OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 08.01.2015 - 6 U 152/14
Fundstelle
openJur 2015, 10796
  • Rkr:

1. Zu den "im Gesundheitswesen tätigen Personen" im Sinne von § 11 I 1 Nr. 2 HWG zählen nur Ärzte, Apotheker und sonstige Personen, die mit Arzneimitteln erlaubterweise handeln, nicht dagegen sog. "Firmenexperten".

2. Ob ein Werbespot die Empfehlung eines Arzneimittels durch eine im Gesundheitswesen tätige Person enthält, beurteilt sich aus der Sicht des Werbeadressaten, der den Spot mit situationsadäquater Aufmerksamkeit verfolgt; dies gilt insbesondere für die Frage, ob die auftretende Person als Apotheker oder als "Firmenexperte" angesehen wird.

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 05.06.2014 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Gründe

I.

Das Landgericht hat es der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt, für WICK Schleimlöser Einmal Täglich Retardkapseln mit der Abbildung einer als solche bezeichneten „WICK® Expertin“ wie in dem nachfolgend abgebildeten Storyboard des aktuellen TV-Spots geschehen, der als Anlage auf CD-ROM beigefügt ist, zu werben und/oder werben zu lassen:

0:15„Bei festsitzendem Husten …

0:16… gibt es jetzt die neuen …

0:20… WICK Schleimlöser Retardkapseln

0:24Den ganzen Tag wirksam – mit nur einer Kapsel.“

Es hat diese im Beschlusswege erlassene einstweilige Verfügung auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hin bestätigt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin.

Von einer weiteren Darstellung des Tatbestands wird abgesehen (§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO).

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Verfügungsanspruch folgt aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG darf außerhalb der Fachkreise für Arzneimittel nicht geworben werden mit Angaben oder Darstellungen, die sich auf eine Empfehlung von im Gesundheitswesen tätigen Personen beziehen.

Der streitgegenständliche Werbespot zeigt nach der insoweit maßgeblichen Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise eine im Gesundheitswesen tätige Person.

Während die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG a.F. an eine „fachliche Empfehlung“ anknüpfte, nennt § 11 in der seit dem 19.10.2012 geltenden Fassung einen bestimmten Personenkreis, von dem die Empfehlung stammen muss. Der Begriff „fachlich“ nach altem Recht entsprach in subjektiver Hinsicht dem des „Fachkreises“ im Sinne von § 2 HWG. Der Begriff wird, entsprechend dem Regelungsgegenstand des HWG, der über Arzneimittel weit hinausgeht, weit ausgelegt. Erfasst werden die Angehörigen der Heilberufe und des Heilgewerbes und auch Einrichtungen, die der Gesundheit von Mensch oder Tier dienen (BT-Ds IV/1867, Seite 7; wiedergegeben bei Gröning, HWG, Rdn. 2 zu § 2). § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HWG n.F. dient der Umsetzung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel.

Dort heißt es in Artikel 90 lit. f:

„Die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel darf keine Elemente enthalten, die

f) sich auf eine Empfehlung von Wissenschaftlern, von im Gesundheitswesen tätigen Personen oder von Personen beziehen, die weder Wissenschaftler noch im Gesundheitswesen tätige Personen sind, die aber aufgrund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch anregen können; …“

Was unter „im Gesundheitswesen tätigen Personen“ im Sinne dieser Richtlinie zu verstehen ist, ergibt sich aus Artt. 6, 7 der Richtlinie. Das sind die zur Verschreibung oder Abgabe von Arzneimittel Berechtigten. Der Begriff entspricht dem eingeschränkten Fachkreisbegriff in Art. 10 Abs. 1 HWG (Bülow/Ring, Heilmittelwerbegesetz, 3. Auflage, § 2 Rdn. 2, § 10 Rdn. 11; Gröning a.a.O., § 11 Rdn. 19, die hier in Bezug genommene RL 92/28/EWG entspricht in ihrer Terminologie der RL 2001/83/EG). Erfasst sind mit anderen Worten Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker und Personen, die mit Arzneimittel erlaubterweise Handel treiben, nicht dagegen sogenannten „Firmenexperten“.

In dem streitgegenständlichen Werbespot wird Hannelore S. zwar als „Wick-Expertin“ bezeichnet. Auf ihrem Kittel befindet sich ein kleiner Aufnäher, auf dem der Name „Wick“ steht. Außerdem ist in der linken Bildschirmhälfte mit weißer Schrift eingeblendet:

„Hannelore S.Wick Expertin“.

Gleichwohl vermittelt der Werbespot in seiner Gesamtheit gegenüber dem verständigen Werbeadressaten, der den Spot mit situationsadäquater Aufmerksamkeit verfolgt, den Eindruck, bei Hannelore S. handele es sich um eine Apothekerin oder eine Apothekenangestellte.

Auf die Szene mit der Expertin entfallen zehn Sekunden des Werbespots. Sie wird dominiert von der Person der Hannelore S., die dem Fernsehzuschauer mitteilt, bei festsitzendem Husten gebe es jetzt die neuen Wick-Schleimlöser Retardkapseln, die den ganzen Tag wirksam seien. Die in weißer Schrift auf der linken Bildschirmhälfte eingeblendete Information, dass es sich bei Hannelore S. um eine Wick-Expertin handelt, fällt dem durchschnittlich aufmerksamen Fernsehzuschauer, der Werbespots keine große Aufmerksamkeit entgegenbringt, kaum auf. Das gilt auch für den Umstand, dass es sich bei den Produkten, die sich in dem Regal hinter der Expertin befinden, ausschließlich um Wick-Produkte handelt. Dadurch, dass die mit einem weißen Kittel bekleidete Expertin das Arzneimittel aus dem Regal nimmt und auf die Verkaufstheke stellt, wird die typische Verkaufssituation in einer Apotheke simuliert. Selbst wenn man unterstellt, ein relevanter Anteil der Fernsehzuschauer erkenne, dass in dem Regal hinter der Theke nur Wick-Produkte ausgestellt sind, steht dies der Annahme einer Apotheken-Situation nicht entgegen. In vielen Apotheken werden hinter der Theke verschiedene Arzneimittel eines bestimmten Herstellers ausgestellt, wenn diese besonders häufig nachgefragt werden.

Auch das Tatbestandsmerkmal der „Empfehlung“ ist erfüllt. Wie der Senat bereits entschieden hat (GRUR-RR 2014, 410 - Ciclopoli), reicht es nach der Entscheidung „Euminz“ des BGH (GRUR 2012, 1058 Tz. 15) für die Bejahung einer Empfehlung im Sinne des Art. 90 lit. f der Richtlinie aus, dass die Aussage geeignet ist, bei ihren Adressaten eine den Arzneimittelverbrauch anregende Wirkung zu erzeugen. Der Begriff „Empfehlung“ muss in der Werbung nicht ausdrücklich verwendet werden. Ein Hinweis auf eine Empfehlung kann auch in verdeckter, das heißt sinngemäßer oder auch nur unterschwelliger und damit für den angesprochenen Verkehr nicht ohne weiteres erkennbarer Form erfolgen (BGH, a.a.O. Tz. 14). Zwar lag der Entscheidung „Euminz“ noch § 11 HWG a.F. zugrunde. Der BGH hat jedoch ausdrücklich eine richtlinienkonforme Auslegung vorgenommen.

Soweit die Antragsgegnerin meint, es fehle am Tatbestandsmerkmal der Empfehlung, weil Hannelore S. lediglich darüber informiere, dass es bei festsitzendem Husten jetzt auch die neuen Wick-Schleimlöser Retardkapseln gebe, und in dem Zusammenhang auf das OLG Köln (GRUR-RR 2013, 269) verweist, ist ihr nicht zu folgen. Das OLG Köln hat entschieden, dass nicht jegliche, einer Arzneimittelwerbung immanente, positive Darstellung, die den Verbraucher zum Erwerb und zur Einnahme des beworbenen Präparats anregt, als Empfehlung angesehen werden kann. Ein Arzneimittel werde deshalb nur empfohlen, wenn die werbliche Anpreisung den weitergehenden Rat gegenüber dem Verbraucher beinhaltet, das Präparat zur Behandlung eines Leidens zu verwenden. Selbst wenn man dem folgt, wäre hier der Tatbestand einer Empfehlung erfüllt. Denn der Fernsehzuschauer versteht die Aussage der Hannelore S. dahin, dass er bei festsitzendem Husten die neuen Wick-Schleimlöser Retardkapseln einnehmen solle. Unterstrichen wird dieser Eindruck dadurch, dass Hannelore S. eine Packung dieser Kapseln aus dem Regal nimmt und auf den Verkaufstisch stellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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