in seinen Wohnräumen stattfand, spricht nicht - für sich besehen - für die Ausnutzung einer Situation. Dagegen spricht insbesondere, dass bereits ein erstes Vertragsanbahnungsgespräch zwischen den Parteien wenige Tage zuvor am 18.03.2013 stattgefunden hatte, der Kläger mithin auch Bedenkzeit rein faktisch hatte. Die spricht insbesondere gegen ein so genanntes Überrumpelungsmoment. Auch ist nicht erkennbar, dass der Kläger etwa aufgrund seines Alters nicht mehr in der Lage gewesen wäre, die Rechtsfolgen des Vertragsschlusses hinreichend sicher einzuschätzen. Jedenfalls lässt sich bereits aus dem Klägervorbringen solches nicht entnehmen.

Auch für ein etwaiges grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung hat der Kläger keinen hinreichenden Vortrag gehalten. Ein solches Missverhältnis kann dann angenommen werden, wenn unter Berücksichtigung objektiver Gesichtspunkte typisch vernünftigerweise ein deutlich geringeres Entgelt für die versprochene bzw. erbrachte Leistung entrichtet wird. Dabei kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass der ihm unterbreitete Vorschlag lediglich stereotype Formulierungen aufweise. Formulierungen der Art, wie sie sich hier finden (auf Bl. 9 d.A. wird Bezug genommen), sind dem erkennenden Gericht aus einer Vielzahl an Verfahren über Partnerschaftsvermittlungsverträge bekannt. Der Kläger hat darüber hinaus nicht dargetan, dass darüber hinausgehende Informationen erforderlich sind. Der vom Kläger vorgelegte Vorschlag enthält Kontaktdaten, Informationen über Äußerlichkeiten, Charaktereigenschaften und Freizeitbeschäftigungen des vorgeschlagenen potentiellen Partners, die eine Auswahlentscheidung ebenso zulassen wie einen Abgleich mit den im Vermittler gegebenen Anforderungen an ein Partnerprofil.

Darüber hinaus sind Partnerschaftsvermittlungsverträge jedoch dadurch gekennzeichnet, dass ein der äußeren Form nach vergleichsweise einfaches Erscheinungsbild der Partnervorschläge (wie es bei dem hier präsentierten Vorschlag möglicherweise der Fall sein mag) regelmäßig mit vergleichsweise hohen Entgelten vergütet wird. Dies liegt unter anderem auch darin begründet, dass mit sensiblen Daten umgegangen wird und der Partnerschaftsvermittler auch Diskretion gegenüber den zu vermittelnden beteiligten Personen schuldet.

Um ein Missverhältnis im Sinne der Norm feststellen zu können, bedarf es vor diesem Hintergrund der Kenntnis und damit des Vortrages der üblichen Verhältnisse. Daran fehlt es. Auch nach dem Hinweis im Termin vom 23.04.2015 hat der Kläger seinen Vortrag nicht entsprechend ergänzt. Er begnügt sich mit dem Hinweis auf zwei Entscheidungen anderer Gerichte. Dies vermag nicht zu genügen, weil das konkrete Marktgeschehen auch im Hinblick auf regionale Besonderheiten maßgeblich ist, um ein solches Missverhältnis feststellen zu können. Hinzu kommt, dass der Zeitablauf von vier bzw. sechs Jahren zwischen den klägerseits erwähnten Gerichtsentscheidungen und dem Vertragsschluss zu berücksichtigen ist, in dem eine Änderung der Wertigkeit der Leistung eines Partnerschaftsvermittlers eintreten kann. Schließlich liegen die genannten Beträge jener Entscheidungen (942,50 € bzw. 1.250,00 €) nicht unerheblich über dem hier für einen Vermittlungsvorschlag geschuldeten anteiligen Betrag von 833,33 €. Insbesondere aber lässt sich lediglich aus der Kenntnis zweier möglicherweise ähnlich gelagerter Vorgänge nicht hinreichend sicher darauf schließen, dass diese das Marktgeschehen repräsentieren. Jedenfalls hat der Kläger solches nicht vorgetragen, geschweige denn an Beispielen belegt.

Aus denselben Erwägungen kann auch ein wucherisches Rechtsgeschäft nicht angenommen werden, weil eine Feststellung, dass das hier geforderte Entgelt das Marktniveau um 100 % (wie es gemeinhin gefordert wird, s. Palandt/Ellenberger, § 138 BGB Rdnr. 67) überstiegen wird, mit dem Klagevorbringen nicht getroffen werden kann.

Schließlich führt die Kündigung des Vertrages vom 22.03.2013 nicht dazu, dass dem Kläger das gesamte bezahlte und vereinbarte Honorar zurückzugewähren ist. Zwar ist die Erklärung des Klägers wenn nicht als Widerruf, so doch zumindest als Kündigung i.S. des § 627 BGB zu verstehen. Die Beklagte selbst ist dem inhaltlich nicht entgegengetreten, da sie offenbar selbst auch von der Anwendung dieser Vorschrift ausgeht. Rechtsfolge einer solchen Kündigung ist jedoch der Anspruch des Dienstverpflichteten, hier der Beklagten, nach § 628 Abs. 1 BGB auf denjenigen Teil der vereinbarten Vergütung, der den bislang erbrachten Leistungen entspricht. Da die Beklagte hier unstreitig einen Vorschlag dem Kläger unterbreitet hatte, ist insoweit eine Teilvergütung geschuldet. Bei einer idealen Teilung des gesprochenen und vereinbarten Honorars von 2.500,00 € beträfe dies einen Anteil in Höhe von 833,33 €. Da jedoch nach den Rückzahlungen der Beklagten in Höhe von insgesamt 1.800,00 € nur noch ein Betrag von 700,00 € streitbefangen ist, kann der Kläger nichts mehr zurück verlangen. Denn der Anteil für den erfolgten Vorschlag liegt über dem noch geforderten Restbetrag.

Da dem Kläger solcher Maßnahmen nach den bereits erfolgten Teilzahlungen der Beklagten eine Hauptforderung nicht mehr zusteht, hat dies auch Auswirkungen auf seinen Zinsanspruch. Zinsen kann er gemäß §§ 280, 286, 288 BGB nur auf die erfolgten Teilzahlungen verlangen. Unstreitig befindet sich die Beklagte seit dem 18.09.2013 in Verzug, der mit den Zahlungen am 08. und 25.07.2014 endete.

Unter Verzugsschadensersatzgesichtspunkten kann der Kläger weiterhin die Erstattung seiner vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten verlangen, jedoch nur in Höhe eines Gegenstandswertes, der seiner berechtigten Forderung entspricht. In Verzug hatte sich die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 24.04.2013 selbst gesetzt, das sie eine Rückzahlungspflicht schlechterdings in Abrede stellte (Selbstmahnung). Da die Rückforderung des Klägers nur in Höhe von 1.800,00 € berechtigt war, können die Anwaltskosten auch nur aus diesem Wert berechnet werden. Unter Berücksichtigung einer 1,3-fachen Gebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG zzgl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer führt dies zu einem erstattungsfähigen Betrag in Höhe von 255,85 €.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91a, 92 Abs. 1 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben bzw. die Zustimmung zur Erledigung gemäß § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO als erklärt gilt, weil die Beklagte auf die entsprechende Belehrung des Gerichts vom 11.08.2014 geschwiegen hat, ist insoweit über die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei ist der Sach- und Streitstand zu berücksichtigen. Dies führt hinsichtlich dieses Teils des Rechtsstreits zu Kostenlast der Beklagten, da sie sich durch nachträgliche Erfüllung in die Rolle des Unterlegenen begeben hat, ohne dass Anhaltspunkte ersichtlich sind, die eine Bewertung im Sinne des § 93 ZPO (sofortiges Anerkenntnis) nahe legen. Denn die Beklagte befand sich zum Zeitpunkt der Zahlung bereits seit geraumer Zeit in Verzug. Bei der Bildung der Kostenquote war weiterhin zu berücksichtigen, dass die Terminsgebühr gemäß Nummer 3104 VV RVG nur noch aus einem Streitwert in Höhe von 700,00 € angefallen ist.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird für die Zeit bis zum 08.08.2014 auf 2.500,00 € und für die Zeit danach auf 700,00 € festgesetzt.