KG, Urteil vom 02.12.2014 - 9 U 182/13
Fundstelle
openJur 2015, 9623
  • Rkr:

1. Der Vollzug der Untersuchungshaft mit täglichen Einschlusszeiten von regelmäßig 23 Stunden in einem Einzelhaftraum kann trotz dessen angemessner Größe menschenunwürdig und damit amtspflichtwidrig im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB sein.

2. Der Vollzug der Untersuchungshaft unter den genannten Bedingungen war jedenfalls bis zum Ende des Jahres 2012 im Land Berlin nicht schuldhaft, weil es vertretbar war, dass die Bediensteten des beklagten Landes diese Bedingungen bis zu dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Oktober 2012 - 2 BvR 736/11 - und dem im vorliegenden Verfahren in Anknüpfung an das Urteil des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin vom 3. November 2009 - VerfGH 184/07 - ergangenen Prozesskostenhilfebeschluss des Senats vom 14. Dezember 2012 - 9 W 71/12 - nicht als menschenunwürdig angesehen haben.

3. Die Inhaftierung unter menschenunwürdigen Haftbedingungen stellt keine einheitliche Dauerhandlung dar, bei der die Verjährung erst mit deren Beendigung beginnt. Deswegen entstehen Ansprüche wegen des amtspflichtwidrig menschenunwürdigen Vollzugs von Haft im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit dem Vollzug der Haft taggenau, so dass die einschlägige dreijährige Verjährungsfrist aus § 195 BGB regelmäßig mit dem Ende des Kalenderjahrs der vollzogenen Haft zu laufen beginnt.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. August 2013 - 86 O 204/11 - unter Zurückweisung der Berufung des Klägers dahin abgeändert, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Geldentschädigung für immaterielle Nachteile wegen der nach seiner Ansicht menschenunwürdigen Unterbringung in der Justizvollzugsanstalt M... des Beklagten während seiner etwa zweieinhalb Jahre dauernden Untersuchungshaft.

Im Einzelnen war der Kläger wie folgt inhaftiert:

- 21. September 2006: Teilanstalt I der Justizvollzugsanstalt M...

- 22. September 2006 bis 10. November 2006: „Begegnungshafträume“ in der Teilanstalt II der Justizvollzugsanstalt M... : Einzelhafträume (Fläche: 6,15 qm bis 8. November 2006, dann 5,83 qm), jeweils verbunden mit einem anderen Einzelhaftraum, bei gemeinsamer Nutzung mit weiterem Inhaftierten, wobei einer der Räume eine gemeinsam zu nutzende Toilette enthielt;

- 11. November 2006 bis 18. März 2009: Einzelhafträume in der Teilanstalt II der Justizvollzugsanstalt M..., Fläche: 7,63 bis 8,04 qm

Der Einschluss in den Hafträumen war wie folgt unterbrochen:

- eine tägliche Freistunde

- fünfmal wöchentlich drei Stunden Umschluss (Zusammenschluss mit anderem Mitgefangenen in einem Haftraum)

- Arbeitstätigkeit in der anstaltseigenen Buchbinderei vom 6. März 2008 bis 18. März 2009

- Teilnahme an Freizeit- und Sportgruppen, Besuche etc.

Der Kläger macht insgesamt 26.400 Euro Entschädigung wie folgt geltend:

- 22. September bis 10. November 2006: 100 Euro je Tag, 4.900 Euro

- 11. November 2006 bis 18. März 2009: 25 Euro je Tag, 21.500 Euro

Das Landgericht hat der Klage in Höhe eines Teilbetrages von 1.225 Euro für die Zeit der Unterbringung in den „Begegnungshafträumen“ bei einem Tagessatz von 25 Euro teilweise stattgegeben; im Übrigen hat es sie abgewiesen. Soweit es Entschädigung gewährt hat, seien 25 Euro, der nach § 7 Abs. 3 StrEG für die Haftentschädigung vorgesehene Betrag, ausreichend. Die von dem Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greife nicht durch, weil die Verjährungsfrist erst mit dem Ende seiner Inhaftierung in der Justizvollzugsanstalt M... und Verlegung in die Justizvollzugsanstalt T... zu laufen begonnen habe. Im Übrigen sei die Unterbringung des Klägers nicht menschenunwürdig gewesen, jedenfalls fehle es bei den Bediensteten des Beklagten an dem für eine Haftung erforderlichen Verschulden.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine schon erstinstanzlich geltend gemachte Klageforderung weiter, während der Beklagte mit seiner Berufung die Abweisung der Klage auch insoweit anstrebt, als ihr das Landgericht stattgegeben hat.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts vom 7. August 2013 – 86 O 204/11 – unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten dahin abzuändern, dass der Beklagte verurteilt wird, an ihn weitere 25.175,-- Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen und das Urteil des Landgerichts dahin abzuändern, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

II.

1. Die Berufungen beider Parteien sind zulässig, die des Beklagten ist auch begründet (b), während die des Klägers unbegründet ist (a).

a) Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, soweit es die von dem Kläger mit seiner Berufung weiter verfolgten Haftentschädigungsansprüche im Zeitraum seiner Inhaftierung in der Justizvollzugsanstalt M... des Beklagten im Zeitraum vom 11. November 2006 bis 18. März 2009 betrifft. Ein verschuldensunabhängiger Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 EMRK kommt hierbei, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, von vornherein nicht in Betracht, weil Art. 5 EMRK sich grundsätzlich nur auf die Freiheitsentziehung als solche bezieht, nicht auf die Modalitäten des Vollzugs der Haft (BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 – III ZR 342/12 – juris Tz. 29), um die es vorliegend geht. Für einen von dem Kläger in Betracht gezogenen verfassungsunmittelbaren verschuldensunabhängigen Staatshaftungsanspruch wegen Grundrechtsverletzungen fehlt eine Rechtsgrundlage (BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. November 1997 – 1 BvR 2068/93 – juris Tz. 7). Dem Kläger steht aber die geltend gemachte Entschädigung auch nicht aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG als einziger ansonsten denkbaren Anspruchsgrundlage zu.

aa) Bedienstete des Beklagten mögen den Kläger im vorgenannten Zeitraum allerdings teilweise unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert haben und dadurch gegen Amtspflichten im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB verstoßen haben.

(1) Ob der Vollzug von Haft als menschenunwürdig und damit amtspflichtwidrig anzusehen ist, ist jeweils nach einer Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Als erhebliche Umstände kommen insbesondere die Anzahl der in einem Haftraum untergebrachten Gefangenen, die Größe der jedem Gefangenen zur Verfügung stehenden Haftraumfläche, die Ausgestaltung der sanitären Anlagen im Haftraum, die Gesamtdauer der Unterbringung sowie die täglichen Einschlusszeiten in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 – III ZR 342/12 – juris Tz. 6 sowie BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. Februar 2011 – 1 BvR 409/09 – juris Tz. 30).

Dementsprechend hat der Senat in ständiger, vom Bundesgerichtshof gebilligter Rechtsprechung (vgl. Urteile vom 21. September 2012 – 9 U 123/11 sowie 9 U 138/12 – und vom 23. Oktober 2012 – 9 U 34/12 –, vgl. hierzu jeweils BGH, Urteile vom 4. Juli 2013 – III ZR 338/12, III ZR 339/12 sowie III ZR 342/12 – ) in Übereinstimmung mit dem Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin (BerlVerfGH, Beschluss vom 3. November 2009 – 184/07 – juris Tz. 28) entschieden, dass die Unterbringung von Gefangenen in Einzelhafträumen der Teilanstalt I der Justizvollzugsanstalt T... mit einer Fläche von etwa 5,3 Quadratmetern und nicht gesonderter Toilette bei täglichen Einschlusszeiten zwischen 15 und fast 21 Stunden auch im Einweisungsverfahren einen amtspflichtwidrigen menschenunwürdigen Vollzug der Haft darstellt, wenn sie länger als einen Monat andauert. Ist für den Gefangenen unabsehbar, wie lange er unter solchen Bedingungen untergebracht sein wird, ist also für ihn nicht von vornherein klar, wann die Belastungen enden werden, sondern ist die Dauer seines Verbleibs intransparent, sind ihm die genannten Haftbedingungen auch nicht kurzfristig zumutbar (vgl. Senat, Urteil vom 14. August 2012 – 9 U 121/11 – juris Tz. 13).

(2) Nach diesen Grundsätzen mag der Kläger im Zeitraum vom 11. November 2006 bis 18. März 2009 in der Teilanstalt II der Justizvollzugsanstalt M... teilweise menschenunwürdig untergebracht gewesen sein. Das folgt allerdings nicht aus der als solchen hinnehmbaren Haftraumgröße; der Kläger war im genannten Zeitraum in Einzelhafträumen mit einer Größe von 7,63 bis 8,04 Quadratmetern untergebracht. Problematisch ist demgegenüber, dass der Kläger bis zu seiner Tätigkeit in der anstaltseigenen Buchbinderei ab 6. März 2008 regelmäßig bei einer Freistunde rund 23 Stunden in den Hafträumen eingesperrt war und sich sein dortiger Aufenthalt ohne klare zeitliche Begrenzung über viele Monate hinzog. Eingesperrt war er auch bei dem fünfmal wöchentlich ermöglichten sogenannten Umschluss, also dem Zusammenschluss mit einem anderen Gefangenen. Derart lange tägliche Einschlusszeiten über einen längeren Zeitraum hinweg stellen eine ganz erhebliche Beeinträchtigung grundlegender menschlicher Lebensbedingungen dar, woran sich auch durch etwaige punktuelle Entlastungen (Teilnahme an Freizeit- oder Sportgruppen, Besuche etc.) nichts Grundlegendes ändert. Im Rahmen der durchzuführenden Gesamtwürdigung liegt es nahe, dass hier die Grenze des noch Zumutbaren überschritten worden ist und die Haftbedingungen nicht mehr menschenwürdig waren. Das gilt allerdings nur für den Zeitraum bis zum 6. März 2008, weil der Kläger ab diesem Zeitpunkt aufgrund seiner Tätigkeit in der anstaltseigenen Buchbinderei seine Hafträume werktags für viele Stunden täglich verlassen konnte, so dass die Haftbedingungen insoweit in der Gesamtschau auch dann nicht als übermäßig belastend erscheinen, wenn berücksichtigt wird, dass der Kläger an den Samstagen, Sonntagen und Feiertagen, wie zuvor, sich mit lediglich einer Freistunde sowie der Möglichkeit eines dreistündigen “Umschlusses” begnügen musste.

(3) Soweit daneben auch unhygienische und ungesunde Zustände in den Hafträumen, zwar nicht isoliert, wohl aber wenn sie massiv und kumulativ auftreten, eine Verletzung der Menschenwürde begründen können, fallen derartige vom Kläger angeführte Umstände seiner Haft (zu kleine Fenster, Hafträume zu dunkel, nicht renoviert, verschmutzt, Ausdünstungen, Schimmel, Fäkaliengeruch), wie auch das Landgericht zutreffend dargelegt hat, nicht erheblich ins Gewicht. Der Kläger hat keinen Zustand vorgetragen, der eine Verletzung der Menschenwürde begründen würde. Insoweit mag zwar eine ”schäbige" Ausstattung der Hafträume gegeben sein, jedoch ist insoweit nicht zu erkennen, dass dies Ausdruck von Verachtung oder Missachtung des Wertes, der dem Menschen kraft seines Personseins zukommt, gewesen ist. Nicht jeder im allgemeinen Sprachgebrauch als ”unwürdig” bezeichnete Zustand verletzt die verfassungsrechtlich geschützte Menschenwürde (BerlVerfGH, Beschluss vom 3. November 2009 - 184/07 - juris Tz. 25). Die Schwelle zu einer Verletzung der Menschenwürde ist aufgrund der geschilderten baulichen Gegebenheiten noch nicht überschritten. Soweit der Kläger pauschal behauptet hat, er habe sich „nur in der täglichen Freistunde im Hof ohne Handschellen die Füße vertreten“ dürfen, hat er diese pauschale Behauptung nach dem qualifizierten Bestreiten des Beklagten nicht weiter konkretisiert oder auch nur bekräftigt, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, er wolle sie aufrechterhalten.

bb) Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob der Kläger in dem nach den vorstehenden Ausführungen in Betracht kommendem Zeitraum vom 11. November 2006 bis 7. März 2008 amtspflichtwidrig unter menschenunwürdigen Bedingungen in der Justizvollzugsanstalt M... untergebracht war. Denn die Bediensteten des Beklagten haben jedenfalls, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, insoweit nicht schuldhaft gegen Amtspflichten verstoßen, was weitere Voraussetzung für einen Amtshaftungsanspruch aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB wäre.

(1) Bei der Verschuldensprüfung ist auf die Anforderungen abzustellen, deren Beachtung von einem Amtsträger generell erwartet werden kann. Jeder Inhaber eines öffentlichen Amtes hat die Sach- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und sich danach aufgrund vernünftiger Überlegungen eine Rechtsmeinung zu bilden. Wenn die nach solcher Prüfung gewonnene Rechtsansicht des Amtsträgers als vertretbar angesehen werden kann, lässt sich aus der späteren Missbilligung dieser Rechtsauffassung durch die Gerichte ein Schuldvorwurf nicht herleiten. Eine infolge unrichtiger Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung fehlerhafte Amtsausübung ist zwar unter anderem dann schuldhaft, wenn die Auslegung und Anwendung gegen den klaren, bestimmten und völlig eindeutigen Wortlaut des Gesetzes verstößt oder zu einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung in Widerspruch steht. Anders ist es aber, wenn die Rechtsfrage nicht einfach zu beurteilen ist beziehungsweise die Auslegung einer Vorschrift - bezogen auf den zur Entscheidung stehenden Einzelfall - zweifelhaft sein kann und insoweit die Sache weder durch die Rechtsprechung geklärt noch im Schrifttum abschließend behandelt ist (BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 – III ZR 342/12 – juris Tz. 10 m.w.N.).

(2) Nach diesen Grundsätzen haben die verantwortlichen Amtsinhaber des Beklagten bei der Unterbringung des Klägers in den streitgegenständlichen Hafträumen im Zeitraum vom 11. November 2006 bis 7. März 2008 nicht fahrlässig gehandelt, denn es war vertretbar, davon auszugehen, dass die oben festgestellten Haftbedingungen die Schwelle zu einer Verletzung der Menschenwürde noch nicht überschritten hätten.

Hierbei ist zu beachten, dass es sich bei der Beurteilung der Menschenrechtswidrigkeit von Haftbedingungen, wie bereits ausgeführt, immer um eine schwierige Gesamtschau der Umstände des konkreten Einzelfalls handelt, in der ein Verstoß gegen die Menschenwürde nicht mit der Größe der Zelle allein, sondern unter wertender Heranziehung aller Haftbedingungen festgestellt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 – III ZR 342/12 – juris Tz. 15 m.w.N.). Verfassungsgerichtliche oder höchstrichterliche Rechtsprechung aus der die verantwortlichen Amtsträger des Beklagten auf eine menschenunwürdige Unterbringung des Klägers in den Einzelhafträumen hätten schließen können, existierte bis zu dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin vom 3. November 2009 (VerfGH 184/07) nicht. Vielmehr drehte sich der politische, fach- und verfassungsgerichtliche Diskurs um Fragen der Überbelegung in gemeinschaftlichen Hafträumen und dadurch verursachte Verstöße gegen die Menschenwürde. Die Problematik einer zu kleinen Einzelzelle spielte – wie der Senat in ständiger Rechtsprechung ausführlich erörtert hat (vgl. nur Senat, Urteil vom 14. August 2012 – 9 U 121/11 –, juris Tz. 33 ff) – in der Diskussion bis dahin keine Rolle (so auch BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 – III ZR 342/12 – juris Tz. 12 m.w.N.). Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte folgten keine weitergehenden Anforderungen (Senat, Urteil vom 14. August 2012 – 9 U 121/11 –, juris Tz. 35; BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 – III ZR 342/12 – juris Tz. 13). Die Auffassung, dass die Haftbedingungen in den Einzelzellen der Teilanstalt I der Justizvollzugsanstalt T..., die mit etwa 5,3 Quadratmetern Fläche deutlich kleiner waren als die Hafträume, in denen der Kläger im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 7. März 2008 untergebracht war, nicht gegen die Menschenwürde verstoßen, entsprach seinerzeit im Übrigen der Rechtsprechung der Berliner Strafvollstreckungsgerichte (vgl. KG, Beschluss vom 25. September 2007 – 2/5 Ws 189/05 Vollz –), was bei der Verschuldensprüfung mit zu berücksichtigen ist (BGH, Urteil vom 04. Juli 2013 – III ZR 342/12 – juris Tz 14). Auch die äußerst langen täglichen Einschlusszeiten im Rahmen der Untersuchungshaft waren, soweit ersichtlich, vor dem streitgegenständlichen Haftzeitraum nicht problematisiert worden (vgl. etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Oktober 1993 – 2 BvR 1778/93 – juris Tz. 9 sowie Kammerbeschluss vom 13. November 2007 – 2 BvR 939/07; anders erst nunmehr BVerfG, Kammerbeschluss vom 17. Oktober 2012 – 2 BvR 736/11 – juris Tz. 31). Vor diesem Hintergrund kann es den Bediensteten des Beklagten nicht zur Last gelegt werden, dass sie die Haftsituation des Klägers für hinnehmbar hielten.

b) Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist die Klage auch unbegründet, soweit es die gemeinsame Unterbringung des Klägers mit einem anderen Gefangenen in einem offen mit einem anderen Haftraum verbundenen „Begegnungshaftraum“ mit einer Fläche von 6,15 Quadratmetern beziehungsweise 5,83 Quadratmetern und räumlich nicht abgetrennter Toilette im Zeitraum vom 22. September 2006 bis zum 10. November 2006 betrifft. Zwar hat das Landgericht zu Recht festgestellt, dass diese Haftbedingungen menschenunwürdig waren und die Bediensteten des Beklagten dies im Hinblick auf die bereits zum damaligen Zeitpunkt bekannten Mindeststandards bei der Unterbringung mehrerer Gefangener fahrlässig verkannt haben. Anders als das Landgericht gemeint hat, sind die insoweit bestehenden Amtshaftungsansprüche des Klägers aber in der einschlägigen regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfristverjährt aus § 195 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juni 2009 - III ZR 144/05 - juris Tz. 40) verjährt, so dass der Klageforderung insoweit die von dem Beklagten erhobene Einrede aus § 214 Abs. 1 BGB entgegensteht.

aa) Die dreijährige Verjährungsfrist begann gemäß §199 Abs. 1 BGB für den in das Jahr 2006 fallenden Haftzeitraum mit Ablauf des 31. Dezember 2006. Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

Diese Voraussetzungen lagen hier für die vorgenannten Haftzeiträume mit Ablauf des 31. Dezember 2006 vor. So hatte der Kläger bereits im Jahr 2006 sowohl von seinen Haftbedingungen in der Justizvollzugsanstalt M... als auch von der Person des Schuldners – dem Beklagten als Träger der Justizvollzugsanstalt M... - Kenntnis (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).

Entstanden ist der Anspruch mit dem Vollzug der Haft in dem vorgenannten Zeitraum. Bei einer Inhaftierung unter menschenunwürdigen Haftbedingungen handelt es sich nicht um eine einheitliche Dauerhandlung, bei der die Verjährung erst mit der deren Beendigung beginnt (vgl. hierzu BGH, EuGH-Vorlage vom 12. Oktober 2006 - III ZR 144/05 - juris Tz. 40). Denn jede Zuweisung einer neuen Zelle, die dem Mindeststandard nicht entspricht und in der sich der Betroffene über einen langen Zeitraum für viele Stunde täglich aufhalten muss, stellt in Verbindung mit der Umsetzung der Zuweisung ein selbständiges verjährungsrechtliche Folgen auslösendes Verhalten dar. Dabei liegt auch in dem auf die Zuweisung gründenden wiederholten Einschluss in die jeweilige Zelle ein selbständiges Verhalten, das jeweils gegebenenfalls klagbare Ansprüche begründet hätte. Bei wiederholten Handlungen beginnt die Verjährung mit der Beendigung jeder einzelnen schadenstiftenden Handlung (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 1984 - I ZR 195/81 - juris Tz. 24). Dass die wiederholten schadenstiftenden Handlungen auf einen einheitlichen Entschluss zurückzuführen sind, führt nicht dazu, dass die Verjährung erst mit der letzten unerlaubten Handlung für alle beginnt (vgl. BGH, EuGH-Vorlage vom 12. Oktober 2006 - III ZR 144/05 - juris Tz. 37).

Dem Beginn des Laufs der Verjährungsfrist für etwaige Ansprüche des Klägers wegen seiner Inhaftierung im Zeitraum vom 22. September 2006 bis zum 10. November 2006 stand auch nicht entgegen, dass ihm eine die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmende Klageerhebung unzumutbar gewesen wäre. Die Zumutbarkeit einer Klageerhebung wird im Einzelfall verneint, wenn die Rechtslage unsicher und zweifelhaft ist (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. nur BGH, Urteil vom 23. September 2008 - XI ZR 262/07 - juris Tz. 15). Dies war hier nicht der Fall. Es war in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Jahr 2006 bereits geklärt, dass im Falle einer Verletzung der Menschenwürde und des Persönlichkeitsrechts eines Strafgefangenen durch rechtswidrige Zustände bei der Unterbringung während des Strafvollzugs ein auf Geld gerichteter Anspruch als Ausgleich der erlittenen Nachteile begründet sein kann (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 2004 – III ZR 361/03 - juris Tz. 7 ff.). Ebenso war durch den Bundesgerichtshof entschieden worden, dass die Frage, wann die räumlichen Verhältnisse während des Strafvollzugs derart beengt sind, dass die Unterbringung gegen die Menschenwürde verstößt, nach dem Ergebnis einer tatrichterlichen Würdigung der besonderen Umstände des konkreten Unterbringungsverhältnisses zu beantworten ist und sich kein abstrakt-genereller Maßstab aufstellen lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2006 - III ZB 89/05 - juris Tz. 10, sowie Beschluss vom 21. Dezember 2005 - III ZR 33/05 - juris Tz. 2). Obergerichtlich war insbesondere immer wieder entschieden worden, dass Entschädigungsansprüche in Betracht kommen, wenn in einem mehrfach belegten Haftraum eine Mindestfläche von sechs bis sieben Quadratmetern je Gefangenen nicht eingehalten wird und die Toilette nicht abgetrennt beziehungsweise nicht gesondert entlüftet ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Februar 2011 – 1 BvR 409/09 – juris Tz. 31 mit der dort nachgewiesenen Rechtsprechung). Risikolos muss eine Klage nicht sein, um dem Geschädigten zugemutet werden zu können (vgl. BGH, Urteile 26. September 2012 - VIII ZR 152/11 - juris Tz. 36; vom 4. Juni 2009 - III ZR 144/05 - juris Tz. 34; vom 18. Dezember 2008 - III ZR 132/08 - juris Tz. 14).

bb) Die mit Ablauf des 31. Dezember 2006 begonnene Verjährungsfrist endete gemäß §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 31. Dezember 2009. Eine Verjährungshemmung nach §§ 203 ff. BGB ist nicht gegeben, insbesondere keine nach § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB, da der - der Klageeinreichung vorausgegangene - Prozesskostenhilfeantrag des Klägers erst im Jahr 2011 bei Gericht eingegangen ist, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Ansprüche des Klägers wegen seiner Inhaftierung im Zeitraum vom 22. September 2006 bis zum 10. November 2006 bereits verjährt waren.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3. Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen; weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).