Hessisches LAG, Beschluss vom 10.11.2014 - 16 TaBV 130/14
Fundstelle
openJur 2015, 9744
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 05. Juni 2014 – 8 BV 1/14 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern von Rechtsanwaltsgebühren.

Beteiligte zu 3 ist ein Automobilhersteller. Beteiligter zu 4 ist der dort gebildete Betriebsrat. Die Beteiligten zu 1 und 2 gehören diesem als Betriebsratsmitglieder an.

Unter dem 15. November 2013 leitete an die Beteiligten zu 1 und 2 im Beschlussverfahren ein einstweiliges Verfügungsverfahren ein, in dem 3 Betriebsratsmitgliedern aufgegeben werden sollte, den Antragstellern Auskunft über ein vom Arbeitgeber zu Gunsten des Betriebsrats eingerichtetes Konto zu erteilen. Das Verfahren wurde beim Arbeitsgericht Darmstadt unter dem Aktenzeichen 8 BVGa 121/13 geführt. Mit Beschluss vom 19. Dezember 2013 wies das Arbeitsgericht die Anträge zurück, weil bereits kein Verfügungsgrund ersichtlich sei. Gegen diese Entscheidung legten die Antragsteller kein Rechtsmittel ein. Wegen der Einzelheiten dieses Verfahrens wird auf die beigezogene Akte des Arbeitsgerichts Darmstadt 8 BVGa 121/13 Bezug genommen.

Mit Kostenrechnung vom 17. Januar 2014 (Bl. 12 d.A.) verlangte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller von diesen ein Honorar in Höhe von 2036,33 €. Der Arbeitgeber verweigerte insoweit diesen die Freistellung. Diese ist Gegenstand des vorliegenden Beschlussverfahrens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter I des Beschlusses (Bl. 58-59 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die Rechtsverfolgung der Antragsteller sei offensichtlich aussichtslos gewesen, da es an einem Verfügungsgrund gefehlt habe. Der Freistellungsanspruch ergebe sich auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Es sei nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber das Honorar für die Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats erstattet habe, weil dessen Rechtsverfolgung weder offensichtlich aussichtslos noch mutwillig gewesen sei.

Dieser Beschluss wurde dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller am 20. Juni 2014 zugestellt. Er hat dagegen am 21. Juli 2014 (Montag) Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet.

Er rügt, das Arbeitsgericht habe sich in dem (beigezogenen) Verfahren 8 BVGa 121/13 nicht mit Erwägungen des „zu langen Zuwartens“ auseinandergesetzt hat. Daher könne dieses Argument auch im vorliegenden Verfahren keine Rolle spielen. Im Übrigen werde auf die E-Mail des Betriebsratsvorsitzenden vom 1. November 2013 (Bl. 44 d.A. in den 8 BVGa 121/13) verwiesen. Die Antragsteller hätten versucht, eine außergerichtliche Klärung zu erreichen. Nach der ablehnenden E-Mail des Betriebsratsvorsitzenden sei dies aussichtslos gewesen. Deshalb sei am 15. November 2014 die einstweilige Verfügung eingereicht worden. Weder der Betriebsratsvorsitzende noch sein Stellvertreter hätten den Informationsanspruch der Beteiligten zu 1 und 2 erfüllen wollen. Bereits im einstweiligen Verfügungsverfahren sei zum Vorliegen eines Verfügungsgrundes vorgetragen worden, nämlich die offensichtliche Maßregelung der Antragsteller als Mitglieder einer Minderheit im Betriebsrat. Die Weigerung der Auskunfterteilung stelle einen massiven Verstoß gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Betriebsratsmitgliedern dar. Vor diesem Hintergrund sei es nicht zumutbar gewesen, ein jahrelang dauerndes Hauptsacheverfahren durchzuführen. Das Arbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass das Mitspracherecht durch die dortigen Beteiligten zu 3 und 4 ausdrücklich eingeräumt worden war. Das Informationsrecht aus § 34 Abs. 3 BetrVG diene ausdrücklich dem Schutz von Minderheitsgruppen. Ferner habe das Arbeitsgericht die Rechtsverfolgung als mutwillig angesehen, weil die Antragsteller nicht den zuständigen Ansprechpartner, den Personalleiter O, um Auskunft gebeten hätten. Diesem gegenüber habe jedoch keinen Rechtsanspruch auf Auskunfterteilung bestanden. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht auch einen Anspruch auf Gleichbehandlung verneint. Wenn die Rechtsverfolgung der Antragsteller offensichtlich aussichtslos war, hätten auch die Beteiligten zu 3-5 erkennen können, dass eine anwaltliche Beauftragung nicht notwendig war. Der Arbeitgeber habe sich aus organschaftlichen Konflikten herauszuhalten und dürfe Minderheiten nicht bei der Kostenerstattung benachteiligen. Dies gebiete bereits das Prinzip der vertrauensvollen Zusammenarbeit.

Die Antragsteller beantragen,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 5. Juni 2014 -8 BV 1/14- abzuändern und

die Beteiligte zu 3 zu verurteilen, den Beteiligten zu 1 und den Beteiligten zu 2 von den Anwaltskosten für die Durchführung des Verfahrens beim Arbeitsgericht Darmstadt, 8 BVGa 121/13, in Höhe von Euro 2036,33 gemäß der Kostenrechnung der Anwaltskanzlei P vom XXX freizustellen.

Der Arbeitgeber beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts als zutreffend. Ein Verfügungsgrund sei unter keinem Gesichtspunkt vorstellbar gewesen. Eine besondere Eilbedürftigkeit der Angelegenheit habe nicht bestanden. Auch aus Gleichbehandlung ergebe sich kein Anspruch, da für die weiteren Beteiligten in dem einstweiligen Verfügungsverfahren 8 BVGa 121/13 die Erfolgsaussichten positiv zu beurteilen gewesen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Anhörungsprotokolle verwiesen.

II.

1. Die Beschwerde ist statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde, § 87 Abs. 2 S. 1, § 66 Abs. 1 S. 1, § 89 Abs. 1 und 2 ArbGG.

2. Die Beschwerde ist nicht begründet. Den Beteiligten zu 1 und 2 steht der geltend gemachte Freistellungsanspruch von den Rechtsanwaltsgebühren nicht zu.

Nach § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten. Hierzu gehören auch die Honorarkosten für einen Rechtsanwalt, dessen Hinzuziehung in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren der Betriebsrat in Wahrnehmung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechte für erforderlich halten durfte. Die Prüfung der Erforderlichkeit hat der Betriebsrat nicht anhand seiner subjektiven Bedürfnisse vorzunehmen. Er ist vielmehr gehalten, die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts einerseits und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers andererseits gegeneinander abzuwägen. Der Betriebsrat darf bei der Wahl seiner Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung das Interesse des Arbeitgebers an der Begrenzung seiner Kostentragungspflicht nicht missachten. Er hat wie jeder, der auf Kosten eines anderen handeln kann, die Maßstäbe einzuhalten, die er gegebenenfalls bei eigener Kostentragung anwenden würde, wenn er selbst bzw. seine beschließenden Mitglieder die Kosten tragen müssten. Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers entfällt bei einer offensichtlich aussichtslosen oder mutwilligen Rechtsverfolgung des Betriebsrats. Offensichtlich aussichtslos ist die Rechtsverfolgung, wenn die Rechtslage unzweifelhaft ist und das eingeleitete Beschlussverfahren zu einem Unterliegen des Betriebsrats führen muss (Bundesarbeitsgericht 29. Juli 2009 -7 ABR 95/07-NZA 2009, 1223, Rn. 16, 17).

Wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, lag in dem Verfahren 8 BVGa 121/13 der erforderliche Verfügungsgrund im Sinne von §§ 935, 940 ZPO unzweifelhaft nicht vor. Hierfür ist eine besondere Eilbedürftigkeit erforderlich. Diese ist gegeben, wenn sich aus der Gefahr eines irreversiblen Rechtsverlusts bei Abwägung der Interessen der Beteiligten im jeweils gegebenen Einzelfall eine Dringlichkeit ergibt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn durch Zeitablauf die Inanspruchnahme von Rechten vereitelt zu werden droht. Warum dies im Hinblick auf den hier geltend gemachten Auskunftsanspruch der Fall sein sollte, erschließt sich nicht und wurde vom Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller weder in dem einstweiligen Verfügungsverfahren 8 BVGa 121/13 noch im vorliegenden Beschlussverfahren überzeugend begründet. Die Auskunfterteilung über ein Konto kann zu jedem beliebigen Zeitpunkt erfolgen. Inwieweit durch eine erst nach rechtskräftigem Abschluss eines Hauptsacheverfahrens erfolgte Auskunfterteilung Rechte der Antragsteller irreversibel vereitelt würden, ist nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass die AntrSt. ihre Fragen schnell beantwortet haben wollten, rechtfertigt keine Eilbedürftigkeit im Sinne der §§ 935, 940 ZPO.

Die von den Antragstellern im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Argumente überzeugen nicht. In Bezug auf die hier relevante Frage der Eilbedürftigkeit ist nicht maßgeblich, ob sie versucht haben, eine außergerichtliche Klärung zu erreichen. Hierbei handelt es sich vielmehr um eine Frage der Mutwilligkeit (vgl. LAG Hamm 2. Oktober 2009 -10 TaBV 189/08). Hinsichtlich der von den Antragstellern geltend gemachten Maßregelung als Mitglieder einer Minderheit im Betriebsrat gilt, dass dies eine Frage des Verfügungsanspruchs, nicht des Verfügungsgrundes ist. Dasselbe gilt für ein Informationsrecht aus § 34 Abs. 3 BetrVG.

Der Anspruch auf Freistellung von den Rechtsanwaltsgebühren ergibt sich auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Arbeitgeber war zu einer Erstattung der den übrigen Beteiligten entstandenen Rechtsanwaltsgebühren nach § 40 BetrVG verpflichtet, weil für diese die Erfolgsaussichten in dem einstweiligen Verfügungsverfahren 8 BVGa 121/13 positiv zu beurteilen waren.

III.

Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegen nicht vor, § 92 Abs. 1, § 72 ArbGG.

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