AG Euskirchen, Urteil vom 21.02.2014 - 23 C 82/13
Fundstelle
openJur 2015, 15677
  • Rkr:
Tenor

hat das Amtsgericht Euskirchenauf die mündliche Verhandlung vom 06.12.2013durch die Richterin am Amtsgericht Dr. I.-N.

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 113,05 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.04.2013 sowie 39,00 € vorgerichtliche Kosten zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt einen Brennstoffhandel mit Sitz in M.. Sie bietet ihre Ware u.a. über das Internet-Portal HeizOel24.de an.

Am 25.02.2013 bestellte die Beklagte über das Portal HeizOel24.de 1.200 Liter Heizöl Standard für eine Lieferstelle in der M.straße in F. zum Gesamtpreis von 1.063,72 €. Diese Bestellung wurde von dem Portal an die Klägerin als Vertragspartnerin weitergeleitet und der Beklagten am selben Tag schriftlich bestätigt.

In den Allgemeinen Nutzungs- und Geschäftsbedingungen für Heizölbestellungen/Dieselbestellungen über HeizOel24 (Anlage K3, Bl. 11 ff der GA) heißt es u.a.:

"§ 2 Vertragsabschluss/Widerruf

[...] Unter Bezugnahme auf § 312 d Abs. 4 Nr. 6 BGB (Deutschland) bzw. § 5 f Nr. 2 KSchG (Österreich) besteht bei Heizöl-/Dieselbestellungen kein allgemeines 14tägiges Widerrufsrecht für private Verbraucher. Der vereinbarte Literpreis gilt bis zur Lieferung des Heizöls / Diesels. Egal, wie sich der Ölpreis in der Zwischenzeit entwickelt. [...].

§ 6 Nachträgliche Stornierung rechtsgültiger Lieferverträge beim Partnerhändler

Sofern der Käufer bei seitens eines Partnerhändlers bereits bestätigten Aufträgen den Vertrag storniert, hat der jeweilige Partnerhändler Anspruch auf angemessene Entschädigung. Diese beläuft sich pro storniertem Auftrag auf 15 % vom Warenwert, mindestens jedoch 95,00 € (in der Schweiz Franken) zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer. Dem Käufer wird ausdrücklich gestattet nachzuweisen, dass im konkreten Fall ein Schaden nicht entstanden ist oder der Schaden wesentlich geringer ist als die vorgesehene Pauschale. [...].

Die Beklagte lehnte die angebotene Belieferung ab. Mit Datum vom 18.03.2013 übersandte die Klägerin der Beklagten eine Rechnung für einen pauschalen Schadenersatz in Höhe von insgesamt 113,05 € (95,00 € zzgl. 19 %MwSt.). Mit Schreiben vom 04.04.2013 widerrief die Beklagte durch ihren Prozessbevollmächtigten den Vertrag und machte deutlich, dass eine Zahlung nicht erfolgen würde (Bl. 17 ff. der GA). Zugleich teilte Sie mit, dass sie auf Grund des Widerrufs auch nicht zur Zahlung der Stornogebühr verpflichtet sei. Der darauf folgenden Zahlungsaufforderung der Klägerin vom 16.04.2013 mit Zahlungsfrist bis zum 30.04.2013 kam die Beklagte nicht nach.

Die Klägerin behauptet, zur Forderung des Schadensersatzes in vorgenannter Höhe berechtigt zu sein. Dazu führt sie aus, dass ein wirksamer Vertrag zwischen den Parteien geschlossen worden sei und diesem die AGB des Portals HeizOel24.de zugrunde lägen. Die Berechtigung zur Geltendmachung der Stornopauschale ergebe sich aus § 6 der AGB. Dem stehe nach Meinung der Klägerin auch nicht der Widerruf der Beklagten entgegen. Dieser sei schon aufgrund des § 2 der AGB unerheblich, da das Widerrufsrecht unter Verweis auf § 312 d Abs. 4 Nr. 6 BGB ausgeschlossen worden sei.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 113,05 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.04.2013, sowie 39,00 € vorgerichtliche Kosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe bereits am 26.03.2013 - dem Tag nach der Bestellung des Heizöls - per E-Mail einen Widerruf an die Klägerin gesendet. Sie ist der Ansicht, dass damit der Vertrag mit der Klägerin unwirksam geworden sei und keine Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Klägerin bestünden. Die Beklagte ist dabei der Auffassung, dass ihr ein solches Widerrufsrecht auch zustünde, da der Ausschluss des Widerrufsrechts gem. § 312 d Abs. 4 Nr. 6 BGB hier nicht greife. Da sie unzutreffend über ihr Widerrufsrecht belehrt worden sei, sei auch der Widerruf durch ihren Prozessbevollmächtigten unter dem 04.04.2013 noch rechtzeitig gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 06.12.2013 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch Schadensersatz in Höhe von 113,05 € gemäß §§ 433 Abs. 2, 437 Nr. 3, 280 BGB i.V.m. § 6 der AGB.

Zwischen den Parteien wurde mittels des Online-Portals HeizOel.24 nebst telefonischer Bestätigung ein Kaufvertrag über 1.200 l Heizöl zum Preis von 1.063,72 € geschlossen. In diesen Kaufvertrag sind unstrittig die AGB der Klägerin einbezogen worden.

Der Kaufvertrag ist nicht wirksam widerrufen worden. Daher kann es dahinstehen, ob der Widerruf erst am 04.04.2013 oder bereits am 26.02.2013 erfolgt ist.

Der Beklagten steht nämlich ein Widerrufsrecht nicht zu. Zwar trifft es unzweifelhaft zu, dass hier ein Fernabsatzvertrag i.S.d. § 312 d Abs. 1 BGB geschlossen worden ist. Die Bestellung durch die Beklagte erfolgte über das Internet. Die Bestätigung durch die Klägerin erfolgte telefonisch. Der Kläger ist Unternehmer und die Beklagte Verbraucherin im Sinne des § 13 BGB.

Allerdings ist das Widerrufsrecht nach § 312 d Abs. 4 Nr. 6 BGB ausgeschlossen.

Nach § 312 d Abs 4 Nr. 6 BGB setzt der Ausschluss des Widerrufsrechts voraus, dass der Preis der Ware oder Finanzdienstleistung von Schwankungen des Finanzmarkts abhängig ist, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist bislang in zwei bekannt gewordenen Entscheidungen gegensätzlich bewertet worden.

a) Nach wohl herrschender Meinung ist § 312 d Abs. 4 Nr. 6 BGB auf Verträge über Heizöl nicht anwendbar (LG Wuppertal, Urteil vom 26.04.2012, Az. 9 S 205/10, zit. nach juris, Rz. 9; Wendehorst in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 132 d Rz. 46; Schmidt in Beck´scher Online-Kommentar BGB, Stand 01.11.2011, § 312 d Rz. 57). Diese Auffassung stellt insbesondere darauf ab, dass es beim Verkauf von Heizöl an der Unmittelbarkeit der Abhängigkeit der Preise von den Preisschwankungen des Finanzmarktes fehle. Der Preis werde vielmehr vom Unternehmer in eigener Verantwortung festgesetzt, so dass der Unternehmer auch alleine das Preisrisiko tragen müsse. Der Ausschluss des Widerrufsrechts würde hingegen das Preisrisiko einseitig auf den Verbraucher abwälzen.

b) Nach anderer Ansicht (LG Duisburg, Urteil vom 22.05.2007, Az. 6 O 408/06, zit. nach juris, Rz. 18) ist § 312 d Abs. 4 Nr. 6 BGB auf Verkäufe von Heizöl anwendbar, da es sich bei Heizöl um einen an der Börse gehandelten Rohstoff handele. Der Ölpreis unterliege zudem erheblichen Schwankungen auf den Finanzmärkten, auf welche die Heizölhändler keinerlei Einfluss haben und die innerhalb kürzester Zeit auftreten können.

c) Das Gericht schließt sich der Ansicht des LG Duisburg an.

Ausgangspunkt für das Gericht sind dabei die vom BGH in seiner Entscheidung vom 27.11.2012, XI ZR 384/11, Rz. 12 ff. aufgestellten Grundsätze. Mit dem Begriff des "Preises" in § 312 d Abs. 4 Nr. 6 BGB kann danach "nicht (nur) ein unmittelbar auf dem Finanzmarkt gebildeter Börsenpreis, sondern auch ein den Marktpreis mittelbar beeinflussender Basiswert" gemeint sein. Dies leitet der BGH aus der Einbeziehung der Derivate in den Regelbeispielkatalog des § 312 d Abs. 4 Nr. 6 BGB her. Daher kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass nur ein weites Verständnis des "Preises" im Sinne des § 312 d Abs. 4 Nr. 6 BGB Sinn und Zweck der Regelung gerecht werde. "Dieser besteht darin, dass Risiko eines wenigstens finanzmarktbezogenen spekulativen Geschäfts mit seinem Abschluss in gleicher Weise beiden Parteien aufzuerlegen" (BGH, aaO, Rz. 15 m.w.N.).

Kernpunkt der Frage der Anwendbarkeit des Ausschlusses nach § 312 d Abs. 4 Nr. 6 BGB ist demnach die Prüfung, ob das Risiko einer Preisentwicklung auf Grund der Börsenabhängigkeit des Preises innerhalb der Widerrufsfrist durch Zulassung bzw. Ausschluss des Widerrufsrechts einseitig zu Lasten einer Vertragspartei verschoben wird.

So hat der BGH in o.g. Entscheidung (Rz. 16) in einem obiter dictum für den Kauf eines Goldrings, dessen Wert von der Entwicklung des Goldpreises abhängig ist, ausdrücklich die Anwendbarkeit des § 312 d Abs. 4 Nr. 6 BGB ausgeschlossen, da hierdurch das Preisrisiko einseitig zu Lasten des Käufers verschoben würde.

Bei dem Verkauf von Heizöl führt die Anwendbarkeit des § 312 d Abs. 4 Nr. 6 BGB zur ausgeglichenen Risikotragung. Dies ergibt sich auf Grund der besonderen preislichen Situation im Ölmarkt. Das Bestehen einer hohen Volatilität des Ölpreises ist allgemein bekannt. Sie schlägt sich z.B. für jedermann sichtbar in den stark schwankenden Preisen für Benzin an den Tankstellen nieder. Ähnlich besteht auch beim Heizöl eine enge Orientierung an den Vorkostenschwankungen. Dies ist zum einen allgemein bekannt, aber auch von der Klägerin nachvollziehbar vorgetragen. Der Preis der Vorlieferanten steht in direktem Verhältnis zu der aktuellen Börsensituation für Rohöl, so dass zumindest eine mittelbar börsenabhängige Preisbildung vorliegt. Dies reicht nach der Rechtsprechung des BGH aus.

Die konkrete Preisbildung der Verkäufer auf der Handelsplattform HeizOel.24 basiert grundlegend auf den jeweils aktuellen Einkaufspreisen. Dies ergibt sich aus den vorgelegten Liefer- und Zahlungsoptionen (Bl. 67 der GA). Auf die aktuellen Einkaufspreise wird lediglich eine Handelsspanne addiert. Die entsprechenden Deckungsgeschäfte werden zeitnah - jedenfalls am selben Tag vorgenommen. Die eigene Preisfestsetzung bezieht sich lediglich auf die Handelsspanne, die sich etwa zwischen 0,5 € und1,5 € je 100 l Heizöl bewegt und somit einen marginalen Bruchteil des Gesamtpreises ausmacht.

Würde man das Widerrufsrecht zulassen, so würde das Preisrisiko einseitig zu Lasten des Verkäufers verschoben. Der Kunde könnte die Marktentwicklung während der Widerrufsfrist beobachten und bei einer ihm ungünstigen Entwicklung widerrufen, im Falle einer günstigen Entwicklung die Vorteile für sich in Anspruch nehmen. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist das Geschäft für beide Seiten spekulativ, da eine Prognose zur Preisentwicklung kaum getroffen werden kann. Der Bereich der eigenen Preisfestlegung durch den Verkäufer betrifft lediglich die Größe der Handelsspanne. Das Risiko der Preisänderung wird daher nur dann von beiden Vertragsparteien getragen, wenn der vereinbarte Preis bestehen bleibt.

d) Da das Widerrufsrecht ausgeschlossen ist, hat die Klägerin gemäß des geschlossenen Vertrages i.V.m. § 6 der AGB einen Anspruch auf die Stornopauschale in Höhe von 95,00 € netto (113,05 € Brutto).

Der Anspruch auf die Nebenforderungen folgt aus den §§ 286, 288, 280 BGB.

2. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung folgt aus § 511 Abs. 2, Abs. 4 Nr. 1 ZPO.

3. Streitwert: 113,05 €

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Bonn, Wilhelmstr. 21, 53111 Bonn, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bonn zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bonn durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.