FG Hamburg, Urteil vom 20.04.2015 - 5 K 3/12
Fundstelle
openJur 2015, 9721
  • Rkr:
Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Mehraufwendungen wegen einer doppelter Haushaltsführung in Höhe von insgesamt 8.772,60 € als Werbungskosten für das Jahr 2009.

Die ... geborene und aus A stammende Klägerin ist seit dem 01.10.2002 als ... am B (...) beschäftigt. Mit Aufnahme dieser Tätigkeit zog sie zunächst in ein sog. "..." in Hamburg. Ihren Wohnsitz in A, im Haus ihrer Eltern, behielt die Klägerin bei.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom ... 2003 übertrug der Vater das Eigentum an dem Elternhaus und dem zugehörigen Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf die Klägerin. Zugunsten des Vaters wurde ein lebenslanges, unentgeltliches Nießbrauchrecht bestellt. Die mit dem Grundstück verbundenen Rechte, Nutzungen, Pflichten und Gefahren, öffentliche Lasten, Steuern und Abgaben gingen zwar laut Vertrag auf die Klägerin über, sollten aber für die Dauer des Nießbrauchs vom Vater getragen werden.

Am 13.06.2005 unterschrieb die Klägerin einen Mietvertrag für eine 63,53 qm große Wohnung in der X-Straße, Hamburg ..., mit zweieinhalb Zimmern, Küche, Flur, Bad, Kellerraum und Balkon. Die monatliche Nettomiete betrug zunächst 450 € (brutto: 560 €) und stieg bis zum Streitjahr auf 641 € an.

Am 01.07.2005 bezog die Klägerin diese Wohnung. Den Melderegisterangaben zufolge handelte es sich um die einzige Wohnung der Klägerin.

Die Entfernung zwischen dem Elternhaus der Klägerin in A und ihrer Arbeitsstätte im B beträgt 58 km, die normale Fahrzeit eine knappe Stunde. Die Entfernung zwischen der Wohnung in der X-Straße und dem B beträgt 6 km, die normale Fahrzeit etwa 12 Minuten (beide Angaben ohne Verkehr gem. Google-Maps).

Am 13.09.2010 ging bei dem Beklagten die Einkommensteuererklärung der Klägerin für das Jahr 2009 ein. Wie in den Vorjahren, machte die Klägerin auch in diesem Jahr u. a. Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in Bezug auf die in Hamburg genutzte Wohnung in Höhe von 8.268 € und Fahrtkosten von und nach A in Höhe von 452,40 € als Werbungskosten geltend. Diese setzten sich wie folgt zusammen:

Miete (621,- für Januar-Juni 2009)3.726,00 €Miete (641,- für Juli-Dezember 2009)3.846,00 €Nachzahlung Nebenkosten     89,95 €bei Handwerkerleistungen angesetzt-  195,19 €Zwischensumme:7.466,66 €                Telefon   317,00 €Hausratversicherung     79,00 €Wasser     61,53 €Abwasser     62,64 €Strom    280,79 €Zwischensumme:8.268,00 €                Fahrten nach A:        26 x 58 km x 0,30   452,40 €Summe insgesamt:8.720,40 €Mit Bescheid vom 02.02.2011 setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf 6.504 € fest. Die geltend gemachten Mehraufwendungen für die Wohnung in Hamburg und die Kosten der Fahrten von A nach Hamburg blieben unberücksichtigt. In einer Anlage zum Bescheid wurde erläutert, dass nach den Ausführungen der Klägerin und unter Berücksichtigung ihrer Tätigkeit in Hamburg seit Oktober 2002 davon auszugehen sei, dass sich ihr Lebensmittelpunkt in Hamburg befinde. Auf die Anlage wird Bezug genommen.

Die Klägerin legte dagegen am 12.02.2011 Einspruch ein und machte geltend: Sie verfüge in A über einen eigenen Hausstand und bestimme die Haushaltsführung dort in finanzieller und persönlicher Hinsicht mit. Kosten für Heizung, Wasser, Strom usw. trage sie anteilig. Ihr Lebensmittelpunkt befinde sich in A; ihre Beziehung zu Hamburg sei rein beruflich. Außerdem prüfe das Finanzamt die Frage des Lebensmittelpunkt nicht näher, wenn mindestens zweimal monatlich Heimfahrten durchgeführt würden (Hinweis auf R 9.10 Abs. 1 Satz 8 LStR 2008). Von ihr seien 2009 insgesamt 26 Fahrten durchgeführt worden und sie erfülle somit die Anforderungen, die sich die Finanzverwaltung in ihren Richtlinien selbst auferlegt habe. Mehr Fahrten seien aus beruflichen Gründen, aufgrund von Rufbereitschaften, Schichten bis spät in die Nacht hinein und beruflichen Weiterbildungen, nicht möglich gewesen. Auf die Einspruchsbegründung wird ebenfalls Bezug genommen.

Mit Entscheidung vom 09.12.2011 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück: Weder könne festgestellt werden, dass die Klägerin im Streitjahr außerhalb ihres Beschäftigungsortes einen weiteren Hausstand im Sinne der Regelungen zur doppelten Haushaltsführung unterhalten habe, noch habe die Klägerin ausreichend dargelegt, dass sich ihr Lebensmittelpunkt im Streitjahr noch in A befunden habe.

Die Klägerin hat dagegen am 04.01.2012 Klage erhoben. Sie trägt im Wesentlichen vor:

Ihr Lebensmittelpunkt befinde sich nach wie vor in A. Dort lebten ihre Verwandten, Freunde und Bekannten; sie sei Mitglied in mehreren örtlichen Vereinen. Ihre Aufenthalte in Hamburg seien hauptsächlich durch die Bereitschaftsdienste und durch den Schichtbetrieb des B geprägt; mehr als die durchgeführten 26 Fahrten seien aus beruflichen Gründen nicht möglich gewesen. Habe sie Rufdienst, müsse sie spätestens 30 Minuten nach einem Anruf an ihrem Einsatzort im B zur Stelle sein. Persönliche Beziehungen zu Hamburg unterhalte sie nicht. Die Wohnung dort sei sehr einfach ausgestattet.

Ein eigener Hausstand in A liege vor. Sie sei Eigentümerin des Hauses und bestimme die Haushaltsführung in finanzieller und persönlicher Hinsicht mit. Insbesondere sei sich nicht in den Haushalt ihrer Eltern eingegliedert, sondern führe einen eigenen Haushalt. Sie sorge für sich selbst, kaufe selbst ein, koche im Wesentlichen selbst, wasche ihre eigene Wäsche, reinige ihre eigenen Räume und beteilige sich an der Reinigung der gemeinsam genutzten Räume.

Aufzeichnungen über die durchgeführten Fahrten nach A könne sie nicht vorlegen. Sie habe aber ihre Unterlagen mit den Unterlagen der Personalabteilung abgeglichen. Danach ergäben sich nicht wie ursprünglich beantragt 26 Fahrten von Hamburg nach A, sondern 32 Fahrten.

Die Klägerin hat eine schriftliche Bestätigung ihrer Freundin C vorgelegt, in der diese ausführt, dass sie und die Klägerin sich an den Wochenenden und an anderen freien Tagen innerhalb der Wochen, an denen sich die Klägerin in A aufhalte, regelmäßig träfen.

Die Klägerin hat zudem ein Schreiben ihrer Eltern vorgelegt, mit dem diese bestätigen, dass sie von ihrer Tochter eine Kostenbeteiligung von monatlich 100,00 € bar erhalten hätten.

Auf Anforderung des Gerichts hat die Klägerin Unterlagen ihres Arbeitgebers über Urlaubs- und Krankheitstage und über Fachweiterbildungen vorgelegt und erläutert, dass nach nochmaliger Prüfung nur 29 Fahrten nach A durchgeführt worden seien.

Die Klägerin beantragt nunmehr (sinngemäß),den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 02.02.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.12.2011 zu ändern und Mehraufwendungen für eine aus beruflichem Anlass begründete doppelte Haushaltsführung in Höhe von 8.268 € sowie Fahrtkosten zum Lebensmittelpunkt in Höhe von 504,60 € als weitere Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.

Der Beklagte erwidert im Wesentlichen: Die Klägerin habe in A keinen eigenen Haushalt unterhalten; es müsse davon ausgegangen werden, dass sie in den Haushalt der Eltern eingegliedert gewesen sei. Eine persönliche Haushaltsführung sei nicht erkennbar, ebenso wenig eine Beteiligung an den Kosten der allgemeinen Lebensführung. Ungeachtet dessen sei davon auszugehen, dass sich der Lebensmittelpunkt der Kläger nach Hamburg verlagert habe. Die Klägerin habe im Streitjahr bereits seit sieben Jahren in Hamburg gelebt. Seit 2005 verfüge sie dort über eine eigene große Wohnung. Das vorgetragene Fehlen jeglichen persönlichen Bezugs zu dieser Stadt sei nicht glaubhaft.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten Bezug genommen.

Der Streitfall ist mit den Beteiligten erörtert worden. Auf die Niederschrift über den Erörterungstermin wird ebenfalls Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 05.03.2015 hat das Gericht die Klägerin darauf hingewiesen, dass ihr Vortrag, sie habe im Wesentlichen ihre gesamte freie Zeit in A verbracht und habe aus beruflichen Gründen nicht mehr Fahrten vornehmen können, durch die vorgelegten Unterlagen des Arbeitgebers nicht belegt sei. Diesen Unterlagen zufolge habe an 14 weiteren Wochenenden und an zwei Sonntagen weder Rufdienst bestanden noch seien Fort- und Weiterbildungen angesetzt gewesen.

Die Klägerin hat daraufhin erwidert, dass an vier Wochenenden tatsächlich keine Fahrten nach A vorgenommen worden seien, ohne dass die Gründe heute noch nachvollzogen werden könnten. An sechs Wochenenden sei sie nicht nach Hause gefahren, weil an den Wochentagen davor oder danach Fortbildungen durchgeführt worden seien, die sie habe vor- oder nachbereiten müssen. An weiteren Wochenenden und Tagen habe sie am Vortag Rufbereitschaft gehabt, so dass sie sich habe ausruhen müssen. Auf das Schreiben der Klägerin vom 19.03.2015 wird ebenfalls Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats einverstanden erklärt und auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichtet.

Dem Gericht haben die Lohnsteuerakte 2009 und ein Band Rechtsbehelfsakten zur Steuernummer .../.../... vorgelegen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1. Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 79a Abs. 3 und 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO)) durch den Berichterstatter anstelle des Senats und gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.

2. Eine doppelte Haushaltsführung liegt im Streitfall nicht vor.

a) Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Dies gilt grundsätzlich auch für alleinstehende Arbeitnehmer; auch diese können einen doppelten Haushalt führen (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Urteil vom 16.01.2013 - VI R 46/12, BStBl II 2013, 627, mit weiteren Nachweisen).

Hausstand i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am Lebensmittelpunkt führt, also sein Erst- oder Haupthaushalt. Bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer ist entscheidend, dass er sich in dem Haushalt, im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit, aufhält; denn allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist noch nicht als Unterhalten eines Hausstands zu bewerten (BFH, a. a. O.; s. auch BFH-Urteil vom 10.04.2014 - VI R 79/13, BFH/NV 2014, 1362).

Ebenfalls wird ein eigener Hausstand nicht unterhalten, wenn der nicht verheiratete Arbeitnehmer als nicht die Haushaltsführung wesentlich bestimmender bzw. mitbestimmender Teil in einen Hausstand eingegliedert ist, wie es regelmäßig bei jungen Arbeitnehmern der Fall ist, die nach Beendigung der Ausbildung weiterhin - wenn auch gegen Kostenbeteiligung - im elterlichen Haushalt ihr Zimmer bewohnen. Die elterliche Wohnung kann in einem dieser häufigen Fälle zwar, auch wenn das Kind am Beschäftigungsort eine Unterkunft bezogen hat, wie bisher der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen sein; sie ist aber nicht ein von dem Kind unterhaltener eigener Hausstand.

Zudem spricht bei alleinstehenden Arbeitnehmern mit zunehmender Dauer der Auswärtstätigkeit grundsätzlich immer mehr dafür, dass die eigentliche Haushaltsführung und auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen am Beschäftigungsort liegen oder dorthin verlegt wurden (vgl. BFH-Urteil vom 21.04.2010 - VI R 26/09, BStBl II 2012, 618).

Dagegen ist bei älteren, wirtschaftlich selbständigen, berufstätigen Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einem gemeinsamen Haushalt leben, regelmäßig davon auszugehen, dass sie die Führung des Haushalts maßgeblich mitbestimmen, so dass ihnen dieser Hausstand als "eigener" zugerechnet werden kann. Diese Regelvermutung gilt insbesondere, wenn die Wohnung am Beschäftigungsort dem Arbeitnehmer im Wesentlichen nur als Schlafstätte dient; denn dort ist regelmäßig weder der Haupthausstand noch der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Steuerpflichtigen zu verorten. Entspricht die Wohnsituation am Heimatort der Wohnung am Beschäftigungsort in Größe und Ausstattung oder übertrifft sie diese, ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Mittelpunkt der Lebensführung nicht an den Beschäftigungsort verlegt worden ist, sondern der Haupthausstand am Heimatort fortgeführt wird. Dies gilt umso mehr, wenn der Steuerpflichtige dort sein Privatleben führt, weil zum Heimatort die engeren persönlichen Beziehungen bestehen, beispielsweise wegen der - mit steigender Lebenserwartung immer häufiger - alten, betreuungs- oder sogar pflegebedürftigen Eltern (s. auch BFH-Urteil vom 05.06.2014 - VI R 76/13, BFH/NV 2014, 1884).

Keiner der genannten Gesichtspunkte ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Sinne einer conditio sine qua non allein maßgeblich oder ausschlaggebend für das Vorliegen einer doppelten Haushaltsführe. Es muss vielmehr eine wertende Gesamtbetrachtung aller für den Streitfall wesentlichen Umstände vorgenommen werden (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BFH-Urteil vom 21.04.2010 - VI R 26/09, BStBl. II 2012, 618).

Bleiben allerdings nach Würdigung aller Umstände Zweifel an der beruflichen Veranlassung der streitigen Aufwendungen, so geht dies zu Lasten des Steuerpflichtigen, der den Werbungskostenabzug begehrt; denn er trägt die Feststellungslast (objektive Beweislast) für steuermindernde Umstände (vgl. allgemein BFH-Urteile vom 07.02.2008 - VI R 75/06, BStBl. II 2010, 48, und vom 02.03.2005 - VI R 36/01, BFH/NV 2006, 33, beide mit weiteren Nachweisen).

b) Ausgehend von diesen Ausführungen kann im vorliegenden Streitfall nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Lebensmittelpunkt der Klägerin im Streitjahr 2009 noch in A befunden hat.

Zutreffend hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass die Klägerin im Streitjahr 2009 bereits seit mehreren Jahren in Hamburg gelebt hat und seit Juni 2005 dort über eine eigene Wohnung verfügte. Grundsätzlich spricht also zunächst einiges dafür, dass sich der Lebensmittelpunkt der Klägerin zwischenzeitlich von A nach Hamburg verlagert hat.

Auch die Größe und die Ausstattung der in Hamburg angemieteten Wohnung mit zweieinhalb Zimmern, Küche, Flur, Bad, Kellerraum und Balkon auf 63,53 qm lassen nicht ohne weiteres den Schluss zu, dass es sich hierbei lediglich um eine Schlafstätte gehandelt hat.

Vor allem aber passen die Ausführungen der Klägerin hinsichtlich ihres Lebensmittelpunkts in A und den vorgebrachten nach wie vor bestehenden starken persönlichen Bindungen in Anbetracht der relativ kurzen Entfernung zwischen dem dortigen Haus und der Arbeitsstätte in Hamburg von nur 58 km nicht zu der von der Klägerin geltend gemachten geringen Anzahl von Heimfahrten.

Das Gericht unterstellt dabei zugunsten der Klägerin, dass diese im Streitjahr tatsächlich - wie zuletzt vorgetragen - 29 Fahrten nach A durchgeführt hat. Belegt sind diese Fahrten zwar nicht, sie erscheinen aber glaubhaft.

Dass aus beruflichen Gründen nicht mehr Fahrten möglich gewesen wären, hat die Klägerin zwar behauptet. Aus den vorgelegten Unterlagen geht dies jedoch nicht hervor. Das Gericht bezieht sich insoweit auf sein Hinweisschreiben vom 05.03.2015. An der dort dargelegten Einschätzung ändert insbesondere auch der Vortrag der Klägerin aus ihrem Schriftsatz vom 19.03.2015 nichts. In Bezug auf vier Wochenenden räumt die Klägerin selbst ein, dass sie nicht mehr nachvollziehen könne, warum sie nicht nach A gefahren ist. Soweit sie in Bezug auf elf weitere Wochenenden auf vorangegangene oder nachfolgende Fortbildungen oder Rufbereitschaften verweist, ist dies nach Auffassung des Gerichts nur bedingt nachvollziehbar. Zwar erkennt das Gericht die von der Klägerin genannten Gründe - Notwendigkeit der Vor- bzw. Nachbereitung von Fortbildungen und Ruhebedürftigkeit nach Rufbereitschaften - als solche durchaus an; und es wäre ohne weiteres verständlich und nachvollziehbar, wenn es die Klägerin unter den von ihr geschilderten beruflichen Bedingungen gelegentlich oder auch des Öfteren vorgezogen hätte, in Hamburg zu bleiben. Dass sie aber an keinem der in dem Schreiben aufgeführten Wochenenden auch nur für einen einzigen Tag oder über eine Nacht nach A gefahren ist und sich zudem - entgegen der Schilderung ihrer Freundin C in der vorgelegten Bescheinigung - dem eigenen Vorbringen zufolge auch niemals unter der Woche im Anschluss an einen Dienst auf den Weg dorthin gemacht hat, spricht in erheblichem Maße gegen die Annahme eines nach wie vor bestehenden Lebensmittelpunkts in A. Dass die Bereitschaftsdienste dies kategorisch ausgeschlossen hätten, hat die Klägerin weder vorgetragen noch ist dies belegt.

Zwar bestimmt die Finanzverwaltung in ihren Lohnsteuerrichtlinien unter R 9.10 Abs. 1. Satz 8, dass in Fällen, in denen ein nicht verheirateter Arbeitnehmer eine Wohnung außerhalb des Beschäftigungsorts mindestens zweimal monatlich aufsucht, davon auszugehen ist, dass sich dort der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen befindet. Doch wird damit - abgesehen davon, dass diesen Richtlinien als Verwaltungsvorschriften gegenüber den Finanzgerichten keine Bindungswirkung zukommt (s. dazu im Einzelnen Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 A= Tz. 80 ff., insbesondere Tz. 84, mit weiteren Nachweisen) - lediglich ein Regelfall typisierend erfasst. Der vorliegende Streitfall weist aber, wie dargelegt, die Besonderheit auf, dass hier der Heimatort der Klägerin nur 58 km vom Beschäftigungsort der Klägerin entfernt liegt. Die von der Verwaltung aufgestellte Regelvermutung greift in einem solchen Fall nach Auffassung des Gerichts nicht ein.

Dieser Umstand fällt nach Auffassung des Gerichts sehr stark ins Gewicht; denn die Darstellung der Klägerin, dass sie über einen Zeitraum von immerhin sechs Jahren keinerlei persönlichen Bezug zu Hamburg aufgebaut habe, ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Dass sich die Klägerin in A im Streitjahr mehr oder weniger nur unterbrochen durch arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit aufgehalten hätte, konnte nicht festgestellt werden. Nach alledem diente damit die Wohnung der Klägerin in Hamburg nicht, auch nicht im Wesentlichen, nur als Schlafstätte.

Ob die Klägerin in A als bestimmender oder zumindest mitbestimmender Teil einen eigenen Haushalt geführt hat und nicht nur in den Haushalt der Eltern eingegliedert war, braucht hier somit nicht entschieden zu werden. Auch die streitige Frage nach der Beteiligung der Klägerin an den Kosten des Haushalts kommt es demnach nicht an.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

4. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision folgt aus § 115 Abs. 2 FGO. Insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil das Ergebnis auf den besonderen tatsächlichen Umständen des vorliegenden Streitfalls beruht.

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