OLG Hamburg, Urteil vom 26.02.2015 - 3 U 104/13
Fundstelle
openJur 2015, 9687
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom 31.5.2013 (Az. 416 HKO 183/12) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich des Vertriebs von Blutzuckermessgeräten für den Eigengebrauch. Zu den Produkten der Klägerin gehört das Blutzuckermesssystem „C“, die Beklagte vertreibt u.a. das System „D“. Sie streiten über die Verwendung einer Studie zur Messgenauigkeit solcher Geräte durch die Beklagte.

Die erforderliche Genauigkeit von Blutzuckermessgeräten zur Eigenanwendung durch Patienten ist in Deutschland in der DIN EN ISO 15197 geregelt. Im hier relevanten Zeitraum, dem Jahr 2012, galt die DIN EN ISO 15197 in der im Mai 2003 veröffentlichten Fassung. Seit Mai 2013 definiert die neue Fassung ISO 15197:2013, die jedoch erst nach Ablauf einer Übergangsfrist verbindlich werden wird, strengere Qualitätsstandards. Die ISO 15197:2003 sieht vor, dass ein Vergleichswert zu einem mit dem Gerät ermittelten Wert durch Labormessung derselben Blutprobe bestimmt wird. Die Norm verlangt für Proben mit einer Glukosekonzentration von >4,2mmol/l, dass 95% aller mit dem Gerät gemessenen Werte von dem Laborwert nicht mehr als +- 20% abweichen; hinsichtlich der Proben mit Glukosekonzentrationen von <4,42 mmol/l dürfen 95% der Gerätemesswerte um nicht mehr als ± 15 mg/dl (0,83 mmol/l) von dem Laborwert abweichen. In der Tabelle 3 der ISO 15197:2003 (Anlage K 9) werden bestimmte Glukosekonzentrationsspannen der zu untersuchenden Proben festgelegt sowie der prozentuale Anteil, den die jeweiligen Proben an dem zu untersuchenden Gesamtprobenspektrum haben sollen. 5% der zu untersuchenden Proben sollen danach eine Glukosekonzentration von >22,2 mmol/l aufweisen und weitere 5% Glukosewerte von <2,8 mmol/l. Während für Glukosekonzentrationen im Bereich von 2,8 mmol/l bis 22,2 mmol/l lt. ISO 15197:2003 nur unveränderte Kapillarblutproben verwendet werden dürfen, sollen, falls erforderlich, zur Gewinnung zusätzlicher Proben mit Glukosewerten <2,8 mmol/l die Kapillarblutproben mit einem geeigneten Antikoagulans versetzt und inkubiert werden, um eine Glukose der Glukose zu ermöglichen. Zur Gewinnung zusätzlicher Proben mit Glukosewerten >22,2 mmol/l sollen die Kapillarproben mit einem geeigneten Antikoagulans versetzt und dann mit Glukose angereichert werden.

Eine im Jahr 2012 von Cornelius T. u.a. erstellte Studie zur Messgenauigkeit von Blutzuckermessgeräten zum Eigengebrauch (Anlage K 3) mit dem Titel „Accuracy Evaluation of Five Blood Glucose Monitoring Systems Obtained from the Pharmacy: A European Multicenter Study with 453 Subjects“ (im Folgenden: T.-Studie) kam zu dem Ergebnis, dass C mit einem Ergebnis von 92,4% die Erfordernisse der ISO 15197:2003 nicht erfülle, D dagegen schon. Auf S. 1 der Studie heißt es unter “Results” u.a.:

„The ISO 15197:2003 requirements were fulfilled by the F... (98.8%), F.F... (97.5%) and D... (97.0%), but not by the C... (92.4%) and O... (91.1%).“).

Auf S. 3 der Studie wird sodann unter der Überschrift „Accuracy according to ISO:15197:2003 and its new draft of 2010“ ausgeführt: „This study was not done in strict compliance with ISO 15197, which requires a specific distribution of the glucose values in predefined ranges. Also, no artificial manipulation of samples was done to achieve very high or very low glucose levels.”

Auf S. 7 der T.-Studie heißt es u.a. weiter:

„Our study has several limitations, which need to be considered before drawing conclusions with clinical relevance. First of all, and as mentioned above, the investigation was not performed in strict compliance with the protocol suggested by the ISO 15197 guideline, as our primary objective was MARD in comparison with the YSI 2300. Artificially prepared very high and very low samples were not tested as we were interested in the clinical accuracy when measurements were performed by patients.”

Die Beklagte erstellte in der Folge eine zweiseitige Darstellung (eingereicht als Teil der Anlage K 6), auf deren Seite 2 in Tabellenform angegeben wurde, dass „D“ die Kriterien der aktuell in Deutschland geltenden ISO sowie auch die der „neuen, strengeren ISO Norm von morgen“ erfülle, während „C“ den aktuellen ISO-Mindeststandard nicht erfülle. In einer Fußnote zu dieser Tabelle wurde auf die T.-Studie verwiesen. Sowohl auf S. 1 als auch auf S. 2 dieser Darstellung erfolgte der Hinweis: „Nur zur internen Verwendung!“

Die Klägerin erwirkte am 3.5.2012 beim Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung, mit welcher der Beklagten verboten wurde, innerhalb des geschäftlichen Verkehrs zu Zwecken des Wettbewerbs zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, das Blutzuckermesssystem „C“ erfülle den aktuellen Mindeststandard bezüglich der Messgenauigkeit nach der in Deutschland geltenden ISO-Norm nicht (Geschäfts-Nr. 406 HKO 64/12, Anlage K 4). Im Rahmen dieses Verfahrens trug die dortige Antragsgegnerin und hiesige Beklagte in ihrer Widerspruchsbegründung vom 3.8.2012 u.a. vor, die zweiseitige Darstellung sei zusammen mit der T.-Studie zur internen Abstimmung an ihren Außendienst versandt worden. Eine ihrer regionalen Vertriebsleitungen habe daraufhin ihre Mitarbeiter angewiesen, die Ergebnisse der T.-Studie mit ihren Außendienstmitarbeitern zu besprechen. In der Folge habe eine Außendienstmitarbeiterin, Frau H., die zum internen Gebrauch bestimmte Darstellung bei ihren Praxisbesuchen eingesetzt, um auf diese Weise die Ergebnisse der ebenfalls überreichten T. -Studie zu veranschaulichen. In einer eidesstattlichen Versicherung der fraglichen Außendienstmitarbeiterin H. erklärte diese:

„Auf dem Blatt 2 der übersandten Broschüre befand sich eine Grafik, in der dargestellt ist, dass unser Gerät „D“ die ISO-Kriterien erfüllt, während dies bei den Geräten „C“ und „O“ nicht der Fall ist. Sowohl in der Überschrift als auch in der Grafik selbst wird mit einem Fußnotenhinweis auf die Studie „T. et al“ Bezug genommen. Diese Grafik wollte ich als Schaubild zur Besprechung der Studie „T. et al“ zu meinen Besuchen mitnehmen. (...) Bei meinen Praxisbesuchen im Raum Bremen habe ich dann auch tatsächlich die Studie „T. et al“ besprochen und dabei auch das oben genannte Blatt 2 mit der Grafik verwendet. Ich habe meinen Gesprächspartnern aber auch immer eine Fotokopie der Veröffentlichung T. et al, Accuracy Evaluation of Five Blood Glucose Monitoring Systems Obtained from the Pharmacy: A European Multicenter Study with 453 Subjects“ übergeben und die Grafik niemals alleine verwendet. Sie diente ja ausschließlich dazu, die Ergebnisse der Studie plastisch darzustellen.“

Mit Urteil v. 16.10.2012 (Anlage K 5) bestätigte das Landgericht, KfH 6, die zum Az. 406 HKO 64/12 ergangene einstweilige Verfügung. Die hiergegen eingelegte Berufung wurde mit Senatsurteil vom 27.6.2013 (Az. 3 U 162/12) zurückgewiesen, nachdem die Antragstellerin ihren Antrag in der Berufungsverhandlung auf die konkrete Verletzungsform zurückgeführt hatte.

Nachdem die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 27.8.2012 (Anlage K 7) bezüglich der werblichen Verwendung der T.-Studie abgemahnt hatte (Anlage K 7), erhob sie am 29.11.2012 die vorliegende Klage.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Die T.-Studie sei, wie sich aus dem in dem Verfahren 406 HKO 64/12 eingereichten Widerspruchsschriftsatz der Beklagten vom 3.8.2012 ergebe, entsprechend einer gegenüber allen Vertriebsleitern ausgesprochenen zentralen Anweisung der Beklagten durch ihren gesamten Außendienst als ISO-Norm-valides wissenschaftliches Ergebnis intensiv besprochen worden, und zwar sowohl zur Bewerbung des eigenen Systems als auch zur diskreditierenden Beschreibung des Systems „C“. Ausweislich der als Anlage K 10 überreichten Unterlagen habe ein Hinweis auf die fehlende ISO-Konformität nicht stattfinden sollen und sei durch Frau H. auch nicht gemacht worden. Sie, die Klägerin, habe in derjenigen Arztpraxis, von der sie bereits über die zweiseitige Darstellung mit der Tabelle informiert worden sei, nachgefragt, ob bei der Besprechung der T.-Studie darauf hingewiesen worden sei, dass die Studie nicht in Übereinstimmung mit der geltenden ISO-Norm durchgeführt worden sei. Daraufhin habe sie erfahren, dass entsprechende Hinweise der Beklagten unterblieben seien.

Durch den unterlassenen Hinweis vermittle die Beklagte den angesprochenen Verkehrskreisen gemäß § 5a UWG den irreführenden Eindruck, die T.-Studie genüge den Anforderungen an die geltende ISO-Norm und könne daher wissenschaftlich valide und zuverlässige Aussagen über die Messgenauigkeit der Messsysteme nach der ISO15197:2003 treffen. Dass nämlich eine Studie, die angeblich valide Aussagen über die Messgenauigkeit der Blutzuckermesssysteme nach der ISO 15197:2003 treffe, selbst den Voraussetzungen der ISO 15197:2003 entspreche, werde von den angesprochenen Verkehrskreisen als selbstverständlich vorausgesetzt. Zwar möge es studienimmanente Gründe dafür geben, dass im Rahmen einer Studie von dem gemäß ISO 15197:2003 vorgeschriebenen prozentualen Anteilen an Proben bestimmter Glukosekonzentrationen abgewichen werde. Jedoch könne eine nicht nach den ISO-Vorgaben erstellte Studie keine Aussagen dazu treffen, ob ein Messsystem die Anforderungen der ISO15197:2003 zur Messgenauigkeit erfülle oder nicht. Die Beklagte führe die angesprochenen Verkehrskreise auch über wesentliche Merkmale des eigenen Produktes in die Irre, indem sie zugleich behaupte, durch die T.-Studie sei nachgewiesen, dass ihr System die Kriterien der ISO 15197:2003 erfülle.

Mit Schriftsatz vom 12.2.2013 hat die Klägerin ergänzend behauptet, ein Hinweis auf die fehlende ISO-Konformität habe nicht stattfinden sollen und sei auch nicht erfolgt. In der Praxis M.T. sei am 17.4.2012 Frau H., eine Außendienstmitarbeiterin der Beklagten, erschienen und habe mit der dortigen Arzthelferin R. gesprochen. Frau H. habe der Zeugin R. die T. -Studie und die Tabellenabbildung gezeigt und ihr gesagt, dass „C“ die Anforderungen der geltenden ISO nicht mehr erfülle, „D“ dagegen schon.

Die Klägerin hat beantragt,

1) der Beklagten zu gebieten, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung in Höhe von bis zu € 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer,

zu unterlassen,

innerhalb des geschäftlichen Verkehrs zu Zwecken des Wettbewerbs die Messgenauigkeit der Blutzuckermesssysteme „D“ und/oder des „C“ nach EN-ISO 15197:2003 unter Bezugnahme auf die Studie von T. et al. „Accuracy Evaluation of Five Blood Glucose Monitoring Systems Obtained from the Pharmacy: A European Multicenter Study with 453 Subjects” zu besprechen und/oder besprechen zu lassen, ohne gleichzeitig darauf hinzuweisen und/oder hinweisen zu lassen, dass die vorbezeichnete Studie nicht in strikter Übereinstimmung mit der Norm EN-ISO 15197:2003 erstellt wurde;

2) die Beklagte zu verurteilen, ihr, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, gegenüber welchen Personen, insbesondere gegenüber welchen Ärzten und Mitarbeitern von Ärzten jeweils zu welchem Zeitpunkt die Beklagte Äußerungen gemäß Ziff. 1 getätigt hat und/oder hat tätigen lassen;

3) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr, der Klägerin, jedweden Schaden zu ersetzen, welcher ihr durch Äußerungen gemäß Ziff. 1 entstanden ist und/oder zukünftig entstehen wird;

4) die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 2.687,60 zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.9.2012 zu zahlen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Es sei nachweislich falsch, wenn die Klägerin behaupte, sie, die Beklagte, habe im Rahmen des Verfahrens zum Az. 406 HKO 64/12 angegeben, die werbliche Darstellung und die T.-Studie seien unternehmenszentral sämtlichen regionalen Vertriebsleitern zur Verfügung gestellt worden, um die Außendienstmitarbeiter anzuhalten, die Ergebnisse der T.-Studie bei ihren Außendienstbesuchen zu besprechen. Auch ergebe sich aus ihrem Vortrag in dem Widerspruchsschriftsatz in dem Vorverfahren nicht, ob bei Besuchen der Frau H. in Arztpraxen eine Besprechung über die „Messgenauigkeit der Blutzuckersysteme „D“ und/oder des „C“ stattgefunden habe. Der Vortrag der Klägerin zu ihrer Nachfrage bei einer Arztpraxis sei unsubstantiiert und werde bestritten. Die Klägerin könne keinen konkreten Sachverhalt vortragen, geschweige denn beweisen, welcher mit dem in dem Unterlassungsantrag beschriebenen Verhalten übereinstimme.

Soweit die Klägerin ihren Tatsachenvortrag mit Schriftsatz vom 12.2.2013 ergänzt habe, werde das Vorbringen mit Nichtwissen bestritten. Im Übrigen werde die Einrede der Verjährung erhoben.

Es sei eine wahre Tatsache, dass sich aus der T.-Studie ergebe, dass „C“ nach der geltenden ISO nicht die Mindestkriterien für Messgenauigkeit erfülle. Hinweispflichten ihrerseits bezüglich der ISO-Konfirmität bestünden nicht, da sich die Einschränkung aus der Studie selbst ergebe, deren Ergebnis in keiner Weise pauschaliert worden sei. Erst recht bedürfe es gegenüber den angesprochenen Fachkreisen (die aufgrund ihrer Vorbildung und Erfahrung den Aussageinhalt einer Angabe leichter erfassen und zudem wegen ihrer beruflichen Verantwortung zu einer genaueren Prüfung veranlasst sein könnten) keines Hinweises, wenn die Studie, wie hier, einen entsprechenden Hinweis enthalte und ausgehändigt werde. Ein Irreführungspotential bestehe nicht. Es werde im Übrigen bestritten, dass im Rahmen der Besprechungen der Studie der von der ISO abweichende Studienaufbau nicht besprochen worden sei. Auch werde bestritten, dass sie, die Beklagte, die streitgegenständliche Studie den angesprochenen Verkehrskreisen nur in englischer Sprache vorgelegt habe. Des Weiteren werde bestritten, dass diese nicht in der Lage seien, den Inhalt der Studie in englischer Sprache zu verstehen.

Es stelle keinen Mangel der T.-Studie dar, dass diese nicht in strikter Übereinstimmung mit der ISO durchgeführt wurde. Die Klägerin verkenne die Funktion der ISO 15197:2003, welche lediglich für den Produkthersteller normative Geltung entfalte. Abweichungen von dem Verfahren gemäß der ISO 15197:2003 bei einer Studie zur Messgenauigkeit von Blutzuckermessgeräten führten nicht dazu, dass diese Studie nicht wissenschaftlich belastbar sei. Es sei allgemein üblich, dass in solchen Studien von einer strikten Übereinstimmung mit der ISO 15197:2003 abgewichen werde. Bei der Erstellung der T.-Studie seien einer repräsentativen Anzahl von Testpersonen Blutproben entnommen worden. Die Aufteilung der Glukosewerte entspreche den Anforderungen einer allgemeinen Alltagssituation, welcher die getesteten Blutzuckermessgeräte in der Praxis genügen müssten. Die Nichtberücksichtigung besonders hoher und besonders niedriger Blutzuckerwerte stelle keinen Umstand dar, der die wissenschaftliche Validität der Studienergebnisse beeinträchtige. Solche Werte kämen selten vor, da sie grundsätzlich einen pathologischen Zustand des Patienten bedeuteten. Das bedeute aber, dass ein Blutzuckermessgerät erst recht den Anforderungen der ISO 15197:2003 genügen müsse, wenn im Rahmen einer Studie besonders hohe und besonders niedrige Blutzuckerwerte unberücksichtigt geblieben seien. Insoweit liefere die T.-Studie gleichfalls valide Erkenntnisse darüber, wie sich ein Blutzuckermessgerät in der alltäglichen Praxis bewähre.

Die angesprochenen Verkehrskreise, nämlich das Fachpersonal von Arztpraxen mit diabetologischem Schwerpunkt, gingen nicht davon aus, dass Studien, die eine Aussage darüber träfen, ob die getesteten Blutzuckermessgeräte die ISO-Anforderungen erfüllten, in strikter Einhaltung des Verfahrens der ISO erstellt worden seien. Die Kriterien zur Messgenauigkeit der ISO 15197:2003 stellten eine bei Fachkreisen allgemein bekannte Größe dar, welche zur Darstellung der Ergebnisse entsprechender Studien herangezogen werde. Die Verkehrskreise wüssten, dass Blutzuckermessgeräte auf dem EU-Markt nur dann mit CE-Kennzeichnung in den Verkehr gebracht werden dürften, wenn sie den ISO-Anforderungen genügten. Allein aus diesem Umstand ergebe sich, dass die angesprochenen Verkehrskreise auch über die Existenz abweichender Studienergebnisse Kenntnis hätten.

Der Klage fehle das Rechtschutzbedürfnis. Zu verweisen sei auf die Rechtsprechung, nach welcher bei Äußerungen von Beteiligten in gerichtlichen Verfahren dem hiervon beeinträchtigten anderen Verfahrensbeteiligten bis zur Beendigung des Verfahrens gegen die Äußerung gerichtete Unterlassungs-, Widerspruchs- oder Schadensersatzklagen versagt seien. Unterstellt, der Sachverhaltsvortrag der Klägerin wäre zutreffend, müssten diese Grundsätze Anwendung finden, da ihr Verteidigungsvorbringen nicht nur in tatsächlicher Hinsicht entstellt, sondern auch zum Anlass und Gegenstand eines weiteren Angriffs gemacht worden sei.

Die Klage sei unzulässig, weil das angerufene Gericht örtlich unzuständig sei. Ferner sei der Klagantrag zu 1) zu unbestimmt und genüge nicht den Anforderungen des § 253 ZPO.

Mit Urteil vom 31.5.2013 hat das Landgericht Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen (Az. 416 HKO 183/12), die Beklagte nach Vernehmung der Zeugin R. antragsgemäß verurteilt. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.5.2013 verwiesen. Hinsichtlich der Begründung des landgerichtlichen Urteils wird auf den Inhalt des Urteils verwiesen.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten. Sie nimmt Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor:

Das Landgericht habe sein Urteil ausschließlich auf das behauptete Geschehen in der Praxis M.T. vom 17.4.2012 gestützt. Dieses habe die Klägerin erstmals mit dem Schriftsatz vom 12.2.2013 in den Rechtsstreit eingeführt und hieraus eine Wiederholungsgefahr abgeleitet. Etwaige Ansprüche der Klägerin aus dem Sachverhalt vom 17.4.2012 seien jedoch verjährt.

Im Übrigen rechtfertige das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht das klägerische Unterlassungsbegehren, da die Zeugin R. lediglich ausgesagt habe, eine Mitarbeiterin der Beklagten habe behauptet, dass „dieses Gerät von A. eine bestimmte Norm oder ein bestimmtes Zertifikat nicht erfülle.“ Damit habe die Klägerin weder bewiesen, dass Aussagen über die Messgenauigkeit eines bestimmten Gerätes der Klägerin gemacht worden seien noch das gerade die ISO 15197:2003 mit der Zeugin besprochen worden sei.

Das angegriffene Urteil sei fehlerhaft, soweit das Landgericht die Klage nicht hinsichtlich des zuerst in das Verfahren eingeführten Streitgegenstandes, nämlich einer unter Verweis auf den Prozessvortrag aus dem Verfahren 406 HKO 64/12 behaupteten Erstbegehungsgefahr abgewiesen habe. Daher sei auch die Kostenentscheidung des landgerichtlichen Urteils rechtsfehlerhaft.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 31.5.2013, Az. 416 HKO 183/12 in vollem Umfang kostenpflichtig abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung sowie die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 5, 8 UWG i.V.m. § 3 HWG zu.

1. Mit ihrer Berufung wehrt sich die Beklagte gegen das Verbot,

- innerhalb des geschäftlichen Verkehrs zu Zwecken des Wettbewerbs

- die Messgenauigkeit der Blutzuckersysteme „C“ und/oder „D“ nach EN-ISO 15197:2003 zu besprechen/besprechen zu lassen unter Bezugnahme auf die Studie von T. et al.

- wenn nicht gleichzeitig darauf hingewiesen wird, dass die T.-Studie nicht in strikter Übereinstimmung mit der Norm EN-ISO 15197:2003 erstellt wurde.

Es handelt sich mithin um einen abstrakten Antrag ohne Bezug auf die konkrete Verletzungsform.

2. Die Klage ist zunächst zulässig.

a. Soweit die Beklagte in erster Instanz die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg in Abrede gestellt hat, vermag dies gemäß § 513 Abs. 2 ZPO die Berufung nicht zu begründen.

b. Auch die nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderliche Bestimmtheit des Verfügungsantrages ist gegeben.

Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit eines Verbotsantrages hat der Bundesgerichtshof ausgeführt (BGH GRUR 2010, 749 Tz. 21– Erinnerungswerbung im Internet):

„Ein Verbotsantrag darf nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was ihm verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe (st. Rspr.; vgl. nur BGHZ 156, 1, 8 f. - Paperboy; BGH, Urt. v. 9.7.2009 – I ZR 13/08, GRUR 2009, 977 Tz. 21 = WRP 2009, 1076 – Brillenversorgung).“

Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze genügt der vorliegende Antrag den Bestimmtheitsanforderungen. Mit dem Begriff „besprechen/besprechen zu lassen“ meint die Klägerin nach der zur Auslegung des Antrags heranzuziehenden Antragsbegründung erkennbar die Behauptung, dass ausweislich der T.-Studie „C“ die Kriterien der ISO 15197:2003 nicht erfülle und/oder dass die Erfüllung der ISO-Kriterien in Bezug auf „D“ durch diese Studie wissenschaftlich belegt sei. Einer näheren Umschreibung des angegriffenen Verhaltens bedarf es im Hinblick auf die hinreichende Bestimmtheit des geltend gemachten Unterlassungsantrages nicht.

c. Schließlich fehlt es auch nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis.

Der Verweis der Beklagten auf die Rechtsprechung des BGH, wonach einer Klage auf Unterlassung oder Beseitigung von Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren dienen, das Rechtsschutzbedürfnis fehlen kann (BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 - I ZR 177/95, WRP 1998, 512 - Bilanzanalyse Pro 7; Urteil vom 10. Dezember 2009 - I ZR 46/07, BGHZ 183, 309 – Fischdosendeckel), greift nicht durch. Dieser Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, dass auf den Ablauf eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens nicht dadurch Einfluss genommen werden und seinem Ergebnis nicht dadurch vorgegriffen werden soll, dass ein an diesem Verfahren Beteiligter durch Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt wird. Der Beklagten soll hier jedoch nicht verboten werden, sich in einem anderen Verfahren dazu zu erklären, wie ihr Außendienst mit der T.-Studie umgegangen ist. Vielmehr soll sie es unterlassen, die Studie in der im Antrag beschriebenen Form zu Werbezwecken zu verwenden. Um die Unterlassung einer der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dienenden Äußerung geht es gerade nicht.

3. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 5, 8 UWG i.V.m. § 3 HWG. Die werbliche Behauptung, durch die T.-Studie sei wissenschaftlich belegt, dass das Gerät „C“ nicht den von der ISO15197:2003 festgelegten Mindeststandard erfülle, „D“ dagegen schon, ist irreführend.

a. Es kann zunächst festgestellt werden, dass die von der Klägerin behaupteten Verletzungshandlungen der Beklagten stattgefunden haben. Dass die Außendienstmitarbeiterin H. die T.-Studie, welche sie im April 2012 von ihrem Vertriebsleiter erhalten hat, in der Folge bei Praxisbesuchen im Raum Bremen besprochen hat, hat die Klägerin durch ihren Verweis auf den Widerspruchsschriftsatz der Beklagten vom 3.8.2012 zu dem Verfahren 406 HKO 64/12 sowie auf die dortige eidesstattliche Versicherung der Zeugin H. hinreichend belegt. Da sich aus der von der Beklagten selbst vorgelegten eidesstattlichen Versicherung ergibt, dass Frau H. die in dem Vorverfahren streitige Darstellung mit der Tabelle zur Besprechung der T. -Studie herangezogen hat, steht auch hinreichend fest, dass bei diesen Besprechungen seitens der Außendienstmitarbeiterin behauptet wurde, dass „D“ ausweislich der Ergebnisse der T.-Studie die Kriterien der ISO 15197:2003 erfülle, „C“ dagegen nicht. Der Senat geht auch davon aus, dass Frau H. im Rahmen dieser Gespräche nicht darauf hingewiesen hat, dass die T.-Studie nicht in strikter Übereinstimmung mit der ISO 15197:2003 erstellt wurde. In ihrer eidesstattlichen Versicherung ist von einer derartigen Erläuterung nicht die Rede, die Klägerin hat einen solchen Hinweis dementsprechend in Abrede gestellt. Die Beklagte, die insoweit jedenfalls eine sekundäre Darlegungslast trifft, hat nicht dargelegt, dass Frau H. bei den Praxisbesuchen erklärt habe, bei der Erstellung der Studie sei von dem in der ISO 15197:2003 vorgegebenen Testaufbau abgewichen worden.

b. Die streitgegenständliche Angabe ist irreführend.

(1) Zum Verkehrsverständnis hat die Klägerin vorgetragen, durch den bei der Besprechung der T.-Studie unterlassenen Hinweis auf den nicht der ISO entsprechenden Studienaufbau vermittle die Beklagte den irreführenden Eindruck, die T.-Studie genüge den von der ISO 15197:2003 aufgestellten Anforderungen und könne wissenschaftlich valide und zuverlässige Aussagen über die Messgenauigkeit von Blutzuckermesssystemen nach der ISO 15197:2003 treffen. Die angesprochenen Verkehrskreise setzten als selbstverständlich voraus, dass eine Studie, die (angeblich) valide Aussagen über die Messgenauigkeit von Blutzuckersystemen nach ISO-Norm treffen könne, selbst den Voraussetzungen dieser Norm entspreche. Die Verkehrskreise würden daher annehmen, mit der T.Hein-Studie sei zum einen eine nach den Kriterien der ISO15197:2003 unzureichende Messgenauigkeit des Blutzuckermesssystems „C“ zuverlässig und valide nachgewiesen, während auf der anderen Seite belegt sei, dass das Blutzuckermesssystem der Beklagten diese Kriterien erfülle.

(2) Dieses Verkehrsverständnis ist zutreffend. Maßgeblich ist das Verkehrsverständnis des situationsadäquat aufmerksamen, durchschnittlich informierten und vernünftigen Arztes oder Arztpraxismitarbeiters, der die Werbung wahrnimmt. Das Verständnis dieses Verkehrskreises vermögen die Mitglieder des Senats selbst zu beurteilen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist die Beurteilung des Verkehrsverständnis von Ärzten durch die Mitglieder des Gerichts jedenfalls dann möglich, wenn der Erkenntnisstand der Wissenschaft im Hinblick auf den maßgebenden Sachverhalt vorgetragen wurde und außerdem kein Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass ein Arzt die deutsche Sprache anders verstehen könnte als jemand, der ebenfalls ein wissenschaftliches Studium absolviert hat (Senat, PharmR 2010, 135; Senat, PharmaR 2007, 204). Diese Voraussetzungen liegen vor, so dass die Rechtsprechung, welche auch auf das Verständnis von (medizinisch geschultem) Praxispersonal übertragbar ist, hier Anwendung findet.

Die ISO 15197:2003 macht in Ziff. 7.3.1.2. Vorgaben dazu, wie die Messgenauigkeit von Blutzuckermessgeräten zu testen ist. Wenn nun Angaben dazu gemacht werden sollen, ob ein bestimmtes Gerät die ISO-Vorgaben einhält oder nicht, kann dies - uneingeschränkt – nur auf der Basis von Untersuchungen geschehen, bei denen die Vorgaben der ISO 15197:2003 zum Prüfungsaufbau vollumfänglich eingehalten wurden. Werden – wie hier – in einer wissenschaftlichen Studie Angaben dazu gemacht, welche Blutzuckermessgeräte die Messgenauigkeitsanforderungen der ISO 15197:2003 erfüllen und welche nicht, geht der Verkehr davon aus, dass diese Geräte im Rahmen der Studie nach den von der ISO 15197:2003 vorgegebenen Maßgaben getestet worden sind.

Angesichts der Vorgaben der ISO 15197:2003 zu den Glukosekonzentrationsspannbreiten des zu untersuchenden Blutprobenmaterials überzeugt das Argument der Beklagten nicht, die angesprochenen Verkehrskreise verstünden unter den ISO-Anforderungen lediglich den von der Norm definierten Grenzwert von 95% der zulässigen Abweichungen in Relation zu dem Referenzwert. Der Verkehr geht bei Angaben, wie sie hier in der T.-Studie unter „Results“ gemacht werden, nicht davon aus, dass die Messgenauigkeit der Geräte ohne strikte Einhaltung der ISO-Testanordnung aufgrund von in Alltagssituationen entnommenen Blutproben mit beliebigen Glukosekonzentrationen getestet wurde.

(3) Bei Zugrundelegung dieses Verkehrsverständnisses ist die streitgegenständliche Behauptung irreführend, weil die T.-Studie nicht in Übereinstimmung mit dem von der ISO vorgegebenen Prüfungsprotokoll erstellt wurde.

Die Werbung für Arzneimittel unterliegt den strengen Voraussetzungen der gesundheitsbezogenen Werbung, wonach wegen des hohen Schutzgutes der Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen besonders strenge Anforderungen zu stellen sind (Senat, Urteil v. 21.12.2006, Az. 3 U 77/06, PharmaR 2007, 204). Daher sind werbende Anpreisungen auf diesem Gebiet nur zulässig, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen (BGH GRUR 1971, 153 – Tampax). Gegenüber der substantiierten Behauptung des Antragstellers, einer von ihm als irreführend angegriffenen gesundheitsbezogenen Werbung fehle die wissenschaftliche Grundlage bzw. die Aussage sei wissenschaftlich umstritten, obliegt es dem Antragsgegner, die wissenschaftliche Absicherung der Werbeaussage zu beweisen (Harte/Henning/Weidert, UWG, 2. Aufl. 2009, § 5 C Rz. 175). Denn hat der Werbende mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben und diese in der Werbung als objektiv richtig hingestellt, ohne auf die Bedenken hinzuweisen und die Gegenmeinung zu erwähnen, so übernimmt er dadurch, dass er sich für eine bestimmte Auffassung entscheidet und eine bestimmte Aussage trifft, die Verantwortung für deren Richtigkeit, die er – abweichend von den allgemeinen Regeln – nach höchstrichterlicher Rechtsprechung im Streitfall darzulegen und zu beweisen hat (BGH GRUR 91, 848, 849 - Rheumalind II m.w.N.; Senat GRUR-RR 2002, 173).

Im vorliegenden Fall lässt sich der T.-Studie selbst entnehmen, dass im Rahmen ihrer Erstellung die Blutzuckermessgeräte nicht entsprechend der Vorgaben der ISO 15197:2003 getestet worden sind. Wie bereits dargelegt heißt es auf S. 3:

„This study was not done in strict compliance with ISO 15197, which requires a specific distribution of the glucose values in predefined ranges. Also, no artificial manipulation of samples was done to achieve very high or very low glucose levels.”

Der erste Teil dieser Aussage bezieht sich auf die Anordnung in Ziff. 7.3.1.2 der Norm, in der bestimmte Glukosekonzentrationen und der auf sie entfallende prozentuale Anteil der Proben festgelegt werden, um dem Umstand zu begegnen, dass jedes Messsystem bei einer bestimmten Glukosekonzentration besonders genau und bei anderen Konzentrationen ungenauer misst. Dies wiederum beruht auf dem Umstand, dass die auf den Teststreifen verwendeten Enzym-Coenzym-Varianten bei bestimmten Konzentrationen sensibler oder weniger sensibel reagieren. Der zweite Teil der Aussage bezieht sich darauf, dass die ISO-Norm in Ziff. 7.3.1.2 vorgibt, dass der Probenanteil für besonders hohe bzw. niedrige Konzentrationen künstlich (durch Manipulationen an den Kapillarblutproben) herzustellen ist. Da T. et al. dies nicht getan haben, muss nach ihren eigenen Angaben in der Studie davon ausgegangen werden, dass Proben mit besonders hohen bzw. niedrigen Glukosewerten keinen bzw. keinen hinreichenden, den Vorgaben der ISO 15197:2003 entsprechenden Eingang in die Studie gefunden haben.

Vor diesem Hintergrund überzeugt das Argument der Beklagten, dass die ISO 15197:2003 nur die Gerätehersteller verpflichte und die Abweichungen der Studie von der ISO 15197:2003 einem ordentlichen wissenschaftlichen Standard entsprächen, nicht. Die ISO 15197:2003 macht genaue Vorgaben zu den Glukosekonzentrationsspannbreiten der zu untersuchenden Proben und verlangt davon ausgehend, dass 95 % aller mit dem Gerät gemessenen Werte nicht um mehr als einen bestimmten Grad von dem im Labor ermittelten Wert abweichen. Gerade weil die Messsysteme bei bestimmten Konzentrationen genauer messen als bei anderen, kann ein Abweichen von der von der ISO 15197:2003 vorgegebenen Zusammensetzung des zu untersuchenden Blutprobenspektrums durchaus zu Veränderungen bezüglich des Gesamtergebnisses an „richtigen“ Ergebnissen iSd ISO 15197:2003 führen. Auch wenn die Studie durchaus valide Erkenntnisse zur Messgenauigkeit der Geräte in Alltagssituationen liefern mag, kann sie keine uneingeschränkte Aussage dazu treffen, ob und inwieweit diese die Anforderungen der ISO 15197:2003 erfüllen. Insoweit ist auch zu sehen, dass die künstlich herzustellenden Proben mit Glukosekonzentrationen von <2,8 mmol/l bzw. >22,2 mmol/l, welche im Rahmen der T.-Studie nicht hergestellt worden sind, lt. ISO-Vorgaben immerhin 10% des gesamten Untersuchungsmaterials ausmachen.

Dieser Irreführung wird auch nicht hinreichend dadurch entgegen gewirkt, dass in der Studie auf S. 3 (unter der Überschrift „Accuracy according to ISO 15197 an its new draft of 2010“) und auf S. 7 (unter „Discussion and Conclusion“) ausdrücklich Ausführungen zur fehlenden ISO-Konformität der Studie gemacht werden. Es besteht die Gefahr, dass der Verkehr – auch dann, wenn die Studie ihm vom Außendienst der Beklagten überlassen wird - lediglich die im Blickfang stehende Zusammenfassung auf S. 1 zur Kenntnis nimmt, insbesondere die dort unter „results“ und „conclusions“ gemachten Angaben. Insoweit ist auch zu sehen, dass die Studie auf Englisch verfasst ist, was geeignet ist, zumindest große Teile des Verkehrs davon abzuhalten, sie in Gänze durchzulesen. Soweit die Beklagte bestreitet, dass sie den angesprochenen Verkehrskreisen die Studie in englischer Sprache vorgelegt habe, ist dieses Vorbringen, da die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt hat, unbeachtlich.

4. Aufgrund der glaubhaft gemachten Vorgänge im Raum Bremen besteht insoweit, wie von der Klägerin geltend gemacht, deutschlandweit Wiederholungsgefahr. Zwar hat die Klägerin - auf Nachfrage des Gerichts - in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 26.2.2013 angegeben, sie stütze ihr Begehren sowohl auf Wiederholungs- als auch auf Begehungsgefahr und sodann in dem Schriftsatz vom 28.8.2013 Ausführungen zu einer Erstbegehungsgefahr für Verletzungshandlungen des Außendienstes der Beklagten für den Landgerichtsbezirk Hamburg gemacht. Es ergibt sich aber aus den Ausführungen der Klägerin, dass sie eine Begehungsgefahr im Sinne der Gefahr einer Wiederholung der im Raum erfolgten Bremen Handlungen im Bezirk des Landgerichts Hamburg meint.

Allerdings muss - mangels konkreten Vortrags zu abweichenden Sachverhalten - davon ausgegangen werden, dass Frau H. bei den von ihr in ihrer eidesstattlichen Versicherung beschriebenen Praxisbesuchen die T.-Studie jeweils übergeben hat. Gleichwohl geht das klägerische Unterlassungsbegehren, welches auch Fallgestaltungen ohne eine Übergabe der Studie erfasst, nicht zu weit, da hinsichtlich solcher Konstellationen eine Erstbegehungsgefahr besteht.

5. Auch soweit die Beklagte hinsichtlich des Sachverhaltes vom 17.4.2012, zu dem das Landgericht durch Vernehmung der Zeugin R. Beweis erhoben hat, die Einrede der Verjährung erhebt, greift ihre Rechtsverteidigung nicht durch. Die Klägerin hat sich zur Begründung ihres Unterlassungsbegehrens bereits in der Klagschrift auf die Angaben der Beklagten in dem als Anlage K 6 eingereichten Widerspruchsschriftsatz aus dem Verfahren 406 HKO 64/12 und die Schilderung der Frau H. in der eidesstattlichen Versicherung berufen und damit den Sachverhalt vorgetragen, der ihr Unterlassungsbegehren rechtfertigt. Selbst wenn man auf den erst mit dem Schriftsatz vom 12.2.2013 in den Rechtsstreit eingeführten Lebenssachverhalt abstellen würde, ist nicht ersichtlich, dass die hierfür zuständigen Stellen der Klägerin die gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 2 UWG erforderliche Kenntnis mehr als 6 Monate vor Zustellung dieses Schriftsatzes erlangt haben. Angaben der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten hierzu fehlen. Mithin steht lediglich der Vortrag der Klägerin im Raum, wonach sie nach Erhalt des Widerspruchsschriftsatzes vom 3.8.2012 bei der Arztpraxis nachgefragt habe, ob bei der Besprechung der T.-Studie ein Hinweis auf die Nichteinhaltung der ISO 15197:2003 erfolgt sei. Dieser Darstellung lässt sich nicht entnehmen, wann die Klägerin diese Auskunft erhielt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.

III.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch das Revisionsgericht nicht erfordert.

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